Zuerst einmal bitte ich um Entschuldigung für die nachfolgende "Zitat-Tapete". Du hast so viele Punkte gebracht, daß ich sie lieber einen nach dem anderen (per Zitat) angehen möchte, als hier nur einen für sich stehenden Beitrag zu schreiben.
- HeroWars wird ja oft als Erzählspiel empfohlen, da sei alles so viel anders...
Stimmt. Ist es.
Wenn man von HeroWars spricht, sollte man eigentlich die gesamte "Familie" erwähnen: HeroWars (das alte, sehr krude abgefaßte Regelsystem, welches als Schnellschuß etwas überhastet veröffentlicht wurde), HeroQuest (das schon deutlich gereiftere Regelsystem, welches einige der "Macken" von HeroWars beseitigte) und HeroQuest 2.0 (das anders als HW und HQ wirklich NICHTS mehr simulierende, sondern ausschließlich dramaturgiebestimmte Regelwerk, welches auch nicht mehr nur für Glorantha, sondern gleich als generisches Regelwerk verfaßt wurde).
Allen dreien gemein ist, daß sie sich ANDERS spielen, als "normale" Rollenspiel.
Schnell war klar, dass hier taktische Entscheidungen genauso wichtig sind wie in D&D etc.
Nein. Das ist einfach nicht der Fall.
Es sind KEINE taktischen Entscheidungen in puncto Positionierung, Resourcenmanagement, usw. notwendig. - Eher im GEGENTEIL! Man spielt HW/HQ eher "untaktisch"!
Es gewinnt nicht so sehr der Spieler, welcher sich einen guten Schlachtplan ausgedacht hat, wie der Spieler, dessen Charakter im Kampf viel stärker PERSÖNLICH INVOLVIERT ist.
Untaktischer geht es schier nicht mehr!
Dabei geht es schon darum, wie man sein Ziel bei Beginn eines Konfliktes definiert, um seine beste Fertigkeit zu verwenden. Das Ziel ändern kann man ja immer noch.
Das WESENTLICHE bei HW/HQ ist das "Zuschneiden" der Konflikte.
Man KANN versuchen rein "handlungsorientiert" zu spielen. - Das geht meist in die Hose.
Also so etwas wie "Ich versuche über den Zaun zu klettern" - "Würfel mal auf Deine Klettert-wie-eine-Bergziege-Eigenschaft".
Eher "Ich MUSS zu meiner Verlobten gelangen, um sie von der bevorstehenden Gefahr zu warnen!" - "Gut, wie machst Du das?" - "Ich klettere einfach über den Zaun dort." - "Der Zaun ist aber ziemlich hoch und das Überklettern könnte mißlingen. Bist Du bereit die Konsequenzen zu tragen?" - "Ja. Aber ich bin auch angespornt durch meine Liebe zu meiner Verlobten (5W2) bin Athletisch (19) und suche mir eine gute Stelle zum Überklettern aus (Blick für das Gelände 3W, aber mit Abzug, weil nicht genau passend)." - "Gut, es geht also hier darum, ob Du RECHTZEITIG zu Deiner Verlobten gelangst. Und der Zaun ist nur ein Widerstand, der es Dir erschweren oder gar verhindern könnte. - Dann würfel mal."
Hier ist klar, daß NICHT die HANDLUNG des Kletterns den Konflikt bestimmt, sondern der Konflikt darum geht, ob er RECHTZEITIG seine Verlobte warnen kann.
Und das erlaubt eben auch Ergebnisse wie eine geringe Niederlage erzählerisch zu interpretieren. - Im Falle einer geringen Niederlage kommt er GERADE EBEN ZU SPÄT. Die Gefahr ist AKUT eingetreten. Jetzt ist kein Vermeiden mehr möglich und er muß sich etwas einfallen lassen, seine Verlobte noch zu retten.
Bei einem geringen Erfolg würde er sie um Haaresbreite noch gerade so rechtzeitig erreicht haben, aber die Gefahr (die Schurken, der Vulkanausbruch, was auch immer) ist so nah, daß eventuell gleich der nächste Konflikt ansteht.
- Leider gibt es praktisch Null Erklärungen, wie man mit den Ergebnissen in Konflikten umgeht.
Stimmt.
Und das ist in den späteren Versionen DEUTLICH BESSER beschrieben worden. Gerade hier sehe ich die Stärke von HQ 2.0 (auch wenn mir regeltechnisch HW am Besten gefällt).
Beispiel: Mein Charakter stand in einem Labyrinth in einem Schacht auf einem schmalen Steg über einem Abgrund, die nächste Stelle war blockiert. Ich wollte mit meinem Kung-Fu-Skill drüber springen. Mit meinen 8W schaffte ich es gegen den Widerstand von 5W (aus dem Regelwerk, 2 Meter Sprung ohne Anlauf) nicht und erzielte einen geringen Niederlage, der Steg einen geringen Erfolg. Ähm. Ja, und was bedeutet das jetzt? Ich konnte mich dann noch festhalten, wollte mich raufziehen, gleiches Ergebnis: geringe Niederlage. Jetzt sahen wir das Problem, dass der Charakter nicht einfach runterfallen und sterben kann. Schließlich war das nur eine GERINGE Niederlage. Hier diskutierten wir dann, da wir keine Lösung sahen. Am Ende einigten wir uns auf den spieltechnischen Nachteil, dass ich mich irgendwie verletzt hatte (Malus für die nächste Zeit, so sehen es ja auch die Regeln vor) und von den anderen gerettet werden konnte. (Und jetzt kein "Da muss der SL einfach entscheiden." Ja, toll, aber WIE soll er denn entscheiden?)
Regeltechnisch war das Ergebnis durchaus passend, aber WAS WAR DER KONFLIKT?
Über einen Abgrund springen ist KEIN Konflikt an sich, wenn es Deinem Charakter dabei um NICHTS geht!
Worum ging es?
WARUM mußte Dein Charakter über den Abgrund springen? Was hat der Abgrund an Zielen zu erreichen VERHINDERN können?
Das entscheidet doch viel eher, worum der gesamte Konflikt geht. Und das entscheidet auch, welche Augments(!) Du für Deinen Charakter zum Tragen bringen kannst.
Dies war von allen Parteien als unbefriedigend empfunden worden.
Dann ist das eben nicht nach Eurem Geschmack. - Geht mir auch bei vielen Spielen so. - Macht nichts. Spielt was anderes.
- Danach kam ein Wasserbecken mit Strudeln, das wir durchschwimmen wollten. Hindernis war wieder 5W, wenn ich mich recht erinnere. Zum Teil hatten wir keine Schwimmen-Fertigkeit, hätten also nur mit einem Wert von 9 durchschwimmen können.
Was für Occupational Keywords hattet ihr denn?
Eigentlich kann man ALLES, was nur IRGENDWIE zu einem Keyword gehörig ist, mit dem Wert des Keywords.
Wer also als Schlüsselwort "Imperieller Scout 17" stehen hat, der kann auch Schwimmen auf 17. Und wer dann noch mit "Sportlich 13", "Kümmert sich um seine Kumpels 12W" und "Ich mache den Weg frei 4W2" unterstützt (Augments), der kommt dann locker auf 5W beim Schwimmen. Und das, wobei KEINERLEI "Schwimmen-Fertigkeit" auf dem Charakterbogen steht!
Der SL machte einen erweiterten Gruppenwettstreit daraus. Nachdem wir verloren hatten (alle unter 0), wurden die Ergebnisse festgehalten. Mein Charakter hatte witzigerweise Glück: Schon der erste Angriff hatte ihn aus dem Kampf genommen, aber nur auf -1. Der Rest hielt länger durch, war dafür aber weiter im Negativen. Konsequenz war, dass wir wieder am Ausgangspunkt mit Schaden (Mali für die nächste Zeit) waren.
Sehr passend!
ALLE haben ihr Bestes gegeben, aber es hatte nicht gereicht. - So kann es gehen.
Dann braucht es einen ANDEREN Weg.
Aber:
- Danach kam ein Wasserbecken mit Strudeln, das wir durchschwimmen wollten.
WARUM wolltet Ihr das Wasserbecken durchschwimmen?
Was war der KONFLIKT, bei dem das Wasserbecken eine Komplikation, einen Widerstand dargestellt hatte?
Was wolltet ihr mit dem Durchschwimmen FÜR DIE STORY erreichen?
Das stellt sich mir nicht dar.
Es sieht so aus, als hättet Ihr "normal", d.h. handlungsorientiert gespielt, und als hättet Ihr Euch beim Aufstellen von Konflikten wenig bis keine Gedanken gemacht, was der Konflikt in DRAMATURGISCHER HINSICHT an Bedeutung hat.
Wenn man liest, daß HW/HQ die "Story" in den Vordergrund stellt, dann ist das auch EXAKT SO GEMEINT.
KEINE Story, sondern nur einzelne Handlungen - das ist nicht die Art, auf die HW/HQ funktionieren SOLL!
Beispiel:
Ihr müßt vor Euren Verfolgern fliehen. Ihr habt sie in eine Umgebung gelockt, die nicht ohne Gefahren für Euch und Eure Verfolger ist. Dort versucht ihr die Verfolger abzuhängen, indem ihr einen Wasserstrudel durchquert, den die Verfolger vermutlich nicht bewältigen werden.
Konflikt: Gelingt es uns die Verfolger an diesem Strudel abzuhängen?
Darum geht es in der zu spielenden Szene!
Und das Resultat: Konsequenz war, dass wir wieder am Ausgangspunkt mit Schaden (Mali für die nächste Zeit) waren.
Bestens!
Es ist Euch NICHT GELUNGEN hier die Verfolger abzuhängen, auch wenn Ihr Euch noch so sehr bemüht habt. Die Verfolger sind ein gutes Stück näher gekommen, oder kommen gerade um die Ecke, als ihr Euch wieder an Land zieht (ja nach Höhe der Niederlage).
Weiter geht es mit der nächsten Szene.
- Wir fanden die Anfangscharaktere extrem schwach, obwohl wir schon +3 auf alles bekommen haben (Fertigkeiten, die sonst mit 13 starten, starten mit 16 etc.). Von epischem Rollenspiel war nichts zu spüren.
HW-Charaktere fangen mit einem Kompetenz-Niveau an, welches DEUTLICH HÖHER liegt, als vergleichbare Anfänger-Charaktere bei RuneQuest3. Genau das ist das Maß, gegen das die Anfänger-Charaktere bei HW gemessen werden.
ABER: Ein Schlüsselwort auf 17, EINE wichtige Eigenschaft auf 7W, das sind ANFÄNGER-Charaktere!
Epische Helden wollt Ihr?
Warum baut ihr dann SCs, die am ANFANG ihrer Entwicklung ZUM Helden stehen?
Epische Helden haben 10W2 in vielen Fähigkeiten, 10W3 in herausragenden. Und wenn man sich mal die ECHTEN OBERHELDEN der Glorantha-Welt anschaut, dann sind Werte mit W4 durchaus drin!
Die Orlanthi-Viehtreiber-SCs, die als ANFÄNGER-Charaktere mit den Regeln für ANFÄNGER-SCs erschaffen werden, sind ANFÄNGER!
HeroWars SKALIERT geradezu OHNE ENDE!
Aber die Start-Charaktere fangen ziemlich weit UNTEN in der Skala an!
Das ist noch ein "Erbe" der RuneQuest-Vergangenheit. - Dort mußte man sich zum Runelord und Runepriest hochdienen. Bei HW KANN man als geradeso eben frisch gebackener Runelord anfangen - und ist verglichen mit Kallyr Starbrow und anderen HELDEN immer noch ein ANFÄNGER!
Hier war Eure ERWARTUNG eventuell eine andere als das, was HW für ANFÄNGER-SCs zu bieten hatte.
- Dazu gab es immer wieder mal kleinere Regelunklarheiten, die ich schon nicht mehr im Kopf habe. Aber eigentlich konnten wir keine Regel anwenden, ohne dass es eine Diskussion dazu gab.
Aber das ist doch nicht anders als bei ALLEN neuen Regelwerken!
Vor allem: Welche "narrativen" Regelsysteme habt ihr denn vorher schon gespielt?
Wie VERTRAUT waren denn ALLE Spieler mit dem Aufstellen von Konflikten, mit dem Schneiden von Szenen, mit dem UNTERSTÜTZEN (Augment-Regeln!) durch die Charaktereigenschaften?
Ich halte all das für gewöhnungsbedürftig, wenn man von normalen, handlungsorientierten Systemen kommt, bei denen die Spieler NICHT die großen Konfliktlagen im Auge haben, wenn sie etwas entscheiden, sondern immer nur die nächste nur lokal bedeutsame Handlung.
Das Ding hat ein paar interessante Ideen. Die Möglichkeiten klingen umwerfend. Es scheint auch ganz toll zu sein, monatelange Intrigen mit denselben Regeln wie einen actionreichen Kampf zu spielen, nämlich dem erweiterten Wettstreit. Aber wie funktioniert das ganze?
Gut. - Tatsächlich. - Es funktioniert.
Aber eben nur, wenn die Spieler sich auf das BESTIMMENDE Moment der DRAMATURGIE einlassen, statt weiterhin in Handlungen zu denken.
Mein Eindruck ist, dass man erstmal einen Guru benötigt, der dieses Ungetüm spielleiten kann und bei dem man 10 Jahre in die Lehre gehen muss.
Man kann auch in diversen Foren dazu lesen.
Am meisten hilft tatsächlich aber ein Blick in HeroQuest 2.0. - Dort ist ALLES besser erklärt.
... wo HeroWars doch auch so oft in höchsten Tönen gelobt wird.
So "oft" wird HW/HQ meines Erachtens NICHT gelobt - und schon gar nicht "in höchsten Tönen".
Eventuell hast Du das mit FATE verwechselt.
HW ist ein SOLIDES System für Spielrunden, die mit der "Story-Brille" auf eine Spielwelt schauen wollen.
Hat man eine andere Brille auf und will man diese nicht ablegen, dann ist HW nicht das Rollenspiel, mit dem man viel Freude haben wird.