Vielen Dank für die zahlreichen guten Gedanken. Ich gehe mal der Reihe nach auf einige Dinge ein.
Yehodan
Ich habe mich bemüht, etwas differenzierter zu betrachten, unter welchen Umständen das Schaffen von Fakten die Immersion hemmt oder vielleicht auch fördert. Dabei habe ich (im Anschluss an Crimson King und Jiba) behauptet, dass das Einführen von Fakten als Teil einer Beschreibung der Handlung des eigenen Charakters immersionsfördernd sein kann. Warum? Weil der Spieler sich in diesem Fall nicht
außerhalb der Fiktion mit den anderen Spielern
über die Fiktion verständigen muss. Die explizite Absprache (ob nun mit oder ohne Würfelwurf) bringt in jedem Fall eine Distanz zwischen Spieler und Charakter und hemmt somit die Immersion - zumindest wenn man unter Immersion das versteht, was ich angedeutet habe. Wenn der Spieler einfach straight weitererzählt, kann er eher "im Rausch" bleiben. Wenn du das anders siehst, wäre ich gerne an einer Erklärung interessiert. (Der Hinweis auf verschiedene Spielertypen trägt hier mMn nichts, da ich es nahe liegend finde zu sagen, dass unterschiedliche Spielstile unterschiedlich immersiv sind, ohne dass dies irgendwie eine Bewertung des Spielerlebnisses darstellt. Gamisten (um deinen Ausdruck aufzugreifen) spielen halt weniger immersiv, wenn sie als Spieler die Werte ihrer Charaktere checken und sich dann eine Taktik zurechtlegen.)
1of3
Du hast schon recht damit, dass es ein lohnendes Unterfangen wäre, sich im nächsten Schritt darüber Gedanken zu machen, wie das Einführen von Fakten durch Spieler A auf die Immersion der anderen Spieler B, C und D wirkt. Ich hatte das mal rausgelassen. Vielleicht verkompliziert es die Überlegungen hier zu sehr, wenn wir das auch noch mit reinnehmen.
Eigentlich spielt der Spieler, der keine Fakten erschafft und in der Actors Stance bleibt, nicht immersiver als der Faktenschaffer oder Directors Stance/Authors Stance Spieler... er spielt nur durchgängig immersiv.[...] Ich will mich mit dieser These auch ein wenig dagegen wehren, zu behaupten, dass ein SC, der mit durchgängiger Immersion gespielt wird, eher tiefer ist, als ein Charakter, bei dem der Spieler munter die Stances durchgeht. Das muss miteinander nichts zu tun haben.
Vorne Weg: Immersion erzeugt nicht mehr Charaktertiefe. Da stimme ich dir zu. Aber das sollten wir in einem eigenen Thread diskutieren. (Gibt es echt Leute, die so etwas glauben?)
Nicht immersiver, nur durchgängig immersiv - gute Idee. Zunächst: du hast sicherlich recht, dass es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen der Dauer von Immersion und der Intensität von Immersion gibt. Man kann sich problemlos jemanden vorstellen, der immer nur kurze, aber dafür extrem intensive immersive Episoden hat. Gleichwohl glaube ich, dass es im echten Rollenspielleben durchaus einen Zusammenhang zwischen Dauer und Intensität von Immersion gibt. Für die meisten von uns dürfte es einen Moment dauern, sich in einen Charakter einzufühlen. Man kommt dann nach und nach besser hinein. (Man könnte mal eine Umfrage machen, in welchen Situationen Spieler ihre intensivsten immersiven Episoden erleben/erlebt haben. Ich sage voraus, dass die mit überwältigender Häufigkeit nicht zu Beginn der Spielsitzung liegen, sondern im späteren Verlauf der Sitzung stattfinden. Eine mögliche Erklärung wäre, dass man dann die ganzen anderen Sachen, die einen so beschäftigen, nach und nach abgeschüttelt hat, und die richtige innere Haltung gefunden hat, um sich ganz in seinen Charakter fallen lassen zu können.) Wenn es richtig ist, dass das Eintauchen ein bisschen Zeit braucht, bis es voll da ist, dann erscheint es mir auch plausibel anzunehmen, dass jemand, der häufig aus seinem Charakter herausspringt, das Spiel weniger immersiv erlebt. (Darüber können wir ja hier mal weiter nachdenken.)
Den Begriff der Immersion würde ich (und das halte ich durchaus für wichtig und sinnvoll) immer nur auf das Spiel als ganzes anwenden, d.h. die Frage der Immersion lautet: Bin ich voll im Spiel involviert?
Gut, dass du das so klar sagst - da kann ich dir glücklicher Weise ebenso klar widersprechen
Natürlich könnte man das Involviertsein ins gesamte Spielgeschen als Immersion bezeichnen - aber wieso sollte man das tun? Involviert sein kann ich doch auch bspw. beim Fußballspielen oder in einer politischen Debatte mit Freunden. Hier von Immersion zu sprechen erscheint mir aber schief. Für das Phänomen, das du beschreibst, würde ich eher den Ausdruck, den dieser unaussprechliche Psychologe (Csikszentmihalyi) geprägt hat, verwenden: Flow. Die Leute gehen voll in ihrer Tätigkeit auf. Aber ihre Tätigkeit ist nicht in jedem Fall immersiv.
Ich würde eher folgendermaßen unterscheiden: Erstens mir fehlen Informationen um mir die Erlebniswelt des Charakters vorzustellen, oder zweitens ich muss mich mit Informationen befassen die nicht in die Erlebniswelt meines Charakters gehören. Beides ist unerwünscht, aber auch in gewissem Maße tolerierbar, so lange ich meine Aufmerksamkeit davon abwenden kann.
Darüber muss ich noch mehr nachdenken. Es ist auf jeden Fall richtig, dass Immersion gestört wird, wenn ich unklare Vorstellung über dasjenige habe, worin ich eintauchen will. Wenn ich nicht weiß, wie mein Charakter gerade tickt, dann bricht die Immersion zusammen. Sehr gute Beobachtung, die für mich noch einmal einen neuen Aspekt reinbringt. - Ich glaube, dass der zweite Gedanke zumindest im Wesentlichen dasjenige ist, worüber ich bisher nachgedacht habe.
Wenn man Filme anschaut scheint es da mit der Immersion zu klappen, ohne das man auch nur den geringsten Einfluß auf Charakter oder Setting hat. Also muß Immersion etwas sein das durch andere Dinge als das ausspielen seines Charakters (oder das totate beschränken nur auf seinen Charakter)...
Erzähl mal ein bisschen, was uns das über die Immersion im Rollenspiel lehren kann. - Du bist im Übrigen einem Irrtum aufgessen. Mir geht es nicht darum, notwendige Bedingungen für Immersion im Allgemeinen aufzuführen, sondern Immersion im Rollenspiel besser zu verstehen. Und beim Rollenspiel ist es, anders als bspw. im Film, nun einmal so, dass man mehr oder minder aktiv eine Rolle spielt, einen Charakter führt oder etwas in der Art. Das ist nicht notwendig für Immersion, aber fürs Rollenspiel. Ob es notwendig für Immersion im Rollenspiel ist, ist damit noch nicht entschieden. Vielleicht hindert es auch die Immersion im Rollenspiel. Aber der Filmhinweis trägt in der gegenwärtigen Fassung nichts dazu, diese Frage zu klären. Oder habe ich was übersehen?
Mir ist zum Beispiel gar nicht klar, was der Begriff "Charakter" oder sogar "eigener Charakter" im Bezug auf Immersion für eine Qualität haben soll. Warum kann ein Gegenstand nicht auch Teil einer vollständigen Immersion sein? Welche Eigenschaften hat ein Charakter, damit er sich für die Immersion eignet?
Ich habe Immersion wesentlich als Perspektivübernahme bestimmt. Dadurch erklärt sich, warum Charaktere für Immersion in Frage kommen, unbelebte Gegenstände hingegen nicht.
Geht es bei der Immersion nicht um eine Anteilnahme am Geschehen oder an einer Beschreibung? Lässt eine fiktionale literarische Beschreibung nicht auch zu, dass es dabei ausschließlich um Gegenstände oder sogar um abstrakte Dinge geht?
Wie gesagt: meinem Verständnis zu Folge gibt es keine Immersion ohne Perspektivübernahme. Selbstverständlich gibt es packende Beschreibungen von Gegenständen oder abstrakten Dingen. Aber ich verstehe unter Immersion etwas anderes als Anteilnahme, Mitgerissenheit, Involviertsein oder Flow-Erlebnis.
Gaukelmeisters Definition von Immersion deckt nur einen bestimmten Aspekt ab. Immersion meint allgemein eine Art Realitätsverlust, das Vergessen, dass man sich im Wohnzimmer/Kinosaal/etc. befindet, weil man von fiktionalen oder vorgestellten Erlebnissen so sehr in den Bann gezogen wird. Dies über den Charakter zu erreichen, ist ein Weg, und im Rollenspiel wohl auch derjenige, der mit dem Wort Immersion verbunden wird.
Keine Ahnung, ob ich dem so zustimmen würde. Wohl eher nicht. Denn zurzeit kann ich unterscheiden zwischen Realitätsverlust, Flow und Immersion. Allen drei Sachen entsprechen meinem Verständnis zufolge unterschiedliche Phänomene. Falls jetzt alle Sachen dasselbe bedeuten sollen, brauchen wir halt andere Begriffe, um die Dinge zu beschreiben. Aber (noch) sehe ich die Notwendigkeit dafür nicht.
Boah, das war jetzt viel. Ich habe nicht alles berührt, was gesagt worden ist, und vieles nur angerissen. Aber jetzt muss ich erstmal anderswo weitermachen.