Die Ausgangsthese war: "Freeform ist einfacher und billiger als andere Rollenspiele."
Das bisherige Fazit in aller Kürze ist, soweit ich sehe: Wenn die Gruppe bereits eine gemeinsame Ausgangsbasis hat und sich in den meisten Fällen einig ist oder unproblematisch einigen kann, ist Freeform einfacher und billiger. Sonst allerdings bietet ein Regelwerk mehr Nutzen.
1.) Was ist überhaupt Freeform?
Darüber besteht noch kein Konsens :-o.
Konsens ist, daß Freeform sich durch die Abwesenheit eines schriftlich vorliegenden expliziten Regelwerks auszeichnet und Entscheidungen daher auf der Basis von "Autorität" oder durch Absprache getroffen werden. Inwieweit eine Nähe zur "Du kannst, was Du (darstellen) kannst"-Form des LARP besteht, ist umstritten.
"Zwischenformen" bzw. "Bindeglieder" zwischen Freeform und Nicht-Freeform können sowohl von der System- wie von der Spielerseite aus erreicht werden, indem bewußt nur Teile aller möglichen Situationen verbindlichen Regeln unterworfen werden.
2.) Ist Freeform billiger?
Monetär pro: Das Basismaterial ist aus anderen Gründen (meist) ohnehin vorhanden, z.B. weil man bereits als Fan genug davon angeschafft hat, oder das Setting kann auf Konsensbasis selbst entworfen werden.
Monetär contra: Unter Umständen muß man Zusatzmaterial anschaffen, das den Brückenschlag von nicht für Rollenspiele geschriebenem Hintergrundmaterial zu einer rollenspieltauglichen Umsetzung übernimmt.
Zeitlich pro: (1) Wenn bereits eine Abstimmung über den Hintergrund stattgefunden hat oder der Spielleiter den Hintergrund für die Spieler konsistent darstellen kann, entfällt der gesamte Aufwand, sich mit dem Hintergrund extra vertraut zu machen.
(2) Der Aufwand, sich bewußt mit Regeln vertraut zu machen, entfällt.
Zeitlich contra: Wenn Teile der Gruppe eine getroffene Entscheidung nicht annehmen, oder wenn die Abstimmung über den Hintergrund Aspekte nicht umfasst, die für das Rollenspiel wichtig werden, kann die Diskussion darüber länger dauern (und gruppen-unverträglicher sein) als jedes Bücherlesen.
3.) Ist Freeform einfacher?
Pro: Die der "Freeform" zugrundeliegenden Regeln müssen nicht eigens erlernt werden, sie sind bereits im Verhalten vorhanden.
Contra: In dem Moment, in dem es einen Dissens gibt, der nicht sofort über die impliziten Regeln gelöst werden kann, steigt der Vermittlungsaufwand stark an, und zwar über das Maß hinaus, das sich ergibt, wenn es ein Regelwerk gibt, das zur Lösung solcher Streitfälle herangezogen werden kann.
4.) Unter welchen Vorbedingungen ist Freeform also die geeignetere Spielweise?
Freeform ist geeignet, wenn
- die Spieler bereit sind, sich darauf einzulassen, daß der Spielleiter und jeder andere Spieler Entscheidungen ohne definiertes Regelkorsett trifft,
- der Hintergrund entweder einvernehmlich zusammen entwickelt werden kann oder in konsenfähiger Weise vorliegt.
Gegen die Verwendung von Freeform spricht es, wenn
- Spieler in der Gruppe sind, deren Spielweise am Vorhandensein bestimmter Regelaspekte hängt, die von den impliziten Regeln nicht abgedeckt werden,
- Dissens über bestimmte Hintergrundelemente herrscht, der nicht aus dem vorhandenen Material gelöst werden kann,
- der Spielleiter nicht in der Lage ist, zwischen den Spielern so zu vermitteln, daß sie an einem Strang ziehen können,
- jemand das Vorgehen als unangenehm willkürlich empfindet.
Zitate, auf die ich mich beziehe und deren Kontext bei Interesse noch lesenswert sein könnte:
Ist Freeform im P&P-RPG nicht das selbe wie DKWDDK im LARP?
Hinweis: DKWDDK = Du kannst, was Du darstellen kannst. Die kürzere Form DKWDK lautet in Worten: Du kannst, was Du kannst.
Wenn man den Begriff "System" im Sinne des Big Model nutzt, gibt es keinen Unterschied zwischen Freeform und anderen Rollenspielen.
Denn ein Regelheft ist nichts Anderes als eine Sammlung schriftlich festgehaltener Normen des Gruppenvertrags.
Beim Rollenspielbau empfiehlt sich, von einem Freeform auszugehen und dann Regelmechanismen so einzufügen, dass sie den Spielfluss in die gewünschte Richtung steuern. Ist definitiv sinnvoller als von einem "Normrollenspiel" auszugehen, das man irgendwie modifizieren müsste.
Ist Freeform im P&P-RPG nicht das selbe wie DKWDDK im LARP?
Ja, es entspricht sich. Opferentscheid und NSC-Darsteller machen die Konsensbildung im Larp allerdings etwas einfacher.
Nach meinen Eindruck, ich musste DKWDK erst nach schlagen, nein.
Ich sehe keine Verbindung zu dem Vorgehen seitens "Du kannst was du darstellen kannst" zu Freeform.
Nicht nur das die Anschaffung eines gegebenfalls kostenintensiven Regelwerk entfaellt auch das Setting, sofern es ein kommerzielles ist, wurde in der Regel nicht mit dem Ziel erworben an einem Freeform Rollenspiel teilzunehmen. Vielmehr stellt es eine zusaetzliche Verwertung bereits vorhandenen Materials dar.
Desweiteren besteht die Moeglichkeit das das Setting verbal respektive ueber Foren selbst erschaffen wird. Wobei der Detailgrad der Vorbereitung variieren kann.
Abgesehen von den zuvor getaetigten Ausfuehrungen zu dem Zeitvergleich ist es beim Freeform oftmals der fall das die Zeit nicht allein dem Rollenspiel zugeordnet wird.
Das heisst man spielt Freeform Rollenspiel und beschaeftigt sich mit einer seiner Lieblings Serien.
Man spielt Freeform Rollenspiel und geht seinem Hobby schreiben nach.
Der Zeitaufwand fuer die Vorbereitung ist in soweit bei Freeform gering als das man sich weder Charakter Blaetter in das Gedaechtnis rufen muss, sowie auch die Lektuere von Regeln ausbleibt.
Hierfuer wird jedoch, nach meinem Eindruck, im Freeform Spiel ein starken Wert darauf gelegt die bisherige Spielhistorie vor Augen zu behalten. Weshalb beispielsweise das (ggf. mehrfache) lesen bisheriger Forenbeitraege der Vorbereitungszeit zugerechnet werden koennte.
[...]
Freeform Runden agieren dort oftmals schlicht ueber die vorhandenen oder ueber das RPG gefestigten sozialen Hirachien. [Die im Fall der zuvor DeSF entsprechend festgelegt sind]
Ich habe bisher nicht den Eindruck gewonnen das, das vorhanden sein eines gewoehnlichen Regelwerk respektive Rollenspielrahmen eine bemerkenswerte Aenderung des Moderations Aufwand bei Konflikten schafft.
[...]
Der Abstimmungsaufwand ergibt sich oftmals aus dem Fandom heraus und ist daher, das das Freeform Rollenspiel selbst betrifft, m.E. eher gering.
Unstimmigkeiten koennen zudem ueber Fan Diskussionen zum Thema bereinigt werden.
In Freeform-RPG schlägt sich das natürlich noch viel stärker nieder, weil die Regeln, den Stil nicht mehr "verbergen" bzw. verwässern können.
In fReeform wird sofort klar, was für ein Typ Spieler man ist, und welche der vielen RPG-Bedürfnisse gerade befriedigt werden wollen.
Es ist billiger in monetärer Hinsicht, aber sicher nicht einfacher oder günstiger in der Aufwendung, wenn man es nicht nur beiläufig betreibt.
Regeln haben den Zweck eine gemeinsae Basis für das Spiel zu bieten. Ohne diese Basis gibt es erhebliche Reibungsverluste, wo man aneinander vorbei redet oder in Richtungs- und Auffassungsfragen streitet. (Nicht, dass Regeln solche komplett verhindern könnten, aber weniger davon ist besser)
Das bedarf mit einem geschickten SL, der in der Lage ist, einfach vermittelbare Settings zu entwickeln überhaupt keines finanziellen oder zeitlichen Aufwandes. Nichts ist imho besser geeigner für Einsteiger(spieler) als Freeform bei einem erfahrenen SL. Nirgendwo ist die Einstiegshürde geringer.
Das bedarf mit einem geschickten SL, der in der Lage ist, einfach vermittelbare Settings zu entwickeln überhaupt keines finanziellen oder zeitlichen Aufwandes. Nichts ist imho besser geeigner für Einsteiger(spieler) als Freeform bei einem erfahrenen SL. Nirgendwo ist die Einstiegshürde geringer.
- Langzeitmotivation, zumindest bei komplett improvisierten Runden, weil man ohne feste Regeln Gefahr läuft, in Beliebigkeiten abzugleiten
- Willkürproblematik
- Begrenzung der Möglichkeiten für taktisches Spiel bzw. keine Regelbasis
[...] Darüber hinaus darfst du nicht vergessen, dass alles, was Fluff ist, was reines Setting ohne Crunch beinhaltet, beim Freeform genausogut vorgegeben sein kann wie bei "richtigen" Regelwerken. Damit geht zwar einer der hier angemerkten Vorteile flöten (das Setting muss bei vorausgeplanten Abenteuern *immer* vorbereitet sein und muss den Spielern vermittelt werden - sei es durch Selbststudium oder durch SL-Einführung), aber gleich zu behaupten, dass man dann kein Freeform mehr spielen könne, geht zu weit. Freeform, und das habe ich mehrmals versucht zu betonen, bedeutet nicht zwangsweise Komplett-Improvisation. Es bedeutet nur die Abwesenheit klassischer Rollenspielregeln.
Um mal dem Theorieanspruch ein bisschen gerechter zu werden:
Was ist denn nun genau Freeform? Existiert das nur in regelloser Reinform oder haben rules-light - Systeme einfach einen unterschiedlich starken Anteil an Freeform-Entscheidungen? Meiner Meinung nach ist Freeform ganz krass ausgedrückt schlicht ein anderes (positiver besetzteres) Wort für Willkür. Und die findet man in unterschiedlichen Anteilen überall. In diesem Thread wurde bisher nur von Freeform in Reinform gesprochen, das würde ich gern beibehalten. Zu Bedenken gebe ich jedoch, dass man nach meiner Interpretation überall dort, wo man keine andere Regel hat außer "Das entscheidet der SL" bereits am freeformen ist und kein Spiel gänzlich ohne diesen Aspekt des Rollenspiels auskommt. Man sollte also überlegen, wie man das Beste daraus macht.
Komplettes Freeform ist für mich schwerer als durch Regeln unterstütztes Spiel, weil der SL sich komplett um die Struktur, den Abenteueraufbau und die gleichmäßige Bespaßung der Spieler kümmern muss.
Der Vorteil ist für die Spieler ein unheimlich tiefes eintauchen in die Geschichte, weil sie nur noch ihren spielen/darstellen müssen. Dabei werden durch einen guten SL die Handlungen der Spieler nicht im geringsten entwertet, weil er allen Input der Spieler in die Geschichte einbauen kann, ohne sich über Regeln Gedanken machen zu müssen.
Kosten können auch die Gestalt von:
- Zeit (Vorbereitung etc.)
- Moderationsaufwand bei Konflikten
- Abstimmungsaufwand über die Natur der Spielwelt (Wie, dein Char kann das?)
annehmen.
Wenn ich mich nicht arg täusche, schließt Freeform einige Spielertypen, einige Spielweisen und auch einige Spannungsformen einfach komplett aus, z.B. taktisch orientiertes Spiel (wie Dolge schon anmerkte). Wie Powergamer, Taktiker und Buttkicker darin ihr Spiel verwirklichen wollen, kann ich mir nur schwer vorstellen. Selbst Storyteller und Method Actor werden in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt, wenn man Freeform mit der herausgehobenen Position eines Spielleiters betreibt: es gibt schlicht und einfach keine Regelmechanismen, die es ihnen ermöglichen, aktiv & gestalterisch auf die Story Einfluss zu nehmen.
Das Grundproblem einer jeden Runde, dass Entscheidungen stark vom Charisma der Personen und ihrer sozialen Stellung in der Gruppe abhängt, wird nur noch verstärkt. Der SL hat Amtscharisma, ein Spieler noch die Häuptlingsrolle der Gruppe, und der Rest muss sich halt arrangieren (vielleicht gibts noch die Graue Eminenz).
Wenn etwas aus dem Zusammenhang gerissen und / oder falsch interpretiert ist, bitte ich um einen Hinweis, dann bemühe ich mich um entsprechende Korrekturen.