Autor Thema: Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?  (Gelesen 19942 mal)

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Kinshasa Beatboy

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #25 am: 5.01.2009 | 15:23 »
Wer weiß, vielleicht ist es das. Ich glaube ja, daß in Euch allen ein ARSianer steckt, der nur nicht raus darf...und deshalb sucht ihr euch deformierte Methoden um das irgendwie doch zu erreichen.

Das scheint mir übrigens einer der Gründe für den Konflikt zu sein.

Natürlich ist Illusionismus als klassisches Beispiel für dramaturgische SL-Eingriffe inkompatibel mit Settembrinis Vorstellungen. Auch ich kann Story nicht definieren, aber zu den von Vermi und Georgios geäußerten Punkten kommt aus meiner Sicht noch die Tiefe und Bedeutung des Gespielten. Wenn nebelland am Ende des Abends sagt: "Wie und das wars jetzt?" , könnte damit auch Enttäuschung über die Belanglosigkeit des Erlebten zum Ausdruck kommen. Das Gefühl, den Abend mit Bullshit verbracht zu haben.

Storyorientiertes Spiel verbinde ich erheblich stärker mit Erfahrungen, die mich auch im wirklichen Leben zum Nachdenken anregen oder mich über den Spielabend hinaus wie ein gutes Buch oder ein guter Film beschäftigen. Natürlich ist das auch mit Settembrini-ARS möglich. Es ist jedoch unwahrscheinlicher, weil der SL bei totaler Handlungsfreiheit und Ergebnisoffenheit erheblich mehr improvisieren muss, was neben vielen positiven eben auch ein paar negative Aspekte mit sich bringt. Um diese negativen Aspekte einzudämmen, gibt es diverse Möglichkeiten. Und da öffnen wir dann die Büchse der Pandora, weil eben das die Methoden sind, welche der reinen Lehre des Settembrini widersprechen.

Kurzum und zurück zum obigen Zitat: in vielen und vermutlich sogar in den meisten Rollenspielern steckt tatsächlich ein ARSianer. Im Gegensatz zu Settembrinis Schlußfolgerung dienen die defomierten Methoden nicht dem Ziel, ein reines ARS zu erreichen, sondern mit den negativen Sekundäreffekten der reinen Lehre umzugehen. Ist das so nachvollziehbar?

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #26 am: 5.01.2009 | 15:26 »
Re: Tiefe und Bedeutung des Erlebten.

Und genau DESWEGEN ist ergebnisoffenes Spielen mE alternativlos.
Nämlich um das zu erreichen.

Alles andere ist hohl und leer.

Und das will kein Spieler, aber viele SLs achen Dinge, die genau das tun: Entwerten den Einfluß der Spieler.
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Eulenspiegel

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #27 am: 5.01.2009 | 15:43 »
Klar, der Spieler sollte Einfluss haben: Wenn ihm etwas nicht gefällt, sollte er das sagen und abändern können. Und wenn er einen genialen Einfall hat oder eine bestimmte Szene möchte, soll er sie auch bekommen.

Storyorientiert besagt erstmal nur, dass die Story im Mittelpunkt steht.
Klassischerweise denkt sich der SL die Story aus und die Spieler erleben die Story. Wenn der SL über eine gute Empathie verfügt und seien Spieler gut einschätzen kann, sind auch alle damit zufrieden und es war ein toller Abend.

Ein Problem tritt auf, falls der SL sich verschätzt hat: Dann findet der SL die Story superspannend, aber die Spieler finden die Story eher langweilig. (Oder sie finden die Story zwar gut, aber hätten ein paar Ideen, wie man sie noch verbessern könnte.)
Von daher sollten die Spieler durchaus das Recht haben, in die Story einzugreifen. Aber bei einem gutem SL werden sie von diesem Recht wohl wenig Gebrauch machen. (Und falls sie nicht nur selber eine Story erleben wollen, sondern selber eine Story schreiben wollen, können sie immernoch selber SL werden.)

bzgl. Fan-Fiction:
Es gibt zwei Sorten von Fan-Fiction Liebhabern:
Diejenigen, die gerne Fanfictions schreiben, und diejenigen, die gerne Fanfictions lesen.

Das gleiche sehe ich auch bei StORS:
Es gibt Leute, die gerne den SL machen, und es gibt Leute, die lieber Spieler sind.

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #28 am: 5.01.2009 | 15:48 »
@Eule: Wenn man also etwas will, dann bekommt man es.

Das ist das GEGENTEIL von Bedeutung.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #29 am: 5.01.2009 | 15:49 »
Ich denke, die Dichotomie SL=Autor und Spieler=Publikum funktioniert beim Rollenspiel nur sehr beschränkt, und ist keinesfalls definierend für StORS. Ich habe die besten Runden mit lauter Autoren, auf beiden Seiten des Spielleiterschirms, gespielt. (Nein, wir hatten nicht wirklich einen Spielleiterschirm.) Die Stärke von Rollenspiel ist doch gerade, dass man mitmachen kann!

Siehe auch Vermi's Rezept für glückliche Spielleiter.
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Offline Merlin Emrys

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #30 am: 5.01.2009 | 15:57 »
Tiefe und Bedeutung des Erlebten.
Ergebnisoffenheit selbst bringt aber allenfalls zufällig "Tiefe" und "Bedeutung" hervor, da ja, "Tiefe und Bedeutung hervorszubringen", als angestrebtes Ergebnis obsolet ist - schließlich soll das Ergebnis ja, wie das Wort es schon sagt, offen bleiben. Mit geeigneten Mitteln kann man die Wahrscheinlichkeit dafür, daß etwas für jemanden Tiefe und Bedetung bekommt, dagegen immerhin leicht bis mäßig positiv beeinflussen (mit Sicherheit für jemanden hervorbringen kann man sie eh nicht).

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #31 am: 5.01.2009 | 15:58 »
Nein, nein!

Nur wenn es Ergebnisoffen erspielt ist, hat es Tiefe und Bedeutung. Sonst ist es eben einfach nur gesagt.
Wushu als Extrem sei genannt.
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Offline Arkam

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #32 am: 5.01.2009 | 15:59 »
Hallo zusammen,

da will ich Mal sehen ob ich die einzelnen Positionen richtig verstehe.

Da wäre ein mal die Seite die Arten von Rollenspiel nicht an Einzelelementen fest macht sondern auch ARS und Storytelling durchaus als vereinbar sehen.

Des weiteren haben wir ein Definitionsproblem mit den Begriffen Dramatik und Story. Ich versuche hier Mal eine Definition.
Dramatik: Die Dramatik stellt die Erzählstruktur da. Also etwa die Unterteilung einer Geschichte in Einleitung, Konflikt, Lösung des Konflikts, Überraschende Lösung, neuer Konflikt und Höhepunkt indem alle Konflikte aufgelöst werden.
Story: Die Story ist für mich die erzählte Geschichte. Sie kann muß aber nicht der Dramatik folgen. Beim Rollenspiel kommt erschwerend hinzu das es aus meiner Sicht noch keine Dramatik für verschiedene Arten des Rollenspiels gibt.

Der Knackpunkt was die Story angeht ist ein zeitlicher. Bei einem storybasierten Spiel hat der Spielleiter die Geschichte schon, eventuell aus Überlegungen zur Dramatik heraus, festgelegt.
Bei einem nichtstorybasierten Spiel baut der Spielleiter sozusagen die Bühne auf. Auf dieser Bühen wird dann gespielt. Das kann dann im Nachhinein wie eine Story aussehen, sogar mit Dramatik aber sie ist eben nicht vorbestimmt gewesen

Es ist tatsächlich so das alle Regelwerke die ich kenne handlungsorientiert sind. Die Regeln legen also fest ob eine Aktion die der Charakter ausführen will erfolgreich ist. Dabei spielen Gesichtspunkte wie Dramatik oder Story nicht im Mittelpunkt.
Die Alternativen von denen ich gehört habe bieten Regeln zum Verteilen von Storykompetenz. Es wird also bestimmt wer gerade erzählt. Der Spielleiter ist dabei nicht unbedingt notwendig.

Gruß Jochen
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Offline Arbo

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #33 am: 5.01.2009 | 15:59 »
Ich wage mal die Behauptung, dass es überhaupt gar kein alternativloses bzw. nicht-offenes RS gibt. Es besteht immer die Möglichkeit, die "Story" zu ändern: Im extremsten Fall durch das Abbrechen des RS, was "die Story" letztlich auch abbricht oder mindestens - auf welcher Spielebene auch immer - beeinflusst.

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Eulenspiegel

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #34 am: 5.01.2009 | 16:00 »
Ich habe die besten Runden mit lauter Autoren, auf beiden Seiten des Spielleiterschirms, gespielt.
Dann ist allerdings die Frage, ob das auf der anderen Seite des Schirms auch wirklich Spieler waren, oder ob das nicht insgeheim auch SLs waren, die nur nominell "Spieler" genannt wurden.
Wie ich selber auf der letzten Seite auch schon schrieb:
[1] Das ist kein Problem, da man bei SO auch problemlos mit mehreren SLs spielen kann. - Im Extremfall kann man auch durchaus 4 SLs und nur einen Spieler oder sogar 5 SLs und keinen Spieler haben.
Und gerade im Fanfiction Bereich ist es durchaus üblich (vor allem bei mittelmäßigen Autoren), dass es wesentlich mehr Autoren als Leser gibt.
Ich habe schon von Fanfictions gehört, die von 6 Autoren geschrieben wurden, und wo es dann 2 (zwei!) Leser gab. (Was aber nicht schlimm ist, da der Sinn der Fanfiction ja nicht die Veröffentlichung, sondern das schreiben selber war.)

Und ebenso, wie es Fanfictions geben kann, wo 6 Autoren dran schreiben, damit es nachher von 2 Lesern gelesen wird, so kann es StORS geben, wo 6 SLs leiten und nur 2 Spieler spielen.
« Letzte Änderung: 5.01.2009 | 16:04 von Eulenspiegel »

Kinshasa Beatboy

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #35 am: 5.01.2009 | 16:24 »
Re: Tiefe und Bedeutung des Erlebten.

Und genau DESWEGEN ist ergebnisoffenes Spielen mE alternativlos.
Nämlich um das zu erreichen.

Alles andere ist hohl und leer.

Und das will kein Spieler, aber viele SLs achen Dinge, die genau das tun: Entwerten den Einfluß der Spieler.

Jaja, genau. Natürlich will jeder Spieler Einfluß haben und mag Eingriffe in die Entscheidungsautonomie nicht. Du gehst jedoch einen Schritt weiter und erkärst sowas für generell unangebracht. Es handelt sich bei dramaturgischen Eingriffen des SL natürlich um eine Form von Betrug, Zerstörung der Vertrauensgrundlage, komplette Entwertung des Spielerautonomie, unrechtmäßige Beschneidung des Handlungsspielraums und Verletzen des impliziten Gruppenvertrags.

Das kann man selbstverständlich so sehen. Und wenn man keine graduellen Unterschiede zulässt, ist eben alles, was sich sonst so Rollenspiel nennt, hohl und leer. Das habe ich weitgehend verstanden, glaube ich, und billige Dir auch gerne die Konsistenz und Nachvollziehbarkeit des Gedankengangs zu.

Das große Problem dieses Ansatzes sehe ich woanders und bin an Deinen Erfahrungswerten interessiert. Settembrini-ARS stellt von allen Spielarten unseres Hobbies nach meiner Auffassung mit Abstand die höchsten Anforderungen an den SL. Zwar sind auch die Spieler stärker gefordert als in anderen Herangehensweisen (wie auch immer die heißen mögen), aber vom SL wird verlangt, in allen denkbaren Situationen eine plausible Spielweltreaktion aus dem Hut zu zaubern, die zudem aufregende Abenteuer [1] begünstigt. Das ist eine verdammt anspruchsvolle Aufgabe. Wieviel leichter wäre es da, der Versuchung nachzugeben und schnell ein Trigger Event einzubauen oder eben mal einen Würfel zu drehen. Das aber ist natürlich der Weg, der auf die dunkle Seite führt  :D

Ich könnte mir vorstellen, dass selbst begabte und in Deinem Sinne unverdorbene SL an diesem Ansatz scheitern. Es überfordert viele SL nach meinem Eindruck ganz erheblich, eine komplette Welt balancieren zu müssen. Dass es sich dabei eigentlich um die Kernaufgabe eines SL handelt: klar! Diese Kernaufgabe ist jedoch für viele SL schlicht zu groß und deshalb behelfen sie sich mit illusionistischen Tricks: Trigger Events, feste Szenen, NSCs anpassen, Würfel drehen, STORY, all das von Dir so verabscheute Zeugs eben.

Nun stell Dir aber einen begabten und unverdorbenen SL vor, der sich mit der Weltensimulation überfordert fühlt. Was soll der machen? Lieber ein reines Settembrini-ARS durchziehen, dessen Ergebnis ziemlich zwangsläufig langweilig und uninspiriert verläuft? Oder soll der nicht vielleicht bei gleichem Vorbereitungsaufwand etwas fokussierter an die Sache herangehen und einen (zumindest groben) Plot vorbereiten, sich ein paar Szenen zurechtlegen, die NSC so flexibel anlegen, dass sie besser zu den verschiedenen möglichen Handlungsverläufen der SC passen und so weiter? Das würde ich nicht verwerflich finden, sondern sogar begrüßen.

Beispiel:
Der beste Erzählonkel-SL, mit dem ich je spielen durfte, kommt auch aus Berlin. Der betreibt purstes Railroading. Wir haben bei dem damals in vollster Kenntnis der Umstände jede Woche begeistert gespielt, weil es sich anfühlte wie 5 Stunden Kino. Die irrwitzigen Figuren, die er aus dem Hut zauberte, die ultracoole Story, die sich entwickelte. Und manchmal konnte man sogar selbst auch noch was ändern und wir saßen gemeinsam am Tisch und hatten einen Heidenspaß. Fett, der Mann war begnadet!!!

Dem gleichen Erzählonkel-SL würde ich zutrauen, sich auf Dauer an Settembrini-ARS heranzutasten. Ich bin mir aber ganz und gar nicht sicher, ob das Ergebnis mit den Hardcore-Railroading-Sessions mithalten könnte. Im Gegenteil: es würde vermutlich eine deutliche Verschlechterung werden. Einen Versuch wäre es natürlich trotzdem wert  :D

In diesem Sinne: haut rein!




[1] Irgendwann kann ja noch mal jemand versuchen, den Unterschied zwischen Story und Abenteuer herauszuarbeiten. Zumindest ein kleiner Teil Ontopic hier  ;)
« Letzte Änderung: 5.01.2009 | 16:27 von Kinshasa Beatboy »

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #36 am: 5.01.2009 | 16:34 »
So, Kinshasa, und nun kommt´s:

Dungeons.

Kann jeder leiten.
Quasi der Verkehrskindergarten.

Tada!

Und da hast Du die Erklärung für das gesamte kommerzielle Hobby.

Echt herrenmäßig will ich natürlich auch die gesamte Welt und alles drum und drann. Aber das muß nicht, kann nicht, will nicht, jeder.

Es gibt andere Formen der eingetüteten, portionierten Freiheit und Ergebnisoffenheit.

Aber die brauchen wir noch lange nicht zu diskutieren, soweit kommen die meisten garnicht.
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Eulenspiegel

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #37 am: 5.01.2009 | 16:39 »
Settembrini-ARS stellt von allen Spielarten unseres Hobbies nach meiner Auffassung mit Abstand die höchsten Anforderungen an den SL. Zwar sind auch die Spieler stärker gefordert als in anderen Herangehensweisen (wie auch immer die heißen mögen), aber vom SL wird verlangt, in allen denkbaren Situationen eine plausible Spielweltreaktion aus dem Hut zu zaubern, die zudem aufregende Abenteuer [1] begünstigt.
Sehe ich nicht so.
Beim Settembrini-ARS leitet sich das Spiel quasi von selbst: Der SL muss halt einen interessanten Grundkonflikt zu Anfang präsentieren und die Regeln kennen. Alles andere ergibt sich dann quasi von selbst.

Beim StORS muss nicht nur ein interessanter Grundkonflikt vorhanden sein, es muss während des Spieles auch dauernd darauf geachtet werden, dass der dramaturgische Aufbau eingehalten wird. (Je nachdem, ob die Spieler im Author Stance oder im Actor Stance reagieren, muss hier evtl. vom SL auch noch lenkend eingegriffen werden.)

Um ein zufriedenstellendes Ergebnis mit StORS zu erreichen, ist wesentlich mehr Arbeit und Können des SLs gefragt. (Sonst beschweren sich die Spieler anschließend zu Recht über das üble Railroading.)

Kinshasa Beatboy

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #38 am: 5.01.2009 | 16:40 »
So, Kinshasa, und nun kommt´s:

Dungeons.

Kann jeder leiten.
Quasi der Verkehrskindergarten.

Tada!

Und da hast Du die Erklärung für das gesamte kommerzielle Hobby.

Echt herrenmäßig will ich natürlich auch die gesamte Welt und alles drum und drann. Aber das muß nicht, kann nicht, will nicht, jeder.

Es gibt andere Formen der eingetüteten, portionierten Freiheit und Ergebnisoffenheit.

Aber die brauchen wir noch lange nicht zu diskutieren, soweit kommen die meisten garnicht.

Verstehe. Da Dir die Eingriffe in die Spielerautonomie so viel bedeuten, reduzierst Du die Komplexität. Klingt vernünftig, aber nach einer kurzfristigen Idee. Bevor ich im letzten Jahr wieder mit D&D(4) anfing, habe ich rund 20 Jahre keinen Dungeon mehr von innen gesehen. Das reizt mich irgendwie nicht so sehr. Mit D&D4 ist das in Ordnung, aber da bin ich mir des Reduktionismus sehr bewusst. Wenn ich aber einen komplexeren Hintergrund haben möchte, was wären die "andere[n] Formen der eingetüteten, portionierten Freiheit und Ergebnisoffenheit." Genau das suche ich!

Daheon

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #39 am: 5.01.2009 | 16:45 »
Kinshasa Beatboy schrieb:
Zitat
Lieber ein reines Settembrini-ARS durchziehen, dessen Ergebnis ziemlich zwangsläufig langweilig und uninspiriert verläuft?
Wieso zwangsläufig? All diejenigen, die mit D&D in der roten Schachtel oder mit Traveller oder mit Cthulhus Ruf angefangen haben, habe doch nicht so lange Jahre dem Hobby die Treue gehalten, weil die Spielabende langweilig und uninspiriert verlaufen sind.

Zitat
Der beste Erzählonkel-SL, mit dem ich je spielen durfte, kommt auch aus Berlin. Der betreibt purstes Railroading. Wir haben bei dem damals in vollster Kenntnis der Umstände jede Woche begeistert gespielt, weil es sich anfühlte wie 5 Stunden Kino. Die irrwitzigen Figuren, die er aus dem Hut zauberte, die ultracoole Story, die sich entwickelte. Und manchmal konnte man sogar selbst auch noch was ändern und wir saßen gemeinsam am Tisch und hatten einen Heidenspaß. Fett, der Mann war begnadet!!!
Das hat für mich eher etwas von der Begeisterung für ein gutes Buch oder einen tollen Film. Aber Rollenspiel ist doch ein Spiel, und das definiert sich für mich dadurch, dass ich selbst tätig werde und mich nicht berieseln lasse.
Bei Brettspielen gibt es für mich zum Beispiel ein Qualitätskriterium: Ich mag Spiele nicht, bei denen ich das Gefühl habe, ich werde gespielt. Bei Rollenspielen ist das noch viel stärker der Fall.
Das, was Du da beschreibst, waren sicher unterhaltsame Abende, aber waren es wirklich Spielabende?

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #40 am: 5.01.2009 | 16:47 »
Halt!

Denn wir uns das moderne D&D angucken, dann merken wir, daß die Tugenden der "Freiheit in Tüten" verletzt werden.
Deswegen rege ich mich ja so auf über Paizo und 4e.
Ohne Not wurden auf dem Altar der Ausgewogenheit und der Tyrranei der verzuglosen Bedürfnisbefriedigung das glorreiche Dungeon geopfert. Zumindest was Regelstruktur und veröffentlichte ABs angeht.

Denn wenn man noch nichtmal in Dungeons seine volle taktische und strategische Interaktionsfreiheit hat...was hat man dann noch?

So-tun-als-ob-man-ein-Dungeon spielt, so wie Überlandreisen bei DSA; nur ein so-tun-als-ob-man-eine Überlandreise spielt...
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Kinshasa Beatboy

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #41 am: 5.01.2009 | 17:06 »
Wieso zwangsläufig? All diejenigen, die mit D&D in der roten Schachtel oder mit Traveller oder mit Cthulhus Ruf angefangen haben, habe doch nicht so lange Jahre dem Hobby die Treue gehalten, weil die Spielabende langweilig und uninspiriert verlaufen sind.

Zumindest ich hatte damals als Teenager unterschiedliche Ansprüche an Rollenspiele als heute. Mit der roten D&D-Schachtel hatte ich viele tolle Tage (noch keine Abende), aber die gleichen Sessions würden mich heute langweilen und uninspiert wirken. Und die Frage lautet einfach, wie dieser Eindruck mit Settembrini-ARS außerhalb von Dungeons (in denen das bestimmt ausgezeichnet funktioniert) vermieden werden kann. Meine Vermutung ist, dass sich so etwas vor allem durch illusionistische Tricks bewerkstelligen lässt. Die Spieler untereinander und mit dem SL spielen sich halt die Bälle zu. Aber das ist nicht vereinbar mit Settembrini-ARS.

Das hat für mich eher etwas von der Begeisterung für ein gutes Buch oder einen tollen Film. Aber Rollenspiel ist doch ein Spiel, und das definiert sich für mich dadurch, dass ich selbst tätig werde und mich nicht berieseln lasse.
Bei Brettspielen gibt es für mich zum Beispiel ein Qualitätskriterium: Ich mag Spiele nicht, bei denen ich das Gefühl habe, ich werde gespielt. Bei Rollenspielen ist das noch viel stärker der Fall.
Das, was Du da beschreibst, waren sicher unterhaltsame Abende, aber waren es wirklich Spielabende?

Das war sicherlich ein Extrembeispiel. Aber Spieleabende waren es durchaus noch. Wir haben unsere Charaktere durchaus gespielt, nur waren die Ergebnisse weitgehend vorgeskriptet. Nicht jedermanns Sache und wenn der SL nicht so ein absolut begnadeter, kreativer und charismatischer Erzähler gewesen wäre, hätte ich auch mit Sicherheit nicht mitgespielt  ;)


Halt!

Denn wir uns das moderne D&D angucken, dann merken wir, daß die Tugenden der "Freiheit in Tüten" verletzt werden.
Deswegen rege ich mich ja so auf über Paizo und 4e.
Ohne Not wurden auf dem Altar der Ausgewogenheit und der Tyrranei der verzuglosen Bedürfnisbefriedigung das glorreiche Dungeon geopfert. Zumindest was Regelstruktur und veröffentlichte ABs angeht.

Denn wenn man noch nichtmal in Dungeons seine volle taktische und strategische Interaktionsfreiheit hat...was hat man dann noch?

So-tun-als-ob-man-ein-Dungeon spielt, so wie Überlandreisen bei DSA; nur ein so-tun-als-ob-man-eine Überlandreise spielt...

Jaja, Deine Bedenken gegenüber D&D4 habe ich verstanden. Magst Du vielleicht so tun, als ob ich D&D4 nicht erwähnt hätte? Die Antwort auf die ursprüngliche Frage interessiert mich nämlich trotzdem. Wie setzt Du in einer komplexeren Umgebung Deinen Stil um? Die erste und plausible Strategie lautete: Dungeon. Und sonst? Habt Ihr nicht lange Traveller gespielt? Da ist doch nicht viel mit Dungeons?
« Letzte Änderung: 5.01.2009 | 17:11 von Kinshasa Beatboy »

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #42 am: 5.01.2009 | 17:15 »
Ein Beispiel aus meiner Kampagne, im zweiten Teil zu lesen (pdf):

http://hofrat.rollenspiel-berlin.de/The%20PrussianGamersSoundAdvice.pdf

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Joe Dizzy

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Re: Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #43 am: 5.01.2009 | 17:47 »
Es geht wohl darum: "Wenn die Runde wie die Geschichte in einem guten Film laufen soll, schaffen die Spieler das auch, egal mit welcher Methode."

Nein. Genau das ist der Fehler. "Wie in einem guten Film" ist nicht das worum es geht. Ich habe die Erfahrung beim Filmschauen mit der Erfahrung beim Rollenspiel verglichen. Es geht um das Geschichten-hafte in einem Spielfilm, das Roman-hafte in der Bellitristik und die Story-eigenschaft in einem Rollenspiel.

Es geht um eine besondere Form von Geschichten wahrnehmen, die dem Rollenspiel zu eigen ist und sich eben nicht an den Techniken festmachen lässt, die man dafür benutzt. DAS ist der große Fehler, den viele machen wenn sie storyorientiertes Rollenspiel versuchen. Sie versuchen die Eigenschaften aus anderen Medien (z.B. Film oder Buch) in das Rollenspiel zu übertragen, anstatt diese Story-eigenschaft mit und durch das Rollenspiel zu pflegen. Sie versuchen Geschichten "wie im Film" zu spielen, statt Rollenspiel-geschichten zu (er)spielen.

Deshalb gehen solche Vergleiche wie "Drehbuchautor sein" vs. "Charakter sein" meiner Meinung nach auch daneben. Damit werden Dinge von einander getrennt, die im storyorientierten Spiel eben gerade nicht getrennt sind. Wie auch die Trennung zwischen SL und Spieler, sind das Dinge, die man beim storyorientierten Rollenspiel übernehmen kann, um sich an bekannten und vertrauten Strukturen zu orientieren, aber an diesen Trennlinien storyorientiertes Rollenspiel messen zu wollen, halte ich für ein hoffnungsloses Unterfangen.

Da kommen nur verquere, verzerrte und pervertierte Vorstellungen vom storyorientierten Rollenspiel heraus. Das ist das Gleiche wie Leute, die unter klassischen Rollenspiel stumpfes Monsterhacken und Stufenaufsteigen verstehen.

Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #44 am: 5.01.2009 | 17:50 »
Ich gebe gerne zu, daß da verquere Vorstellungen sein mögen. Aber was meinst Du denn nun?
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Re: Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #45 am: 5.01.2009 | 17:57 »
Deshalb gehen solche Vergleiche wie "Drehbuchautor sein" vs. "Charakter sein" meiner Meinung nach auch daneben. Damit werden Dinge von einander getrennt, die im storyorientierten Spiel eben gerade nicht getrennt sind.
Und wie würdest du den Spielstil dann nennen, in dem zwischen Drehbuchautor und Charakter getrennt wird?

Kinshasa Beatboy

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #46 am: 5.01.2009 | 18:01 »
Ein Beispiel aus meiner Kampagne, im zweiten Teil zu lesen (pdf):

http://hofrat.rollenspiel-berlin.de/The%20PrussianGamersSoundAdvice.pdf

Danke! Habe das direkt mit großem Interesse gelesen und finde das alles nun erheblich verständlicher. Außerdem bestätigt sich mein Eindruck, dass selbst Du nicht der vollkommen reinen Lehre des Settembrini-ARS folgst. Ich konnte mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie das in Traveller funktionieren soll.

Ansonsten vielleicht eine kleine Beobachtung: Im Prinzip nutzt Du mit Deinen Handlungsmaschinen eine spezielle, quantifizierte Form von sogenannten "cognitive maps". Mein Eindruck, dass Jörgs Leit- und Vorbereitungsstil ein paar Gemeinsamkeiten mit Deinem Ansatz aufweist, verdichtet sich. Jörg, falls Du das liest und Dich an Deine Mapping-Artikel hier im Forum erinnerst, könntest Du mal verlinken? Ansonsten habe ich noch mein damaliges Beispiel gefunden und unten angehängt.

Das Spiel läuft insgesamt doch recht genau so ab, wie ich vermutete. Ihr beginnt das Spiel regelmäßig in der Einstellung "Vogelfrei" und das beinhaltet nach meinem Verständnis (neben dem Gewölbe) noch sehr viel reine Settembrini-ARS-Lehre. Wenn dann aber auf einen konkreten Plot (Reizwort, entschuldige bitte) gezoomt wird, modulierst Du nach, indem Du beispielsweise auf das Muster Detektiv blendest. Dieses Muster verletzt wissentlich einige Annahme der reinen Settembrini-ARS-Lehre, weil eben ein Muster Detektiv ohne eine solche Begrenzung einen irrwitzigen Aufwand darstellen würde.

So kann ich mir das sehr gut vorstellen und danke Dir für den Link!

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Offline Settembrini

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #47 am: 5.01.2009 | 18:09 »
Halt! Der erste Teil ist allgemein!

Bei Traveller, also genau der Kampagne die da beschrieben wurde, gab es immer nur "Vogelfrei", bis auf ein paar "Gewölbe"-Strukturen ganz zu beginn.
Manchmal kann man sowas enger vorbereiten, wenn man zufällig weiß, was beim nächsten mal gemacht werden soll.
Als die Spieler z. B. mal eine Scoutstation hacken wollten, hatte ich zwischen den Sitzungen das ganze als eine Art Cyber-DungeonCrawls ausgearbeitet.
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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #48 am: 5.01.2009 | 18:19 »
Ja, kann ich mir vorstellen. Der Text hat mir aber den zum Verständnis notwendigen Missing Link in die Hand gedrückt. Nun kann ich konkret einschätzen, wovon Du sprichst. Das war allein durch das Lesen eines theoriegeleiteten Exkurses bisweilen schwierig. Kann mir ansonsten sehr gut vorstellen, dass dieser Stil eine Menge Spaß macht.

Offline Merlin Emrys

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Re: Was bedeutet "storyorientiert" spielen?
« Antwort #49 am: 5.01.2009 | 18:31 »
Nur wenn es Ergebnisoffen erspielt ist, hat es Tiefe und Bedeutung.
Kannst Du auch erklären, über welche Gesetzmäßigkeit eine solche Verbindung zustandekommen könnte (wenn nicht gar "sollte")? "Sonst ist es eben einfach nur gesagt."

Aber wie genau macht man das?
Auch hier: Wie macht man es in einer Geschichte? Mit Worten offenbar. Da es Geschichten gibt, die dramaturgisch gut sind, auch ohne am Schema F zu kleben, ist das offenkundig möglich - mit allen möglichen komödiantischen, tragischen oder sonstwelchen Szenen, von denen jede, wenn man danach aus welchen Gründen auch immer nicht weiterspielt, im Nachhinein als "Schlußszene" zu erkennen ist.