Aus meiner Sicht geht es den Spielleiter nichts an, was die Spieler mit ihren Erfahrungspunkten anstellen. Die Zeiten, in denen der SL der allmächtige Übervater war, der den hingebungsvoll an seinen Lippen hängenden Spielsklaven seinen göttlichen Willen und seine Auffassung von gutem Rollenspiel aufdrückt, sind ja wohl lange vorbei. Die Gruppe einigt sich im Idealfall auf ein Regelsystem, das den gemeinsamen Codex darstellt (sofern es nicht in gemeinsamer Abstimmung gehausregelt wird). Und nach diesem Codex wird auch gesteigert. Wenn es gemäß den Regeln möglich ist, Sachen zu steigern, die man im Abenteuer nicht benutzt hat, dann ist es auch völlig okay, das zu tun. Allenfalls kann der SL den Spielern Tipps geben, welche Fertigkeiten in künftigen Abenteuern nützlich sein könnten. Das war es dann aber auch schon.
Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Im Grunde muss sich der SL nicht mal die Werte der Spieler geben lassen. Er kann sich im Spiel genauso gut davon überraschen und spontan inspirieren lassen.
Dass beim Lernen/Steigern keiner bescheißt, sollte selbstverständlich sein. Es ist aber nicht die Aufgabe des SL, darüber zu wachen, schließlich machen wir ein gemeinsames Spiel und schreiben keine Klausuren. Man sucht sich Leute aus, mit denen man harmoniert, und dann passt es auch.
Wenn sich irgendwann beim Spielen herausstellt, dass ein Charakter den anderen meilenweit voraus ist und sie damit in den Schatten stellt, ist es nicht die Aufgabe des SL, den Spieler des guten Charakters künstlich zurechtzustutzen. Vielmehr sollten die Pappnasen, die nicht in der Lage sind, die Regeln richtig zu lesen, vielleicht mal selbst auf die Idee kommen, den betreffenden Spieler um Hilfe bei der Steigerung zu bitten, denn offenbar hat er ja Möglichkeiten im Regelwerk entdeckt, bei gleichem Punktaufwand deutlich mehr Effekte als sie zu erzielen.
Helfend eingreifen sollte der SL allerdings, wenn:
a) er mit absoluten Rollenspielanfängern spielt, die das Konzept des gemeinsamen Spielvergnügens noch nicht durchblickt haben,
b) er ein neues Spielsystem vorstellt, das die Spieler noch nicht kennen,
c) einer der Spieler offensichtlich die Steigerungsregeln (noch) nicht kennt.
Ab und zu wurde hier angesprochen, dass ja nur der SL den Überblick über die Gesamtentwicklung habe und er somit regulierend eingreifen müsse, damit die Stimmigkeit der Kampagne gewahrt bleibe. Was für ein Schmarrn ist das denn? Schließlich entwickelt man doch die Geschichte gemeinsam durch die Aktionen der Charaktere. Die Spieler sollen und müssen durch ihre Handlungen und die von ihnen gewünschte Charakterentwicklung den Fortgang der Ereignisse bestimmen, nicht irgendwelche wirren Ideen eines geltungsbedürftigen Würfelbecherdiktators. Wenn alle in das gleiche Horn blasen, kommt automatisch etwas positives heraus. Wenn nicht, sollte man sich die Leute suchen, zu denen man vom Spielstil her passt. Es gibt ja heutzutage dem Internet sei Dank genug Möglichkeiten, sich gruppentechnisch neu zu orientieren.