Wir haben in unserer Online-Runde lange, lange Zeit beinahe ausschließlich soapige Konflikte zwischen den Charakteren gehabt. Das war uns aber irgendwann doch zu kammerspielig, sodass wir mit unserer gegenwärtigen San Francisco-Yakuza-Runde versuchen, einen neuen Weg zu beschreiten. Wir wollten mehr Farbe, mehr lebendigen Hintergrund, mehr Action, mehr Plot. Bis jetzt klappt es auch ganz hervorragend. Folgendes hat sich bewährt:
- Das richtige Genre. Einigt euch auf etwas, das auch Plot, überraschende Wendungen, plötzlich auftauchende SWAT-Teams, rückwärts laufende Zünder usw. zulässt. Beispiel: Epische Fantasy, Space Opera, Krieg, Agententhriller.
- Hintergrund bei Charaktererschaffung mit den SC verknüpfen. Also eher konkrete Issues wählen (statt "mangelndes Selbstwertgefühl" lieber "Kann ich mich gegen meinen Vater, den Yakuza-Boss, durchsetzen?"). Traits und Connections so festlegen, dass sie zum einbringen von Hintergrunddetails animieren. Also genretypische Sachen, Connections zu wichtigen NSC, Ziele und Abhängigkeiten im Zusammenhang mit Dingen, die für das Setting wichtig sind.
- Szenen etwas laufen lassen. Sehr soapiges PtA geht manchmal gleich vom Framing zum Konflikt: "Also, dabei sind Han, Luke und Leia, und in der Szene gehts darum, wer sie kriegt." "Joa, wollnwa konflikten?". Auch wenn nach dem Framing schon recht klar ist, wohin die Szene geht, ruhig noch einen netten Dialog, einen Spruch, ein paar nette Details.
- Generell guter PtA-Tip: Denm Spielenden klar machen, dass NACH der Konfliktauflösung noch Zeit und PLatz für jede Menge "Rollenspiel" und Details ist. Bei PtA dürfen ja alle jederzeit Vorschläge machen. Wenn die Person, die das Erzählrecht gewonne hat, nichts dagegen hat, können alle noch Details, In-Charakter-Dialog usw. anbringen, NACHDEM klar ist, wie der Konflikt ausgeht. Viele, viele Spielende, die vom eher klassischen Spiel kommen, neigen dazu, entweder schon beim Framing oder beim Formulieren der Stakes sämtliche Details und Stimmungselemente vorweg zu nehmen.
_ Ein wenig mehr zärtliche Prodcuer-Power. Für mehr Drive kann der Producer von seinem Recht Gebrauch machen, NSC auftreten zu lassen, die Polizei anrücken zu lassen, Unvorhergesehenes geschehen zu lassen, wie...na wie ein Meischtah halt. Beispiel von gestern im TS: Agenda war eigentlich, dass der Yakuza-Boss einer SC die Leitung seines Puffs anbietet. Ich hatte als Producer eine plötzliche Eingebung und hab als Boss von ihr verlangt, dass sie als Aufnahmeprüfung jemanden töten muss. Coole Idee, fanden alle. Da es aber PtA war, haben wir dann gemeinsam überlegt, wer denn das seien könnte. Tada - der Cop, der im Koma im Krankenhaus liegt... und ein Kollege von ihr ist. Das sind gleich zwei Dinge auf einmal: Wilde Action, Soap-Konflikt und Issue angespielt (Doppelagentin und zwischen den Fronten).
Aber, Warnung. Wenn ich lese "übergreifender Plot" darf das nie heißen: geplanter Plot. Das funktioniert mit PtA überhaupt nicht. Das Spiel dreht sich ja gerade darum, die Charaktere bewusst in zugespitzte Situationen zu bringen, zwei spannende Stakes zu formulieren und dann den Würfel die Entscheidung über diese Stakes zu überlassen. Wichtig ist, dass die Spielenden ein Gefühl dafür entwickeln, dass sie das Spiel ganz entscheidend durch die Formulierung der Stakes lenken. Sie müssen lernen (und das ist tatsächlich ein Lernprozess), wie man eine Spielsituation vom Framing bis zum Konflikt so anlegt und aufbaut, dass interessante Stakes möglich werden und was gute Stakes ausmacht: nämlich a) den Charakter plastischer zu machen, weil beide Konfliktausgänge etwas entscheidendes aussagen und b) neue Handlungsmöglichkeiten für neue Szenen zu eröffnen.
Auch das ist ein guter Tipp für Mehr-Action-PtA: Achtet darauf, dass die Szenenausgänge, die durch die Stakes möglich werden, wiederum neue Szenen anstupsen können. Siehe Beispiel oben: Die Doppelagentin bekommt die Pistole auf die Brust gesetzt: Einwilligen, den Kollegen zu killen oder nicht? Ist gut, weil Issue angespielt (beide Konfliktausgänge sagen uns etwas über den Charakter) UND neue Handlung eröffnet (sie kann ins Krankenhaus einbrechen und den echt umbringen, versuchen, eine List einzufädeln - das Herz von jemand anderen besorgen, mit der Polizei den Tod des Cops fingieren und dabei überrascht werden - oder ablehnen und Stress mti der Yakuza und der Polizei bekommen, weil sie ihren Job als Doppelagentin nicht erfüllt).
Man muss PtA tatsächlich ein bisschen üben, bevor es richtig rockt. Voraussetzung ist, dass man sich Mühe gibt, den Mechanismen zu vertrauen, also einfach mal alles stur nach Buch zu spielen. Wirklich den ganzen Ablauf einhalten, wie er Buch beschrieben wird. Nicht versuchen, dei Handlung direkt durch das Erzählen an sich zu reißen und dem Spiel wegzunehmen - dann macht man das kaputt, was PtA so unterhaltsam macht. Stattdessen lieber versuchen, da einzugreifen, wo es auch gefragt ist: Beim Framing und vor allem bei den Stakes. Wenn man dieses Umschalten geschafft hat - also weg vom Lenken des Spielgeschehen über das Ausspielen des Charakters hin zum Lenken durch Framing und Stake-Setzen - dann klappt´s auch mit der Action.
Der Wunsch deiner Gruppe entsprtingt vielleicht auch diesem Missverständnis: Ach, wir können ja irgendwie das Spiel gar nicht so voran treiben, wie wir das gewohnt sind, da rufen wir lieber mal nach mehr Planung und übergreifender Handlung, damit haben wir ja gute Erfahrungen gemacht. Das richtige Heilmittel aber heißt: Framing und Stakes + die oben erwähnten Sekundärtechniken. Framing und Stakes, Framing und Stakes...