Gestern habe ich mir den berühmten Rob-Reiner-Film aus den 80ern, The Princess Bride auf DVD angesehen.
Ich hatte schon seit einiger Zeit die Jubiläumsedition-DVD aus Großbritannien hier liegen, hatte mir aber fest vorgenommen, sie nicht anzugucken, bevor ich nicht den Roman The Princess Bride von William Goldman zu Ende gelesen hätte.
Nachdem ich mit dem Roman seit einigen Tagen durch bin (und manche Stellen mehrmals gelesen habe, weil sie so schön waren), kam nun gestern endlich die Filmversion dran.
**** SPOILER ALERT!! ****
Ich muss sagen, dass mich der Film nicht so begeistert hat, wie ich es mir gern gewünscht hätte. Ich bin sogar fast ein wenig enttäuscht--und gleichzeitig sehr froh darüber, zuerst den Originalroman gelesen zu haben (mitsamt "Buttercup's Baby" und den anderen Zusatzkapiteln und Vorworten). Der Film hat meiner Meinung nach ein paar bedauernswerte Schwachstellen:
1. Der Großvater, gespielt von Peter Falk. Dazu muss ich sagen, dass Falk in dieser Rolle mit dem pseudobritischen Akzent so spielt wie eine Witzfigur aus dem Vaudeville oder der Stummfilmzeit. Er wirkt in dem 80er-Jahre-Kinderzimmer mit Telespiel und Masters-of-the-Universe-Figuren wie ein Fremdkörper. Ich finde, der Großvater (im Roman von Goldman ist es ja immer "my dad" ...) wirkt viel zu "campy" und übertrieben. Ist das vielleicht schon Absicht? Ein Verfremdungseffekt?
2. Westley! Ich fand Westley in der Filmversion zwar interessant, aber überhaupt nicht glaubwürdig. Anstelle der Prinzessin hätte ich mich bestimmt nie in so einen unsympathischen, bornierten und spitzzüngigen Besserwisser verliebt. In dem Film kommt überhaupt nicht 'rüber, dass Westley eigentlich der romantische und idealistische Held par excellence sein soll. Der Film-Westley ist nur ein blonder Phrasendrescher. Die Tragweite und Tiefe der Beziehung zwischen Westley und Buttercup kommt in dem Buch viel besser zur Geltung.
3. Die drei Banditen: Vezzini, Inigo und Fezzik. Im Roman werden diese drei Figuren - insbesondere Fezzik und Inigo - geradezu zu Hauptfiguren. Sie haben fast ebenso viel Dialog und ebenso viele Buchseiten wie Westley und die Prinzessin. Ihre Vorgeschichten, die im Roman vorsichtig über mehrere Kapitel aufgebaut werden und sie dem Leser plastisch und sympathisch erscheinen lassen, fallen im Film fast flach. Natürlich muss ein Film im Gegensatz zu einem circa 300 Seiten langen Roman viel streichen und zusammenfassen, aber so gerät Fezzik der Riese zu einer reinen Witzfigur und Inigos schweres Leid und seine Odyssee durch ganz Europa wird nur in einer einzigen Dialogszene kurz angerissen. Diese Szene, in der Inigo vom Tod seines Vaters erzählt, ist zwar schön gespielt, hat aber bei weitem nicht die profunde Gravitas, die ich in der Buchversion gespürt zu haben glaube.
4. Die Folter- und Sterbeszene von Westley ... alles ein wenig "campy" und dick aufgetragen und letztlich fast ein bisschen Slapstick. Im Roman ist Westleys Abgang auch wieder wesentlich seriöser und aufwühlender beschrieben, eigentlich der Höhepunkt des ganzen Buchs. Das macht auch die Szene in der Hütte von Max dem Wunderdoktor umso bedeutender. Ich habe diese Seiten vor etwa zwei Monaten nachmittags in einem Café gelesen und hätte fast laut losgeheult vor Emotionen... ich musste mich wirklich sehr beherrschen. In der Filmversion ist das alles recht "entschärft" und für ein Familienpublikum ein wenig mehr auf die Slapstick-Schiene geschoben. Aber vielleicht bin ich der einzige, der das so sieht (?).
Allgemein: Ich habe neulich am Rande eines Rollenspiel-Cons wieder von jemandem gehört, dass er den Film The Princess Bride eigentlich kitschig und peinlich findet. Der Film ist natürlich sehr süßlich geraten, und ich frage mich, ob darin der vielschichtige Humor und Wortwitz des Romans überhaupt durchschimmert. Der Romanautor William Goldman hat ja ironischerweise selbst lange für die Verfilmung seines Stoffes gekämpft und hat auch selbst das Drehbuch geschrieben - er soll sogar ein kleines Mitspracherecht bei der Auswahl der Schauspieler und der generellen künstlerischen Richtung des Films gehabt haben - allerdings bleibt der Film eine leicht verdauliche Märchengeschichte, die aber nicht die gleichen Züge aufweist wie die Romanvorlage. Der Roman The Princess Bride ist eben gerade keine normale Fantasy- oder Märchengeschichte, sondern vielmehr eine Pastiche auf Abenteuerliteratur überhaupt, und in der Rahmenhandlung (die der Film gänzlich gestrichen hat!), in der es um Goldman und seinen Verleger geht, Goldmans Beschäftigung mit dem fiktiven Originaltext von S. Morgenstern, Goldmans Auseinandersetzungen mit seiner Frau und seinem Sohn usw., ist er eine fantastische Satire auf das Schriftstellerleben, die Verlagsbranche, Hollywood, Verleger, Übersetzer, Agenten, Buchhändler und den amerikanischen Alltag in den 70er Jahren. In der Filmversion ist nichts davon übrig geblieben außer dem harmlosen "Vorlesen" des Großvaters an dem Kinderbett.
Möglicherweise bin ich auch einer von wenigen Lesern, der Goldmans Rahmenhandlung, rund um Goldmans fiktives Ich in einer fiktiven Situation als Übersetzer und Editor von Morgenstern (dem fiktiven Schriftsteller aus dem fiktiven europäischen Land Florin), nahezu interessanter fand als die Geschichte um Buttercup und Westley.
Die Grundstimmung des Romans hat der Film sicherlich noch einigermaßen eingefangen, aber nicht dessen Detailreichtum, sprachliche Virtuosität, Verspieltheit und Respektlosigkeit gegenüber Literaturkonventionen, Genre-Erwartungen, Autoritäten, Bildung und Prominenten. So wäre meine Einschätzung schlichtweg, dass der Film (obwohl für viele Leute auch schon wieder längst "Kult") weit hinter dem Roman zurückbleibt.