Autor Thema: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel  (Gelesen 8090 mal)

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Offline 8t88

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #25 am: 29.11.2012 | 12:27 »
Lange Ausführung

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Kürzere Fassung
Ich behaupte, dass Spieler das Realismusargument gezogen haben, weil Sie noch nicht wussten wie sie sich gegen die allmächtigen und willkürlichen Spielleiter wehren sollten.
Regeln sind der verlässliche Punkt eines Spiels (oder sollten es sein) um wiederholbare und nachvollziehbare Ergebnisse zu liefern.
Da die Überlegungen damals noch nicht so weit waren wie heute, und Entwickler damals auch nur Rollenspieler waren, gab es eben zwischen den 80ern und 90ern einen Boom der Hyperrealistischen, und damit zumeist Rulesheavy-Systemen.
Daraufhin folgte der Fall auf die andere Seite des Pferdes: Balancing. Bis man andere Aspekte des Spiels hervorgekehrt hat und mehr nach Genrekonventionen designte (7th Sea, oWoD). Die dann aber wieder zu wenig durchdachte Mechaniken hatten.
Nachdem dann die spezialisierte Indie-Welle kam, und das Internet den Markt und unseren Überblick über Spiele massiv erweitert hat, kommen wir nun zu ganzheitlicheren, runderen Konzepten.
« Letzte Änderung: 29.11.2012 | 12:32 von 8t88 »
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #26 am: 29.11.2012 | 12:44 »
Hallo zusammen,

ich vermute Runequest war das erste Rollenspiel mit Skills, http://de.wikipedia.org/wiki/RuneQuest , das wären dann 1978 gewesen. Wobei man bedenken sollte das das erste D&D 1974 heraus kam, http://de.wikipedia.org/wiki/Pen-%26-Paper-Rollenspiel#Der_amerikanische_Ansatz .
Im deutschen Raum müsste es wohl Magira / Midgard gewesen sein.

Ich vermute die Ausweitung der Skills ging schrittweise vor sich.
Vielleicht wurde ein Mal ein NPC Handwerker von einem Spieler übernommen der dann natürlich auch wissen wollte wie gut er das Handwerk beherrscht.
Vielleicht wollte ein findiger Abenteurer Schneeschuhe aus Ästen herstellen und trat so die Handwerkswelle los.
Vielleicht wollte ein Charakter Schmieden lernen um selbst Waffen und Rüstungen herzustellen oder gar meisterhafte Waffen, die etwa bei DSA Vorzüge mit sich brachten.
Vielleicht wollte ein Spielleiter einen Magier stoppen der magische Gegenstände herstellen wollte und jetzt eben noch den passenden Handwerk Skill brauchte.

Bei DSA war es der Ansatz das man eine Charaktersimulation haben wollte. Da ging man davon aus das Krieger auch etwas von großen Schlachten verstehen, Kriegskunst als Fertigkeit und Magier etwas über die Geschichte des Landes, Wissen: Geschichte.

@8t88
Also wenigstens unsere Runde war damals sehr Regel fixiert. Von da aus gab es bei uns keinen übermächtigen Spielleiter.
Die Realität, wie auch immer wahrgenommen, kam ins Spiel wenn Regeln ziemlich seltsame Ergebnisse lieferten oder die Schreiber eines Abenteuers Mal wieder die Regeln nicht kannten und ein "realistisches" Ereignis voraus setzten.
Bei DSA 1 etwa konnte es auf der Spielwelt eigentlich keinen Mord geben. Begründung: Nach Regeln musste man auch wenn man eine Person treffen wollte einen Trefferwurf machen. Dann wurde der Schaden ausgewürfelt. Die stärkste Waffe war die Barbarenstreitaxt mit 2W+2 Punkten Schaden dazu kam noch ein Bonus bei hoher Körperkraft der entweder +6 oder +8 betrug, ich weiß nicht mehr ob die Attribute damals bis 18 oder bis 20 gingen deshalb die Differenz. Das macht also im maximalen Falle 12+2+8=22 Punkte Schaden. Damit starb man nicht und war noch voll einsatzbereit.
Auch die Übertragung von historischen Fakten oder anderer Settings auf das jeweilige Lieblingssystem konnten zu solchen Problemen führen.
Die Tolkin Fans konnten also nichts mit den DSA Elfen anfangen und Rolemaster Magie auf Mittelerde sorgte für Ergebnisse die als im jeweiligen Rahmen unrealistisch angesehen wurden.

Gruß Jochen
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #27 am: 29.11.2012 | 12:47 »
@Arkam:
Wenn ich es noch richtig im Kopf habe, dann hatte Empire of the Petal Throne 3 Jahre vor Runequest bereits Skills. Ich weiss allerdings nicht, ob die Erfinder von Runequest EotPT kannten.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #28 am: 29.11.2012 | 12:58 »
Hallo zusammen,

laut http://www.rpg.net/reviews/archive/13/13856.phtml hat 6 recht. Empire of the Petal Throne kam danach 1975 heraus.

Gruß Jochen
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #29 am: 30.11.2012 | 10:05 »
@8t88:

Die von Dir aufgeführten Argumente waren meiner Ansicht nach auch ein Grund dafür, warum die Forderung nach "mehr Realismus" erhoben wurde, aber sind, glaube ich, in einem der anderen Realismus-Threads besser untergebracht. Die Suche nach Balancing würde ich übrigens später beginnen lassen, weil sie voraussetzt, dass man sich schon bewusst ist, dass Rollenspiel (auch) ein Gesellschaftsspiel ist, dessen Regeln zu Spielzwecken designt werden können - und ich glaube, dieser Spielaspekt hat sich erst spät im allgemeinen Bewusstsein verankert. Vielleicht erst nach Forge?
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #30 am: 30.11.2012 | 10:53 »
Die Suche nach Balancing würde ich übrigens später beginnen lassen, weil sie voraussetzt, dass man sich schon bewusst ist, dass Rollenspiel (auch) ein Gesellschaftsspiel ist, dessen Regeln zu Spielzwecken designt werden können - und ich glaube, dieser Spielaspekt hat sich erst spät im allgemeinen Bewusstsein verankert. Vielleicht erst nach Forge?
nee nee, der Balancing aspekt schlägt voll gegen ende von SR und anfang SR3 zu.
Abzüge für schnellfeuerwaffen wo sie eigentlich überlegen sidn, ist das paradebeispiel für den balancing wahn, der zu ungunsten von "runden sachen" eingeschlagen hat.
Zumindest sehe ich dass so. Aber ich kann mich auch Täuschen.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #31 am: 30.11.2012 | 11:16 »
Kürzere Fassung
Ich behaupte, dass Spieler das Realismusargument gezogen haben, weil Sie noch nicht wussten wie sie sich gegen die allmächtigen und willkürlichen Spielleiter wehren sollten.
Regeln sind der verlässliche Punkt eines Spiels ...

Das glaube ich nicht...
Die Realismusanhängigkeit der ersten Stunde geschah wirklich, um die Spielwelt möglichst wirklichkeitsgetreu abzubilden.
Denn damals wurden die Spiele geschrieben, verkauft, dann gekauft und gespielt, aber ohne, dass es konstruktives/kritisches Feedback von der Käuferschicht gab.
Und man war sich durchaus bewusst, dass "absolut realistisch" nicht möglich war, versuchte es aber mit "möglichst realistisch".
Was damals nicht so im Bewusstsein war, war die Tatsache, dass die damit verbundene Komplexität ein genau so großer Hemmschuh für den Unterhaltungswert des Spieles sein kann, wie der Verzicht auf Realismus.
DAS kam erst später, mit dem Erzählspiel (Storytelling).

Rollenspieltheorie, Forge und dergleichen kam erst viel viel später...
Balancing war beim Realismus kein Thema, schlicht weil Balancing unrealistisch ist.
Der übermächtige Spielleiter als Kritikpunkt auch nicht - zu dem Zeitpunkt stellte der SpL die Welt dar und gegen die kommt man nun mal nicht an. Und das wurde von SpL wie von Spielerseite so verstanden.

PS: ich schreibe bewusst "Realismus" und "realistisch" und nicht "plausibel", weil es eben darum ging die Welt wirklichkeitsgetreu wiederzugeben.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #32 am: 30.11.2012 | 11:37 »
@Boba und 8t88:

Warum geht ihr eigentlich beide davon aus, dass das Storytelling mit einer Abkehr vom Realismus einherging?

Beim Cinematischen Rollenspiel würde ich das akzeptieren, denn da geht es ausdrücklich um das Spielen in einem Genre, aber das würde ich nicht als Storytelling ansehen. Jiba hat das sogar als Gegenentwurf zum Storytelling beschrieben.

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #33 am: 30.11.2012 | 12:00 »
Das Erzählspiel (in Form von Abenteuer, die durch den SL den Spielern eine Geschichte erzählen) gibt es in ausgeprägter Version schon mindestens seit Dragonlance (1984). Mir wurde gesagt, dass das erste Ravenloftabenteuer(1983) auch schon stark in diese Richtung gegangen wäre.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #34 am: 30.11.2012 | 12:31 »
Ouff...
Ich möchte nicht ganz von meiner Interpretation abweichen und glaube dass irgendwie Boba und ich recht haben.
Teils teils.
Weil wir auch evrschiedene Datensätze, bzw. Erfahrungen haben. Und mittlerweile Rollenspiel kein Lokales Phänomen mehr ist.
Ist also doch eine sehr schwierige Frage.
Wenn ich zu rechthaberisch rübergekommen bin, entschuldige ich mich. Ich bin durchaus offen an anderen meinungen oder "Fakten" (so sehr wie meien aussage sich auf "Fakten" Stützt) :)
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #35 am: 30.11.2012 | 13:15 »
Das Erzählspiel (in Form von Abenteuer, die durch den SL den Spielern eine Geschichte erzählen) gibt es in ausgeprägter Version schon mindestens seit Dragonlance (1984). Mir wurde gesagt, dass das erste Ravenloftabenteuer(1983) auch schon stark in diese Richtung gegangen wäre.

Dragonlance als Mutter des Storytellings ist mir schon ein Begriff  ;)
Meine Frage ist weniger, wann das Erzählspiel (speziell die Variante Storytelling) anfing, sondern warum gerade diese Spielweise als ausdrückliche Abkehr vom Realismusanspruch empfunden wird. Klar, die zeitliche Einordnung gehört in diesen Thread, aber gab D&D mit Dragonlance den Anspruch auf, ein realistisches RPG zu sein?

(Meine Gruppe hat erst Storytelling, dann Cinematisch gespielt, auch wenn die Spiele in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge veröffentlicht wurden (erst TORG, dann V:tM). Während der Storytelling-Phase gab es iirc durchaus noch "Realismus"-Diskussionen, wenn keine eindeutige Anwendung von übernatürlichen Kräften vorlag, während der cinematischen Phase nicht.)

@8t88:
Nee, klang nicht rechthaberisch, ich bin nur wirklich interessiert, warum - gerne auch mit Spieltischanekdoten - Du und Boba Storytelling als Abkehr vom Realismusanspruch ansehen. Für mich war (s.o.) TORG Ende '80er das erste Spiel, wo (mithilfe eines Tricks) ausdrücklich der Realismus im Rollenspiel zugunsten genrenaher over-the-top-action aufgeben wurde - und das ist gewiss kein Storytellerspiel.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #36 am: 30.11.2012 | 13:31 »
Dragonlance als Mutter des Storytellings ist mir schon ein Begriff  ;)
Meine Frage ist weniger, wann das Erzählspiel (speziell die Variante Storytelling) anfing, sondern warum gerade diese Spielweise als ausdrückliche Abkehr vom Realismusanspruch empfunden wird. Klar, die zeitliche Einordnung gehört in diesen Thread, aber gab D&D mit Dragonlance den Anspruch auf, ein realistisches RPG zu sein?

(Meine Gruppe hat erst Storytelling, dann Cinematisch gespielt, auch wenn die Spiele in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge veröffentlicht wurden (erst TORG, dann V:tM). Während der Storytelling-Phase gab es iirc durchaus noch "Realismus"-Diskussionen, wenn keine eindeutige Anwendung von übernatürlichen Kräften vorlag, während der cinematischen Phase nicht.)

@8t88:
Nee, klang nicht rechthaberisch, ich bin nur wirklich interessiert, warum - gerne auch mit Spieltischanekdoten - Du und Boba Storytelling als Abkehr vom Realismusanspruch ansehen. Für mich war (s.o.) TORG Ende '80er das erste Spiel, wo (mithilfe eines Tricks) ausdrücklich der Realismus im Rollenspiel zugunsten genrenaher over-the-top-action aufgeben wurde - und das ist gewiss kein Storytellerspiel.
7the Sea ist kein Storyteller spiel.

Nimm diesen von der WoD vorbelasteten Begriff mal aus der Aussage heraus.
Ich spreche hier halt von Genrekonventionsspiel, in dem es mehr um Glaubwürdiges darstellen des Settings geht, als um totale Realweltsimulation.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #37 am: 30.11.2012 | 13:47 »
@Boba und 8t88:
Warum geht ihr eigentlich beide davon aus, dass das Storytelling mit einer Abkehr vom Realismus einherging?

Es geht nicht um eine Abkehr. Es geht um eine Verlagerung des Fokus.
Letztendlich wurde das Paradigma "möglichst realistisch" aus dem Fokus der Zielsetzung genommen und durch ein "ausreichend realistisch" ersetzt. Dafür wurde dann ein "möglichst narrativ" (was ich mit "möglichst narrativ" meine, sei man eben ignoriert, würde hier zu weit führen).

Wenn die Inhalte in ihrer Bedeutung eine andere Gewichtung bekommen, ändern sich auch die Methoden im Spiel und auch die Spielregeln werden von den Designern anders konstruiert.
Schaut man sich (umgekehrt) die Spielregeln an, muss man also auch hinterfragen, mit welcher Prämisse sie konstruiert wurden.

Generell zur "Abkehr"...
Im Rollenspiel hat es nie irgendeine totale Abkehr gegeben... Wenn am Anfang die taktischen Rollenspiele (DnD, hervorgegangen aus taktischen Brettspielen) stand, so war Taktik niemals "unwichtig". Ebenso "Dramaturgie" (narratives Spiel) oder "Realismus" (Simulation). [anmerkung: umgangsprachliche Begriffsanwendung, nicht GNS/TF!]
Allerdings veränderten sich die Gewichtungen.
Eine völlige Abkehr dieser Elemente ist ja auch gar nicht möglich - Wie soll eine Abkehr vom Realismus aussehen? Schwerkraft wird irrelevant...? ;)
« Letzte Änderung: 30.11.2012 | 13:53 von Boba Fett »
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #38 am: 30.11.2012 | 13:52 »
Boba hats gesagt! :d
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Offline Oberkampf

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #39 am: 30.11.2012 | 14:16 »
7the Sea ist kein Storyteller spiel.

Nimm diesen von der WoD vorbelasteten Begriff mal aus der Aussage heraus.
Ich spreche hier halt von Genrekonventionsspiel, in dem es mehr um Glaubwürdiges darstellen des Settings geht, als um totale Realweltsimulation.

7. See würde ich auch als eher cinematisch einstufen, auf keinen Fall als Storytellerspiel. Aber ich glaube, ich weiß, was Du meinst. Mit Genrekonventionsspiel kann ich mich gut anfreunden.

@Boba:
Thema Abkehr: Ich meinte nicht eine Abkehr vom Realismus, sondern eine Abkehr vom Realismusanspruch. Darunter verstehe ich den Anspruch, dass die Regeln die Realität unserer Spielwelt (mit Ausnahme der klar gekennzeichneten, offensichtlichen Genre-Elemente wie fliegende, feuerspeiende Drachen usw.) so genau und korrekt (und evtl. sogar detailliert) wie möglich abbilden. Von diesem Anspruch wurde mMn schon abgekehrt, als man sagte: Wir können uns denken/wissen aus praktischer Erfahrung, dass Fechten nicht so abläuft wie bei einem Musketierfilm dargestellt, aber wir blenden das aus und schreiben die Regeln so, dass Fechten sich so anfühlt/spielt wie in einem Musketierfilm.

Ich meine damit auch nicht die totale Aufgabe dieses Anspruchs, sondern eher Abkehr als eine Verschiebung der Zielrichtung.
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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #40 am: 1.12.2012 | 09:48 »
Hallo zusammen,

ich denke mit den Storyteller Spielen kam tatsächlich ein Wandel und zwar ein ähnlicher wie bei dem von der Hard zur Soft SF.
Der Schwerpunkt lag also nicht mehr darauf auf einem Gebiet gut zu sein oder eine Aufgabe optimal zu lösen sondern auf der Charakter Simulation. Zu einer glaubhaften Charakter Simulation gehören  aber neben den Stärken eines Charakters auch seine Schwächen und das er an die bespielte Welt angebunden ist. Entsprechend verschob sich der Focus der Abenteuer von Dungeon / Wildnis eher auf Stadt / Politik. NPCs wurden von Nebenpersonen und Gegnern plötzlich zu einem Focus und konnten den Charakteren auch durchaus überlegen sein. Von da aus wurde die Weltsimulation und die Gleichheit von SCs und NPCs wichtiger.
Da die verwendeten Regelwerke aber nicht entsprechend angepasst waren wurde dem Spielleiter wieder mehr Kompetenz eingeräumt. Zu Gunsten der Story durfte er im Extremfall auch Regeln ignorieren oder gar Würfelergebnisse anders interpretieren als der Spieler das erwartet hätte und die Regeln es auch aussagten.
Aus Erzählungen der Spieler die ich kenne akzeptieren sie solches Verhalten bei ihrem Spielleiter weil er auf den Gebieten Taktik und Regelkenntnis eine Schwäche hat und die Gegner sonst langweilig würden.
Ich vermute das immer wieder aufkommende Geschichten über extreme Spielleiter aus der Storytelling Ecke brachten dem Storytelling seinen teilweise so schlechten Ruf ein.

Gruß Jochen
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Offline La Cipolla

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #41 am: 1.12.2012 | 09:54 »
Vielleicht sollte die Rollenspieltheorie mal jegliche "Abkehr" aus ihrem Inventar verbannen. ::)
Hat schon der Didaktik nicht sonderlich geholfen, früher oder später kommt eh alles zurück (wenn auch anders als zuvor).

Offline Gummibär

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #42 am: 2.12.2012 | 06:56 »
Evtl. gab es auf Autor- und Spielerseite voneinander unabhängige Forderungen nach Realismus aus verschiedenen Gründen?
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

Gut gemacht.  :gaga:

Offline Oberkampf

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #43 am: 2.12.2012 | 21:29 »
Evtl. gab es auf Autor- und Spielerseite voneinander unabhängige Forderungen nach Realismus aus verschiedenen Gründen?

Das würde ich auch annehmen.

Als eines der realistischsten im Bereich Fantasy gilt ja Harnmaster. Das gehört doch sicherlich in so einen Thread 'rein (ich kenne es nur vom Hörensagen). Hat das jemand mal gespielt? Wie alt ist das denn? Und hat jemand mal irgendein Interview mit dem Entwickler/Autoren gelesen, was hinter seinen Designansprüchen steckt?

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Offline Xemides

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #44 am: 3.12.2012 | 05:20 »
Ich kenne es auch nur vom Höre-Sagen, aber Wiki sagt, das die erste Edition erst 1986 erschienen ist.
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Offline blut_und_glas

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #45 am: 3.12.2012 | 07:39 »
Evtl. gab es auf Autor- und Spielerseite voneinander unabhängige Forderungen nach Realismus aus verschiedenen Gründen?

Da Autoren gerade auch historisch gesehen auch Spieler sind (sehen wir uns doch einmal wieder an, wie traditionell Wargame-Regeln (ja bereits als Quelle für Rollenspielregeln und deren Realismusanspruch vorgeschlagen) entstehen - als Clubregeln aus dem Spielgebrauch heraus/für den heimischen Spielgebrauch) würde ich die Trennung so eher nicht ziehen.

Vielleicht könnte es funktionieren anzunehmen, dass manche Spieler zu Autoren werden, weil sie bestimmte (andere?) Realismusforderungen/Gründe für diese haben. Aber anderesherum sehe ich da weniger Zusammenhänge.

Etwa nach einer solchen Faustformel: Wenn bei einem Spieler Unzufriedenheit über mangelnden Realismus mit der Freude am Schaffen (von Regeln) und mit einem erhöhten Mitteilungsbedürfnis (Publikation anstelle von privaten Hausregeln) zusammenkommen, dann haben wir einen Autor mit Realismusanspruch. Wobei der Anspruch aber eben am Anfang steht - er ist aus dem Spielersein heraus geboren, nicht aus dem Autorsein.

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Offline Gummibär

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #46 am: 4.12.2012 | 02:46 »
@ b_u_g
Ja, die „Forschungshypothese“ muss noch weiterentwickelt werden, da hast du Recht.

Die zwei Vorschläge, die bisher vorliegen, warum Realismus gewünscht wird, sind glaube ich:
a) Kritikmöglichkeit am übermächtigen SL
b) Simulationsanspruch

Wenn ein Spieler zum Autor mit Realismusanspruch wird, dann vermute ich, dass dies nur im Fall von b) passiert. Insofern wären die Motive der Spieler vllt heterogen, während sie bei den Autoren homogen sind? Die Autoren müssen sich ja nicht mit einem übermächtigen SL auseinandersetzen. Und ich glaube auch als Spieler wird man durch a) nicht zum Autor. Oder was meint ihr?



Vielleicht sollte die Rollenspieltheorie mal jegliche "Abkehr" aus ihrem Inventar verbannen. ::)
 

Das finde ich eine sehr gute Idee. :d Trends nach Simulation, Taktik, Einfachheit, Realismus, Narrativismus, vielen Bunten Würfeln o.ä. sind doch entweder nur eine Seite der Medaille (weil das Pendel zur Zeit etwas zu stark in der anderen Richtung ist) oder werden nur von einem Teil der Rollenspieler getragen. Vieles ist Geschmackssache und nicht Fortschritt für alle Geschmäcker.
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

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Re: [Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel
« Antwort #47 am: 16.12.2012 | 18:45 »
Das würde ich auch annehmen.

Als eines der realistischsten im Bereich Fantasy gilt ja Harnmaster. Das gehört doch sicherlich in so einen Thread 'rein (ich kenne es nur vom Hörensagen). Hat das jemand mal gespielt? Wie alt ist das denn? Und hat jemand mal irgendein Interview mit dem Entwickler/Autoren gelesen, was hinter seinen Designansprüchen steckt?



Da helf ich gerne weiter, spiele es seit der 1st-Edition, also seit den 90ern.

Auch dieses System hat sich in den letzten Jahren gewandelt, leidet gab's aber auch noch krach zwischen den Entwicklern und daher existieren mittlerweile zwei verschiedene Regelwerke. Grundsätzlich sind sie aber relativ ähnlich, je nach Vorliebe der Spieler mal weniger mal mehr detailiert. Hârnmaster hatte in den 80ern und 90ern schon das, was vor einigen Jahren (etwa bei DSA) also "große Revolution" verkauft wurde: also keine Stufen (learning by doing), keine Erfahrungspunkte, etc. HM hat sicherlich auch einige Skills, die so im Spielgebrauch nicht verwendet werden, aber meiner Ansicht nach bringt es Farbe für den gespielten Charakter. Auch als Spielleiter hilft es mir, von anderen erdachte Charaktere einzuschätzen.
Das Kampfsystem ist sehr realistisch ausgelegt, allerdings besitzt es lediglich das althergebrachte Attacke-Parade-Schema, nach dem auch DSA funktioniert hat. Die vielen Spezialfertigkeiten für Kampf, etc. wie sie etwa Pathfinder hat, gibt es dort nicht. Aber: Das Fertigkeitensystem lässt es zu, solche Spezialisierungen sehr einfach (!) im System unterzubringen. Beispielsweise gibt es die Fertigkeit "Schwerter", die man ab einem bestimmten Wert so wie man es sich wünscht weiter aufteilen kann. Ein Spieler kann also selbst entscheiden und sagen: "ich will das spezialisieren auf "Breitschwerter". Diese Spezialisierungen werden doppelt so stark gesteigert wie die ursprüngliche Fertigkeit, allerdings bleibt die allgemeine Fertigkeit auf dem Wert wo sie ist. Muss man also mal wieder ein Kurzschwert zücken steht man doof da ;) Naja, wie dem auch sei, ich finde diese Idee sehr schick, da sich so jede Spielrunde (oder Spieler) die Fertigkeiten hinzunehmen kann, die er haben will. Wer sie nicht haben will, spielt halt nur mit den allgemeinen Fertigkeiten.

Das wirklich Realistische ist aber das Setting. Die Insel "Hârn" versucht wirklich, nachvollziehbar zu sein und nicht die Dinge in eine Welt einzubauen, die sie aus dem Gleichgewicht werfen. Es gibt halt keine Reiter auf Greifen, da diese Tiere schon genug schwierigkeiten haben, alleine vom Boden abzuheben. Zudem hat man (und das ist für mich nach wie vor der Hauptgrund, warum es mein Lieblingssystem ist) nicht den Fehler gemacht, sämtliche Epochen und Zivilisationen, die "irgendwie cool zum Spielen sind", in die Welt hineinzuquetschen. Die Welt ist in sich konsistent. Es gibt in dieser mittelalterlichen Welt eben keine Degenwaffen (und Streuner), kein (oder nur sehr wenig) Glas oder mechanische Konstruktionen die in die Neuzeit gehören. Wenn ich Mantel & Degen spielen will, spiele ich halt andere Systeme (wenn überhaupt).

Du kannst Dir ja mal ein paar von den unzähligen Downloads auf Lythia.com anschauen, das wird Dir sicherlich einen guten Eindruck verschaffen, wie "Hârnmaster" ist: http://www.lythia.com/category/downloads/, insbesondere die Serie "Friends, Foes & Followers", die viele NPC's vorstellt, ist wirklich gut gelungen: http://www.lythia.com/series/friends-foes-followers/

Liebe Grüße,
Lars

P.S.: Müsste ich das Setting und Feeling von Hârnmaster mit einem Film beschreiben, würde ich sagen: schau Dir den "13. Krieger" an :)
« Letzte Änderung: 16.12.2012 | 18:50 von 2W6+6 »