Autor Thema: Standpunkte zu Balancing  (Gelesen 22602 mal)

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Offline Feuersänger

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #100 am: 1.03.2013 | 10:43 »
- Profession: Craft (was sogar abenteuerrelevant ist)

Also durchaus mehrere Skills. Der einzige Unterschied ist, dass diesese Skills bei einer alphabetischen Sortierung automatisch gruppiert werden.

Erstens gibt es nicht Profession:Craft, sondern Craft X als eigene Skillgruppe (z.B. Craft Traps, Craft Weapons, etc). Unterschied ist das Basisattribut. Zweitens war meine Aussage, dass man so ziemlich jeden Beruf durch jeweils einen einzigen Skill abdecken kann. Ob das jetzt Profession:Cook or :Sailor oder Craft:Carpenting ist. Man muss keine kompletten Stufen in "Berufsklassen" belegen. Zumal netterweise fast jede Klasse Profession und Craft als Klassenfertigkeiten (d.h. billig zu steigern) besitzt.
Das gemeine nichtabenteuernde Volk hingegen wird dann mit den NSC-Klassen Commoner oder Expert abgebildet, unter denen sämtliche Bettler, Majordomos, Zuckerbäcker und dergleichen zusammengefasst sind, die in gewissen anderen Systemen seitenweise Platz verschwenden.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Beral

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #101 am: 1.03.2013 | 11:28 »
Kämpft hier nicht etwas das Balancing gegen die Nachvollziehbarkeit? Jeder Spieler wird erwarten, wenn nicht sogar fordern, dass gewisse Attribute sich bei gewissen Dingen auswirken. Grade wenn man das Attribut Stärke hat, dann werden die Leute nicht einsehen wieso das nicht auch Traglast beeinflusst. Nicht dass ich persönlich Traglast verwenden würde, das halte ich für lästiges Micromanagement, aber ich spreche nur von der generellen Überlegung.
Damit sitzt du in einer Falle, aus der kein Entrinnen ist. Einerseits möchtest du den Realismus zumindest nicht unter die Räder geraten lassen, ihm also ein Mindestmaß an Bedeutung zuerkennen. Andererseits möchtest du die Charaktere gegeneinander ausbalancieren, ihnen die gleichen Chancen im Spiel einräumen. Es ist absolut unmöglich, beides (auf hohem Niveau) zu vereinbaren. Womöglich sind viele Systeme deshalb vermurkst, weil es doch versucht wurde.

Aus dem Dilemma gibt es zwei Auswege. Entscheide dich für eine der Möglichkeiten und ignorier die andere. Der eine Ausweg besteht dann darin, auf Realismus zu setzen. Das schließt übrigens das schwerstmögliche Balancing schon ein, denn man muss für eine realistische Darstellung die Realität erkannt haben und dann noch einen Weg finden, sie in einfachen Formeln zu simulieren. Der andere Ausweg besteht darin, Gerechtigkeit für die Spieler herzustellen und den Realismus konsequent unterzuordnen und zu verbiegen, wo es die Gerechtigkeit einfordert. Die schon genannten Systeme, die nur Erzählrechte verwalten, gehen diesen Weg.

Das ist ein Ansatz, den ich nicht unterstützen möchte, aber auch nicht so recht wüsste, wie man darauf überhaupt Einfluss nimmt über die Regeln. Ich finde nicht, dass jeder Charakter im Kampf nützlich sein muss. Ein Charakter sollte viel mehr die Möglichkeit haben, nicht kämpfen zu müssen, aufgrund seiner Fähigkeiten, wenn er darin nicht gut ist. Wenn du einen rein gewandten, akrobatischen Agilitätscharakter hast, dann sollte es genau so als erfolgreich absolvierter Konflikt gelten, wenn du schaffst der Stadtwache zu entkommen anstatt sie niederzukämpfen. Und wenn du ein Bäcker bist, dann musst du halt all deine Gegner mit Käsekuchen besänftigen, I guess.
Passt das noch zu deinen Realismusansprüchen? ;)
Einerseits möchtest du der Stärke dort Einfluss anrechnen, wo Stärke natürlicherweise Einfluss hat. Andererseits möchtest du einem Bäcker die gleichen Chancen in einem Konflikt mit der Wache einräumen, wie einem Kämpfer. Das ist das Gegenteil von realistisch. Und damit ist nicht mal gemeint, dass der Bäcker schlechter abschneiden muss. Er könnte im Vorteil sein, gerade weil er kein Kämpfer ist. Jedenfalls sind die realistischen Chancen in einem bestimmten Konflikt von Person zu Person extrem unterschiedlich. Deine Balancingansprüche verlangen Chancengleichheit.

In der Debatte schwirrt dieses Problem herum, die Unvereinbarkeit von Spielweltrealismus und Gerechtigkeit zwischen Spielern. Es ist zwischendurch wieder untergegangen, aber es ist der eigentliche Knackpunkt. Die Front, an der sich die Geister scheiden, ist übrigens wohlbekannt, an ihr entzünden sich grundlegende Streitpunkte der Rollenspieltheorie. Die Unterscheidung der Spielweltebene und der Spielerebene fällt hierunter. Die Balancinggerechtigkeit ist ein Anliegen der Spielerebene, plausible Spielwelt ist ein Anliegen der Spielweltebene. Die Unterscheidung von extrinsischen und intrinsischen Regeln fällt hierunter.

Wo sich ein so tiefer Graben auftut, steckt häufig ein psychologisches Phänomen dahinter. Spontan muss ich an die Unterscheidung von Empiristen und Moralisten denken. Hm, das muss ich aber erst sacken lassen.
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Offline 1of3

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #102 am: 1.03.2013 | 12:01 »
Eigentlich ist das kein Problem von "Spielweltrealismus", sondern nur von gutem Spieldesign und Denken außerhalb der Kiste. Alle Probleme, die man sich hier baut, baut man sich immer selber. Die Lösung ist das meistens: Mach zwei Schritte zurück und fang noch mal von vorn an. Das mit der Stärke ist ein wunderbares Beispiel. "Jeder Spieler wird erwarten..." Kein Spieler erwartet irgendwas, wenn doch, dann hat er nichts zu erwarten. Die DesignerIn macht das Spiel, dann wird es gespielt oder nicht. Das Problem ist, dass leider viel zu viele immer nur tradierte Sachen wiederkäuen. Wieso soll das Spiel überhaupt einen Stärke-Wert haben? Es gibt keinen Grund dafür. Tut sich ein solches Ding als Problem beim Design auf, kann man es einfach weg nehmen. Die Regeln existieren nicht, bevor sie jemand auf das Papier geschrieben hat. Es gibt kein Problem.

Luxferre

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #103 am: 1.03.2013 | 12:28 »
In der Debatte schwirrt dieses Problem herum, die Unvereinbarkeit von Spielweltrealismus und Gerechtigkeit zwischen Spielern. Es ist zwischendurch wieder untergegangen, aber es ist der eigentliche Knackpunkt. Die Front, an der sich die Geister scheiden, ist übrigens wohlbekannt, an ihr entzünden sich grundlegende Streitpunkte der Rollenspieltheorie. Die Unterscheidung der Spielweltebene und der Spielerebene fällt hierunter. Die Balancinggerechtigkeit ist ein Anliegen der Spielerebene, plausible Spielwelt ist ein Anliegen der Spielweltebene. Die Unterscheidung von extrinsischen und intrinsischen Regeln fällt hierunter.

Wo sich ein so tiefer Graben auftut, steckt häufig ein psychologisches Phänomen dahinter. Spontan muss ich an die Unterscheidung von Empiristen und Moralisten denken. Hm, das muss ich aber erst sacken lassen.

[Fett markiert]
Gut auf den Punkt gebracht, Beral.
Aber vergiss auch nicht die subjektive Gewichtung von Gerechtigkeit.
Bei uns ist es wichtig, dass jeder Spieler mit seinem Charakter eine indiuviduelle Rolle ausspielen kann und seine Zeit im Spotlight bekommt. Da ist es nicht wichtig, ob der Schurke nur 80% auf Schlösseröffnen hat, während der Frontkämpfer 120% für seine Primärwaffe auffahren kann. Es geht darum, dass die VErteilung der Aktionen im Spiel auf Regelebene und auf Charakterspielebene bekommt. Also zählt der Beitrag zum Gesamtbild.

Ganz so wissenschaftlich wie Du, würde ich das Thema nicht betrachten wollen. Aber das nur am Rande.

Online Arldwulf

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #104 am: 1.03.2013 | 12:46 »
Eigentlich ist das kein Problem von "Spielweltrealismus", sondern nur von gutem Spieldesign und Denken außerhalb der Kiste. Alle Probleme, die man sich hier baut, baut man sich immer selber. Die Lösung ist das meistens: Mach zwei Schritte zurück und fang noch mal von vorn an. Das mit der Stärke ist ein wunderbares Beispiel. "Jeder Spieler wird erwarten..." Kein Spieler erwartet irgendwas, wenn doch, dann hat er nichts zu erwarten. Die DesignerIn macht das Spiel, dann wird es gespielt oder nicht. Das Problem ist, dass leider viel zu viele immer nur tradierte Sachen wiederkäuen. Wieso soll das Spiel überhaupt einen Stärke-Wert haben? Es gibt keinen Grund dafür. Tut sich ein solches Ding als Problem beim Design auf, kann man es einfach weg nehmen. Die Regeln existieren nicht, bevor sie jemand auf das Papier geschrieben hat. Es gibt kein Problem.

Ob nun mit Stärkewert oder ohne macht hierbei aber keinen Unterschied. Die Spieler werden anhand ihrer Alltagserfahrung dennoch erwarten das manche Charaktere mehr tragen können als andere. Und darüber auch weitere Schlüsse schließen können.

Zum Beispiel das der Typ der viel tragen kann auch viel heben kann. Und auch gut im Armdrücken ist. Und wenn der mit dem Hammer mal zuhaut....das tut viel mehr weh als bei anderen!

Es ist eben nicht so als ob diese Dinge willkürlich und ohne Hintergrund aufgeschrieben wurden. Sie dienen dazu die Spielwelt plausibel erscheinen zu lassen. Der Denkfehler liegt weniger darin zu glauben Balancing wäre davon abhängig das alle Fähigkeiten gleich gewichtet wären und gleichen Einfluss auf das Spiel haben müssten. Dies ist nicht der Fall.

Offline 1of3

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #105 am: 1.03.2013 | 13:50 »
Meinst, du dass er eher darin liegt? Du hast auf jeden Fall insoweit recht: Das glaubt niemand.

Wir müssen noch mal festhalten: Balancing ist ein Problem, wenn ich eine Entscheidung habe. Ohne Entscheidung, bei zufällig Verteilung etc. ist Balancing keine Kategorie. Das Schach-Beispiel von oben zieht z.B. nicht, wenn man die Seiten auswürfelt. Wenn es Entscheidungen gibt, setze man nur solche Alternativen in Konkurrenz, die ausgeglichen erscheinen.

Und wieso sollten Spieler erwarten, dass das Regelwerk irgendwas zu Armdrücken oder Tragen aussagt? Klar sind gewisse Leute besser im Armdrücken, aber wieso sollte das Regelwerk sich damit befassen? Das wäre ungefähr so, wie die Frage, wo bei den Siedler-von-Catan-Häuschen die Kanalisation ist. Wenn wir annehmen, dass diese Häuschen in einer Fiktion stehen, wird da sicherlich geschissen werden, aber das ist für das Regelwerk uninteressant. Genauso klagt kaum ein Spieler, dass das Regelwerk sich nicht für den Harndrang ihrer Charaktere interessiert. Dabei können wir sicherlich ausgehen, dass auch diese gelegentlich pissen müssen.

Für das Regelwerk ist relevant, was im Regelwerk steht.

Online Arldwulf

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #106 am: 1.03.2013 | 14:36 »
Regeln sind letztlich nur Lösungsvorschläge für den Spielleiter und die Spieler. Wie könnte man ein bestimmtes Problem lösen?

Insofern macht es aber auch keinen Unterschied ob es nun einen Stärkewert gibt oder einen Armdrückenwert. Oder ob der Spielercharakter einfach nur in der Beschreibung als "groß und kräftig gebaut" dargestellt wird. In jedem Fall wird erwartet das diese Eigenschaft Auswirkungen hat. Egal wie viele Regelhilfen ich dem Spielleiter dort in die Hand gebe - am Ende wird die Eigenschaft immer auch Auswirkungen haben.

Und darum geht es letztlich: Um das Spiel zu balancen müssen diese Auswirkungen im Gleichgewicht gehalten werden. Nun bedeutet Gleichgewicht nicht "gleich".





Schau mal diese Steine an. Sind sie gleich? Senkrecht übereinander? Nö. Aber trotzdem in Balance. Das ist nun nur eine kleine Metapher. Aber das gleiche gilt auch für andere Anwendungen eines Balancebegriffs. Es geht nicht darum ob alles hübsch gleich und gradlinig ist. Sondern darum dass nicht alles umfällt.

Sprich: Auch in einem Spiel welches auf die Spielbalance acht gibt kann man natürlich auch einen schwachen Charakter spielen. Die Balance kann auch hierbei völlig in Ordnung sein, solange die Auswirkungen vorab klar sind. Dort wird man es nur vorher wissen - und bewußt tun. Genau darum geht es bei Balance. Vorab sagen zu können welche Auswirkungen etwas haben wird.Das hilflose junge Mädchen das den tapferen Drachentöter begleitet? Kein Problem. Der beste Freund des Drachentöters der ihn begleitet, ihn von seinem Hintergrund und seinem Charakter her unterstützen sollte, aber sich dabei wie ein hilfloses kleines Mädchen fühlt? Das wäre ein Problem.
« Letzte Änderung: 1.03.2013 | 14:38 von Arldwulf »

Offline 1of3

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #107 am: 1.03.2013 | 14:50 »
Regeln sind die Anweisungen, was die Teilnehmer der Spielrunde zu tun haben. Sie lösen gar nichts.

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #108 am: 1.03.2013 | 14:53 »
Wenn man in irgendeinem Rollenspiel nur machen könnte was auch in den Regeln steht hättest du wohl recht.

Ich kenn nur keins. Aber du kannst das ja auch in einem Beispiel probieren. Nimm ein beliebiges Regelwerk und schau darin nach welche Regeln es für das aufbrechen einer Tür gibt.

In manchen gibt es sicher ähnliche Regeln, in anderen gar keinen.

Ungeachtet dessen stehen die Spieler aber vor der Tür - und würden gern rein. Die Regeln dazu sind nicht mehr als "hey Spielleiter, so könnte man dies handhaben, wir raten dir sogar dazu"
« Letzte Änderung: 1.03.2013 | 14:55 von Arldwulf »

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #109 am: 1.03.2013 | 14:53 »
Sprich: Auch in einem Spiel welches auf die Spielbalance acht gibt kann man natürlich auch einen schwachen Charakter spielen. Die Balance kann auch hierbei völlig in Ordnung sein, solange die Auswirkungen vorab klar sind. Dort wird man es nur vorher wissen - und bewußt tun. Genau darum geht es bei Balance. Vorab sagen zu können welche Auswirkungen etwas haben wird.Das hilflose junge Mädchen das den tapferen Drachentöter begleitet? Kein Problem. Der beste Freund des Drachentöters der ihn begleitet, ihn von seinem Hintergrund und seinem Charakter her unterstützen sollte, aber sich dabei wie ein hilfloses kleines Mädchen fühlt? Das wäre ein Problem.

Ok, hier muss ich widersprechen. Nur weiß der Spieler weiß, dass etwas unbalanciert ist, ist es deshalb noch nicht balanciert. Natürlich lässt sich das Problem sehr leicht vermeiden, wenn die Imbalance offensichtlich ist: Wenn man auf Effektivität spielt ignoriert man die deutlich unterlegenen Optionen dann ganz einfach. Aber: Meiner persönlichen Meinung nach hat es keinen Sinn, überhaupt Optionen einzubauen, die deutlich unterlegen sind. Welchen Zweck sollte das haben? "Realismus"? Uninteressant, ich will das Charakterkonzept spielen, das ich mir vorstelle, ohne deshalb vom System dafür bestraft zu werden. Wenn das System mir klip und klar sagt, für welche Charakterkonzepte es mich bestrafen will, dann ist das zwar grundsätzlich sehr nett, aber warum werden diese Charakterkonzepte überhaupt angeboten?
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #110 am: 1.03.2013 | 14:58 »
Ich sehe hier vor allem einen viel zu engen Blick auf "Spezialkommando"-Spiele.

Wenn hier die Sicht auf Rolle als soziale Rolle mehr berücksichtigt würde, würde sich das Gesamtbild auf Balance auch etwas ändern.

Nehmen wir z.B. das Leben auf einer feudalen Burg als Fokus. Hier gibt es eine Vielfalt an potentiellen Handlungen und jeder dort hat seine Rolle und Position, aus der er handeln kann. Koch und Wache sind da völlig unproblematisch.
Nun wird in einem anderen Spiel so eine Gegend von Orks überrannt und die Gemeinschaft ist auf der Flucht (oder man beginnt gleich als Söldnereinheit als Teil eines Settings, welches gekaufte Heere mit allem drum und dran kennt). Der Koch ist nun deutlich weniger im Fokus, aber immer noch weder logisch noch spieltechnisch außen vor. Essen müssen die dort immer noch alle. Nicht umsonst gibt es einen Tross. Der Knackpunkt wäre dem Kochspieler klar zu machen wie weit er damit suboptimal ist.

Erst wenn es um handverlese Kommandos mit dem Fokus auf den Einsatz selber geht, hat der Koch plötzlich keine Einsatzberechtigung mehr.

Ich sehe hier vor allem einen viel zu engen Blick auf "Spezialkommando"-Spiele.

Und die Vorstellung das Regeln starre abstrakte Handlungsvorgaben unabhängig von der Spielwelt sind deutet doch darauf hin, sich mental noch nicht vom Brettspiel von anno dazumal gelöst zu haben, wie auch die anderen Verleugnungen von Spieltischrealitäten die nicht in das eigene kleine Weltbild passen.

@ rettet den wald:
Weil es eben Leute gibt, die so etwas nicht als "Bestrafung" ansehen , sondern als Teil ihrer Rolle und Folge ihrer Entscheidungen deren Folgen sie zu erkunden beabsichtigen.
« Letzte Änderung: 1.03.2013 | 15:00 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #111 am: 1.03.2013 | 15:02 »
@Rettet den Wald: Das hast du mißverstanden. Ich plädiere nicht dafür dass es Charakteroptionen geben sollte welche deutlich stärker oder schwächer als andere sind.

Nur das das Vorhandensein ausbalancierter Optionen noch nicht bedeutet alles im Spiel müsse gleich stark sein. Ein klassisches Beispiel hierfür wäre der Magier und sein Lehrling. Der Lehrling ist offensichtlich schwächer. Ist er aber deshalb auch Teil eines nicht ausbalancierten Systems? Nein.

Oder um es anders zu sagen: In einem balanciertem System habe ich immer die Möglichkeit zu sagen: "Ich möchte aber gern folgenden Unterschied zwischen dem Machtlevel der Charaktere haben.". Wie du schon richtig sagst ist dies in den meisten Fällen nicht gewünscht. (Wenn du magst kann ich dir gern Argumente dafür bieten warum es dennoch Sinn machen kann)

In einem nicht balanciertem System ist dies schwieriger. Man kann die Steine oben im Bild eben einfacher umschmeißen als Stapeln. Dort kann es mir eben geschehen dass ich zwei Charaktere spiele deren Hintergrund und Rolle eigentlich vorsieht das beide sich unterstützen. Obwohl das praktische Ergebniss der Regeln etwas anderes sagt. Und es für einen der Charaktere eigentlich viel sinnvoller wäre seinen Freund daheim zu lassen wo er in Sicherheit ist.

Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #112 am: 1.03.2013 | 15:08 »
Ich sehe hier vor allem einen viel zu engen Blick auf "Spezialkommando"-Spiele.

Ok, mich persönlich würde ein Rollenspiel mit Fokus "Kochwettbewerb" nicht wirklich ansprechen. Kochen kann ich auch in RL, dazu brauch ich kein Rollenspiel.



@ rettet den wald:
Weil es eben Leute gibt, die so etwas nicht als "Bestrafung" ansehen , sondern als Teil ihrer Rolle und Folge ihrer Entscheidungen deren Folgen sie zu erkunden beabsichtigen.

Hmm... Ich vermute mal für derartige Leute wäre "Balance" als Qualitätskriterium für Rollenspielsysteme komplett irrelevant, unabhängig davon ob die Imbalance offensichtlich ist oder nicht. Die Aussage "Ein Rollenspielsystem ist balanciert, wenn die Imbalance deutlich erkennbar ist." erscheint mir daher unsinnig.
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Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #113 am: 1.03.2013 | 15:15 »
Oder um es anders zu sagen: In einem balanciertem System habe ich immer die Möglichkeit zu sagen: "Ich möchte aber gern folgenden Unterschied zwischen dem Machtlevel der Charaktere haben.". Wie du schon richtig sagst ist dies in den meisten Fällen nicht gewünscht. (Wenn du magst kann ich dir gern Argumente dafür bieten warum es dennoch Sinn machen kann)

Ok, bitte bring deine Argumente. Mein Standpunkt ist derzeit immer noch, dass sich die Gruppe vorher aufs "Magier"- oder "Lehrlings"-Machtlevel einigen sollte. Einzige mögliche Ausnahme: Der "Magier" ist ein schon länger gespielter Charakter, und der "Lehrling" ist neu gebaut. In diesem Fall wäre die Imbalance dadurch gerechtfertigt, dass der entsprechende Spieler sich seinen stärkeren Charakter ehrlich erspielt hat, anstatt ein vom System unfair bevorzugtes Charakterkonzept zu wählen.
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Offline Beral

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #114 am: 1.03.2013 | 15:24 »
Eigentlich ist das kein Problem von "Spielweltrealismus", sondern nur von gutem Spieldesign und Denken außerhalb der Kiste. Alle Probleme, die man sich hier baut, baut man sich immer selber. (....)
Von deinem Standpunkt aus hast du Recht. Warum ist es ein Problem, wenn ein Wissenschaftler für einen Sachverhalt keine passende Theorie findet? Der Wissenschaftler soll sich einfach nicht damit befassen und sich etwas annehmen, was lösbar ist. Das Problem daran ist nur, dass durch ignorieren selten Probleme gelöst werden. Das bekommt man besonders dann zu spüren, wenn das Problem in der Funktionsweise der Psyche begründet liegt und sich daher nicht einfach ignorieren lässt. Ein großer Funktionskreis unseres Gehirns ist damit betraut, realistische Überlegungen anzustellen. Es lässt sich nicht ignorieren. Du kannst genauso gut versuchen, Liebe zu ignorieren. Beim ein oder anderen mag das funktionieren. Eine breitflächige Unterstützung wird dein Ansinnen aber nicht bekommen können, dafür betrifft es einen zu existentiellen Funktionsbereich.

Dazu ein Beispiel. In einer FATE-Runde bin ich mit meinem berittenen Ritter einer Dieben zu Fuß hinterher. Das Regelwerk sah keine Boni für Pferde vor, der SL fand so einen Bonus auch unnötig. Das sei eben das Feature des Systems, dass man solche Details nicht zu berücksichtigen brauche, dass man dadurch auch aus einer realistischerweise unterlegenen Position heraus handlungsfähig sein kann. Da mein Char und die Diebin mit gleichen Grundwerten ins Verfolgungsduell eingestiegen sind, war es reine Glückssache, wer es für sich entscheidet. Ich verlor. Für das Spiel war die Szene irrelevant, aber meinen Spielspaß hat sie verdorben. Nicht weil ich die Diebin unbedingt haben wollte, sondern weil mir ihre Fluchtchancen unrealistisch hoch erschienen.

Regeltechnisch war alles korrekt. Bloß gefallen mir solche Regeln nicht. Und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Für uns, die wir solche unrealistischen Klöpse nicht mögen, braucht es andere Regeln. Und an diesem Punkt stößt dein Vorschlag an seine Grenzen. Für das gegebene Problem ist dein Lösungsvorschlag nicht geeignet. So wie Flossen zum Fliegen schlicht nicht geeignet sind, auch wenn sie im Problemfeld Schwimmen eine ausgezeichnete Alternative sind. Dein Lösungsvorschlag ist ok, aber nur für bestimmte Problembereiche. Gerade für Realismusansprüche ist dein Lösungsvorschlag nicht ok.

Diese Diskussionsrichtung ist schon wieder ärgerlich. Dass ich hier Realismus als wünschenswerten Aspekt des Spieldesigns verteidigen muss, ist doch bescheuert. Ein Haufen Kunden will realistische Regeln und damit ist die Berechtigung da. An die Spieldesigner ergeht damit der Auftrag, entsprechende Regeln zu entwerfen. Darüber gibt es nichts zu diskutieren. Nicht jeder Designer muss sich dieser Aufgabe annehmen, aber wir können doch erwachsen genug sein, diese Aufgabe den Willigen nicht auszureden.

Das wirklich spannende ist doch, dass sich das Ziel des Realismus mit dem Ziel der Gerechtigkeit beisst. Warum ist das so? Ist das grundsätzlich so oder erst ab einer bestimmten Konsequenz der beiden Zielsetzungen? Lassen sich beide Ziele womöglich vereinigen, wenn man bei beiden Abstriche macht? Wie sehen Alternativen aus? Was passiert, wenn wir die eine Zielsetzung mit höchster Priorität und die andere mit niedrigster besetzen? Und umgekehrt? Welche Regelwerke kommen dabei heraus und welchen Spielertypen liegen sie jeweils nahe?
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #115 am: 1.03.2013 | 15:30 »
Wenn man in irgendeinem Rollenspiel nur machen könnte was auch in den Regeln steht hättest du wohl recht.

Ich verstehe. Ich habe eine deutlich holistischere Vorstellung von "Regel" als du. Man kann tatsächlich nur tun, was von den Regeln abgedeckt wird. Anders geht es nicht. Man kann die Regeln höchstens besonders clever benutzen. Die Regel ist eben ggf., dass der Spielleiter etwas entscheiden darf. Der Spielleiter an sich ist nur eine Regel und meistens sogar eine sehr zentrale.

Nehmen wir z.B. das Leben auf einer feudalen Burg als Fokus. Hier gibt es eine Vielfalt an potentiellen Handlungen und jeder dort hat seine Rolle und Position, aus der er handeln kann. Koch und Wache sind da völlig unproblematisch.
Nun wird in einem anderen Spiel so eine Gegend von Orks überrannt und die Gemeinschaft ist auf der Flucht (oder man beginnt gleich als Söldnereinheit als Teil eines Settings, welches gekaufte Heere mit allem drum und dran kennt). Der Koch ist nun deutlich weniger im Fokus, aber immer noch weder logisch noch spieltechnisch außen vor. Essen müssen die dort immer noch alle. Nicht umsonst gibt es einen Tross. Der Knackpunkt wäre dem Kochspieler klar zu machen wie weit er damit suboptimal ist.

Nein. Der Kochspieler darf nicht suboptimal sein. Sehen wirs mal trocken: In einem solchen Szenario geht es nicht darum, dass der Charakter Koch ist. Das Szenario geht darum, dass normale Leute (z.B. Köche) heroische Dinge tun sollen. Ob sie dabei eher erfolgreich sind oder eher scheitern wäre ebenfalls noch zu klären.

Aber wenn man das will, dann ist es nicht suboptimal einen Koch zu nehmen, sondern Sinn und Zweck der ganzen Aktion. Man kann das natürlich auch mit Veteranen-Spielern zusammen machen. Dann hat man die Konstellation von Aragorn und den Hobbits. Es muss dann nur klar sein, dass dies eine spielrelevante Wahl ist: Möchtest du die Aragorn-Regeln verwenden oder die Hobbit-Regeln?

Diese können nun so designt werden, dass sie völlig unvergleichbar sind. Wir können die Regeln so schreiben, dass die Hobbits gewisse Dinge, die Aragorn darf gar nicht versuchen können und umgekehrt. Vielleicht darf Aragorn Statements über die Spielwelt machen, aber nur Hobbits dürfen Szenen rahmen. Die Frage, was da besser ist, stellt sich gar nicht mehr.

Online Maarzan

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #116 am: 1.03.2013 | 15:35 »
Ok, mich persönlich würde ein Rollenspiel mit Fokus "Kochwettbewerb" nicht wirklich ansprechen. Kochen kann ich auch in RL, dazu brauch ich kein Rollenspiel.

Koch wäre genauso wenig nur kochen, wie Soldat nur mit dem Schwertzuschlagen ist oder Kleriker nur Heilen. Von einem Rollenspiel erwarte ich mehr. Das Koch sein ist die Gelegenheit ein Setting aus eben so einer Perspektive kennne zu lernen. Ob genau diese Facette jetzt auch interessant ist, hängt von der spezifischen Situation ab, aber ich will diese Option eben haben und dann selbst entscheiden können.

Zitat
Hmm... Ich vermute mal für derartige Leute wäre "Balance" als Qualitätskriterium für Rollenspielsysteme komplett irrelevant, unabhängig davon ob die Imbalance offensichtlich ist oder nicht. Die Aussage "Ein Rollenspielsystem ist balanciert, wenn die Imbalance deutlich erkennbar ist." erscheint mir daher unsinnig.

Die eine These ist, dass unterschiedliche Spielansätze unterschiedliche Balancen benötigen, gleiche Feuerkraft ist davon nur eine Variante.
Wichtige Balance wäre für mich z.B., dass nicht Extremcharaktere überproportional bevorzugt werden oder alle Bereiche auf höchstem Niveau abdecken können und so überhaupt andere Nischen möglich sind.
Ein anderer Bereich wäre dann eine entsprechend differenzierte Unterstützung verschiedener Handlungen und nicht nur von Kampfaktionen und alles andere handzuwedeln.

Die andere ist, dass förderliche Balance nicht einfach das Plattbügeln von Unterschieden ist, sondern das Erzeugen einer differenzierten echten Vielfalt, die so echte Entscheidungen ermöglicht, nicht Einheitssuppe in beliebiger künstlicher Farbe.
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Offline rettet den wald

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #117 am: 1.03.2013 | 15:39 »
Diese Diskussionsrichtung ist schon wieder ärgerlich. Dass ich hier Realismus als wünschenswerten Aspekt des Spieldesigns verteidigen muss, ist doch bescheuert. Ein Haufen Kunden will realistische Regeln und damit ist die Berechtigung da. An die Spieldesigner ergeht damit der Auftrag, entsprechende Regeln zu entwerfen. Darüber gibt es nichts zu diskutieren. Nicht jeder Designer muss sich dieser Aufgabe annehmen, aber wir können doch erwachsen genug sein, diese Aufgabe den Willigen nicht auszureden.

Ich muss dir zustimmen, dass es falsch wäre, allen Spieldesignern den Fokus auf Realismus auszureden. Rollenspielsysteme, die Balance zugunsten von Realismus aufgeben, haben definitiv ihre Kunden und ihre Daseinsberechtigung... Sie sind halt nur nichts für mich, und ich wehre mich dagegen, dass ein Rollenspielsystem, das ganz einfach nicht balanciert ist, ungerechtfertigterweise als balanciert bezeichnet wird, weil die Imbalance ja "realistisch" ist.



Das wirklich spannende ist doch, dass sich das Ziel des Realismus mit dem Ziel der Gerechtigkeit beisst. Warum ist das so? Ist das grundsätzlich so oder erst ab einer bestimmten Konsequenz der beiden Zielsetzungen? Lassen sich beide Ziele womöglich vereinigen, wenn man bei beiden Abstriche macht? Wie sehen Alternativen aus? Was passiert, wenn wir die eine Zielsetzung mit höchster Priorität und die andere mit niedrigster besetzen? Und umgekehrt? Welche Regelwerke kommen dabei heraus und welchen Spielertypen liegen sie jeweils nahe?

Wenn Balance sich mit Realismus schneidet, dann würde in einem von mir bevorzugten System Balance gewählt werden. Wenn Balance sich nicht mit Realismus schneidet, dann ist Realismus durchaus wünschenswert. Balance schneidet sich mit Realismus beispielsweise bei der "Krieger und Koch in der selben Runde"-Geschichte, daher würde ich hier den Koch entweder nicht zulassen oder ihn "unrealistisch" effektiv machen. Bei der konkreten Ausgestaltung der Auswikrungen von Skills müssen sich Realismus und Balance nicht unbedingt schneiden: Hier kann ich mich bei den Auswirkungen am Realismus orientieren, und das Balancing kommt nur durch die darauf basierende Festlegung der Kosten oder Schwierigkeiten zum Einsatz.
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #118 am: 1.03.2013 | 15:47 »
Koch wäre genauso wenig nur kochen, wie Soldat nur mit dem Schwertzuschlagen ist oder Kleriker nur Heilen. Von einem Rollenspiel erwarte ich mehr. Das Koch sein ist die Gelegenheit ein Setting aus eben so einer Perspektive kennne zu lernen. Ob genau diese Facette jetzt auch interessant ist, hängt von der spezifischen Situation ab, aber ich will diese Option eben haben und dann selbst entscheiden können.

Ok, dann hast du ganz einfach andere Anforderungen an ein Rollenspielsystem als ich. Ja, ein Setting aus der Perspektive des Kochs zu erkunden kann interessant sein, aber mich würde es stören, wenn die anderen Spieler währenddessen damit beschäftigt sind, große Heldentaten zu vollbringen. Entweder es lassen sich alle Spieler auf diese Art zu Spielen ein oder keiner.



Die andere ist, dass förderliche Balance nicht einfach das Plattbügeln von Unterschieden ist, sondern das Erzeugen einer differenzierten echten Vielfalt, die so echte Entscheidungen ermöglicht, nicht Einheitssuppe in beliebiger künstlicher Farbe.

An diesem Punkt kann ich dir uneingeschränkt zustimmen... Sofern du das so tatsächlich meinst wie ich es lese.
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #119 am: 1.03.2013 | 15:56 »
Ok, dann hast du ganz einfach andere Anforderungen an ein Rollenspielsystem als ich. Ja, ein Setting aus der Perspektive des Kochs zu erkunden kann interessant sein, aber mich würde es stören, wenn die anderen Spieler währenddessen damit beschäftigt sind, große Heldentaten zu vollbringen. Entweder es lassen sich alle Spieler auf diese Art zu Spielen ein oder keiner.
Der Punkt ist doch eher das wenn auf dem Charakterbogen: Koch neben Soldat steht, dann sollte es dem Koch möglich sein ebenso große Taten mit seinen Koch-Fähigkeiten zu verbringen, die ebenso dramatisch inszeniert werden, wie der Soldat. Nun und das der Soldat dann ebenso wenig sagen kann "Aber ich mach das dann halt selbst" wie der Koch sagen kann "Ich kämpf dann mal wie der Soldat".

Das Problem ist häufig das die beiden Punkte gänzlich gleichberechtigt nebeneinander gepackt werden, es dann aber für das Kochen keine spannende Mechanik oder gar echte Relevanz gibt.
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #120 am: 1.03.2013 | 15:59 »
Das Problem ist häufig das die beiden Punkte gänzlich gleichberechtigt nebeneinander gepackt werden, es dann aber für das Kochen keine spannende Mechanik oder gar echte Relevanz gibt.

JA! Exakt das! :)
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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #121 am: 1.03.2013 | 15:59 »
Wie ich sagte: Das Spiel muss dann so gestrickt sein, dass der Koch trotzdem die spannenden Sachen macht. Das ist auch kein Problem.
Wir können natürlich auch ein Spiel machen, wo es ums Kochen geht und es Nicht-Koch-Charaktere gibt. Wir können jeden beliebigen Narrativ in Regeln verpacken. Nur wissen, welchen man will, das sollte vorher passieren.

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #122 am: 1.03.2013 | 16:20 »
Ok, bitte bring deine Argumente. Mein Standpunkt ist derzeit immer noch, dass sich die Gruppe vorher aufs "Magier"- oder "Lehrlings"-Machtlevel einigen sollte. Einzige mögliche Ausnahme: Der "Magier" ist ein schon länger gespielter Charakter, und der "Lehrling" ist neu gebaut. In diesem Fall wäre die Imbalance dadurch gerechtfertigt, dass der entsprechende Spieler sich seinen stärkeren Charakter ehrlich erspielt hat, anstatt ein vom System unfair bevorzugtes Charakterkonzept zu wählen.

Ich denke deine Ausnahme ist bereits ein recht gutes Beispiel, ich würde dies noch ergänzen wollen um die Perspektive des niedrigstufigen Spielers:

Nicht nur der hochstufige hat sich seinen Charakter "erspielt" - auch der niedrigstufige will dies eventuell. Ich kann das nur von mir selbst sagen: Ein von niedrigen Stufen an hochgezogener Charakter fühlt sich ganz anders an als ein Charakter den ich auf hohen Stufen erzeuge ("Stufen" sollte man dabei nicht allzu wörtlich nehmen, das Prinzip gilt genauso für Stufenlose Systeme)

Diese "OOC Gründe" sind jedoch in beiden Fällen rein die Spielersicht. Es gibt jedoch auch noch Auswirkungen aus Charaktersicht. Dafür mal ein Beispiel:

Max der Paladin geht in den Dungeon, verhaut alle Monster und rettet die entführten Dörfler vor dem bösem Bösewicht. Und da stehen sie nun vor ihm: Kitty das Waisenmädchen, Emma die Köchin und Lukas der Wachmann dessen Frau Max den Auftrag gab ihren geliebten Ehemann zu retten. Es ist fraglos so dass in diesem Fall Lukas am meisten bringen würde was das "mechanische" angeht. Er ist Kampferfahren und könnte unserem Paladin sicherlich zur Seite stehen. Betrachtet man dagegen die Rollenspieltechnischen Gründe so macht er plötzlich deutlich weniger Sinn. Er hat schließlich schon eine Aufgabe und mit Max durchs Land zu ziehen passt eigentlich nicht wirklich zu ihm.

Das ist kein Zufall. Je stärker Charaktere werden umso eher haben sie Aufgaben, Verpflichtungen und einen Hintergrund der sie bindet. Sie übernehmen Verantwortung in der Welt, was gegenläufig zum Leben der Spielercharaktere sein kann.

Diese Verantwortung könnte auch der Spielercharakter nun annehmen. Vielleicht kommen er und Emma zusammen und ziehen gemeinsam durchs Land? Vielleicht adoptiert er Kitty und lehrt ihr seinen Glauben und was ein Paladin so tut? Für den höherstufigen Charakter birgt dies im Rollenspiel die Möglichkeit jemanden zu beschützen - was abhängig von der Rolle des Charakters in der Spielwelt durchaus eine Eigenschaft sein kann die der Spieler als zu seinem Charakter passend ansieht.

Aus Sicht das niedrigstufigem Charakters wird dieses "gerettet und beschützt werden" natürlich schnell langweilig, aber auch hier gibt es im Rollenspiel durchaus eine interessante Konstellation. Und das ist die des Mentors. Mentoren kommen bei vielen Charakteren nur im Charakterhintergrund vor, tatsächlich ist es aber eine für das Zusammenspiel der Charaktere sehr fruchtbare Beziehungsart. Wenn ich einen Mentor habe kann ich Dinge besser ausspielen die ansonsten unangesprochen bleiben. In unserem Beispiel kann ich über die Religion von Max sprechen - und sogar darüber Questaufhänger finden. Das würde bei der Kombination von Max und Lukas schwieriger funktionieren.

Wie gesagt, man muss das als Nischenkonzept begreifen. Für viele - für die meisten Spieler - ist dies weniger interessant als gleichberechtigte Charaktere zu spielen.

Aber es gibt eben durchaus Gründe auch etwas anderes auszuprobieren. Für das Thema hier ist dabei aber eigentlich nur wichtig zu wissen dass die Spielweise eines solchen Charakters nicht Folge von schlechtem Balancing ist, sondern davon unabhängig. Genau betrachtet profitiert natürlich auch diese Situation vom Balancing eines Systems.

Balancing hat eben nichts mit Gleichmacherei zu tun. Auch unterschiedliche Dinge können Balanced sein solange sie das machen was sie sollen - und nicht ins Kippen geraten.

Offline Praion

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #123 am: 1.03.2013 | 16:22 »
Ich mein man kann ja auch auf ganz anderen Ebenen balancieren oder?

Der Ritter ist sozial mächtig, hat Hostaat eine dicke Rüstung und ist toll im Kampf.
Im Gedachten System sehen aber alle Ritter gleich aus, vielleicht ein persönlichkeitstrait ist anders.

Der Entflohene Sklave mit Haremshintergrund der jetzt am Hof bettelt, der kann nichts. Der ist (regeltechnisches) krank und lahm. Ein paar ("uncoole") Fähigkeiten und das wars.
Dafür hat er wesentlich mehr Traits oder persönlichkeitsmerkmale und ist dadurch "interessanter" als der Ritter. Er hat auch mehr Entwicklungsmöglichkeiten.

Was ist mit sowas?
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Jason Corley

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Re: Standpunkte zu Balancing
« Antwort #124 am: 1.03.2013 | 16:36 »
Diese Verantwortung könnte auch der Spielercharakter nun annehmen. Vielleicht kommen er und Emma zusammen und ziehen gemeinsam durchs Land? Vielleicht adoptiert er Kitty und lehrt ihr seinen Glauben und was ein Paladin so tut? Für den höherstufigen Charakter birgt dies im Rollenspiel die Möglichkeit jemanden zu beschützen - was abhängig von der Rolle des Charakters in der Spielwelt durchaus eine Eigenschaft sein kann die der Spieler als zu seinem Charakter passend ansieht.

Aus Sicht das niedrigstufigem Charakters wird dieses "gerettet und beschützt werden" natürlich schnell langweilig, aber auch hier gibt es im Rollenspiel durchaus eine interessante Konstellation. Und das ist die des Mentors. Mentoren kommen bei vielen Charakteren nur im Charakterhintergrund vor, tatsächlich ist es aber eine für das Zusammenspiel der Charaktere sehr fruchtbare Beziehungsart. Wenn ich einen Mentor habe kann ich Dinge besser ausspielen die ansonsten unangesprochen bleiben. In unserem Beispiel kann ich über die Religion von Max sprechen - und sogar darüber Questaufhänger finden. Das würde bei der Kombination von Max und Lukas schwieriger funktionieren.

Wenn du einen Spieler findest, der Emma oder Kitty gerne spielen würde, dann ist das kein Problem. Ich gehöre zu den Leuten, die das ziemlich uninteressant finden würden, weil ich eben im Vergleich zu meinem Mentor ziemlich nutzlos bin. Wenn Emma und Kitty statt dessen (aus welchem unrealistischen Grund auch immer) die Punkte eines normalen Startcharakters kriegen würden, dann hätte ich dieses Gefühl nicht, und wäre daher deutlich eher bereit, diese Rolle zu übernehmen.



Balancing hat eben nichts mit Gleichmacherei zu tun. Auch unterschiedliche Dinge können Balanced sein solange sie das machen was sie sollen - und nicht ins Kippen geraten.

Balancing bedeutet, dass die Spielercharaktere mit ihren Fähigkeiten gleichwertig sein sollen. Sie müssen aber nicht unbedingt gleichartig sein. Die Geschichte mit Max und Emma/Kitty mag zwar interessant sein, aber wenn Emma/Kitty deutlich schwächer sind als durchschnittliche Startcharaktere, dann ist das nicht balanced. Sie sind zu Max nicht gleichwertig.



Der Entflohene Sklave mit Haremshintergrund der jetzt am Hof bettelt, der kann nichts. Der ist (regeltechnisches) krank und lahm. Ein paar ("uncoole") Fähigkeiten und das wars.
Dafür hat er wesentlich mehr Traits oder persönlichkeitsmerkmale und ist dadurch "interessanter" als der Ritter. Er hat auch mehr Entwicklungsmöglichkeiten.

Was ist mit sowas?

Ok, der entflohene Sklave kann nix, aber hat einen interessanten Hintergrund. Was hindert mich daran, einen Charakter zu spielen der was kann aber trotzdem einen interessanten Hintergrund hat? Ein interessanter Hintergrund ist zwar nett, aber er hilft dir im Allgemeinen nicht dabei, dich aktiv in die Gestaltung der Spielwelt einzubringen...

Ja, es gibt Systeme wo ein interessanter Hintergrund dir spielmechanische Macht gibt (und dementsprechend auch was kostet), und das ist auch absolut in Ordnung. Hier balancierst du dann halt die spielmechanischen Fähigkeiten, die der Charakter aus seinem Hintergrund zieht mit den spielmechanischen Fähigkeiten, die er aus seinen Skills zieht. Diese beiden Bereiche kannst du dann genau so gegeneinander ausbalancieren, wie du zwei normale Skills gegeneinander ausbalancieren kannst.
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