Autor Thema: Fachbegriff für "Spieler definieren Fakten in der Spielwelt"?  (Gelesen 2164 mal)

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  • Gast
Nehmen wir zum Beispiel folgende Situation:

Die SCs ermitteln in einem Kriminalfall. Aus einer Laune heraus verdächtigen sie NSC X. NSC X wird verhört. Die Szene wird irgendwie aufgelöst, z.B. durch Würfeln oder durch den Einsatz von Gummipunkten.

Variante A: wenn die Spieler "gewinnen", dann ist NSC X schuldig - unabhängig davon was der SL geplant hat.

Variante B: wenn die Spieler "gewinnen", dann erzählt NSC X die Wahrheit (bzw. die SCs sind sich sicher ob es die Wahrheit ist oder nicht) - aber was die Wahrheit ist entscheidet der SL.

Gibt es einen Fachbegriff für "Variante A" und "Variante B"?

Offline 1of3

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Ich würde von "Erzählrecht" und "Fakten schaffen" sprechen. In einem Fall liegt das Erzählrecht beim 'Spieler', das andere mal beim 'Spielleiter'.

AcevanAcer

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Nein, diese Worte von 1of3 sind völlig unzureichend als Fachbegriffe. Es muss mindestens Englisch, besser jedoch Latein oder Griechisch sein und das so unverständlich wie möglich.

"Player factment" oder "Player factorism" oder sowas in der Art.

Offline 1of3

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Abgesehen davon, dass es ein Scherz war...

Zitat
"Player factment" oder "Player factorism" oder sowas in der Art.

Diese Bezeichnung ist nicht gut. Sie geht davon aus, dass es 'Spieler' gibt im Gegensatz zu Spielern/Teilnehmern.

AcevanAcer

  • Gast
Naja, der TE trennt ja in SC und SL.

Offline 1of3

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Ja. Und das lässt sich ja kritisieren.

AcevanAcer

  • Gast
Das aufjedenfall, aber du brauchst - um dieses spezielle Fremdwort zu definieren - zwei Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben.

Wenn man nur von Teilnehmern ausgeht, kann es gar kein Fachwort für dieses Erzählrecht geben, weil alle gleich sind und damit Standart - Aus dem Text oben geht aber deutlich hervor das es nicht so ist. Erst durch die Trennung in unterschiedlichen Aufgabengebieten ist es möglich, durch bestimmte Regeln diese Aufgaben zu verschieben und für diese Aufgabengebiete ist nunmal die gewöhnliche Bezeichnung Spielleiter und Spieler. Du kannst zwar beide als Teilnehmer deklarieren, aber besser oder gar genauer wird damit keine Definition.


Offline Funktionalist

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AceVanAcer, was propagierst du grade? Wahrscheinlich nicht, dass wir hier eine neuen Begriff erfinden, oder?

@Text

In deinem Beispiel verhandeln/würfeln/wasauchimmer SL und SC um das "Erzählrecht". Das ist im Grunde nichts außergewöhnliches und kommt in vielen Varianten vor. Wenn a passiert, bestimmt der SL den Ausgang, der Spieler bestimmt den Ausgang, man einigt sich, der SL hat ein Vetorecht, der Spieler darf entscheiden, ob sein Charakter wirklich stirbt,..... das sind alles Ausprägungen des gleichen Merkmals. Es geht um die Verteilung des Erzählrechts und die Grenzen desselben.

Ich sehe hier einen ganz normalen Fall von "Seite a gewinnt" oder "Seite b gewinnt".

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  • Gast
Danke für die Antworten und die Diskussion!

Was mir beim Lesen eurer Kommentare bewusst geworden ist: der Springende Punkt ist für mich nicht, wer das Recht hat zu entscheiden / zu erzählen was gerade passiert. Der entscheidende Unterschied ist doch dass in Variante A der Spieler sein "Erzählrecht" nutzt um zu definieren was in der Vergangenheit passiert ist - insbesondere die Vergangenheit von "fremden" Charakteren.

Das heißt, Variate B ist so was wie Railroading, nur in die Vergangenheit gerichtet. In Variante B ist die Vergangenheit "vorbestimmt" - in Variante A ist sie solange total offen bis entsprechende "Fakten geschaffen" wurden.

Deswegen finde ich auch den Begriff "Fakten schaffen" etwas unpassend, auch wenn z.B. Fate den so in den Regeln verwendet. Landläufig meint "Fakten schaffen" eher nicht dass man Dinge in der Vergangenheit passieren lässt - sondern dass man in der Gegenwart etwas tut was Fakten für die Zukunft schafft (und dass ist dann wieder Variante B).

Hier noch mal ein etwas deutlicheres Beispiel: In Variante B kann ich mit einer Verführen-Probe einen anderen Charakter heute Nacht ins Bett bekommen. In Variante A kann ich mit der Verführen-Probe die "Fakten schaffen" dass der andere Charakter mein Kind ist weil ich vor 20 Jahren seine Mutter verführt habe.

Offline Funktionalist

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Solange es sich um weiße Flecken der Karte handelt, sehe ich da keine Probleme und würde es weiterhin "Fakten schaffen" nennen.
Eine andere Sache ist es, wenn bereits etablierte Fakten umgeschrieben werden sollen. Das finde ich immer etwas seltsam.

Der Begriff Vergangenheit und Gegenwart in der Spielwelt spielt als eigener Zeitstrahl keine große Rolle. Es kommt einzig auf Plausibilität an, die gewahrt bleiben sollte (Oder man hat einen guten Ersatz für sie gefunden, wie auch immer der aussehen mag?). Wenn es noch keine Information am Spieltisch gibt, wie irgendein Detail der Spielwelt aussieht, dann kann es von der Runde bestimmt werden. Ob dies nun in der Gegenwart der Spielwelt gerade ansteht, oder 20 Jahre zurückliegt, sollte inhaltlich kein Problem sein und deckt sich auch z.B. mit den Möglichkeiten des Fakten kaufens in den Fate-Regeln oder auch bei Polaris oder Universalis, Western City,.... also diese ganzen Spiele, in denen massig Fakten gekauft werden können. Das geht soweit, dass Ressourcenproben abgelegt werden können, um festzustellen, ob nicht gerade etwas praktisches am Gürtel hat.

Die Spielwelt liegt über jeden Zeitraum und über ihre ganze Fläche und mit Allem Inhalt vor der Spielrunde. Es gibt zu einigen Bereichen gewollte Asymmetrien, wie das Wissen um gegner etc.
Wenn man sie verändern möchte, dann muss man sich bewusst sein, dass es sie dennoch nicht in nur einer Form gibt, sondern ausschließlich als Summe der sich überschneidenden und teilweise konkurrierenden Bilder, der Spielwelt im Kopf. Alle Flecken, die noch keiner kennt kann man unproblematisch füllen, man kann anknüpfen und wenn es hakt, dann kann man den konflikt lösen und einer der Parteien das Erzählrecht zuschanzen.
Das Füllen geht hierbei darüber, dass man die Info nicht nur in seinem Kopf vorhält, sondern auch in die Köpfe der Mitspieler transportiert (ggnfalls später, wenn man Herrschaft über den Bereich hat BSP: Abenteuerplanung und Hintergründe als klassischer SL).

Trifft in deinem Beispiel nun jemand mit der Vaterschaft einen Hoheitsbereich eines anderen Spielers, dann muss man hier eine Regelung finden. Diese Verhandlungen können in Form von Vetorechten, vergleichenden Proben, Ressourceneinsatz/Gummipunkte.... stattfinden. Ich sehe hier keinen qualitativen Unterschied zum Herbeierzählen einer Flasche Wein im Regal, die dort seit 20 Jahren steht oder dem Erschaffen eines NSC. ;)

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  • Gast
Ja ich sehe da auch keinen qualitativen Unterschied. (Zum Beispiel mit der Flasche: kann ja sein dass die Abenteuer-Idee war dass der Barkeeper von einem Irren umgebracht wurde weil er genau 13 Flaschen Wein im Regal hatte. Das wissen die Spieler zu dem Zeitpunkt noch nicht. Würden aber mit einem Harmlosen Fakt wie einer 14. Flasche im Regal entweder ein Veto ernten oder die Geschichte durcheinander bringen)

Noch mal zum Railroading-Vergleich: beim klassischen (in die Zukunft gerichteten) Railroading ist es ja so dass man als Spieler öfters mal "das geht jetzt halt nicht" (also ein Veto) zu hören bekommt.

In die Zukunft gerichtet unterscheide ich zwischen zwei Ansätzen: Nennen wir sie mal Railroading und Sandbox. Beim Railroading nutzt der SL (oder theoretisch gesprochen: ein Spieler  ~;D ) sehr häufig sein Veto-Recht, hat dafür aber die Möglichkeit zu mehr Vorbereitung. Bei Sandbox können die Spieler machen was sie wollen, hören kaum ein Veto vom SL, dafür muss der oft improvisieren und seine Pläne umschmeißen. Die Übergänge sind fließend.

In die Vergangenheit gerichtet sind beides (Railroading und Sandbox) Spielarten von Variante A.

In Variante A hat jeder Spieler grundsätzlich die Möglichkeit Fakten zu definieren und damit die Vergangenheit (so wie von den anderen Spielern definiert, aber noch nicht kommuniziert) zu ändern. Das wird manchmal/oft/meistens gut gehen, riskiert aber ein Veto (was frustrierend sein kann, wenn es zu oft passiert).

In Variante B haben Spieler keinen "Rechtsanspruch" darauf die Gegenwart / Vergangenheit außerhalb ihres eigenen Charakters zu definieren. Es gibt keine Spielmechanik die dies vorsieht. Daher sehe ich auch weniger Potential zur Frustration durch Vetos.

Aus meiner Sicht ist Variante A daher für bestimmte Spieltypen besser geeignet als für andere (nämlich für solche wo man die Vergangenheit Sandboxig angehen kann) - deshalb finde ich die Unterscheidung sinnvoll.

Taschenschieber

  • Gast
Verteiltes/Geteiltes Erzählrecht.

(Oder "distributed/shared narration rights" aka DNR/SNR.)