Autor Thema: Killedcat lernt FATE  (Gelesen 6524 mal)

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Offline Selganor [n/a]

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #25 am: 9.12.2010 | 18:58 »
Ein "Axtmeister des Nordstammes" kann halt nicht kämpfen.
Ein "Axtmeister des Nordstammes" muss nicht zwangslaeufig kaempfen koennen.
Allerdings sollte er ohne Weapons Skill eine gute Erklaerung haben warum er Axtmeister ist (oder der Nordstamm ist derart schwaechlich, dass das durchschnittliche Mitglied Weapons -2 oder noch weniger hat).
Vielleicht hat er die anderen Teilnehmer der Meisterschaft am Abend unter den Tisch getrunken und er war der einzige der dann noch nuechtern genug war (oder hatte genug Glueck gehabt), ...
Zitat
Trotzdem finde ich es antiklimatisch, wenn ich z.B. meinen Aspekt "Rettung in letzter Minute" ausspiele, den Fatepunkt ausgebe, und es doch nicht reicht.
Wenn dein Wurf gerade so um 1-2 Punkte nicht geklappt hat dann klappt es mit Fatepunkt (fuer ein +2) ja sicher.
Oder der SL gibt dir einen Fatepoint um die "Rettung in letzter Minute" aktivieren zu duerfen. Dann wirst du aber wahrscheinlich von jemandem gerettet von dem du gar nicht gerettet werden willst >;D
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Offline Scimi

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #26 am: 9.12.2010 | 20:24 »
Also meine primäre Frage habt ja beantwortet: ich habe die Regeln nicht falsch verstanden.

Aspekte wirken nicht immer und man muss halt interpretieren und deuten, damit sie passen. Ein "Axtmeister des Nordstammes" kann halt nicht kämpfen. Er kann vielleicht kämpfen, wenn ich den Skill auch gelernt habe. Und ab und zu, wenn die Punkte da sind, dann ist er auch mal ein Axtmeister des Nordstammes. Die eigentliche "Arbeit" machen hier die Skills, nicht die Aspekte. Dafür kann ich den Axtmeister vielleicht anderweitig verwenden. Wenn ich den Punkt habe. Und evtl auch Glück.

Ein Skill wie "Nahkampfwaffen" macht dich mehr oder weniger zu einem kompetenten Kämpfer.

Dazu könntest du einen Stunt wie "Axtmeister des Nordstammes" nehmen, der dir einen Bonus für passende Situationen gibt. Etwas Axtkämpfe oder Nahkampf im Schnee.

Der Aspekt "Axtmeister des Nordstammes" hat verschiedene Funktion, das Verhalten deines Chars so zu beeinflussen, dass er sich axtmeistermäßiger verhält und die Umwelt auf seine Axtmeisterlichkeit passend reagiert.

Ich persönlich finde es allerdings schade, dass die Aspekte aktiviert werden müssen, um zu wirken. Aus dem Bauch heraus hätte ich gesagt: sollen die +2 doch immer gelten.

Wie gesagt, die Dinger heißen Stunts, nicht Aspekte...

Trotzdem finde ich es antiklimatisch, wenn ich z.B. meinen Aspekt "Rettung in letzter Minute" ausspiele, den Fatepunkt ausgebe, und es doch nicht reicht.

Was man nie vergessen darf ist, dass Aspekte invoked werden, nachdem gewürfelt wurde. Du weißt also vorher, ob es reicht oder nicht.
Was man auch nie vergessen darf ist, dass es in FATE relativ schwer ist, zu sterben, wenn man nicht absichtlich bis zum Tod kämpft. Wenn die Rettung in letzter Minute nicht klappt, muss man eben sehen, in welche Schwierigkeiten man dadurch gerät - irgendwann kommt der Moment, wo der Aspekt dann glänzen kann.

Nehmen wir Fading Suns als Beispiel: wir haben eine Dekados in der Gruppe, die streng gläubig ist und ein schwarzes Schaf darstellt. Da würden sich die Aspekte "Schwarzes Schaf der Dekados" und "Geläutert vom Lichte des Pankreators" anbieten. In den Originalregeln vergebe ich einfach als SL (gerne auch auf Zuruf der Spieler) Boni oder passe das Verhalten der Gegenspieler an. Oder ich vergebe Belohnungskarten. Oder, oder... Das ist einfach da. Spieler und SL können sich jederzeit ohne Rücksicht auf Fatepunkte darauf berufen. Zuverlässig, was das Storygestalten auch sehr einfach macht.

Die Aspekte wollen einerseits diese Idee regeltechnisch vereinfachen (man muss nicht über Boni diskutieren, weil jeder Aspekt den gleichen Bonus hat), andererseits aber auch einen Anreiz geben, mehr damit zu spielen. Wenn ich dafür bezahlt werde, dass ich meine Nachteile ausspiele, ist das gut, wenn ich das aber tun muss, um meine Vorteile dauerhaft nutzen zu können, ist das besser.
Viele Systeme geben Boni dafür, dass man Nachteile nimmt und lassen Vorteile etwas kosten. FATE macht das im Prinzip von einer Designentscheidung bei der Charaktererschaffung/Entwicklung zu einer Aktivität am Spieltisch. Teilweise ist es etwas erbsenzählerisch (Wenn du zweimal den Vorteil "Jedimeister" in der Sitzung eingesetzt hast, musst du auch zweimal den Nachteil "gesuchter Rebell" ausspielen), aber die Vielzahl der Aspekte auf Charakteren und Szenen und der einfache Mechanismus lassen es am Spieltisch eigentlich nicht so erscheinen.

Ob das jetzt cool ist oder nicht, muss jeder selbst wissen.

alexandro

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #27 am: 9.12.2010 | 20:58 »
Ein wichtiger Unterschied ist, dass FATE-Punkte NACH dem Wurf eingesetzt werden.

Bei einem Immer-Aktiv-Bonus entscheidet der Wurf darüber, ob der Aspekt für die Situation anwendbar ist (Wurf+Aspektbonus>Schwierigkeit, bedeutet Ja).

Bei dem punkteaktivierten Aspekten entscheidet der Spieler darüber, ob der Spezialaspekt hier Anwendung findet (und es gibt durchaus gute (mechanische) Gründe, sich zurückzuhalten (und damit bewusst Scheitern in Kauf zu nehmen), was zu interessanteren Geschichten führt).

Offline Blechpirat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #28 am: 10.12.2010 | 13:21 »
Also meine primäre Frage habt ja beantwortet: ich habe die Regeln nicht falsch verstanden.

Aspekte wirken nicht immer und man muss halt interpretieren und deuten, damit sie passen. Ein "Axtmeister des Nordstammes" kann halt nicht kämpfen. Er kann vielleicht kämpfen, wenn ich den Skill auch gelernt habe. Und ab und zu, wenn die Punkte da sind, dann ist er auch mal ein Axtmeister des Nordstammes. Die eigentliche "Arbeit" machen hier die Skills, nicht die Aspekte. Dafür kann ich den Axtmeister vielleicht anderweitig verwenden. Wenn ich den Punkt habe. Und evtl auch Glück.

Ich weiß, dass die anderen das schon mal gesagt haben, aber vielleicht kann ich es noch etwas deutlicher machen:

Skills definieren was du kannst. Aspekte die Geschichte/Selbst- und Fremdwahrnehmung/Soziale Verknüpfung

Nehmen wir mal einen Polizisten als Beispiel. Er hat (in Deutschland) eine Pistole. Wie gut kann er schießen? Das hängt von seinem Skill ab. Er bleibt Polizist, er wird behandelt wie ein Polizist, er kann wie ein Polizist handeln, er hat die sofortige Solidarität seiner Kollegen sicher etc. - Dinge, die man nicht in Skills packen kann.

Er ist auch dann Polizist, wenn kein Fatepoint dafür steht. Er wird als Polizist angesprochen, kann die Personaltoilette der Polizeiwache benutzen etc. Er zahlt nur dann einen Fatepoint (oder erhält einen), wenn es für die Geschichte wichtig wird, dass er Polizist und nicht etwas anderes ist. Aspekte definieren, was du bist, nicht etwa, was du kannst.

Offline Scimi

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #29 am: 10.12.2010 | 14:53 »
Nehmen wir mal einen Polizisten als Beispiel. Er hat (in Deutschland) eine Pistole. Wie gut kann er schießen? Das hängt von seinem Skill ab. Er bleibt Polizist, er wird behandelt wie ein Polizist, er kann wie ein Polizist handeln, er hat die sofortige Solidarität seiner Kollegen sicher etc. - Dinge, die man nicht in Skills packen kann.

Er ist auch dann Polizist, wenn kein Fatepoint dafür steht. Er wird als Polizist angesprochen, kann die Personaltoilette der Polizeiwache benutzen etc. Er zahlt nur dann einen Fatepoint (oder erhält einen), wenn es für die Geschichte wichtig wird, dass er Polizist und nicht etwas anderes ist. Aspekte definieren, was du bist, nicht etwa, was du kannst.

Ein super Beispiel. Das würde ich so golden einrahmen und an meine mentale Wand hängen.  :d

Offline Blechpirat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #30 am: 10.12.2010 | 15:02 »
Ein super Beispiel. Das würde ich so golden einrahmen und an meine mentale Wand hängen.  :d
:-[

killedcat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #31 am: 10.12.2010 | 15:37 »
Und doch könnte ich den Aspekt Polizist wecken, um besser zu schießen.

Offline Selganor [n/a]

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #32 am: 10.12.2010 | 15:42 »
... weil du dich an was erinnerst was du im Training mal gehoert hast das deine nicht so dolle Tagesform (z.B. schlechter Wurf) ausgleicht/verbessert...
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Offline Blechpirat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #33 am: 10.12.2010 | 17:16 »
Und doch könnte ich den Aspekt Polizist wecken, um besser zu schießen.
Wie Selganor schon sagt, könntest du einmal, ausnahmsweise für einen (Schicksals)punkt besser schießen. Weil du als Spieler in den Beschreibung eine Geschichte einwebst, in der du plausibel machst, warum du, der Polizist, in dieser konkreten Situation besser schießen kannst als jemand, der den gleichen Wert auf Guns hat, aber kein Polizist ist.

Du kannst es eben nicht immer!

Offline Scimi

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #34 am: 10.12.2010 | 17:54 »
Technisch kannst du vielleicht den Aspekt "Polizist" benutzen, um besser schießen zu können. Aber eigentlich bedeutet es nicht, dass du in der Situation ein besserer Schütze bist, sondern dass du sagst: In dieser Situation sollte ein Polizist einfach nicht vorbeischießen.

Genausogut könnte der "Polizist" aber auch compelled werden, wenn der SL etwa sagt: "Du würdest jetzt gern einfach abdrücken, aber als Polizist solltest du den Kerl einfach festnehmen."

Du nimmst dir nicht den Aspekt "Polizist", um irgendwas besser zu können, sondern um festzulegen, dass der Umstand, dass dein Charakter Polizist ist, sich im Verhalten des Charakters und seiner Umwelt niederschlägt. Und wenn du das nicht willst, könntest du einen Polizisten spielen, der keinen solchen Aspekt hat, weil die Tatsache, dass der Charakter Polizeibeamter ist, keine Relevanz für das Spiel hat.

Und natürlich sind Aspekte wie "Polizist", "stark" oder "gibt nie auf" keine besonders tollen Aspekte, um Geschichten damit zu erzählen. Sachen wie "auf Streife im Hafenkiez", "Grogh see, Grogh smash" und "if life gives you lemons..." vermitteln einen direkten Eindruck von einem Charakter, inspirieren zu Geschichten, kommunizieren dem SL, welche Storyelemente für den Charakter wichtig sind und lassen sich auch einmal völlig außer der Reihe einsetzen: "if life gives you lemons..." kann natürlich in jeder Situation interessant werden, in der es um Optimismus oder Geschäftssinn geht, aber kann auch in der unwahrscheinlichen Situation, dass ein Charakter mit der Herstellung von Limonade gefordert ist, überraschend zum Einsatz gebracht werden.

killedcat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #35 am: 10.12.2010 | 23:11 »
Für mich stellt sich das wie folgt dar:

Die Regeln lassen Dich einen Aspekt benennen, den Du so hinbiegen musst, dass er nicht immer, aber immer wieder mal funktioniert. Ein "Abgesandter des Zaren" kann seinen Vorteil - wenn die Fatepoints mal weg sind - ebensowenig ausspielen, wie jemand der kein Abgesandter des Zaren ist. Das ist weniger, als ich in jedem anderen Rollenspiel leisten kann, wo ich einfach IMMER Abgesandter des Zaren bin, wenn ich das einmal bin.

Ich (persönlich) fände es sinnvoller, die +2 immer gelten zu lassen, wenn die Situation passt und lediglich die Story-Änderungen mit Fatepoints zu bezahlen. Keine schwere Regeländerung. Aber entweder ich habe einen Aspekt, oder nicht.

Ich finde die FATE-Regeln so schwammig, jetzt wo ich sehe, wie jeder die Aspekte (krampfhaft) so hinbiegt, dass die "An/Aus"-Regelei halbwegs Sinn macht. Und dabei gibt es noch viel mehr interpretationsbedürftige Stellen im Zusammenhang mit den Aspekten. Zum Beispiel, wann ich einen solchen Verlange, und wann ich die Ladder benutze ist nicht klar geregelt.

Ich beginne FATE abstrus zu finden und bereue meine Bestellung von Dresden Files schon, will dem Werk aber unbedingt noch eine Chance geben.

alexandro

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #36 am: 11.12.2010 | 00:28 »
Ob du jetzt +2 bekommst oder nicht entscheidet doch nicht darüber, ob du Abgesandter des Zaren bist. Das sind zwei komplett unterschiedliche Sachen (wie Karsten ja schon in seinem Beispiel erläutert hat).

+2, "aber nur wenn es passt" ist nicht sehr elegant, weil es massiv in die Gestaltungsfreiheit der Aspekte eingreift. Dann muss man wieder den GURPS/HERO-Weg gehen und die Aspekte unterschiedlich viel kosten lassen, anhängig davon wie oft sie im Spiel Vor- oder Nachteile sind (was natürlich eine Rechnung ist, die nichts mit dem eigentlichen Spiel zu tun hat, aber egal).

Außerdem: nehmen wir mal an, es wird einfach so entschieden (durch Findigkeit des Spielers oder weil es das Abenteuers so vorsieht) "der Aspekt passt" - z.B. der Bauer respektiert den Zaren und natürlich auch seinen Kurier, deshalb bekommt der Spieler den Bonus - aber dann reicht der Würfelwurf trotz Bonus nicht aus...wie erklärt man das? Der Bauer respektiert den Kurier zwar (sonst hätte der Spieler ja nicht den Bonus gekriegt), aber irgendwie doch nicht??? Das ist doch schizophren.
« Letzte Änderung: 11.12.2010 | 01:14 von alexandro »

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #37 am: 11.12.2010 | 00:43 »
Abgesandter des Zaren ist man dann immer noch. Der Fakt ändert sich ja nicht, aber du hast halt keine Fatepunkte mehr, um den Vorteil daraus zu ziehen.

Bedenke, was dem für Entscheidungen vorangingen... immerhin hast Du dann schon deinen letzten Fatepunkt für etwas anderes geopfert und müsstest erst einmal wieder welche generieren.

Offline Scimi

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #38 am: 11.12.2010 | 02:55 »
Für mich stellt sich das wie folgt dar:

<snip>

Ich beginne FATE abstrus zu finden und bereue meine Bestellung von Dresden Files schon, will dem Werk aber unbedingt noch eine Chance geben.

Du hast nicht unrecht, aber du hast unrecht.  ;D

FATE versucht nicht, unsere Alltagserfahrung zu simulieren. Stattdessen verwendet es ein Ressourcensystem, um den Einfluss von Umständen der Spielwelt und die Hintergründe von Charakteren künstlich zu beeinflussen.

Ich kann nachvollziehen, dass das unter einem gewissen Blickpunkt frustrierend sein kann: Ich würde gern etwas mit meinem Charakter tun, was er aller Logik nach können müsste, aber ich habe nicht die Punkte dafür und muss jetzt irgendwelche lächerlichen Schwierigkeiten über ihn ergehen lassen, um ihn "aufzuladen" - WTF???

Aber ich gehöre zu den komischen Menschen, die sich so etwas immer gewünscht haben. Als ich FATE zum ersten Mal gelesen habe, sagte ich mir: Yeah, Baby, das ist es!

Warum finde ich so sinnlose Einschränkungen so geil? Ich mag zum Beispiel die "Stirb Langsam"-Filme voll gern. Was mir vor allem daran gefällt, ist der "per aspera ad astra"-Effekt: Bruce Willis als John McClane darf am Ende die Bude rocken, aber nur, weil ihm vorher soviel Scheiße passiert: Er tut sich nicht nur die ganze Zeit weh, sondern hat auch Stress im Job und Probleme mit seiner Ehe. Trotzdem ist er ein cooler und sympathischer Typ, mit dem ich gern ein Bier trinken würde.

Seit Jahren versuche ich vergeblich, so etwas im Rollenspiel nachzubauen, aber es geht einfach nicht. Die Spieler von John McClane sehen seine Werte auf dem Bogen und weigern sich, sich erst 90 Minuten durchprügeln zu lassen, bevor sie ihre Werte effektiv benutzen. Sie sagen "ich weiche aus" oder "ich versuche ihn zu treffen", anstatt sich aufs Maul schlagen zu lassen oder sich die Füße an Glasscheiben aufzuschneiden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie John McClane spielen und John McClane natürlich nicht verletzt werden will. Spieler wollen, was gut für ihren Charakter ist. Aber ich spiele die Geschichte, und ich will, dass er leiden muss, bevor er gewinnen darf. Spielleiter wollen, was für ihre Geschichte gut ist.

Ok, die Spieler wollen also nicht freiwillig Proben versemmeln und Lebenspunkte verlieren? Ok, sollen sie sehen, was ich kann. Ich erschwere die Proben, ich mache die Gegner besser, ich erfinde Modifikatoren und Spitzfindigkeiten. Irgendwie muss das doch hinzukriegen sein, dass es wie im Film läuft?
Aber was passiert? Die Spieler bekommen den Eindruck, dass ich gegen sie spiele, dass ich ihrem John McClane ans Leder will. Also beginnen sie taktischer zu spielen, sie werden vorsichtiger, sie versuchen, den sichersten und besten Weg zu finden. Ich wollte nur eine coole Story erzählen, für meine Spieler. Aber jetzt ist es schlimmer als vorher, denn jetzt lässt sich McClane nicht nur nicht verprügeln, er verzichtet auch auf coole und waghalsige Aktionen.

Und dann lese ich FATE und entdecke das Potenzial: Wenn ich den Charakteren etwas zu Leide tu, dann muss ich die Spieler dafür auszahlen. Und die Spieler können diese Bezahlung wieder dazu einsetzen, damit ihre Charaktere rocken. Und plötzlich zieht eine ganz andere Mentalität in der Runde ein:
Die Spieler kommen sich nicht mehr so blöd dabei vor, in die Glasscherben zu laufen - sie kriegen ja etwas dafür. Und wenn das einmal so ist, werden sie auch noch kreativ - "Ich habe jetzt "Glasscherben im Fuß, kann ich das benutzen, um den Terroristen ins Gesicht zu treten?" War nicht im Film, ist aber cool. Und weil die Spieler sich schon drauf freuen, dass John McClane später seinen Aspekt "angepisster Bulle" einsetzen wird (und den unterwegs eingesammelten Aspekt "Now I have a machine gun, too. ho ho ho"), suchen sie sich schnell noch etwas Ärger, um ihre Punkte zu kriegen. "Wäre es jetzt nicht blöd, wenn das FBI den Strom abschalten würde? Gibt das Punkte?" "Hau, gegen die Burschen brauche ich mehr als nur Glück, was bekomme ich dafür, wenn ich die Detonatoren verlieren würde?" "Gruber kriegt bestimmt noch raus, dass meine Frau unter den Geiseln ist?" Weil es zum Teil des Spiels wird, Nachteile hinzunehmen, um Vorteile nutzen zu dürfen, bekommen die Spieler Spaß daran und beginnen, damit herumzuspielen. Und am Ende hat die Gruppe endlich ein filmreifes Abenteuer gespielt.

killedcat

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #39 am: 11.12.2010 | 04:11 »
Ich verstehe den Gesichtspunkt, unter dem FATE funktionieren kann und offensichtlich für dich funktioniert. Aber meine Herangehensweise an ein Rollenspiel ist eine ganz andere, viel direktere. Wenn ich möchte, dass die Spieler etwas cooles tun, in ihre Rolle schlüpfen, dann belohne ich sie dafür. Soweit sind wir uns ja auch einig. Dafür brauche ich aber keine Aspekte. Der Kurier des Zaren erhält halt Boni, wenn er das ausspielt. Ein schönes Beispiel ist Exalted. Over-the-top-Aktionen der Spieler funktionieren besser, als Standardmanöver. Fertig. Schon überbietet man sich mit Beschreibungen. Aber ich musste nichts einschränken. Die Spieler brauchen keine Fatepunkte, müssen nicht damit haushalten. Das wird rausgepfeffert, dass die Hütte rockt (wenn das System nur sonst nicht so verkomplizert und verquarkst wäre).

Wir wollen als Spieler auch keinen leidenden McLane, das wäre eine Betrachtung von außen. Wir wollen eine Betrachtung von innen. Die Spielfigur in die Bredoullie zu bringen, ist auch mal in Ordnung, aber nur im Falle des In-Charakter-Denkens. Das Leiden-Lassen, das Du angesprochen hast, wäre für uns zu sehr eine Betrachtung von außen und (zumindest für mich) hochgradig immersionsstörend. Vielleicht sind es diese Unterschiede, die mich FATE-inkompatibel machen? Dafür halte ich mich nämlcih inzwischen.

Genau da, wo die FATE-Spieler die Regeln so lieben (Aspekte ausspielen, etc.), da ist MIR Fate im Wege. Mein Kurier des Zaren kann gefälligst, was ein Kurier des Zaren können sollte. IMMER. Dann brauch ich aber auch Skills und Stunts nicht. Es gibt ja auch die Bewegung, Skills und Stunts wegzulassen und um ehrlich zu sein, das macht viel mehr Sinn als dieses Gewurschtel hier. Nur mit Aspekten kommen wir der Sache schon näher. Dann noch Fatepoints weglassen für das Invoken des Aspekte und ich könnte FATE entweder mögen, oder genausogut weglassen.

Alternativ kann man die Aspekte auch einfach als Beschreibung nicht mehr so ernst nehmen. "Kurier des Zaren" wäre keine Beschreibung des Charakters mehr, sondern eines Feats. Quasi der Name des Feats, das dem Charakter gelegentlich Boni verleiht. Dann könnte ich den Gebrauch verstehen, fände das aber eine Arge Verschwendung der Möglichkeiten und insgesamt eine Enttäuschende Variante.

Ich glaube, ich bin einfach zu sehr gamistisch veranlagt, was das Regelwerk anbelangt, und viel zu sehr freiheitsverliebt, was den Input in das Spielgeschehen anbelangt.  8)

Der große Inspirationsschub, der echte Nährwert von FATE liegt für mich im Compelling der Aspekte. Das rockt wirklich und eröffnet Motivation für echt coole Spielmomente. Aber der Rest ist wohl so gar nicht meine Welt. Dabei stecken wirklich nette Ideen in den freien Aspekten...

Ohne Skills, ohne Stunts, nur mit Aspekten, zuverlässig funktionierend mit weniger Abhängigkeit von Fatepoints beim Invoken... dann könnte ich mit Fate warm werden. ;)

Ein kleines Dankeschön noch:
Trotz meiner (ganz subjektiven) Kritik an FATE, das ihr gerne und mit viel Freude spielt, bleiben alle nett und sachlich und ohne Missionierungsdrang. Das ist - bei anderen Systemen - nicht immer der Fall. Es ist schön, dass man auch als "FATE-inkompatibler" hier Meinungsaustausch pflegen kann.
« Letzte Änderung: 11.12.2010 | 04:15 von killedcat »

Offline Zornhau

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #40 am: 11.12.2010 | 06:25 »
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Der große Inspirationsschub, der echte Nährwert von FATE liegt für mich im Compelling der Aspekte.
Ich sehe das Compel-Thema so, daß man eigentlich in JEDEM Rollenspiel auch mal die nachteiligen, Komplikationen bringenden Eigenschaften von Charakteren im Spiel sehen möchte, weil das die Charaktere glaubwürdiger, plastischer, mehrdimensionaler macht als den unberührten und unberührbaren Teflon-Billy.

Manche Rollenspiele haben keinerlei Mechanismen dafür. Dort ist das Ausspielen von Komplikationen bringenden Eigenschaften eine Sache, die NEBEN den Regeln abläuft. Z.B. D&D, wo es keine nachteiligen Charakterzüge regeltechnisch umgesetzt gibt, wo man aber natürlich einen einem persönlichen Ehrenkodex folgenden "Offizier und Gentleman" spielen kann, oder einen "Dreckigen Söldner", auch wenn das Regelsystem beide als "Warrior" abbildet.

Andere Rollenspiele haben - u.a. in Punkte-Kauf-Systemen - Vorteile und Nachteile als Regelelemente, mit denen man einen Charakter ausstatten kann. Es wird hier ERWARTET, daß die Nachteile ebenso ausgespielt werden, wie die Vorteile. Manche Systeme belassen es bei der Erwartung - jedoch wird es nicht erzwungen einen Nachteil auszuspielen. Andere Systeme bieten "Belohnungen" unterschiedlicher Art - späte wie mehr Erfahrungspunkte am Ende eines mehrere Sitzungen währenden Abenteuers "für gutes Rollenspiel", oder sofortige wie Bennies, Fate-Chips (in Deadlands Classic), usw. Diese Belohnungen sollen ein ANREIZ sein die nachteiligen Charaktereigenschaften auszuspielen. Aber wenn der Spieler keine Lust hat, dann bekommt er diese Resource oder sein SC diese Erfahrungsboni halt nicht, jedoch erleidet er keine weiteren Nachteile.

Fate geht mit dem Compel von Komplikationen bringenden Eigenschaften (hier Aspekten) einen Schritt weiter. Fate ERZWINGT vom Spieler eine ENTSCHEIDUNG: Nimmt er einen Fate-Punkt und läßt die Komplikation zu, oder zahlt er einen Fate-Punkt und kauft seinen Charakter von dieser vom Spielleiter vorgeschlagenen Komplikation frei. - Das Freikaufen geht nur, solange der Spieler genug Fate-Punkte auf der Hand hat. Damit kann ein Spieler nicht unbegrenzt den Komplikationen, den negativen Eigenschaften entgehen, sondern nur im Rahmen seiner persönlichen Fate-Punkte-Wirtschaft. Das stellt sicher, daß der Spieler IRGENDWANN eine derartige negative, nachteilige Aktivierung einer seiner Eigenschaften zulassen wird, weil er sonst keine Fate-Punkte mehr haben wird.

Ich habe, wie an anderer Stelle dargelegt, mit dem Compel = ZWANG zu Zahlen oder zu "Gehorchen" ein Problem. Ich sehe es so, daß ich lieber einem Spieler den VORSCHLAG, das ANGEBOT mache, eine negative Eigenschaft auszuspielen und dies dann belohne, statt daß ich den Spieler in eine Art ZWANGSLAGE bringe, wo er nur eine von zwei Entscheidungsmöglichkeiten treffen kann: einen Fate-Punkte zahlen oder einen Punkt nehmen und den negativen Aspekt ins Spiel bringen, von dem ich als Spielleiter meine, das er jetzt nach meinem Wunsch eingebracht werden sollte.

Ohne diesen ZWANGS-Mechanismus wäre es dem SPIELER freigestellt sich nur nach EIGENER Entscheidung einen Aspekt als freiwillige Komplikation auszuwählen - oder auch nicht. Wenn er Lust darauf hat freiwillig einen Aspekt negativ einzubringen, dann bekommt er einen Fate-Punkt. Er MUSS NIE ZAHLEN! - Es könnte sein, daß solch eine Änderung des Compel auf ein Angebot ohne nachteilige Konsequenzen bei Ablehnung den Fate-Punkte-Fluß ändert - vor allem das "Herausziehen" von Fate-Punkten erschwert.


Offline Scimi

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Re: Killedcat lernt FATE
« Antwort #41 am: 11.12.2010 | 08:09 »
Ein kleines Dankeschön noch:
Trotz meiner (ganz subjektiven) Kritik an FATE, das ihr gerne und mit viel Freude spielt, bleiben alle nett und sachlich und ohne Missionierungsdrang. Das ist - bei anderen Systemen - nicht immer der Fall. Es ist schön, dass man auch als "FATE-inkompatibler" hier Meinungsaustausch pflegen kann.

FATE ist wie jedes System ein Werkzeug, von dem jeder entscheiden muss, ob er dafür Verwendung hat oder nicht. Ich denke nicht, dass es hier Leute gibt, die vom Gedanken um den Schlaf gebracht werden, dass da draußen irgendwo Ungläubige sitzen, die FATE nicht genauso toll finden wie sie.
Ich hätte auch nicht das Gefühl, dem System einen Gefallen zu tun, wenn ich es jedem schönreden würde oder die Leute dazu drängen würde, mir zuzustimmen. Ich ziehe es vor, einfach über das System zu diskutieren und jeden zu einer eigenen Meinung kommen zu lassen.

Ein Problem ist aber, dass FATE in einigen Punkten sehr anders denkt, als die meisten Rollenspiele. Das führt dazu, dass es immer einen gewissen Austausch braucht, um herauszubekommen, ob der  Gesprächspartner das System vielleicht einfach nicht verstanden hat, oder ob er es prinzipiell verstanden hat, aber nicht versteht, wozu so etwas nützlich ist, oder ob er alles verstanden hat, aber einfach mit der Idee nichts anfangen kann.  ;)

Ich verstehe den Gesichtspunkt, unter dem FATE funktionieren kann und offensichtlich für dich funktioniert. Aber meine Herangehensweise an ein Rollenspiel ist eine ganz andere, viel direktere. Wenn ich möchte, dass die Spieler etwas cooles tun, in ihre Rolle schlüpfen, dann belohne ich sie dafür. Soweit sind wir uns ja auch einig. Dafür brauche ich aber keine Aspekte. Der Kurier des Zaren erhält halt Boni, wenn er das ausspielt. Ein schönes Beispiel ist Exalted. Over-the-top-Aktionen der Spieler funktionieren besser, als Standardmanöver. Fertig. Schon überbietet man sich mit Beschreibungen. Aber ich musste nichts einschränken. Die Spieler brauchen keine Fatepunkte, müssen nicht damit haushalten. Das wird rausgepfeffert, dass die Hütte rockt (wenn das System nur sonst nicht so verkomplizert und verquarkst wäre).

Ich mag auch Exalted sehr gern (leider habe ich nie eine Gruppe dafür begeistern können, sich die Regeln so einzuverleiben, dass ein flüssiges Spiel möglich war), ebenso den kleinen Bruder Scion. Die Idee, dass filmreife Aktionen nicht erschwert sind, sondern sogar eine höhere Erfolgschance haben, hat mir auch sehr gut gefallen.
Aber gerade bei den Storytellersystemen gibt es doch einen Mechanismus, der den Fatepunkten schon sehr nahe kommt: Mit Willpower kann ich mir Boni für Einzelaktionen holen und wie Fatepunkte erhalte ich Willenskraft wieder, wenn ich mich ausruhe oder Nachteile ausspiele (oder vielmehr Elemente des Charakterhintergrundes nachteilig ausspiele). FATE rückt einfach diesen ganzen Aspekt des Spiels etwas in den Vordergrund.

Wir wollen als Spieler auch keinen leidenden McLane, das wäre eine Betrachtung von außen. Wir wollen eine Betrachtung von innen. Die Spielfigur in die Bredoullie zu bringen, ist auch mal in Ordnung, aber nur im Falle des In-Charakter-Denkens. Das Leiden-Lassen, das Du angesprochen hast, wäre für uns zu sehr eine Betrachtung von außen und (zumindest für mich) hochgradig immersionsstörend. Vielleicht sind es diese Unterschiede, die mich FATE-inkompatibel machen? Dafür halte ich mich nämlcih inzwischen.

FATE setzt bis zu einem gewissen Grad voraus, dass der Spieler über seinen Charakter nachdenkt. In der Spielwelt sitzt ja kein Teufelchen auf der Schulter des Charakters und bietet ihm einen Punkt dafür an, dass er Mist baut. Die ganze FP-Economy hat nicht direkt mit dem Charakter zu tun, sondern mehr mit der Geschichte.
Aber für mich gehört die Geschichte zur Immersion, ich will ein Filmartiges Erlebnis, mit großen Panoramaschwenks über die Landschaft und Kameraeinstellungen, wo der Charakter von dunklen Gestalten verfolgt wird, ohne es zu bemerken. Eine konsequente Ego-Perspektive kann ich mir nicht auf Dauer vorstellen.

Genau da, wo die FATE-Spieler die Regeln so lieben (Aspekte ausspielen, etc.), da ist MIR Fate im Wege. Mein Kurier des Zaren kann gefälligst, was ein Kurier des Zaren können sollte. IMMER. Dann brauch ich aber auch Skills und Stunts nicht. Es gibt ja auch die Bewegung, Skills und Stunts wegzulassen und um ehrlich zu sein, das macht viel mehr Sinn als dieses Gewurschtel hier. Nur mit Aspekten kommen wir der Sache schon näher. Dann noch Fatepoints weglassen für das Invoken des Aspekte und ich könnte FATE entweder mögen, oder genausogut weglassen.

Alternativ kann man die Aspekte auch einfach als Beschreibung nicht mehr so ernst nehmen. "Kurier des Zaren" wäre keine Beschreibung des Charakters mehr, sondern eines Feats. Quasi der Name des Feats, das dem Charakter gelegentlich Boni verleiht. Dann könnte ich den Gebrauch verstehen, fände das aber eine Arge Verschwendung der Möglichkeiten und insgesamt eine Enttäuschende Variante.

*lacht* Hör auf, du machst ja das ganze FATE kaputt! Mir scheint, du willst FATE in eine Richtung drängen, von der es eigentlich bewusst weggeht. Das machen schon genügend andere Systeme, da würde ich mir die Mühe sparen und einfach was anderes spielen, anstatt FATE komplett umzubauen.

Aber irgendwo scheint mir auch deine Perspektive noch immer nicht ganz gerade zu sein: Aspekte haben nichts damit zu tun, was ein Charakter kann. Das wird komplett durch Skills und Stunts abgedeckt. Was du einen Feat nennst, ist bei FATE ein Stunt.

Die ganze Sache mit den Aspekten ist noch einmal draufgesetzt und soll im Prinzip ein System darstellen, um Handlungen, Entscheidungen und Folgen mit taktischen Regeln zu versehen - ähnlich wie viele Systeme versuchen, Dinge wie Kampf oder Magie in ein Regelgewand zu kleiden. Auch dafür bräuchte man nicht unbedingt ein spezielles Würfelsystem. Man könnte einfach den Kampfskill von zwei Charakteren vergleichen und der Bessere gewinnt. Trotzdem hat man sich bei den meisten Systemen für ein detailliertes Kämpfen mit Initiative, Rüstung, Mana, Manövern und Lebenspunkten entschlossen, in der Hoffnung, dass durch das Aufbrechen von Kämpfen in viel Einzelaktionen mit verschiedenen Optionen ein spannenderes und interessanteres Kampferlebnis zustandekommt.
FATE versucht etwas ähnliches auf einer Erzählebene: Durch das Auflösen von Hintergründen und Umständen in viele kleine Einzeleinflüsse erhofft man sich einen interessanteren Handlungsablauf.

In vielen Kampfsystemen gehen Aktionen hin und her: Ich greife an und danach ist der Gegner dran und ich muss mich verteidigen, egal, wie die Kräfteverhältnisse sind. Echte Kämpfe funktionieren auch nicht so, aber das stört nicht dabei, weil das Ergebnis so ist, wie man es aus Filmen und Büchern kennt.
Und genauso versucht FATE eine gewisse Balance zwischen vorteilhaften und negativen Einflüssen zu schaffen, was genausowenig realistisch ist, aber zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann.

Ich glaube, ich bin einfach zu sehr gamistisch veranlagt, was das Regelwerk anbelangt, und viel zu sehr freiheitsverliebt, was den Input in das Spielgeschehen anbelangt.  8)

Keine Ahnung, was "gamistisch" ist, aber wenn dir die absolute Freiheit sehr wichtig ist, dann wird dir FATE in der Tat ins Gehege kommen.
Andererseits müssen Regeln nicht unbedingt einschränkend sein. In der Tat spricht man ja im Rollenspiel oft davon, dass Regeln einem erlauben, etwas zu tun, bis hin zu einem Punkt, wo Regeln gefordert werden, um etwas spielen zu können: Ich will einen  Ninja spielen, wann kommt das Buch mit den Ninja-Regeln? Das klingt eigentlich völlig absurd, aber die meisten großen Rollenspielverläge verdienen einen Großteil ihres Geldes mit Büchern, die Regeln enthalten, um irgendetwas besonderes zu spielen.
Ein gutes Regelwerk lässt mich meinen Charakter spielen und gibt mir Anregungen und Optionen für das Spiel. Und offenbar führt das in der Praxis für die meisten zu einem zufriedenstellenderen Spiel als reines regelloses Charakterspiel?

Warum sollen Regeln für das Spielgeschehen das nicht auch leisten können?

Der große Inspirationsschub, der echte Nährwert von FATE liegt für mich im Compelling der Aspekte. Das rockt wirklich und eröffnet Motivation für echt coole Spielmomente. Aber der Rest ist wohl so gar nicht meine Welt. Dabei stecken wirklich nette Ideen in den freien Aspekten...

Compels sind unglaublich cool, aber wenn Invokes umsonst sind, musst du den Spielern eine andere Art von Belohnung geben, damit die Idee funktioniert. In Systemen, wo Erfahrung in großen Zahlen vergeben wird (D&D, DSA), könnte man einfach XP nehmen. Oder im Storytellingsystem Willenskraft.

Oder wenn du reich bist, legst du den Spielern einfach fünf Euro hin.  ;D

Ohne Skills, ohne Stunts, nur mit Aspekten, zuverlässig funktionierend mit weniger Abhängigkeit von Fatepoints beim Invoken... dann könnte ich mit Fate warm werden. ;)

Ich würde es nicht mehr FATE nennen. Aber klingt so, als könnte es gut funktionieren. Wenn du in der Richtung einmal konkrete Schritte unternimmst, würde ich es gern mit dir diskutieren.



Ich habe, wie an anderer Stelle dargelegt, mit dem Compel = ZWANG zu Zahlen oder zu "Gehorchen" ein Problem. Ich sehe es so, daß ich lieber einem Spieler den VORSCHLAG, das ANGEBOT mache, eine negative Eigenschaft auszuspielen und dies dann belohne, statt daß ich den Spieler in eine Art ZWANGSLAGE bringe, wo er nur eine von zwei Entscheidungsmöglichkeiten treffen kann: einen Fate-Punkte zahlen oder einen Punkt nehmen und den negativen Aspekt ins Spiel bringen, von dem ich als Spielleiter meine, das er jetzt nach meinem Wunsch eingebracht werden sollte.

So wie du es schilderst, habe ich da immer den bösen SL vor Augen, der mit einem manischen Lachen die Spieler mit Fatepunkten bewirft, um ihre Charaktere reinzureiten. Das klingt gar nicht so nach dem, wie ich es bei uns am Tisch erlebe.

Zuerst einmal nimmt sich ein Spieler ja Charakteraspekte in dem Wissen, dass sie compelled werden können. Bei manchen Aspekten kommt es auch eher selten dazu, aber wer einen Aspekt wie "ich suche mein Glück auf dem Boden einer Flasche" nimmt, der kommuniziert klar, dass er diese Facette seines Charakters gern im Spiel auftauchen sehen würde und kann erwarten, dass ihn das regelmäßig in Schwierigkeiten bringt. Er könnte ja auch einfach einen funktionalen Alkoholiker spielen, bei dem das Trinken einfach dem Charakter Farbe verleihen soll (Zwerge), aber wenn er das als Aspekt nimmt, macht er das, weil er will, dass es auf den Handlungsverlauf im Spiel auch ordentlich Einfluss nimmt.

Und zweitens macht der Ton die Musik: Ich versuche immer, Compels als Angebot an den Spieler rüberzubringen: Hey, ich habe gerade eine tolle Idee, wie dein Aspekt die Geschichte interessanter machen könnte. Es kommt auch oft genug vor, dass Spieler selbst Komplikationen mit ihren Aspekten vorschlagen, die sie gern umgesetzt sähen.
Und in den seltenen Fällen, in denen sich Spieler aus ihren Compels auskaufen, wird es meist so gesehen, dass sich die Charaktere einen Vorteil erkaufen: Der Säufer verhindert nicht einfach, dass ihn seine Trunksucht in Gefahr bringt, sondern er zahlt, um seinen Charakter durch einen glücklichen Zufall gerade dann nüchtern zu machen, wenn es darauf ankommt.

Drittens wäre es in Konflikten nicht sinnig, die Auszahlungskosten zu entfernen: Wenn ich mit einem Manöver den Aspekt "steht lichterloh in Flammen" auf einen Gegner lege (ich habe ihn mit einer Brandbombe beworfen), kann ich erwarten, dass er einen Compel wie "er wälzt sich schreiend auf dem Boden, um das Feuer zu löschen" annehmen oder sich auskaufen muss. Wenn er den Compel einfach nach Belieben ignorieren könnte, würde das ganze Manöver so keinen Sinn machen. Die ganze Idee eines Manövers wäre sinnlos.

Viertens ist ein FP, den ich auslege, um eine gefährliche Situation zu vermeiden, die eventuell die ganze Gruppe zig FP kosten könnte, gut angelegt. Es ist nicht so, dass die Spieler FP zu vergeuden haben, aber wenn das Spiel gut läuft, sollten sie auch nicht auf dem Trockenen sitzen.
Ein +1 auf einen Wurf oder eine Declaration wie "der Wagenschlüssel ist hinter der Sonnenblende" kosten auch einen FP, da halte ich das Auskaufen aus Compels für im preislichen Rahmen.

Fünftens müsste ich oft gar nicht compellen. Ich bin der Spielleiter, wenn ich unbedingt will, dass die Charaktere überfallen werden oder die Frau eines Charakters Skandalbilder von ihm zugeschickt bekommt, dann mache ich das einfach. Aber es ist doch schöner, wenn der Charakter einen Aspekt "mein Erzfeind, Doktor Photoshop" hat, den ich benutzen kann, um ihn für seine Schwierigkeiten zu entlohnen und seinen Hintergrund in die Story einzubinden. Wenn ich einen Spieler hätte, der solche Dinge einfach immer versucht, abzublocken, dann würde ich es irgendwann nicht mehr versuchen, sondern ihm einfach so Plot auf den Hals hetzen.

Und zu guter Letzt würde ich nie Spieler mit einem Compel zu etwas zwingen. Wenn ein Spieler etwas nicht spielen will, weil ihm das unangenehm ist, weil es ihn nervt oder weil er es schlicht uninteressant findet, werde ich das doch nicht einfach durchziehen und die Gruppe für den Rest des Spielabends frustrieren, weil gerade keiner eine lächerliche Glasmurmel zum bezahlen hatte.
Wenn ich einen Compel spiele, dann sollen die Spieler sich ein wissendes "oh-oh!" zunicken und mit einem Leuchten in den Augen nach den Würfeln greifen.