@ZH
"Dunkelheit" alleine hat keine Aussage.
"Dunkelheit" ist erst einmal nur ein Wort.
"Dieser Raum ist dunkel" ist hingegen eine Beschreibung eines FAKTS der Spielwelt. Ist die Spielwelt nicht ein wimmelndes Chaos aus sich stetig umgestaltender Proto-Materie, dann ist es eine Frage der GLAUBWÜRDIGKEIT der Spielwelt, daß in einem dunklen Raum die einem Leser/Spieler bekannten Beschränkungen gelten: Man sieht nichts/nicht viel. Solche Eigenschaften WIRKEN IMMER, wenn sich nicht gerade die Welt beim "einmal mit den Augen Zwinkern" massiv geändert hat.
Fate-Aspekte sind für mich in ihrem Bezug auf CHARAKTERE noch problemloser nachvollziehbar. Der Aspekt ist ein Gemisch aus Vorteil, Nachteil, Flag, Attribut, usw.
Aber eben bei der Darbietung/Modellierung der SPIELWELT, des großen "amöboiden Charakters", der alle SCs inkorporiert hat, sind Aspekte für FAKTEN, für "always-on"-Eigenschaften einfach unplausibel, unglaubwürdig, ungeeignet.
Ich habe den Eindruck, daß in der Fate-Euphorie versucht wird, wirklich ALLES mit dem Aspekt-Hammer zu bearbeiten, auch wenn es zehnmal eine Schraube oder ein Dübel ist. Immer feste drauf mit den Aspekten! Wenn es nicht paßt, dann ist man eben "zu doof für Fate".
Das ist es, was meinen aktuellen Eindruck vom inflationären Aspekte-über-alles-Ansatz abbildet.
Es kommen dabei ob hier im Forum schon inzwischen mehrfach und von unterschiedlichen Leuten oder in englischsprachigen Foren immer dieselben Punkte auf: Ob das der "Dunkle Raum" ist oder der Gegner, der "on fire" ist. - Fate macht es sich regeltechnisch sehr einfach: Die Regeln sind halt so und wenn es euch nicht plausibel erscheint, dann MACHT ES EUCH DOCH SELBST!
Der Verweis auf "the table", also die Spielgruppe, die bitteschön alles ausdiskutieren und mit eigenen Regeln hinbiegen möge, kommt mir deutlich ZU OFT vor, für ein "fertig entwickeltes" Regelwerk.
Wischi-waschi bieg es Dir doch irgendwie hin ist für mich KEINE Regel. Das sieht eher schon verdächtig "golden" aus - sprich: Wenn die Regelentwickler geschludert haben, weil sie selbst nicht wissen, wie sie solche SIMPLEN Punkte wie einen dunklen Raum oder einen Charakter, der "on fire" ist, regeltechnisch KLAR abhandeln sollen, dann dürfen die Kunden/Spieler/"the table" eben selbst ran.
It's not a bug, it's
a feature an aspect!
Das ist es, was mich wirklich erschüttert bei der Fate3-Thematik.
Ich habe in SBA, diaspora und - vor allem - DFRPG eine ganze Menge Zeit und auch Geld investiert, wofür ich - nach MEINEM Eindruck - etwas regeltechnisch schwer zugängliches, ja geradezu WIDERSPENSTIGES bekomme.
SBA habe ich frustriert ins Regal gestellt und dort steht es immer noch. diaspora habe ich so vorbereitet, daß ich mit "Engelszungen" meine Spieler anwerben konnte - mit dem Erfolg daß sie, die hier durchaus auch interessiert mitlesen, komplett abgewunken haben. (Ein Grund war übrigens die leider NICHT überzeugenden Antworten auf die "Dunkler Raum"-Frage.)
Klar, meine Spieler - und ich - sind vermutlich allesamt milieugeschädigte Nicht-Elite-Rollenspieler, weshalb es halt so ist, daß "Fate ist halt nichts fürs Rollenspiel-Prekariat" gilt.
Andererseits kommen DIESELBEN Spieler mit dem massiv erzählungsorientierten Regelsystem HeroQuest bestens klar. Sie haben keine Schwierigkeiten mit freier Definition von Eigenschaften (eigentlich sind in HQ ALLES "Aspekte/Skills/Stunts" auf einmal). Sie haben keine Schwierigkeiten mit Spielen entlang dramaturgischer Überlegungen statt simulativer/taktischer Überlegungen.
Doch ist in HQ die Spielwelt mit allen ihren beschriebenen Fakten SOLIDE, VERLÄSSLICH, einfach DA. - Man muß die Spielwelt nicht erst Baustein für Baustein "anschalten", um sie im Spiel RELEVANT werden zu lassen.
Ich habe den Eindruck, daß es NICHT die Charakter-Aspekte sind, die eine Ablehnung meiner Spieler bedingt haben, sondern daß es eben gerade das durchgängige "Alles ist ein Aspekt"-Loshämmern ist, was ja gleichzeitig auch immer bedeutet "Alles existiert nicht, solange es nicht "invoked" wurde".
Meinem Eindruck nach ist eine derartige "Knetbarkeit" einer Hintergrundwelt auch nicht etwas, was irgendwie für ein literarisch inspiriertes, ein "Story-Telling"-Spiel eine gute oder gar notwendige Sache wäre.
Auch in den Dresden-Romanen gibt es INVARIANTEN. FAKTEN, die IMMER GELTEN und auf die man sich beim Lesen der Romane in jeder Szene, in jedem Kapitel, in jedem Buch VERLASSEN kann.
Ist der Raum dunkel, dann ist er dunkel. Mit ALLEN Konsequenzen, welche die Dunkelheit für alle Handlungen in diesem Raum hat. Auch in den Romanen ist die Dunkelheit IMMER RELEVANT.
Bei Charakterzügen ist das anders. Die kann man unterdrücken, denen kann man freien Lauf lassen, die bringen einen in Schwierigkeiten, aber eben weil der SPIELER es so will, weil er das für spannender und interessanter hält. - Die Aspekte hängen somit am Vehikel des SPIELERS in der Spielwelt und sind ein Mittel zur Willensbekundung über das, was der Spieler gerne an Konflikten mit seinem Charakter austragen möchte. - Die Dunkelheit eines Raumes hängt an der BÜHNE für die Charaktere. Ist die Bühne dunkel, dann wirkt das eben auf ALLE Charaktere auf der Bühne gleichermaßen. Aspekte, die das BÜHNENBILD betreffen, stellen KEIN Mittel zur Willensbekundung eines Spielers dar, sondern stellen ein Mittel zur Unterfütterung der Charaktere über eine GLAUBWÜRDIGE SPIELWELT dar.
Daher ist es auch so schwer sich den Kopf über Szenenaspekte zu verbiegen. - Auch für mich, der ich frei definierte Eigenschaften und erzählungs-/dramaturgie-orientiertes Spielen schon geraume Zeit betreibe und zu schätzen weiß. - Aber WENN ich ein "Bühnenbild aufziehe", dann ist das an sich schon relevant (für die Szene) und die darin enthaltenen Bestandteile - Tisch, Stühle, eine Tür, eine dunkle Ecke im Raum - sind schon allein deshalb auf der Bühne, WEIL sie für die glaubhafte Unterstützung der Szene der Charaktere ALLE notwendig sind. - Dieses solide, verläßliche, "always-on" Bühnenbild erlaubt den Spielern sich nach Belieben aus der Szenerie zu "bedienen". Sie wissen, daß ALLES, was beschrieben ist, auch VERWENDET werden kann.
Und bei Fate kommt vor der Verwendung eben das Ausgeben von Fate-Punkten oder ein Manöver. - Und das ist irgendwie unpassend, weil ein rein regeltechnischer Resource-Kreislauf-Event, der zur Szene an sich, zur Story an sich NICHTS beiträgt.
Und daher kommt der Eindruck, daß Fate ein "massive meta-gaming rpg" ist.
Die HAFTUNG der Fate-Punkte-Resourcen-Ökonomie an der gespielten Geschichte ist sehr gering. Man spielt mit den Fate-Punkten "um die Geschichte drum herum". - Zumindest ist die SEHR GROSSE WICHTIGKEIT der Fate-Punkte (wichtiger als Bennies in SW, wichtiger als Fate-Chips in Deadlands) etwas, was die Spieler beständig im Meta-Gaming-Resourcenmanagement beschäftigt. "Was lasse ich mir reindrücken, damit ich wieder Fate-Punkte habe?" "Soll ich jetzt die Dunkelheit aktivieren, aber fehlt mir der Fate-Punkt nachher nicht woanders?" "Ich habe so wenige Fate-Punkte, aber ich will eigentlich nicht schon wieder den 'Affen machen' müssen, weil mich mein Spielleiter mittels Compel zu 'Tanz oder zahl!' auffordert."
Soooo "normales" Rollenspiel, wie manche hier über Fate geäußert haben, ist das nach meiner Sicht NICHT.
Ich kann gut verstehen, warum Fate für Dresdenfiles verwendet wurde. Als ich die ROmane gelesen habe, hatte ich ständig Charakter und Szeneaspekte im Kopf. Bitcher schreibt einfach sehr fatig, er hängt ständig Gewehre an die Wand und feuert sie dann auch gerne ab, am liebsten auf eine etwas andere Art, als gedacht. Er liebt es, CHaraktere fertig zu machen, besonders Dresden selbst. Dabei hält er sich an eine Reihe von Themen die mal mehr, mal weniger dominant sind. Das schreit geradezu nach Aspekten.
Butcher schreibt übrigens SEHR "savage-ig". - Ständig Chases. Ständig Trick-Manöver, Willensduelle, Soak-Würfe ohne Ende. Man merkt an den Kampfszenen direkt, welche Aktionskarten die einzelnen Akteure haben. Man liest und weiß genau welche Hindrances Harry gerade wieder für einen Bennie ausspielt - einen Bennie, den er für das Soaken eine halbe Szene weiter gleich wieder ausgeben wird.
Butcher schreibt übrigens SEHR "heroquest-ig". - Sofort beim Lesen erkennt man, welche Eigenschaften er in einen Simple Contest stellt, wie er seine Relationships als Augments verwendet, wann er einen Hero-Point einsetzt. Man liest mit Spannung seine Extended Contests, wie er seine Allies ins Spiel bringt, wie er mit Rising Action Consequences aus dem Konflikt geht, wie ihn das in späteren Szenen mit Impairments körperlicher Eigenschaften, Beziehungen, ja seines eigenen Selbstvertrauens belastet. Man liest die Lingering Benefits seiner erfolgreichen Konflikte, kann sofort sehen, mit welchem Grad an Erfolg eine Szene für ihn ausgegangen ist. Und man erlebt seine Pyrrhic Victories, seine Climactic Consequences und - über den gesamten Roman hinweg - den typischen Pass-Fail-Cycle, um den herum HeroQuest 2.0 Abenteuer gestrickt sind.
Du hast eine Fate-Brille auf. Du siehst daher die Romane nicht so wie sie OHNE Fate-Brille wären.
Setzt man eine andere Brille auf, dann liest sich Harry Dresden wie ein Savage-Worlds-Spielbericht oder - noch enger dran! - wie ein Nameless-Streets-(HeroQuest 2.0)-Spielbericht.