Nochmal kurz zum Thema
Balance von Strategien (Taktiken):
Ich sehe es nicht notwendigerweise so, dass im Spieledesign das Problem des Taktischen Spielers, der Schlupflöcher sucht, allein der Gruppe bzw. dem Spielleiter überlassen bleibt. Man kann mMn mit Regeln schon weit vorbauen, um Exzesse solcher Spielweisen zu begrenzen.
Beispielsweise kann man als
Regel festlegen (und
fett im GRW kennzeichnen!), dass jede (bedeutsame) Veränderung der Spielwelt nach Wunsch der Spieler durch die Charaktere einen Würfelwurf (oder einen Wertvergleich) erfordert, der über Erfolg, Ausmaß, Qualität und Nebenumstände der Veränderung entscheidet.
Damit wird erstens ausbalanciert, dass einige Fertigkeiten (Feats, Spells) nicht nur als hübsches Beiwerk behandelt werden, sondern auch tatsächlich zur Anwendung kommen. Zweitens werden damit die Ketten "eindeutiger" (= nicht würfelgeprüfter) Erfolge unterbrochen, die in einem "Abenteuerlösung herbei erzählen" enden, ohne dass der Spielleiter irgendwann willkürlich
Nein, geht nicht! sagen muss. Sowas muss nicht jedem Spieler gefallen, es ist nur eine Möglichkeit, innerhalb der Regeln sowas zu lösen.
Eine andere, damit kombinierbare Möglichkeit besteht darin, auf konkrete taktische Optionen zugunsten abstrakter taktischer Optionen zu verzichten. Dann muss es für die allgemein gültigen taktischen Optionen durchgängige, eventuell an Meta-Ressourcen gebundene Regelmechanismen geben. FATE und auch Cortex+ (und sicher auch eine ganze Reihe anderer Spiele, teilweise auch Warhammer 3) gehen in diese Richtung. Wenn der Taktiker sich z.B. einen bestimmten Vorteil für eine geplante Aktion herbeiwünscht, kann er dazu bei FATE über Manöver und Deklarationen Aspekte schaffen (mit der Chance auf Versagen und damit interessante Abenteuerentwicklungen), deren Nutzen er bei exzessivem Gebrauch mit der Ressource Fatepunkt bezahlen muss.
Im Grunde sind die meisten umfangreichen Kampfregeln nur Verhausregelungen, Vorwegnahme und Konkretisierungen solcher abstrakter Boni. Irgendwann kamen Spieler auf die Idee, dass es sinnvoll ist, einen Gegner zu umzingeln, also wurden Regeln für Flanking und Übermacht erfunden. Irgendwann kamen Spieler auf die Idee, dass man schlafende Gegner meucheln kann, also entwickelte man Meuchelregeln bzw. Regeln für Angriffe auf wehrlose Gegner. So geht es weiter mit Entwaffnen, Zurückdrängen, Blenden usw.
Teilweise setzte sich neben der Konkretisierung bestimmter Aktionen im Kampf bereits in der Rollenspielentwicklung das Einführen abstrakter taktischer Mechanismen ein. Savage Worlds kennt z.B. sowohl konkrete Modifikationen (z.B. Deckung, Beleuchtung, Übermacht), als auch abstrakte Mechanismen für Tricks und geistige Duelle. Auch FATE laviert in einigen Variationen zwischen beiden Optionen hin und her.
Interessant wird es mMn, wenn man das aus dem Kampf herausnimmt und in andere, vor allem nicht rundenbasierende Szenen des Rollenspiels überträgt.
Nochwas zur Wichtigkeit von Kampfskills:
...Und in anderen Runden gibt es jede Session mindestens einen Kampf. Dort sind Kampfskills nicht überbewertet.
Genau das ist doch das Problem, wenn man sich nicht vorher darüber klar wird, was man spielen will bzw. für wen man das Spiel entwirft. Mal ein anderer Bereich als Kampf: GUMSHOE ist ein Detektivrollenspiel für Ermittlungsabenteuer. Unabhängig davon, was ich persönlich von Ermittlungsabenteuern halte, GUMSHOE macht insofern etwas richtig, als dass es klar angibt, welchen Fokus das Spiel hat, und in dieser Beziehung die Charaktere "ausbalanciert".
Nights Black Agents z.B. (eine GUMSHOE-Variante) hat um die 40 Ermittlungsfertigkeiten, die auf die Charaktere in der Gruppe verteilt werden können und die sicherstellen sollen, dass jeder Charakter etwas zur Ermittlung beiträgt. Dagegen gibt es "nur" 20 allgemeine Fertigkeiten, von denen nicht mal die Hälfte im Kampf nützlich ist. Ermittlungsfähigkeiten und Allgemeine Fertigkeiten haben unterschiedliche Mechanismen und unterschiedliche Zuordnungspools.
Aber nicht nur die Ermittlungsfähigkeiten, sondern auch alle allgemeinen Fähigkeiten haben ihren Nutzen in dem
Genre (Agentenfilm bzw. Agentenroman), das Nights Black Agents spielbar will: Neben Ermittlungen und Kämpfen sind das Verfolgungsjagden, Beschattung, Einbrüche, Diebstähle usw. Dafür gibt es Fertigkeiten und Regeln - so gut wie alles andere wird entweder nicht gewürfelt, oder als Ausprägung einer anderen Fertigkeit behandelt.