So wie ich das verstehe, hat Railroading zwei Seiten, eine "objektive" und eine "subjektive".
Die "objektive" Seite hängt davon ab, wieviel Mitbestimmung, Gestaltungsmöglichkeiten, Lösungsoptionen und Entscheidungsfreiräume die Spieler in einem Abenteuer haben. Wenig bis keine Gestaltungsmöglichkeit des Abenteuerverlaufs seitens der Spieler ist ein objektives Zeichen von Railroading, insbesondere dann, wenn der Spielleiter seine Spielleitermacht benutzt, um den Verlauf zu steuern.
Die "subjektive" Seite fragt danach, ob Spieler fehlende Freiräume, ausbleibende Gestaltungsmöglichkeiten, nicht vorhandene Freiräume usw. als unangenehm empfinden. Zum Railroading gehört ein gewisser Leidensdruck.
Wird das nicht als unangenehm empfunden, weil man es z.B. nicht merkt oder als Voraussetzung zum Spiel freiwillig in Kauf nimmt (wenn nicht gar begrüßt), ist der Begriff Railroading ein Bisschen unglücklich. Dann ist das Illusionismus oder Partizipationismus oder plotbezogenes Spiel oder...
Unter dieser Prämisse (die ihr gerne aufgrund besserer Definitionen/Unterscheidungen von RR kritisieren dürft) halte ich EEs These als Threatopener für schwierig zu beantworten. Zum einen verschleiert auch ein guter, gut konstruierter Plot nicht, dass es sich dabei um eine Spielleitergeschichte handelt - er kann sogar noch viel eher als versteckter Roman erkannt werden. Damit wird Illusionismus nicht einfacher (war Überlegung meines ersten Posts). Zum anderen bleibt die Frage des Partizipationismus.
Ich behaupte mal (das wird vielleicht nicht unwidersprochen bleiben), dass viele, wenn nicht sogar die meisten Spieler ein paar (objektive) Eisenbahnschienen akzeptieren. Zum Beispiel wird von den meisten Spielern ein Auftrag von einem NSC-Auftraggeber erstmal angenommen (bis sich herausstellt, dass man betrogen wurde, der Auftraggeber ein Schwarzmagier ist usw. - bisher ist es mir nur einmal am Spieltisch passiert, dass die komplette Gruppe einen Auftrag nicht annehmen wollte). Eventuell besteht eine grundsätzliche Bereitschaft zum begrenzten Partizipationismus.
Es kann möglich sein, dass ein toller Plot eher zum Partizipationismus motiviert als ein doofer Plot. Die Annahme wäre also, dass ein (vorerst nicht näher spezifizierter) guter Plot die grundlegende Bereitschaft verstärkt: Die Spieler maulen nicht rum, weil sie wissen wollen, wie es weitergeht. (Hier bringe ich jetzt ein Spannungselement mit ein.)
Aber ich habe meine Zweifel, ob das so funktioniert. Kann es nicht sein, dass ein toller, überraschender Plot weitaus mehr "Holzhammermethoden" der Spielerbeschränkung erfordert als ein lahmer Plot? Beispiel: Jede Überraschung in einem tollen Plot muss zum richtigen Zeitpunkt auftreten (um unvorhersehbar zu bleiben, die Spannung hochzuhalten etc.). Deswegen muss ein Spielleiter, um seinen tollen Plot aufrecht zu halten, jede Spielerinitiative sabotieren, die ein Geheimnis "zu früh" aufdeckt (oder zu spät aufdeckt bzw. an einer Aufdeckung vorbeisteuert).
Kurzum: je dichter der Plot, desto mehr Spielleitersteuerung, desto weniger Spielerfreiheit?
Wenn das so ist, könnte gerade ein toller Plot so viel Spielleitersteuerung verlangen, dass auf der Spielerseite das Faß überläuft und die Spielleitereingriffe auf der subjektiven Seite als Railroading wahrgenommen werden?