Die vor Kurzem geführte Diskussion über
Immersions-Techniken hat mich auf den Gedanken gebracht, das Prinzip
Rauch und Spiegel (
smoke and mirrors) mal ein bisschen unter die Lupe zu nehmen.
Es geht darum, eine Welt lebendig wirken zu lassen, wo eigentlich keine existiert. Um das Gefühl einer Realität, mit all ihrer Tiefe, Vielseitigkeit und Unendlichkeit. Um die Illusion einer unerschöpflichen Wirklichkeit.
Mit anderen Worten: es geht darum, die Spieler an das Setting
glauben zu lassen (insbesondere an jene Elemente, die nicht ausdefiniert wurden).
Natürlich erschaffen wir die Spielwelt nicht komplett, nicht mal in der Fiktion. (Selbst Tolkien, der alte Weltenbau-Nerd, hat das nicht geschafft.) Aber wie ein Bühenmagier, können wir die Welt "in Spiegeln" erscheinen erscheinen lassen. Dann fehlt nur noch ein wenig Rauch, der den Blick auf sich zieht und die Konturen der Spiegel verschleiert.
Die Technik nimmt etwas Bedeutendes und erklärt es so gut wie gar nicht, stattdessen picken wir uns ein kleines Detail heraus und illustrieren in all seiner Einzigartigkeit und Tiefe.
Zugegebener Maßen kann manch ein Spieler auf die Idee kommen, den großen Komplex erforschen zu wollen und dann müssen wir uns doch ans Ausgestalten machen. Ein Problem, dass sich für geschriebenes Wort (von dort habe ich die Technik stibitzt) nicht stellt.
Aber die Erweckung kleiner Details macht die gefühlte Realität intensiver, auch in der "improvisierten Interaktivität". Sie vermitteln ein Gefühl von Lebendigkeit und Stimmung und lassen mich an jene Dinge glauben, die ich nicht genau betrachte.
Und meiner Erfahrung nach lenken die Spieler ihr Augenmerk und zukünftige Unternehmung eher in die Richtung solcher Details, als auf das große Ganze "in den Spiegeln".
Ich sehe mich selbst als vorbereiteter Improspieler und, im Falle des Leitens, als improvisierenden Dramaturgen. In diesem Bereich habe ich ganz gute Erfahrung mit solchen Rauch-Details gemacht.
(Mal eine Frage interessehalber an die überzeugten und geübten Sandboxer: läuft die Technik eurem Spielethos zuwider, oder wäre sie damit zu vereinbaren?)
BEISPIEL 1 - Ein neuer Schauplatz
Stellen wir uns vor, die Charaktere entdecken eine abgelegene und uralte Stadt, die inmitten eines Wasserfalls errichtet wurde. Theoretisch bräuchten wir unzählige Konzepte, die erläutern wie Gebäude gegen Erosion geschützt werden, wieso dieser Ort zum Bauplatz erkoren wurde, welche kulturelle Bedeutung der Wasserfall einnimmt usw. Gegebenen Falls könnten alle diese Frage auch wirklich noch spannend werden - nämlich dann, wenn es die Spieler interessiert.
Ich lasse sie aber erstmal unbedarft die Stadt betreten und auf einen Straßenmusiker treffen, der eine Art Orgel in das fließende Wasser senkt. Rohre unterschiedlichen Durchmessers erzeugen aus der Strömung verschiedene Töne. Ich beschreibe die Form der Orgel, motivische Verzierung, den Klang der Musik und die Zuschauer...
BEISPIEL 2 - Ein neuer Charakter
Die Charaktere treffen eine übermenschlich schnelle und präzise Schwertkämpferin... anstatt den ganzen Stil zu beschreiben und eine komplette Kampfsportart zu entwickeln, fokussiere ich mich darauf, wie sie vor dem Kampf einen kurzen Tanz aufführt. Sie spricht davon, ihr Schwert auf diese Weise zu ihrem Partner zu machen. Sie zelibriert eine "Verlobung mit der Waffe". Nach jedem Kampf gibt es ein kurzes Trennungsritual, "da Waffen - wie Männer - sonst versuchen Dich zu kontrollieren".Bemerke: Die Wahl und Gestaltung der präsentierten Details, prägt mMn in erheblichem Maße, wie die Stimmung und der Fokus der Schilderung wahrgenommen wird (sei es Settig oder Figur). Hier kann man stark gestalten aber auch viel in eine ungewollte Richtung lenken (z.B. langweilig machen).
...und ein Gedanke: Übertragen wir das "welche Details präsentiere ich?" neben Figur und Schauplatz auch auf den Handlungsbogen, sind wir mitten bei Fragen des Pacings, des Scene-Framings usw.
Also: Worauf versucht Ihr bei der Wahl und Schilderung Eurer Details zu achten? Oder haltet Ihr diese "literarische" Technik im Rollenspiel für unpassend?EDIT: Blöde Rechtschreibung...