Seit gestern bin ich wieder Spieler und nicht mehr SL in unserer DSA-Runde, und wir sind wieder voll ins "klassische" DSA-Schema eingetreten (Märchenonkelei, Kämpfe, bei denen die Gegner sich genau dann zurückziehen, wenn man bei 5 LP ist, NSC bei wichtigen Dingen zuschauen, den ganzen Abend lang keine einzige Entscheidung von Relevanz treffen ...).
Ich fühle mit dir
Mutproben hat es gestern abend gehagelt wie nichts anderes. das hat mich natürlich besonders als Spieler eines eigentlich "mutigen" Charakters gestört, der dann in ein paar willkürlichen Situationen plötzlich gelähmt vor Angst war und nicht handeln konnte. Was dann dazu führt, dass man in der nächsten Kampfrunde eine SB-Probe kriegt, die um das doppelte der Punktedifferenz bei der misslungenen Mutprobe erschwert ist, um sich zusammenzureißen und doch was zu tun. Und wenn man die wieder nicht schafft, dann kann man es irgendwann wieder tun, wenn dem Meister danach ist.
Schlechter kann man Rollenspiel nicht veranstalten.
Wenn ich da an unser DSA1 denke (andere Versionen halte ich persönlich für die Inkarnationen des Teufels): Da bestimmte der MU-Wert einzig und allein die Initiative im Kampf. Und auf MU gewürfelt wurde nur dann, wenn die Helden einem gar wirklich schröcklichem Ungeheuer begegneten. Alles andere ist Entmächtigung der Spieler in Reinform.
Jetzt sagen wahrscheinlich einige dagegen "Aber es ist doch völlig unglaubwürdig, dass die Helden immer ohne mit der Wimper zu zucken den größten Schrecken trotzen!", und das hat man sich bei der DSA-Redaktion wahrscheinlich auch gedacht. Nur ist das völlig inkonsequent: Denn es wird ja andererseits erwartet, dass die Helden als Helden den größten Schrecken trotzen.
Genau!
Das ist ja das Schizophrene am DSA-Regelwust. Nicht nur, dass die Redaktion versucht, neben der Spielwelt auch das Verhalten der Spielcharaktere festzuzurren, sondern auch, dass sie bei diesem Vorgehen völlig versagt... das kommt raus, wenn man ein freies Spiel (DSA1) zur Märchenonkelwiese (DSA2+) umformt.
Die scheinbare Notwendigkeit für so einen widersinnigen Mechanismus hängt natürlich damit zusammen, dass die DSA-Abenteuer dazu neigen, den SL zu Kämpfen anzuhalten, die für die Helden weitgehend risikofrei sind (sprich: Bitte, lieber Meister, lass niemanden sterben, denn es ist noch nicht der Endkampf!).
Exakt. Der Charaktertod war bei DSA schon immer der große Buhmann, da macht selbst mein geliebtes DSA1 keine Ausnahme. Und halt das unbedingte Verlangen der Redaktion, eine Geschichte zu erzählen, bei der die Charaktere mehr Anhängsel als Hauptattraktion sind.
Als Spieler habe ich da natürlich wenig Respekt auch vor formidablen Gegnern, und das überträgt sich in gewissem Maße auch auf die Haltung meines Charakters. Müsste ich um meinen Charakter fürchten, würde ich ohnehin schon freiwillig mehr Angst oder Vorsicht ausspielen. Und wenn nicht, müsste ich eben mit den Konsequenzen leben. Bei DSA ist die Tendenz aber eher, dass man als Spieler weiß, dass schon nichts passiert, mit seinem Charakter aber bitte die Ernsthaftigkeit der Lage angemessen ausspielen soll.
Einer meiner ältesten Kumpel hat vor kurzem in seiner Runde als SL eine einfache Änderung bei den Kampfregeln eingeführt: Die Differenz zwischen dem aktuellen AT-Wurf und dem AT-Wert des Angreifers ist zugleich der PA-Aufschlag für den Gegner, und der Bonus auf den Schaden, falls der Angriff durchgeht. Das Ergebnis ist ein Spiel, das ungefähr so schnell ist wie das alte D&D. Ich fand's sehr cool, aber seine Mitspieler waren schockiert. Sie gehören eben zur Erzählonkelfraktion, und je weniger Kampf, Rauferei, Blut und Getümmel in einer Sitzung vorkommen, desto schöner finden sie sie. Persönlich finde ich DSA1 und die damalige Sword&Sorcery-angelehnte Hintergrundwelt weitaus besser.
Zum anderen gibt es bei DSA auch immer wieder dieses seltsame Unvertrauen in die Spieler, dass sie selbstgewählte Nachteile auch ausspielen. Wenn mein Ritter Höhenangst 6 hat, dann fürchtet er sich beim Drachenritt, egal, was er würfelt. Andererseits will ich mir auch nicht vom SL sagen lassen, dass er den ganzen Flug lang wie en Baby schreit, weil ich zufällig eine 1 würfele. Was mein Charakter empfindet, darüber bin ich noch bereit, ein Stück Kontrolle abzugeben, aber wie er mit seinen Empfindungen umgeht soll bitte ganz allein meine Sache sein.
Das ist eine sehr gute Beobachtung!
Und wie du schon sagst, DSA-Abenteuer sind linear; wenn da eine MU-Probe daneben geht, paßt nichts mehr zusammen. Deshalb lautet meine Antwort auf die Frage "Wie sieht dein DSA5 aus?" auch immer "wie DSA1, und wenn du Skills willst, dann als Teil eines Charakterpakets, und nicht auf Attributen aufbauend".
Kurz: MU-Proben sind doof.