...wobei die Grenze zwischen Actor Stance und Barbie-Spiel fließend ist, da oft die Handlung an und für sich aus Spieler- wie Charaktersicht kaum mehr Bedeutung hat als die Wahl des Outfilts für den Ball.
Ich würde ja Barbie-Spiel gar nicht als Ausprägung einer spezifischen Stance begreifen wollen. Barbie-Spiel ist doch eher eine Sammelbezeichnungen für alle Beschäftigungen mit der Fiktion, insbesondere für den eigenen Charakter, außerhalb des Spieltischs. Da fällt das Schreiben von Kurzgeschichten ebenso drunter wie den Lageplan der Stammburg zu zeichen, den Charakter zu portraitieren ebenso wie das Ausmalen seiner Zukunft.
Das kann je nach Art der Beschäftigung jede Stance sein oder soweit weg vom Spieltisch, dass das Stance-Modell gar nicht mehr greift. Selbst wenn ich ein Ingame-Tagebuch schreibe, muss das nicht in Actor Stance geschehen, sozusagen als Simulation, wie mein Charakter mit einer Situation umgehen würde. Nein, ich kann meinen Charakter ganz bewusst Geschehnisse so interpretieren lassen und im Tagebuch so vorbereiten, dass sie in der Zukunft eskalieren und ich so meine gewünschte spannende Story bekomme. Das wäre dann klassische Author Stance.
Wenn ich die Zukunft meines Charakters plane und ihn einen Busenfreund von Oderint du Metuant werden lasse, wenn ich meine Heimatburg samt Charakteren wie Eberhardt dem Pförtner plane, ist das am ehesten sogar mit Director Stance vergleichbar, also dem Eingreifen in die Spielwelt außerhalb der Sphäre des eigenen Charakters.
Gerade im letzten Fall sehe ich auch eine Entsprechung zu dem, was Dolge sagt: "Folge dürfte sein, dass der Spieler sich ins Barbiespiel flüchtet, weil er nur noch dort Freiheiten hat", aber auf einer anderen Ebene. Ich behaupte: Viele Spielleiter, die im Spiel selbst jegliche Form von Player Empowerment ablehnen, haben nichts dagegen, wenn die Spieler sich im Barbie-Spiel genau diese Macht nehmen. Daher ist das durchaus ein freiheitliches Refugium der Spieler.
Aber es gibt eine Andere mögliche entwicklung: die Spieler fordern vom Meister eine Überarbeitung der Abenteuer, so das diese (und insbesondere die Hooks) auch im Actor Stance 'funktionieren';
Ja, genau, sehe ich auch so. Es gibt ja gerade für diese dysfunktionale Ishaltso-Momente den häufig gehörten Tipp, dass nicht der SL, sondern die Spieler selbst für eine Motivation ihres Charakters sorgen sollen. Nicht der SL muss eiinen guten Hook schaffen, sondern der Spieler soll sich überlegen, wieso der Charakter bei diesem Abenteuer oder jener Aktion mitmacht.
Spieler in reiner Actor Stance kommen mit so einem Tipp nicht zurecht.
Natürlich würden sie eine Motivation für ihren Charakter finden. Aber sich darüber Gedanken zu machen kratzt ja prinzipiell schon an der Actor Stance. Auf diese Art und Weise ihren Charakter zu untersuchen ist schon eine Draufsicht, ein Meta-Spiel, das viele gar nicht wollen.
Daher hat der Spielleiter dafür zu sorgen. Wie macht er das nun? Er kann Hooks für die Charaktere schaffen. Ist eine fortgeschrittene Technik. Oder er nutzt die alte kiesow'sche (oder zumindest Kiesow unterstellte) Methode: Es gibt bei wichtigen Entscheidungen immer eine "gute" Seite, und da die Charaktere ja Helden sind, ist es ingame plausibel, wenn sie sich für genau diese Seite entscheiden. Ansonsten wären sie ja Lollidiebe. Oder, das habe ich an anderer Stelle schon erwähnt, ein weiser und mächtiger NSC leitet die im Idealfall obrigkeitshörigen Charaktere zur richtigen Handlung an. Ein "Mein Charakter würde das nie tun" fällt dadurch weg, das käme ja dann von einem unaventurischen Charakter.
Disclaimer: Ich weiß, Actor Stance existiert eigentlich nicht, wie schon Vermi ausgeführt hat. Ich finde sie als Umschreibung für eine von vielen Spielern zu erstrebende Zielsetzung bei der Charaktersdarstellung ganz hilfreich, sozusagen als Verständnismodell.