Autor Thema: Wozu Vanilla?  (Gelesen 7449 mal)

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Offline Sephiron

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Wozu Vanilla?
« am: 9.02.2011 | 08:24 »
Durch die neueren Themen im Theorieforum und einige RL-Diskussionen, wälzt sich in letzter Zeit eine bestimmte Frage in meinem Kopf:
"Wozu spielt man Vanilla?" bzw. "Wozu 'locker mit den Regeln umgehen'?"
Bisher stehe ich allen Antworten, die ich bekommen habe, mit Unverständnis gegenüber. Ich hoffe, jemand kann mir da weiterhelfen.

Ich probiere gern verschiedenste Spiele und Ansätze aus. Gegebenenfalls bastel ich was Neues zurecht oder modde/drifte ein existierendes bis zur Unkenntlichkeit.
Aber einmal festgelegte Regeln gelten bis sie geändert werden. Das muss auch so sein, da sich ein Gefühl für die nicht-expliziten Spielabsichten der anderen Teilnehmer nicht einstellen kann, wenn man sowohl Mitspieler als auch Absichten ständig wechselt.

Schriftliche, allen Teilnehmern zugängliche Regeln sind mMn eine absolute Voraussetzung, wenn man nicht in einer festen Gruppe spielt (in der nicht-schriftliche Regeln mit der Zeit erlernt werden) und den Konsens nicht allein an dem Vorstellungen einer Einzelperson (SL) festmachen will.
Gezielte Veränderungen an der Regelmechanik eines Systems können den Spielfluss sogar "von ganz allein" in völlig neue Richtungen lenken ohne dass etwas Ungeschriebenes "umgelernt" werden müsste.

Ein optimaler Spielfluss bei Vanilla-Spielen braucht Zeit. Unter Umständen kann der Verlust eines einzelnen Teilnehmers zum Zusammenbruch des Flusses und der Gruppe führen.
Aber hat Vanilla auch Vorteile?

Bisher habe ich herausgefunden:
1. Die Unersetzbarkeit von Gruppenteilnehmern kann stärkere Bindungen innerhalb der Gruppe schaffen. ("Wir brauchen dich! Das Spiel ist immer nur so gut wie der SL!")
2. Vanilla-gedriftete Systeme ermöglichen es, mit eigentlich sinnlosen Ausdrucksformen herum zu basteln ("Ich hab Schwerter 18, mit zwei Spezialisierungen, ist das nicht cool? Aber eigentlich ignorieren wir die Kampfregeln sowieso und machen das Ganze erzählerisch...").
3. Wenn das Spiel läuft, ist ein Wechsel unnötig und würde nur zusätzlichen Aufwand verursachen. (Erklärt aber nicht so richtig, warum man mit Vanilla anfangen sollte, wenn man die Wahl hat.)
Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.

LöwenHerz

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #1 am: 9.02.2011 | 08:40 »
Ich vermute, dass Du Dich zu sehr auf die Regeln konzentrierst. Für Dich sind sie elementarer Bestadteil des Spiels, für andere Leute eben nicht. Ich finde, da gibt es wenig dran zu diskutieren. Es ist eher eine Frage dessen, worauf Du oder die Gruppe den Fokus leg(s)t.

Abgesehen davon müssen wir Deutschen doch alles in Regeln, Paragraphen und geordneten Bahnen haben. ;)

Offline Lichtbringer

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #2 am: 9.02.2011 | 08:46 »
Schriftliche, allen Teilnehmern zugängliche Regeln sind mMn eine absolute Voraussetzung, wenn man nicht in einer festen Gruppe spielt (in der nicht-schriftliche Regeln mit der Zeit erlernt werden) und den Konsens nicht allein an dem Vorstellungen einer Einzelperson (SL) festmachen will.

Die Aussage ist falsch. Ich habe schon bei Conrunden Regelignorieren durch Konsens erlebt.


Der Punkt ist folgender: Regeln können nicht alles abdecken, ohne unrealistische Situationen zu verursachen. Wenn solche Widersprüche in der internen Logik des Spiels bloß der Regeltreue zur Liebe hingenommen werden, dann schadet das der Glaubwürdigkeit.
Beispiel: Fallschaden. Den kann man kaum realistisch modellieren. Insofern ist hier eher die Einzelfallentscheidung gefragt - sei es vom SL oder durch Konsens.

Daher: Mündige Spieler und Spielleiter sollte wissen, wann eine Regel sinnvoll ist und wie sie anzuwenden ist.

Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #3 am: 9.02.2011 | 10:36 »
Ich vermute, dass Du Dich zu sehr auf die Regeln konzentrierst. Für Dich sind sie elementarer Bestadteil des Spiels, für andere Leute eben nicht. Ich finde, da gibt es wenig dran zu diskutieren. Es ist eher eine Frage dessen, worauf Du oder die Gruppe den Fokus leg(s)t.

Naja, dass es verschiedene Einstellung zum Umgang mit Spielregeln gibt, ist mir klar. Ich glaube auch nicht, dass es ne Allgemeinlösung gibt.
Ich würde die Vanilla-Seite jedoch gern verstehen. Mich interessiert z.B., ob es da Vorteile gibt, die ich noch nicht erkannt habe.

Die Aussage ist falsch. Ich habe schon bei Conrunden Regelignorieren durch Konsens erlebt.

Meine Erfahrungen:
Regelignorieren ist (fast) problemlos machbar, wenn die ultimative Autorität bei einem einzigen Teilnehmer liegt... Unausgesprochene Regeln wie "Die SL hat immer Recht" oder "Der Spieler hat das letzte Wort über seinen eigenen Charakter" machens möglich.
Wenn da jedoch die Erwartungshaltungen kollidieren, fängt das Diskutieren an.

Zitat
Der Punkt ist folgender: Regeln können nicht alles abdecken, ohne unrealistische Situationen zu verursachen. Wenn solche Widersprüche in der internen Logik des Spiels bloß der Regeltreue zur Liebe hingenommen werden, dann schadet das der Glaubwürdigkeit.
Beispiel: Fallschaden. Den kann man kaum realistisch modellieren. Insofern ist hier eher die Einzelfallentscheidung gefragt - sei es vom SL oder durch Konsens.

Naja, es ist durchaus möglich, einheitliche Regeln zu schaffen... Dafür muss man nur Genrekonventionen als Regeln formulieren.

Zu deinem Beispiel:
Will mans derbe realistisch, baut man ein Fallschaden-System entsprechend physikalischer Formeln zum erdnahen freien Fall (9,81m/s² Beschleunigung bis zum Geschwindigkeitsmaximum, je nach Körperhaltung ca. 200-500km/h) usf.
In manchen Spielen sollten Realismus-Überlegungen sowieso Erzählstrukturen Platz machen: Wenns für die Story gut ist, wenn der Charakter unglaublicher Weise einen Sturz aus nem Flugzeug überlebt, passiert das. Wenns besser ist, der Charakter stirbt, dann stirbt er halt. Und wenn es viel spannender ist, dass der Charakter insgesamt mit wenigen Blessuren davonkommt, aber ausgerechnet seinen Zauberarm gebrochen hat, an eine einsame Insel angespült wird und dort einen alten Eremiten trifft, der ihm düstere Prophezeiungen mit auf den Weg gibt, passiert halt das.

Vorteilhaft ist die Vanilla-Lösung gegenüber allen anderen Systemen offenbar nur dann, wenn man gar keine zielgerichtete Lösung wünscht... aber was will man dann? o.O

Zitat
Daher: Mündige Spieler und Spielleiter sollte wissen, wann eine Regel sinnvoll ist und wie sie anzuwenden ist.

Zynisch ausgedrückt: Ja, weil mündige Regeldesigner dabei schreiben sollten, wann man den Wurf macht und wann nicht.

Ich spiel z.B. seit etlichen Jahren ziemlich erfolgreich nWoD "by the book"... funktioniert klasse, wenn man ein Setting vorbereitet und dann die SCs reinrennen lässt & klassisch-simulationistisch einfach mal schaut, was passiert... trotzdem gibts Leute, die damit Vanilla Nar veranstalten und behaupten, das Spiel sei so beabsichtigt o.O
Egal, was WW mit dem System bezwecken wollte, Fakt ist: Wir sind uns nicht einig, wann welche Regeln angebracht sind. Bei manchen Leuten hab ich den Eindruck, dass sie ausschließlich die Regeln stehen lassen, die ich für überflüssigen & uninteressanten Ballast halte und in längeren Runden halt mit Hausregeln beseitige.
Ich glaube, ich hätte keine Freude, wenn ich in deren Runde spielen würde.
(Natürlich trifft keine der beiden Seiten die ursprüngliche Intention von WW.)
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Offline Skele-Surtur

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #4 am: 9.02.2011 | 10:53 »
Zu deinem Beispiel:
Will mans derbe realistisch, baut man ein Fallschaden-System entsprechend physikalischer Formeln zum erdnahen freien Fall (9,81m/s² Beschleunigung bis zum Geschwindigkeitsmaximum, je nach Körperhaltung ca. 200-500km/h) usf.
In manchen Spielen sollten Realismus-Überlegungen sowieso Erzählstrukturen Platz machen: Wenns für die Story gut ist, wenn der Charakter unglaublicher Weise einen Sturz aus nem Flugzeug überlebt, passiert das. Wenns besser ist, der Charakter stirbt, dann stirbt er halt. Und wenn es viel spannender ist, dass der Charakter insgesamt mit wenigen Blessuren davonkommt, aber ausgerechnet seinen Zauberarm gebrochen hat, an eine einsame Insel angespült wird und dort einen alten Eremiten trifft, der ihm düstere Prophezeiungen mit auf den Weg gibt, passiert halt das.
Nein. Das funktioniert leider nicht. Weil diese Regelung eine kalkulierbare Tabelle ergäbe. Fallschaden lässt sich aber nicht anständig kalkulieren. Es gibt Säuglinge, die einen Sturz aus dem dritten Stock überlebt haben und gestandene Männer, die sich bei einem "Fall" von einem Schemel (vielleicht 30cm Höhe) ernsthafte Verletzungen zuziehen. Man müsste jetzt noch Fallwinkel, Körpergewicht, Knochenelastizität, Bodenbeschaffenheit etc. Einberechnen. Heraus kommt etwas, wofür man einen Computer zum Kalkulieren der Ergebnisse benötigt, nach zwanzig Minuten Dateneingabe. Das will keiner.

 So eine Regelung ist nicht praktikabel, weil Regeln immer zu einfach gehalten sind und gehalten sein müssen, damit sie praktikabel sind, als dass sie unplausible Ergebnisse ausschließen könnten. Wer Plausibilität vor Regeln stellt hat garkeine andere Wahl, als hin- und wieder Regeln zu ignorieren.
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Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #5 am: 9.02.2011 | 11:37 »
Nein. Das funktioniert leider nicht. Weil diese Regelung eine kalkulierbare Tabelle ergäbe. Fallschaden lässt sich aber nicht anständig kalkulieren. Es gibt Säuglinge, die einen Sturz aus dem dritten Stock überlebt haben und gestandene Männer, die sich bei einem "Fall" von einem Schemel (vielleicht 30cm Höhe) ernsthafte Verletzungen zuziehen. Man müsste jetzt noch Fallwinkel, Körpergewicht, Knochenelastizität, Bodenbeschaffenheit etc. Einberechnen. Heraus kommt etwas, wofür man einen Computer zum Kalkulieren der Ergebnisse benötigt, nach zwanzig Minuten Dateneingabe. Das will keiner.

 So eine Regelung ist nicht praktikabel, weil Regeln immer zu einfach gehalten sind und gehalten sein müssen, damit sie praktikabel sind, als dass sie unplausible Ergebnisse ausschließen könnten. Wer Plausibilität vor Regeln stellt hat garkeine andere Wahl, als hin- und wieder Regeln zu ignorieren.

Hmm, das macht mich leider auch nicht schlauer... aber vielleicht wird das im Laufe des Threads noch  :)

In nahezu jedem Gespräch mit Vanilla-Spielern gab es etwa folgenden Wortwechsel:
VS: "Wir müssen Regeln hin und wieder ignorieren, weil sie XY nicht unterstützen"
Ich: "Warum habt ihr euch dann nicht für ein System entschieden, das sowas kann?"
VS: "Regeln können sowas nicht"

Aber vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen. Was genau sollen Regeln denn überhaupt machen? Wofür brauchst du sie? In welchen Situationen benutzt du sie?
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Offline Teylen

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #6 am: 9.02.2011 | 11:39 »
In nahezu jedem Gespräch mit Vanilla-Spielern gab es etwa folgenden Wortwechsel:
VS: "Wir müssen Regeln hin und wieder ignorieren, weil sie XY nicht unterstützen"
Ich: "Warum habt ihr euch dann nicht für ein System entschieden, das sowas kann?"
Weil es das System nicht gibt?
Und / Oder man den Rest von dem System das XY nicht kann mag?
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Offline Sephiron

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #7 am: 9.02.2011 | 12:23 »
Weil es das System nicht gibt?
Und / Oder man den Rest von dem System das XY nicht kann mag?

Wenn nur Einzelteile stören, endet das mMn eher in Hausregeln als in nem Vanilla-Spiel.

Dass vielleicht einfach ein paar Nischensysteme noch nicht geschrieben wurden, kann ich mir jedoch vorstellen.

Was dagegen spricht: Systeme gibts mittlerweile in nahezu jeder Machart, vom Oldschool-Hack&Slay über Hyperrealistische Detailsimulationen bis zu flauschigen Forge-Spielen. Wenn man z.B. narratives episch-tragisches Spiel mit Vampiren möchte, warum bastelt man dann nicht einfach nen Vampir-Mod für Polaris? Warum die "guten" Anteile des aktuellen Systems nicht auf Rolemaster verpflanzen, wenn man Realismus will? Und warum nicht das eigene Komplettsystem mitsamt ungeschriebener Regeln anskizzieren und anschließend mechanisch ausgestalten?
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Offline Teylen

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #8 am: 9.02.2011 | 12:29 »
Wenn nur Einzelteile stören, endet das mMn eher in Hausregeln als in nem Vanilla-Spiel.
Hm, nein. Dafuer muesste man ja genau wissen was man immer will.

Zitat
Wenn man z.B. narratives episch-tragisches Spiel mit Vampiren möchte, warum bastelt man dann nicht einfach nen Vampir-Mod für Polaris?
Weil es sch* viel Arbeit macht und man vielleicht ein paar (genuegend) Teile von z.B. VtM mag.
Und weil Flickenteppiche meist haesslich sind.
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Pyromancer

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #9 am: 9.02.2011 | 12:56 »
Was bedeutet denn hier "Vanilla"?

Offline Teylen

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #10 am: 9.02.2011 | 13:21 »
Die Frage ist doch eher "Wozu kein RAW"?
Und Vanilla heisst in dem Fall nicht nach den Regeln wie geschrieben sondern mehr so pimaldaumen
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El God

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #11 am: 9.02.2011 | 13:22 »
AAaaah! Deswegen macht der ganze Thread keinen Sinn!  ::)

Offline Boba Fett

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #12 am: 9.02.2011 | 13:29 »
"Wozu spielt man Vanilla?" bzw. "Wozu 'locker mit den Regeln umgehen'?"
Auch wenn ich gerne und möglicht nach Raw (rules as written) spiele:

Es gibt Rollenspielsysteme, die sind nicht optimal gestaltet, man möchte aber trotzdem das Setting und auch nach den typischen Regeln spielen. Also "handwedelt" man den Teil, wo die Spielregeln versagen.
Außerdem gibt es Menschen, die keine Zeit, Möglichkeit oder Lust haben, sich in detaillierte Systeme einzuarbeiten.
Und es gibt die Situation, wo man mit Spielregeln nicht weiterkommt und eine SpL oder Konsensentscheidung notwendig ist. Je öfter man das erlebt, desto mehr kommt man zu der Frage, warum man dann überhaupt Regeln für jede Situation braucht und ob man nicht pauschal mit Freiform oder Konsensentscheidungen gut fährt.
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Offline Grey

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #13 am: 9.02.2011 | 13:34 »
PRE-EDIT: Da war Boba schneller als ich. ;) Trotzdem, hier mein Senf:

Aber vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen. Was genau sollen Regeln denn überhaupt machen? Wofür brauchst du sie? In welchen Situationen benutzt du sie?
Regeln dienen dazu, in Situationen, deren Ausgang sich nicht aus Charakterspiel, Diskussion und Erfahrungswerten eindeutig festlegen läßt, anhand der Fähigkeiten des Charakters eine Entscheidung herbeizuführen.

Beispiel 1: wenn ich verkünde, daß ich mir die Schuhe zubinde, empfände ich es als eher lästig, wenn erst im Regelbuch nachgeschlagen werden müßte, ob es auf Anhieb gelingt und wie lange es dauert.

Beispiel 2: wenn ich in 8000m Höhe ohne Fallschirm aus einem Flugzeug geschubst werde, brauche ich keine Regeln, um zu ermitteln, daß ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot bin.

Beispiel 3: wenn ich mit dem Schwert in der Hand gegen einen ungefähr gleich starken Gegner antrete, brauche ich Regeln, um Verlauf und Ausgang des Kampfes zu ermitteln.

Und in letzterem Fall gilt die Frage: was hat für dich Vorrang? Einheitliche Regeln oder Glaubwürdigkeit des Geschehens? Irgendwelche "Murphy's Rules", die zu unsinnigen Ergebnissen führen, hast du immer, ganz egal, wieviel Mühe der Designer in seine Regeln steckt. Bei manchen Regeln kannst du es locker überleben, wenn in deinem Mund eine Granate hochgeht, andere ermöglichen es, mit der bloßen Faust ein Loch in eine Vollplatte zu schlagen. Der Versuch, jeden Spezialfall zu berücksichtigen und jedes logische Loch zu stopfen, führt zu telefonbuchdicken Tabellenwälzern à la Rolemaster -- die _trotzdem_ in letzter Konsequenz nicht alle Fälle abdecken können.

"Vanilla"-Spieler, wie ich dich (Sephiron) verstehe, setzen sich im Zweifelsfall über die Regeln hinweg, damit solche Sachen wie Faust-durch-Vollplatte nicht vorkommen. RAW-Spieler entscheiden im Zweifelsfall eher für die konsequente Einhaltung der Regeln.
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
--
Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline Skele-Surtur

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #14 am: 9.02.2011 | 14:01 »
Im Prinzip ist es ganz einfach. Jede Regel kann nur einen bestimmten Teil der Realität abdecken, weil die Realität mit all ihren Möglichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten einfach viel zu komplex ist, um in handhabbaren Regeln abgebildet zu werden. Das hat Grey eigentlich sehr schön dargelegt.

Ich habe schon einmal miterlebt, dass ein durchaus nicht komplett inkompetenter Shadowrunner beim Versuch einer schlafenden Zielperson aus nächster Nähe einen Kopfschuss zu verpassen daneben geschossen hat. Frag mich nicht, welche Edition, ich weiß es nicht mehr. RAW gab es einen Mindestwurf, der wurde nicht erzielt, also ist die Kugel wohl nach verlassen des Laufes im 90-Grad Winkel abgebogen, an der Stirn abgeprallt oder der Typ hat die Waffe am Lauf genommen und versucht mit Griff zu schießen. Diese Möglichkeiten sind alle miteinander höchst unplausibel.

Als altgedienter D&D 3.5-SL spiele ich auch lieber RAW. Ich musste mir schon den Vorwurf der Regelscheißerei anhören. Aber manchmal muss man eben Abwägen, ob bei der Durchführung einer Aktion nach Buch nicht die Plausibilität der Welt nicht grob verletzt wird. Und es gibt faktisch kein Regelwerk, bei dem das nciht irgendwann in irgend einer Form vorkommt. Das ist nicht möglich. Regeln müssen einfach sein, damit wir sie am Tisch handhaben können. Die Welt ist aber komplex.
Der menschliche Körper ist Komplex und menschliche Beziehungen sind noch komplexer. Wenn ich sich jemand etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kann ihn seine kleine Tochter eher davon abbringen, als ein Diplomat mit 30 Skillpunkten auf Diplomatie. Ich kann niemandem eine Wahrheit als Wahrheit verkaufen, der das nicht glauben will und ein Richter kann nicht anhand eines "Sense Motive"-Wurfes sagen, ob der Angeklagte lügt.

Und da ist es völlig egal, ob ich White Wolf, D20, DSA, SR, L5R oder Role Master spiele: Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo ich mich bei Einhaltung der Regeln in einer Situation befinde, die hochgradig unplausibel ist.
Das reicht von Kanonenkugeln, die an Panzerhemden abprallen über Leute, die mit einem Langschwert eine ausgewachsene Eiche fällen bis zu Schneebällen, die gestandene Straßensamurai ins Reich der Träume schicken.

Ein Systemwechsel bringt dabei aus mehreren Gründen nichts. Z.B. ist es nicht sinnvoll, ein ansonsten gut funktionierendes Regelsystem zu wechseln, nur weil eine einzige Situation, die vermutlich nie wieder vorkommt, nicht damit funktioniert.
Es ist auch nicht sinnvoll ein System abzuschieben, in dem sich bereits alle Spieler, die alle wenig Zeit haben, um sich irgendwo einzulesen, gut auskennen, um ein neues System zu implementieren, bei dem man irgendwann theoretisch vor dem selben Problem stehen kann. u.s.w.
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Offline Boba Fett

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #15 am: 9.02.2011 | 14:15 »
Jede Regel kann nur einen bestimmten Teil der Realität abdecken, ...

Wenn man es auf die Spitze treiben will und es genau nimmt:
Keine (!) Spielregel kann auch nur einen bestimmten Teil der Realität abdecken!
Spielregeln stellen auch nur ein Konsens dar, auf den man sich einigt und geben das Maß von "Suspension of Disbelief" vor, mit dem man seine Resultatsermittlung (Würfeln) betreibt.
-scnr-

Sorry für das Fremdwort, mir ist leider kein passender deutscher Fachbegriff bekannt.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #16 am: 4.03.2011 | 15:25 »
Oh, diese Diskussion war irgendwie seinerzeit an mir vorbei gegangen. Ich gebe mal meine verspäteten zwei Cents dazu. Erstmal zur Begrifflichkeit. Im Forgesprech gibt es die Gegensätzlichkeit „Vanilla“ vs. „Pervy“. „Vanilla“ bedeutet dabei nicht zwingend, dass Regeln ignoriert und Situationen gehandwedelt werden, sondern es bedeutet zunächst, dass die Regeln das Spiel, vor allem im Hinblick auf Creative Agenda, nicht besonders hart lenken. „Pervy“ bedeutet im Gegensatz dazu stark lenkende/beeinflussende Regeln.

Es gibt diesen Mythos, eher auf Story Games als auf der Forge. Der Mythos lautet: Der Designer weiß besser als die Gruppe, was gut ist. Man kann Spiele schreiben, deren Regeln wie eine gut geölte Maschine funktionieren. Allein indem man sich an die Regeln hält, kommt was Tolles dabei raus. Man kann Spiele schreiben, wo jeder versucht, zu gewinnen, und am Ende hat man eine großartige Geschichte erzählt, quasi automatisch. Man kann Spiele schreiben, die idiotensicher funktionieren und ganz viel Spaß machen, wenn sich nur alle an die Regeln halten. Spiele, wo man keine „guten Spieler“ mehr braucht, damit sie laufen, sondern bei denen jeder ein „guter Spieler“ ist, wenn er sich nur an die Regeln hält.

All das ist ein großer Haufen Scheiße. Es ist der größte und gravierendste Irrtum der Forge-Diaspora. Wenn ich so einen Schwachsinn höre, überkommen mich nahezu settembrinische Anwandlungen. Naja, nicht wirklich. ;)

Ich denke, Sephiron, du bist dem auch ein bisschen aufgesessen mit dem, was du da schreibst. „Klare Regeln, die man wortwörtlich befolgt, sind immer besser als Willkür“, würde ich mal paraphrasieren. Nur ist „Willkür“ hier ein vorschnelles Urteil. Denn nicht jede Entscheidung, die ein Spieler oder Spielleiter trifft, ohne dass sie ihm von Spielregeln diktiert wird (und ggf. sogar unter Verstoß gegen die Spielregeln), ist Willkür. Im Gegenteil. Gerade wenn ein Spieler oder Spielleiter bewusst entscheidet, sich über Regeln hinwegzusetzen, ist das wahrscheinlich keine Willkür, sondern wohlüberlegt. Denn Willkür bedeutet ja „ohne sachlichen Grund“.

Der Vorteil an „Vanilla“ oder wie auch immer du es nennen willst ist, dass die Mitspieler ihr eigenes Urteilsvermögen und ihren eigenen Einfallsreichtum benutzen, dass sie miteinander kommunizieren, als Gruppe Werturteile bilden, und, wenn es klappt, damit viel näher an einem für sie optimalen Spielerlebnis landen, als wenn sie in „Pervy“ einfach nur auf ihre Punktekonten gucken und dann irgendwas machen, das vom „Reward System“ belohnt wird – nach meinem Verständnis von Willkür ist das nämlich viel willkürlicher, als z.B. etwas das zu tun, was man aus der fiktionalen Situation heraus z.B. als „passend“, „dramatisch“, „taktisch klug“ oder „cool“ betrachtet.
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #17 am: 4.03.2011 | 15:38 »
Könnte mir mal jemand erklären woher "Vanilla" und "Pervy" kommt?

Ich bin in der Modding-Community der Total War Reihe (Medieval, Rome) mit dem Begriff "Vanilla" in Berührung gekommen und dort ist "Vanilla" das unmodifizierte Spiel, wie es die Entwickler gemacht haben.
Die Begründung dahinter ist die, dass viele Produkte (z.B. Eiscreme) in einer Basisvariante mit Vanillegeschmack existieren bzw. das Vanille die beliebteste Geschmacksrichtung (beliebteste Eissorten in D 2007) ist und andere Geschmacksrichtungen sozusagen Abwandlungen des Originals sind.

alexandro

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #18 am: 4.03.2011 | 16:12 »
Ich bin ja ein großer Verfechter des RAI-Spiels. Ich sehe keine Notwendigkeit, die Regeln während des Spiels anzupassen, um irgendeine "unplausible" Situation abzuwenden.

Das hängt mit meinem Regelverszändnis zusammem. Ich trenne scharf zwischen:
1) literalen Regeln und
2) figurativen Regeln

Ersteres sind Regeln, welche eine direkte Aussage über Zusammenhänge in der Spielwelt treffen (z.B. Ausrüstungslisten mit Preisen in der Spielwelt-Währung).

Letzteres sind Spielmechanismen, welche irgendwie mit der Spielwirklichkeit in Einklang gebracht werden müssen (z.B. Waffenschaden) - dies geschieht durch Interpretation der Ergebnisse ("Du hast mit dem Breitschwert kritisch getroffen, aber nur 4 Schadenspunkte gemacht? - Du stößt mit voller Kraft voran und er weicht nach hinten gegen die Wand aus. Dein Schwert zertrümmert den Fels neben ihm und scharfe Steinspltter regnen auf deinen Kontrahenten herab.").

Das Problem des "Regeln können XY doch gar nicht abbilden" tritt eigentlich nur auf, wenn man versucht literale Aspekte ind figurative Regeln zu pressen.

z.B.:
Nein. Das funktioniert leider nicht. Weil diese Regelung eine kalkulierbare Tabelle ergäbe. Fallschaden lässt sich aber nicht anständig kalkulieren. Es gibt Säuglinge, die einen Sturz aus dem dritten Stock überlebt haben und gestandene Männer, die sich bei einem "Fall" von einem Schemel (vielleicht 30cm Höhe) ernsthafte Verletzungen zuziehen. Man müsste jetzt noch Fallwinkel, Körpergewicht, Knochenelastizität, Bodenbeschaffenheit etc. Einberechnen. Heraus kommt etwas, wofür man einen Computer zum Kalkulieren der Ergebnisse benötigt, nach zwanzig Minuten Dateneingabe. Das will keiner.
Hier haben wir also eine figurative Regel (ein Sturz aus Höhe X macht Y Würfel Schaden, ein Charakter kann normalerweise Z Punkte aushalten), welche es erlaubt verschiedene Situationen (Fallwinkel, Bodenbeschaffenheit, Knochenelastizität etc.) hineininterpretieren.

Man möchte sie durch eine literale Regel ersetzen (Tötet ein Sturz aus einer Höhe von X einen Charakter mit der Eigenschaft Z?), ohne eine literale Regel dafür zu haben, was denn überhaupt ein Sturz ist. So kann das natürlich nicht funktionieren.

Aus diesem Grund bevorzuge ich für komplexe Sachzusammenhänge figurative Regeln, da diese nur dann unglaubwürdige Ergebnisse erzielen, wenn der Spieler nicht in der Lage ist das Ergebnis vor der Gruppe zu rechtfertigen, aber trotzdem auf dessen Richtigkeit besteht, und kein anderer Spielteilnehmer willens oder in der Lage ist, dieses mit dem SIS in Einklang zu bringen (per-default ist es die Aufgabe des SLs Unklarheiten der Spieler zu bereinigen, aber ich denke keiner hat ein Problem damit, wenn ein Spieler da vorsprescht).

Es gilt also, was Augustinus von Hippo bereits im 4. Jahrhundert gesagt hat: "...eine Unkenntnis des Sachverhaltes macht figurative Wendungen schwer verständlich." Die Spieler müssen eine Vorstellung des SIS haben, damit eine Interpretation der Regeln stattfinden kann. Das muss nicht unbedingt eine einheitliche Vorstellung sein - sich von der Interpretation der anderen Spielteilnehmer überraschen zu lassen gehört AUCH zum Rollenspiel dazu. Einheitlichen Regeln sorgen in diesem Fall dafür, dass kein Spieler bei einer (fast unvermeidlichen) abweichenden Interpretation der Ergebnisse benachteiligt wird und das gemeinsame Spiel genießen kann, statt sich über die "Dummheit" der anderen Spieler zu ärgern. ;)
« Letzte Änderung: 4.03.2011 | 16:23 von alexandro »

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #19 am: 4.03.2011 | 16:38 »
Ein anderes Feld, auf dem Vanilla vs Pervy stark auseinanderrdriften, ist die Frage, wozu Spieler motiviert werden müssen.

Pervy Spiele bieten oft eine vermeintlich anreizkompatible Miniökonmie, sodas Tokengewinn durch erwünschte Handlungen generiert wird und so das Spielgefühl entsteht.
(tSoY man reitet sich selbst rein, um EP zu bekommen.)

Der Anreiz wird leider oft auf den Pokerchip reduziert und pervy Spiele ignorieren oft viel stärkere Motivationsmittel, die auf den Homis oeconomico wenig Einfluss hätten.
Fanmail signalisiert Gruppenzustrimmung.
Aspekt-Fatepunkte signalisieren, dass eine Flag des Chars gerade das Spiel beeinflusst.

So kam es in dem Diary zu Dont rest your Head zu unstimmigkeiten, weil die Belohnungsstruktur nicht Anreizkompatibel ist  und bei dem Krankenhaus/Patientenspiel(?) wirkte der Chip nicht als Anreiz.

Das Lieblingsmittel der Pervyspiele, der Pokerchip/die Tokenwirtschaft greift nicht immer.
Motivationsstrukturen, die auf Mitbestimmung, Anerkennung oder Handlungssicherheit beruhen werden oft nicht genutzt.
VIel schlimmer noch, dadurch, dass etwas per Token abgegolten werden kann, kann es sein, dass dies das Spielgefühl unterbricht. Wenn ich jetzt etwas mache, das ich will, das System mir durch seine Tokenwirtschaft mitteilt, dass ich doch lieber das andere machen sollte, weil ich einen Chip mehr bekäme, dann fühle ich mich kritisiert.
Das ist deshalb negativ, da dies neben dem Spiel zusätzliche Aufmerksamkeit fesselt. Noch blöder wird es, wenn ich für etwas belohnt werde, dass ich nicht machen wollte.
Dann kämpft das System gegen eine andere Motivationsstruktur an.

Ich halte wenig von Systemen, die alles bewerten.
Tokenwirtschaften, die es der Gruppe ermöglichen, ihre INteressen ohne großen Aufwand nebenher abzustimmen, halte ich für eine großartige Idee.
Die Tokens stehen hier nicht für Anteile an einem Sieg, sondern sind Abstraktionen von Anerkennung oder Ersatz für direkten Zuspruch, der das Spiel unterbrechen würde, sie können auch Dringlichkeit oder Bedeutung transportieren.
Ob dies nun TOkens sind, oder Mimik ist dabei Nebensache, denn der Vorteil liegt in der Beiläufigkeit und Unauffälligkeit dieser Verhandluung, die aus der schon besetzten Sprachebene herausgenommen wird.

Je stärker das Spiel hier lenken will, desto mehr geht die Proxywirkung der Tokens verloren und sie müssen ihre Wirksamkeit immer mehr aus sich selbst ziehen, was gerade bei nicht gewinnorientierten Spielern schlecht funktioniert.

Man kann Motivationen durch eine zu starke vergeltlichung auch töten.
(Da erobern der Prinzessin bringt 22000XP und einen Gummipunkt...abgehakt, nächste Prinzessin im Gegensatz zu "Die Prinzessinengeschichte ist jetzt Teil deines Chars. Du kannst jetzt Gummipunkte verteilen um allen zu zeigen, wie du die Auswirkungen erfahren möchtest.")

sers,
Alex

Offline Lord Verminaard

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #20 am: 4.03.2011 | 17:32 »
Wobei eine gute Tokenwirtschaft schon eine feine Sache ist. Aber das Entscheidende dabei ist, dass ein Werturteil der Spielenden zugrunde liegt. Zur Vertiefung: A Moment of Judgment.

Nach nochmaliger Lektüre von Sephirons Post glaube ich aber nicht, dass er unbedingt dem Pervy-Token-Spiel das Wort reden wollte, sondern es ihm eher um "Handwedeln" und "Fünfe gerade sein lassen" ging. Meine Antwort bleibt: Man sollte die Bedeutung des Urteilsvermögens der Spielenden nicht unterschätzen. Und man sollte die Fähigkeit von Spielregeln, adäquate Resultate zu liefern, nicht überschätzen.
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Offline Dirk Remmecke

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #21 am: 4.03.2011 | 18:04 »
Man sollte die Bedeutung des Urteilsvermögens der Spielenden nicht unterschätzen. Und man sollte die Fähigkeit von Spielregeln, adäquate Resultate zu liefern, nicht überschätzen.

Ich werfe mal das Mantra der OSR in die Runde:

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #22 am: 4.03.2011 | 18:14 »
Oh, ich habe mich nicht gegen gute Tokenwirtschaften ausgesprochen, sondern für die Kopplung der einzelnen Handelsschritte an gruppendynamische Absichten und Aktionen, wie Unzufriedenheit üder eine andere Handlung oder Bedeutungsverhandlungen.

Und ich glaube, du hast Recht, dass Sephiron sich eher auf "die goldene Regel" oder das Vorziehen des dramatischen vor die Regel stürzt. ;)

Edit:
Mich würde Sephirons Meinung zu der verlinkten Beobachtung interessieren. Das könnte die Diskussion weiterbringen/beleben.
« Letzte Änderung: 4.03.2011 | 18:19 von Senior Senior Junior »

alexandro

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #23 am: 4.03.2011 | 18:49 »
Man sollte die Bedeutung des Urteilsvermögens der Spielenden nicht unterschätzen. Und man sollte die Fähigkeit von Spielregeln, adäquate Resultate zu liefern, nicht überschätzen.

Und man sollte das Urteilsvermögen der Spielenden, die Spielregeln so zu verändern, dass adäquate Resultate herauskommen weder über-, noch unterschätzen.

Offline Dirk Remmecke

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Re: Wozu Vanilla?
« Antwort #24 am: 11.03.2011 | 18:40 »
Mich würde Sephirons Meinung zu der verlinkten Beobachtung interessieren. Das könnte die Diskussion weiterbringen/beleben.

Ich bin zwar nicht Sephiron, aber ich kann meinen Senf trotzdem dazu geben.

Zum einen stimme ich Lord Vermis Zitat in dem Beitrag vollständig zu, und zum anderen ist dieses hier...

Zitat
Another solution, equally good, equally not-always-suitable: give the moment of judgment to a player who's strongly invested in getting it right, not in one character or another coming out on top.

Player 1 wants the game to have a reliable-but-interesting internal consistency, but STRONGLY wants Bobnar to have the high-ground advantage.
Player 2 wants the game to have a reliable-but-interesting internal consistency, but STRONGLY wants Bobnar to NOT have the high-ground advantage.
Player 3 STRONGLY wants the game to have a reliable-but-interesting internal consistency, and doesn't care a bit whether Bobnar has the high-ground advantage.

Which player should get to judge Bobnar's position? (Hint: Player 3 should.)

...eine Besinnung auf die ältesten Grundlagen der Old School, die es überhaupt gibt: dem Spielleiter in seiner Funktion als Referee.

Old School Renaissance, indeed.