Jein. Das mit dem Würfeln stimmt schon, das ist Teil des Problems. Aber nicht im Sinne von "es wird zu viel gewürfelt" sondern eher im Sinne es wird nur gewürfelt.
Eigentlich lasse ich auch ausserhalb von Kämpfen gerne viel würfeln, ohne diesen Effekt zu haben.
Ich hatte über das Thema auch schon öfters mal mit Spielern gesprochen, und meist kam raus dass sich das ganze wie 2 Spiele und vor allem 2 Charaktere spielt.
1 Charakter hat einen Hintergrund, Schwächen, Stärken und eine Geschichte.
Und der andere Kampfeigenschaften. Und in vielerlei Hinsicht war ihre einzigen Gemeinsamkeit der Charaktername. Das lag nicht einmal arg daran dass die Spieler die beiden Charakterhälften nicht zusammenpacken wollten. Sondern in erster Linie an einer gewissen Beschreibungsfeindlichkeit des Systems selbst. Viele Dinge in 3.5 lassen sich schwer beschreiben oder verhindern aktiv eine stimmungsvolle Beschreibung durch ihre Regelauslegung. Oben habe ich ja schon die Full Attack genannt, aber sie ist nicht das einzige Beispiel.
Schon beim normalem Angriff sieht man dies. Mein Dieb mit seinen Dolchen, der Waldläufer und der Krieger mit seinem Schwert greifen in der Beschreibung ihrer Aktionen unterschiedlich an. Sie tun verschiedene Dinge. Im Spiel wird dies jedoch kaum repräsentiert. Sicher - ich kann flanken und mach dann Extraschaden. Doch darüber hinaus gibt es kaum Unterschiede, erst mit späteren Erweiterungen kamen dort mehr Möglichkeiten hinzu wirklich unterschiedliche Aktionen zu haben.
Das klingt erst einmal nicht wirklich tragisch. Hey...beschreiben kann ich es dennoch, oder? Doch das wichtigste für eine Beschreibung sind Relevanz und Konsistenz. In obigem Fall ist es egal ob ich beschreibe dass ich eine kunstvolle Finte mache um mit meinem Dolch zuzustossen. Darum wird es kaum beschrieben. Spieler hören es und sagen sich: "Warum quatscht der schon wieder...würfel doch einfach". Und es stimmt ja - ich gebe meinen Mitspielern keine Information. Ich mache ja nur einen Angriff. Und der nächste Angriff wird sich regeltechnisch nicht davon unterscheiden. Alles was ich tue ist etwas zu posen.
Das wäre anders wenn eine Relevanz da wäre, wenn dieser Angriff zum Beispiel den Namen "Trickreicher Schlag" hätte und ich sagen kann: Ich mache einen trickreichen Schlag und nutze eine Lücke in der Deckung meines Gegners. Und dies eine relevanz hätte da dies unterschiedlich zu anderen Aktionen wäre.
Der nächste Punkt ist Konsistenz. Kann ich beschreiben dass ich meinen Gegner ins Leere laufen lasse und ihm dann einen Schlag verpasse? Gewiss. Er läuft nur nicht ins Leere im Spiel. Ich habe nur angegriffen regeltechnisch, und mein Gegner sich nicht bewegt.
Das bringt ein weiteres Problem: Die möglichen Beschreibungen einer Aktion sind eingeschränkt durch die vorhandenen Regelumsetzungen - überschreitet man diese Grenze entstehen Inkonsistenzen. Nimmt man die normalen Regeln so macht eine Finte nicht viel mehr als dem Gegner seinen Geschicklichkeitsmodifikator zu nehmen. Er weicht nicht mehr so gut aus. Ein ähnliches Problem gibt es wie gesagt bei der Full Attack. Ich kann sie beschreiben als einen fantastischen Schlagabtausch - als ein Schwertduell. Regeltechnisch bleibt es aber ein ("ich mach 3 Angriffe", "ich mach 2", "ich mach 3 Angriffe", "ich wieder 2") recht starres Gerüst. Und im Spiel ist halt eventuell nach den Angriffen eines Spielers der Gegner schon tot - kein Schlagaustausch, kein ineinandergreifen der Aktionen. Letztlich beschreibe ich etwas das IG einfach nicht passiert, und das führt dazu das die Spieler es nicht mehr beschreiben.
Wenn man sich einen guten Fantasy Roman ansieht und einen Kampf darin dann ist der voll von Bewegung, von kreativen Möglichkeiten die Eigenschaften der Charaktere im Kampf darzustellen. Niemand würde einen Kampf so beschreiben wie er in den standart 3E/3.5 Regeln abläuft, nein da unterbrechen Protagonisten die Aktionen ihrer Gegner, da reissen sie das Schild hoch um ihre Kameraden zu schützen und da kennzeichnet sich der Schurke nicht nur darin dass er die Gegner gern von hinten angreift sondern auch durch schmutzige Kampfweise, Tricks und ähnliches.
Ich glaube dass die 3E/3.5er Edition durchaus Mittel für sowas bietet. Es gibt wenig das es nicht gibt hier, das System ist so voller Material das man mit etwas Aufwand diese Dinge umgehen kann indem man nur genug Dinge aus genug verschiedenen Büchern zusammensammelt, und dabei ein wenig darauf achtet nicht zu viel Power Creep auf dem Weg mitzunehmen. Aber es ist nicht so als ob das System an sich Beschreibungsfreundlich wäre. Das Leute so oft der Meinung sind es ginge in anderen Rollenspielen "nur um Kampf, und nicht um Charakterspiel" hängt nicht nur damit zusammen dass in Deutschland Rollenspiel oft mit Charakterspiel gleichgesetzt wird. Sondern daran dass Kämpfe nicht zum Charakterspiel und oft nichtmal zur Geschichte gerechnet werden. Sind sie in einem Fantasyroman noch oft der Kulminationspunkt der Geschichte so sind sie im Rollenspiel plötzlich für diese irrelevant.
Kämpfe sind ein Minispiel im Spiel. Es wird gewürfelt, es wird gelacht und die eine oder andere coole Aktion durchgeführt. Und dann ist das Monster tot und man spielt wieder seinen Charakter mit all seinen Eigenschaften. Mal auf meine Erfahrung mit der 3E/3.5 bezogen. Die Ausnahmen von dieser Verhaltensweise waren immer die besten und interessantesten Abende. Ich liebe es wenn ein Rollenspiel wie ein Fantasyroman ist.