YY, gerade deine Erwiderungen oder Kommentare zu Berals Einwurf würden mich sehr interessieren.
Der hier ?
Realismus wirkt auf die menschliche Psyche nicht in jedem Fall plausibel.
Den habe ich zunächst unkommentiert gelassen, weil ich zustimme.
Insbesondere bei Wahrnehmungsfragen sitzen wir oft geradezu erschreckenden Selbsttäuschungen auf.
Das hat dann massive Auswirkungen darauf, was wir als plausibel/realistisch empfinden.
Hinterfragt man entweder die Wahrnehmung oder den jeweils fraglichen Sachverhalt nicht weiter, kann man im Spiel auch nur "gefühlten" Realismus erreichen.
Beispiele, die mir auf Anhieb einfallen, sind Schadensbilder von Autounfällen bei verschiedenen Geschwindigkeiten, das Durchschießen verschiedener Zielmedien oder genaue Abläufe im Kurzzeitbereich.
Da lässt uns unser Alltagsverstand völlig im Stich - wir können das nicht intuitiv erfassen und müssen mühsam experimentieren oder wenigstens Fallbeispiele suchen.
Genau hier wird dann auch die Frage interessant, ob ein System sich "nur" realistisch anfühlen oder realistische Verläufe und Ergebnisse liefern soll.
Ersteres macht viel weniger Arbeit, aber dann muss man auch akzeptieren, dass man öfter mal in eine Denkfalle tappt.
Zweiteres ist viel aufwändiger für den Autor und braucht streckenweise wissenschaftliche Recherche, liefert dafür aber auch unabhängig von den Anwendern brauchbare Ergebnisse.
Darauf müssen sich die Spieler freilich auch einlassen - sonst wird am Ende ein realistisches System als unplausibel und unrealistisch empfunden und abgelehnt (!).
Das Ziel zu erreichen, ist aber unmöglich, weil irgendwo immer noch eine Ausnahme existiert, die mit den vorhandenen Regeln nicht schlüssig dargestellt werden kann.
Das entwertet doch aber nicht eine gute Annäherung.
Solange sich die Ausnahme weit genug außerhalb des Spielschwerpunktes befindet, besteht mMn kein großes Problem.
Vielleicht habe ich das auch in den falschen Hals bekommen, aber mir kommt dieser Gedanke immer so vor, als würde jemand nicht joggen gehen wollen, weil er keine Aussicht darauf hat, irgendwo einen Titel zu erringen.
Er hätte trotzdem was davon, das wird aber ignoriert...
Weil mich das Beispiel aufgeschreckt hat:
Wenn wir mal auslassen ob Prozentwürfe nun elegant sind oder nicht, dann bleibt hier doch eigentlich bloß eine Frage, nämlich die nach der These im Threadtitel: Kann der grobere Ansatz nicht ebenfalls realistisch sein?
Um bei der Gruppe Fernspäher zu bleiben - wenn ich die in meiner groben Auflösung ohnehin nur als Symbol auf einer Karte (Counter of einer Hexkarte) darstelle, dann ist die Auskunft, die mir der einzelne Wurf liefert, vermutlich vollkommen angemessen, auch wenn ich auf Realismus wert lege.
Wenn man nur wissen will, ob die Jungs ihren Auftrag weiter ausführen können oder nicht, reicht das, ja.
(Dann ist nur noch die Frage, wie ich auf den Prozentwert für den Wurf komme - s.u.)
Wenn aber jeder Spieler einen der Fernspäher spielt, ist das mMn völlig unzureichend.
Allerdings nicht, weil es unrealistisch ist, sondern weil es nicht genug Informationen für eine Verwertung im Spiel liefert.
Es liegt doch rein am Geschmack der Gruppe, was sie als ausreichend realistisch empfindet. Wenn ich meiner Gruppe ganz pauschal zurufe: Die Chance das jetzt zu schaffen beträgt 35% und sie akzeptieren, das weil es ihre eigene Vorstellung von Realismus trifft und würfeln einen 100%-Würfel und sind mit dem Ergebnis zufrieden - ist das jetzt weniger realistisch als wenn ich mit dutzenden von Werten und Modis jongliere, die doch nicht wirklich die Realität abbilden können?
Es ist ja oben schon angeklungen: Was die Gruppe als realistisch
empfindet und was realistisch
ist, sind öfter mal zwei Paar Schuhe.
Solange es sich nur realistisch anfühlen soll, ist der Ansatz mit per Gruppenkonsens gewählten Wahrscheinlichkeiten in Ordnung.
Sobald man aber "richtig" simulieren will, kommt man nicht drum herum, das Ganze in einer Form anzugehen, die mit objektiveren Mitteln zu einem Mindestwurf o.Ä. kommt.
Das kann aber - wie schon gesagt - auch bedeuten, dass man als Spieler zunächst mit dem System unzufrieden ist, weil es sich für den Alltagsverstand nicht realistisch anfühlt.
Dann sollte man es entweder verwerfen oder man macht sich die Arbeit (den Spaß?
) und lernt was Neues...
Speziell noch mal zur Unzahl von Modifikatoren:
Ja, man wird nie
alles abdecken können (oder wollen, es soll ja spielbar bleiben).
Aber zumindest die größten und wichtigsten Faktoren kann man meistens relativ gut unter einen Hut bringen.
Und wenn man sich an der Realität orientiert, stellt man oft fest, dass sich Leute außerhalb des Rollenspielbereiches schon große Teile der Arbeit gemacht haben.
Was läge z.B. näher, als bei unseren Fernspähern für die Frage nach der Entdeckung durch den Gegner reale Tarnfaktoren als entsprechend abgestufte Modifikatoren einfließen zu lassen?
Form, Farbe, Schatten, Glanz, Bewegung, Geruch, Geräusch, Spur - damit hat man auf eigener Seite schon mal das Allermeiste erschlagen.
Dazu noch, wie gut der Gegner grundsätzlich und im konkreten Fall wahrnehmen kann, und fertig ist die Wurst.
Kleinfitzeligen Mist braucht auf einem spielbaren Detailgrad niemand.
Was keine relevanten Auswirkungen hat, braucht auch nicht abgebildet werden.
Im Umkehrschluss heißt das, dass mir jeder betriebene Mehraufwand auch was bringen muss - z.B. genauere Ergebnisse und/oder besser aufgeschlüsselte Verläufe.
Das Ganze darf nur nicht Selbstzweck sein. Am Ende muss das System auch Ergebnisse liefern, die nahe an der Realität liegen, sonst kann man sich den ganzen Aufwand sparen.
Könntest du ein Beispiel nennen, wo du das Schadenssystem von Gurps Lite unrealistisch findest?
Gerne:
Gurps Lite kennt weder Trefferlokationen noch Schadensdeckelung.
Das bedeutet, dass Gurps Lite überlebte Durchschüsse mit sehr starken Waffen nicht abbilden kann.
In der "Vollversion" kann der Getroffene - je nach verwendeter Regeloption - bei einem Treffer in einen nichtvitalen Bereich etwa nur seinen HP-Betrag bei Torsotreffern oder bei Gliedmaßentreffern nur so viel HP verlieren, wie nötig sind, um die getroffene Gliedmaße unbrauchbar zu machen.
Mal so formuliert:
Mehr als ab kann ein Arm eben nicht sein.
Ob das durch einen Schuss aus einem Jagdgewehr oder einer Maschinenkanone erfolgt, ist letztendlich egal - die Verletzung ist die selbe (Totalverlust des Arms).
Gurps Lite tappt da in die gleiche Falle wie andere Systeme und vergibt für die Maschinenkanone trotzdem wesentlich mehr Schaden, obwohl die ganze zusätzliche Energie irgendwo hinter dem Ziel im Acker landet.
@Eulenspiegel: Interessant. Ist das Ergebnis denn gelungen?
Wenn man mit der Lupe sucht und die Anforderungen hoch genug ansetzt, findet man natürlich immer wieder mal Bereiche, wo man bestimmte Sachen anders angehen könnte oder müsste.
Im Großen und Ganzen ist es aber sehr gut gelungen - auch der Kompromiss zwischen Simulation und Spielbarkeit.
So konsequent wird das mWn bei keinem anderen System, das realistisch sein soll, durchgezogen.