Hi,
keine Ahnung, ob ich hier jetzt im richtigen Bereich gelandet bin oder ob meine Fragen/Überlegungen zu theoretisch/allgemein sind, aber ich versuche mal mein Glück. Wird ein bisschen länger, weil ich einen Blogbeitrag von mir gekürzt wiedergebe.
Vampire war und ist das System aus der (o)WoD, von dem ich am wenigsten eine Ahnung habe, und das mich von vornherein von all diesen Sub-Systemen am wenigsten angesprochen hat.
Ich weiß gar nicht mehr, wann das war … Ende der Neunziger irgendwann, als die WoD noch relativ frisch bzw. zumindest ziemlicher Hype war, als ich erstmals darauf gestoßen bin in einem Rollenspielladen. Ich wollte mal was anderes als DSA und der Verkäufer empfahl mir „Vampire – the Masquerade“, weil das gerade total „in“ sei, sich super verkaufe und ich sicher entsprechend leicht an Mitspieler käme.
Grundsätzlich … mag ich Vampire. Ich mag Horror generell, und ich habe Bella und Edward („Twilight“) nicht gebraucht, um sie irgendwie interessant zu finden. Keine Ahnung, wie viel ich mir damals gekauft hatte, auf jeden Fall das Grundregelwerk und so einige Clanbücher, das weiß ich noch.
Ich wollte eine große Runde machen, 10 Leute oder mehr, eventuell aufgeteilt auf verschiedene Räume oder auch Termine, quasi eine Domäne hauptsächlich mit SC bevölkern. Keine Ahnung mehr, wie viele Stunden, Tage und Wochen ich damit zugebracht habe, das Ganze vorzubereiten.
Letztlich fand das Ganze genau 1x statt. Warum? Es trafen so viele verschiedene Spielertypen aufeinander, dass das gesamte Konzept von vornherein unspielbar war. Ich hatte ohne Zweifel trotz aller Vorbereitungen viel zu wenig Ahnung von dem, was ich da tun wollte, zugleich jedoch eine sehr genaue Vorstellung von dem, was ich inhaltlich spielen/leiten/erleben wollte. Das hatten viele der anderen auch, dummerweise jedoch passte da nicht alles zusammen.
Es trafen „Blümchenspieler“, die Ingame gerade in Bezug auf Intrigen etc. schnell ins Outplay zogen, auf „Intrigenspieler“, die in eben diesen den zentralen Sinn des Spiels sahen. Und am meisten aufgefallen sind mir persönlich die „Mosher“, also diejenigen, die einfach nur obercoole Vampire sein wollten, die wenig bis nichts auf Konsequenzen geben und einfach ohne Rücksicht auf Verluste andere „umrotzen“ wollten. Einfach deshalb, weil sie es konnten.
Ich muss wohl nicht weiter erläutern, warum es keinen zweiten Vampire-Tischrundenabend gab?
Meine nächste Begegnung mit dem Spielsystem fand dann etwa 2001 statt. Vampire war das bevorzugte Spielsystem der Forenrollenspiele im damaligen Feder&Schwert-Forum, logisch. Ich habe immer mal wieder in diese Runden gelinst und ein bisschen mitgelesen, während ich dort selbst lieber andere Systeme spielte und/oder kennen lernte. Die meisten Runden fand ich relativ stylisch zu lesen; es gab einfach mehr Atmosphäre, was vor allem der Spielart (Forenrollenspiel) zuzuschreiben ist meiner Ansicht nach.
An einer einzigen Runde habe ich mich in diesem Forum damals auch selbst versucht, ausgerechnet auch noch eine geplante Sabbat-Runde. Von der Runde selbst gibt es allerdings nicht viel zu berichten, denn auf Seite 2 (kann auch Seite 3 gewesen sein) endete die Runde bereits in einem großen Knall. Jemand spielte eine Tzimisce und begann die Runde mit einem umfangreichen Text, in dem sie detailliert beschrieb, wie sie ein paar anwesende Menschen drapierte, quälte und folterte. Sofort folgte die Ansage der SL, dass solche Beschreibungen in diesem Detail – gerade auch unter Beachtung dessen, dass es ein Spiel in einem frei zugänglichen Forum auch für Minderjährige sei – nicht erwünscht seien, und einige MitspielerInnen waren ebenfalls ziemlich „irritiert“ von dem Beitrag der Tzimisce. Letztere verstand das Problem allerdings gar nicht und wollte ihren Beitrag unbedingt so behalten, wie er geschrieben war, denn: Sie spiele Vampire, sie spiele eine Tzimisce, sie spiele in einer Sabbat-Runde (Stichwort: Blutfestmahl), und all das seien Gründe, warum dieser Beitrag genau so, wie er war, einfach total stimmungsvoll und passend sei.
Kurzgefasst kam es zum Eklat durch diese Szenenbeschreibung und die Runde hatte sich erledigt.
Für mich hatte diese Runde damals alle Vorurteile, die ich zu Vampire aufgebaut hatte, bestätigt. Im Vordergrund stehen mitnichten Drama, psychologischer Horror, moralische Konflikte, Tragik oder sonst etwas in dieser Richtung, sondern im Vordergrund steht für die meisten, zu den mächtigsten Kreaturen der WoD zu gehören, supercool, superkrass, supermoshend zu sein. Vor allem krass ist ganz wichtig, also rücksichtslos, gewissenlos, brutal, bösartig, tödlich. Da muss es einfach mal möglich sein, Grenzerfahrungen bei all diesen Dingen zu machen, denn Bungee-Jumping ist viel teurer als Rollenspiel. Und, bitte, wer das anders sieht, ist eben eine Lusche, ist nicht hart genug für die böse WoD, hat es einfach nicht drauf, ist eine Pussy … ist doch so, oder?
Ich habe das System damals für mich abgehakt, nachdem ich wirklich vor allem solchen Leuten/Runden mit etwa diesem Spielverständnis begegnet bin. Ich begreife einfach nicht, warum man ein Spiel mit einem solchen Potenzial wie Vampire auf vulgäre Brutalität reduziert und diese dann als Horror klassifiziert. Ich verstehe nicht, warum man das tut, warum man das tun will und auch nicht, wieso diverse Quellenbücher eben diese Auffassungen noch füttern. Ich verstehe auch nicht, wieso gerade Vampire DAS System der WoD ist, bei dem genau das alles so massenhaft aufzutreten scheint.
Werwolf beispielsweise scheint ebenfalls einen hohen Anteil an „Mosher-Spielern“ oder von mir aus „Powergamern“ zu haben. Das mag ein subjektiver Eindruck sein, dennoch sind mir – real wie auch in Forenrollenspielen – bei Werwolf bislang nicht so viele davon begegnet wie bei Vampire. Angesichts der Möglichkeiten von Werwölfen ist das doch irgendwie merkwürdig, oder nicht? Werwolf-Spieler versuchen jedoch meist, noch die Mystik und Spiritualität des Ganzen einzubinden und Fäden zwischen dem Natürlichen, Unnatürlichen, Übernatürlichen zu spinnen. Warum tun sie das – und warum tun Vampire-Spieler das nicht?
Dämonen ist ebenfalls ein WoD-System (zumal spät erschienen und mit vergleichsweise wenigen Quellenbüchern), das fast schon dazu verleitet, über die Powergaming-Schiene alles aus dem Weg zu kloppen, was gerade so anfällt oder einem eben über den Weg läuft. Hier mag es der enge Bezug zum Christentum sein, das ja hierzulande nun mal auch sehr verbreitet ist und für viele Spieler auch irgendwie eine irgendwie geartete Wurzel oder zumindest Eigenerfahrung bietet, aber auch hier ist mir bislang wirklich nur ein Spieler begegnet, der versucht, das System entsprechend auszureizen in „Vampire-Manier“. Mag natürlich auch daran liegen, dass ich nicht allzu viele Dämonen-Spieler kennen gelernt habe.
Gerne liest man in Vampire-Quellenbüchern etwas davon, dass Menschen nur als Vieh angesehen werden. Auch das ist eine Aussage, die viele dazu verleitet oder die viele dazu heranziehen zu begründen, warum sie so platt spielen. Vieh … halten Menschen auch, und in Zeiten der Massenviehhaltung ist da von Respekt nun wirklich auch nichts zu bemerken. Aber in ländlichen Gegenden sieht das selbst heute noch anders aus. Man ist sich da bewusst, dass man diese Tiere (angeblich) benötigt, also das Geld, das sich aus ihrem Verkauf ergibt, die Milch, die Eier, das Fleisch zur Selbstversorgung oder ebenfalls zum Verkauf … da gibt es noch so etwas wie einen Funken Respekt für das Lebewesen, Weidenhaltung, Offenställe, großzügige Gehege … wieso kriegt ein Vampire-Spieler es offenbar nicht geregelt, zumindest mit einer solchen Ansicht an die Menschen (sein Vieh, so gesehen) heranzugehen, obwohl ein Vampir irgendwann mal selbst ein Mensch war, ein Mensch hingegen eher nicht als Huhn, Schwein etc. geboren wurde ursprünglich.
Und wenn ich mir mal Horrorfilme anschaue, in denen Vampire vorkommen … dann kenne ich nicht einen einzigen, der derart stillos und billig durch die Gegend mosht. Vampire und Splatter schließen sich fast gegenseitig aus irgendwie, da stehen Tragik und Dramen zumeist im Vordergrund – wohlgemerkt schreibe ich hier von den Filmen, in denen Vampire Protagonisten sind, nicht die Antagonisten. Habe ich alle entscheidenden Filme verpasst oder wie ist das? Kann mir mal jemand Gegenbeispiele nennen?
Auf der anderen Seite: Gilt hier, dass etwas, das viele Leute tun, nicht automatisch zur Wahrheit wird? Oder gilt vielmehr, dass etwas mit meinem Spielverständnis nicht in Ordnung ist, weil es eben eine Ausnahme zu bilden scheint?
Aktuell bin ich Teil einer Vampire-Tischrunde. Ich habe erst zwei Male mitgespielt, aber ich mag die Leute, ich habe einen Riesenspaß, mal wieder Teil einer P&P-Runde zu sein, ich finde es spannend, Vampire mal so wirklich längerfristig als P&P zu spielen, und ich mag auch die meisten Charaktere grundsätzlich, insofern ich das bislang beurteilen kann. Ich sehe da jedenfalls wirklich viel Potenzial in dieser Runde, dennoch … kam es beim letzten Mal zu einem für mich völlig sinnlosen und denkbefreiten Gemetzel.
Dazu ist zu sagen, dass sich dieses Gemetzel so entwickelt hat und nicht irgendwie geplant gewesen war, dennoch … ich schlage natürlich direkt den Bogen zu meinen bisherigen Vampire-Erfahrungen (zumal auch diese Tischrunde vornehmlich als Sabbatrunde gedacht ist) und frage mich, ob das jetzt ein Ausrutscher war, der unter „kann passieren“ fällt, oder ob der zweite Abend ein Spiegel dessen war, was zukünftig ebenfalls des öfteren der Fall sein wird? Ich finde: Sowas kann wirklich mal passieren und finde es dann auch nicht sonderlich dramatisch. Man handelt im realen Leben ja auch nicht immer optimal, fällt also unter „shit happens“.
Wenn ich mir dann aber ansehe, dass im Verlauf des Abends immer gieriger nach „Kann ich sein/ihr Blut trinken?“, „Kann ich jetzt Disziplin X lernen?“, „Kann ich jetzt diablerieren?“ gefragt wurde, komme ich doch ein bisschen ins Schleudern, was die „shit happens“-Variante betrifft.
Natürlich kann man jetzt und hier - wie bei so ziemlich jedem "Problem" rund um Rollenspiele - den ST/SL/whatever ins Rennen schicken und sagen, dass der Spielleiter eben dafür zuständig sei, in welche Richtung sich ein Spiel entwickelt usw. Ganz grundsätzlich ist das natürlich auch so, aber es kann nicht immer alles an der Spielleitung liegen meiner Ansicht nach. Das Problem erscheint mir schon irgendwie grundsätzlicher.
Also liegt es am Aufbau der Quellenbücher, dass eine ähnliche Spielauffassung und -weise bei Vampire so verbreitet ist? Liegt es am allgemeinen Bild von Vampiren (was ich persönlich am wenigsten glaube, weil Medienvorlagen das aus meiner Sicht so einfach nicht hergeben)? Liegt es daran, dass dieses Spiel einen besonderen Spielertyp schlichtweg besonders anziehen? Liegt es daran, dass ich einfach zu wenige Spielrunden und Spieler (P&P, Foren-RPG, LARP) im Verlauf der Jahre kennen gelernt, gelesen, gesehen habe? Hab ich in den letzten gut 10 Jahren einfach dauernd Pech gehabt, was meine WoD-Bekanntschaften online wie real betrifft?
Oder vielleicht bin ich einfach zu blöd für dieses System. Ich weiß es wirklich nicht.
Wie sind denn eure Ansichten und Erfahrungen konkret dazu?
Grüße,
Tanja