Ich lege einen Hintergrund fest, die Story, wie sie ohne Einmischung der SCs ablaufen würde und eben Locations, NSCs und mögliche Szenen. Das Ganze muss grob, passend und in sich stabil sein. Wenn es dann soweit ist, dass etwas davon im Spiel auftaucht, füge ich dann noch Details hinzu und lasse die Spieler dasselbe tun.
Den SCs wurde ein Mord angehängt und nun sind sie auf der Flucht vor den Behörden und auf der Suche nach dem richtigen Täter. Irgendwann führt sie ihre Spur zu einem Berufsverbrecher, der bevorzugt in einem zwielichtigen Nachtclub herumhängt.
Von der Szene weiß ich am Anfang nur, dass sie in einem Nachtclub stattfindet, der "Pink Pony Lounge" heißt, dass der Gesuchte sich dort befinden muss und dass die SCs bei ihm die Informationen für ein geheimes ihrer Gegner finden müssen, bei dem er Leibwächter sein sollte. Wenn mir die Szene zu lahm wird, habe ich außerdem eine Polizeirazzia eingeplant, um den SCs einzuheizen.
Ok, das Spiel geht voran und der Nachtclub wird erwähnt. Obwohl die Charaktere dort nicht sofort nachsehen, machen sich die Spieler über den Namen lustig und spotten, dass es wohl so eine Art Club für kleine Mädchen sein müsste. Ich beschließen spontan, dass ich das auch irgendwie witzig finde und werde das Ding in eine Art Hello Kitty-Manga-Schuppen mit starker Mädchenthematik verwandeln. Der gesuchte Verbrecher mutiert spontan zum androgynen Otaku mit bunter Gelfrisur und rosa Luger in der Tasche.
(Bis jetzt ist das keine Declaration, ich arbeite einfach meine Idee im Spiel weiter aus...)
Irgendwann kommen die SCs am Club an. Ich liege gut in der Zeit und baue spontan als kleines Hindernis "Big Kitty" ein, die Türsteherin des Clubs, die aussieht, wie der Hulk in einem Wedding Peach-Kostüm. Der Charakter soll eigentlich nur auf die Atmosphäre im Club vorbereiten und wird bei der ersten guten Idee der SCs umfallen. Theoretisch ist es egal, ob die Charaktere die gute Frau erschießen, verführen, bestechen oder austricksen, aber eine unelegante Lösung wird ihnen später weiter nachhängen.
Die SCs sind jetzt im Club und ich beschreibe spontan die Deko, die J-Pop-Band, die Visual Key-Bedienungen und die Bar mit den rosa Likörflaschen dahinter. Die Spieler setzen sich erst einmal in eine Sitzecke, um den Laden zu überschauen. Von der Sitzecke habe ich nichts gesagt, aber es kommt mir gelegen und es hat keine Auswirkungen auf die Handlung, also ok.
Die Bedienung kommt an, um die Bestellung aufzunehmen. Ein Charakter fragt: "Hey, bist du nicht bei mir im Semiotik-Seminar?", während sein Spieler mir einen FP anbietet. Ich nehme an und lasse die Bedienung positiv erwidern. Das ist eine Declaration.
Die Charaktere quetschen die Bedienung zwischen ein paar Bestellungen diskret über ihre Zielperson aus und finden heraus, dass er fast neurotisch ist, was sein gestyltes Aussehen angeht und es liebt, von sich zu reden. Die Aspekte hatte ich schon vorbereitet, als der Charakter zum Manga-Freak geworden ist, jetzt schreibe ich sie auf Pappkärtchen und gebe sie an die Spieler. Das ist ein Assessment.
Im Folgenden werden sich die Spieler an den Verbrecher heranmachen. Wichtig ist nur, dass sie die Information bekommen. Ob sie wireless den Terminkalender seines Smartphones hacken, ihn erpressen, bedrohen, bestechen, mit ihm verhandeln, ihn aushorchen, verführen, erschießen, sie werden die Info bekommen, entweder wird der Typ plaudern, sich verplappern, die Information könnte gestohlen werden, sich in einem Handy-Foto finden lassen, auf einem Zettel in der Brieftasche, wenn die SCs die Leiche durchsuchen. Im Notfall könnte die Bedienung "Sakura" etwas mitbekommen haben und ihren Studienkollegen am nächsten Tag darauf ansprechen.
Wenn die Charaktere zu lange brauchen oder zu undiskret vorgehen, wird die Polizei auftauchen. Wenn die SCs zu früh geschnappt werden, haben sie vielleicht in der Gemeinschaftszelle noch eine Chance, an die Info zu kommen. Vielleicht helfen sie auch dem Verbrecher, um sein Vertrauen zu gewinnen? Oder sie können entkommen und verfolgen ihn?
Im Prinzip ist alles egal, solange die Charaktere nicht irgendwie meine Grundplanung (Nachtclubszene, "Pink Pony Club", Infos vom Verbrecher) vermeiden oder zerstören. Aber natürlich hat alles, was sie tun, Auswirkungen darauf, wie die Geschichte verläuft und wie NSCs beim nächsten Treffen reagieren werden. Vielleicht ist "Big Kitty" ja so beliebt, dass sie in folgenden Geschichten immer mal wieder in verschiedenen Jobs auftauchen wird? Vielleicht entsteht aus der Declaration mit der kellnernden Germanistikstudentin noch etwas? Vielleicht hat der Otaku das Zeug zum widerkehrenden Bösewicht oder zum Mini-Boss vor dem Endkampf?