Dies ist ein Post zum
Jahr der Techniken. Letzte Woche haben wir spontan zu viert eine Runde
A Penny For My Thoughts gespielt, und es ist nicht ganz so gut gelaufen. Als Grundlage für diesen Spielbericht habe ich für alle, die mit dem Spiel nicht vertraut sind, auch eine
Systemvorstellung verfasst.
Kurz zur Ausgangslage: Die anderen drei Spieler waren mit spielleiterlosen Erzählspielen noch nicht allzu vertraut, eine von ihnen hat mal mit mir Fiasco gespielt. Da ich die Regeln nicht mehr im Kopf hatte, habe ich die explizit unterstützte Vorgehensweise gewählt, die Regeln während des Spiels als Therapieanweisungen vorzulesen. Das kam bei meinen Mitspielern auch gut an, zog aber die erste Reise meiner Meinung nach etwas zu sehr in die Länge. Beim nächsten Mal würde ich, auch wenn sich dann weniger wie eine Therapiesitzung anfühlt, lieber die Regeln vorab kurz erklären, um den Spielfluss nicht ständig unterbrechen zu müssen.
Die Memory Triggers, die zu Beginn aufgeschrieben und später gezogen wurden, fand ich größtenteils ziemlich gut - da war auf jeden Fall Potenzial, und zum Teil sind dabei ja auch ziemlich coole Erinnerungen herausgekommen. Leider bekomme ich die Trigger nicht mehr alle auf die Reihe und habe es auch versäumt sie am Ende einzusammeln. Ein paar, die zum Einsatz kamen, waren:
- der Schmerz eines abgezogenes Pflasters
- der abgedämpfte Klang eines alten Klaviers
- barfuß über einen nassen Sandstrand laufen
- das Tosen eines Gebirgsbachs
- der Geruch alter Bücher
- "Stairway To Heaven" aus einem Ghetto-Blaster auf dem alten Aussichtsturm
Danach, als es daran ging, die einzelnen Reisen auszuspielen, verlief das Spiel leider ziemlich träge - zwischendurch wurde es zwar besser, mit fortschreitender Uhrzeit und zunehmender Müdigkeit bauten zwei Spieler dann aber wieder ordentlich ab.
Zwei der Geschichten, die am Ende herauskamen, fand ich trotzdem ziemlich cool. Eine Patientin entpuppte sich als einsame Nymphomanin, die als Jugendliche ihren zukünftigen Ehemann an einem einsamen Strand in Portugal kennenlernte, ihn Jahre später aber betrog, was bei einem Krankenhausaufhalt dummerweise aufflog. Dabei schaffte sie es, es sich mit beiden zu verscherzen, so dass sie am Ende ganz alleine da stand. Also zurück nach Portugal, wo sie sich so mit Drogen voll pumpte, dass es nicht lange bis einem Blackout dauerte.
Ein anderer Patient erinnerte sich zunächst daran, wie er sich als Jugendlicher gegen den Willen seiner Mutter eine Tätowierung stechen ließ, ermutigt von seiner Freundin. Später, bei "Stairway To Heaven" auf dem Aussichtsturm im Rahmen eines ausgelassenen Beisammenseins mit Freunden, kam es zu einem dummen Unfall, bei dem der unter dem Turm vorbeispazierende Nachbar verletzt wurde und später verstarb. Seine Reaktion, als er im Gefängnis von dem Tod des Nachbarn erfuhr: Er summte das Intro zu "Stairway To Heaven"... Der Patient wurde dabei von all seinen Freunden, inklusive seiner Freundin, sowie von seiner Mutter im Stich gelassen. Nach seiner Gefängisstrafe arbeitete er bei einem Antiquitätenladen, verabscheute diesen aber eigentlich schon immer. Als er dann vom Besitzer auch noch von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt wurde, hatte er genug, nahm sich einen Haufen Bücher aus dem Laden mit, spazierte nachts zum Elternhaus und setzte dieses mithilfe der mitgebrachten Bücher in Brand.
Trotzdem lief die Sitzung alles andere als optimal. Die anderen Spieler hatten zum Teil erhebliche Schwierigkeiten, die Erinnerung des Reisenden fortzusetzen, wenn sie dazu aufgefordert wurden, mehr aber noch damit, sich Guiding Questions auszudenken. Das führte dazu, dass man zum Teil ein oder zwei Minuten warten musste, in denen sich ein quälendes Schweigen breit machte. Besonders ausgeprägt war dies bei einem Spieler, der am Ende auch sagte, dass ihm das Spiel überhaupt nicht gefallen habe. Wir haben dann zum Teil zunächst einen anderen Spieler eine Guiding Question stellen lassen, in der Hoffnung, so für den ersten etwas mehr Kontext zu liefern, an den er anknüpfen kann.
Meine Vermutung ist, dass die von A Penny For My Thoughts erzwungene Kollaboration eben nicht jedermanns Sache ist. Es fiel auch mir zunächst schwer, fast aus dem Nichts interessante Guiding Questions zu stellen bzw. die Erinnerungen des Reisenden fortzusetzen. Wenn man eine absolute Kreativitätsblockade hat, hilft natürlich auch der Anreiz, dass man sich einen Penny verdienen kann, nicht viel weiter. Ich habe mich ziemlich schnell warm gespielt und darauf besonnen, im Zweifelsfall einfach das erst beste, was mir einfällt hinauszuposaunen. Das ist manchmal Blödsinn, aber immer noch besser als ewig lange zu überlegen - wenn man eine bestimmte Zeitspanne überschritten hat, setzt man sich nämlich meiner Erfahrung nur noch selbst unter Druck und blockiert total.
Ich habe mir nach dem Spiel auch noch die Tipps zum Stellen und Beantworten von Guiding Questions sowie zum Fortführen der Erinnerung des Reisenden durchgelesen. Ich denke, wenn ich diese vorab gelesen und mit den Spielern geteilt hätte, wäre es insgesamt deutlich besser gelaufen. Es ist meiner Meinung nach wirklich essenziell, auf das vorab Etablierte aufzubauen - besonders auf die Memory Trigger und das, was der Reisende in die Antworten auf die Guiding Questions an neuen Details eingebracht hat. Wenn der Reisende auf eine Guiding Question antwortet mit "Ja, und..." antwortet, sollte das, was er dabei an neuen Fakten schafft, als großer Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, wohin die Reise gehen soll und unbedingt aufgegriffen werden.
Ich denke, dass die erzwungene Kollaboration mit Spielern, die es nicht gewohnt oder nicht gewillt sind, sich permanent einbringen zu müssen, problematisch ist. Besonders mit vier Spielern besteht die Gefahr, dass sich ein Spieler zurückzieht oder von den Reisenden gar nicht erst mehr gebeten wird, die Erinnerung fortzuführen, wenn sich vorher herausgestellt hat, dass er sich so schwer tut und die Ergebnisse nicht so prickelnd sind.
Eine Sache, die von einer Spielerin nach der Sitzung bemängelt wurde ist, dass sich unsere Geschichten thematisch alle recht ähnlich waren. Wir hatten eigentlich alle Beziehungsprobleme, in der Regel mit dem Ehemann/der Ehefrau oder der Freundin. Ich persönlich fand das gar nicht schlecht, im Gegenteil, und ich denke, es ergibt sich einfach oft, dass man seiner Kreativität nicht völlig freien Lauf lässt, sondern grob in der Richtung denkt, die schon von den anderen Charakteren eingeschlagen wurde.
Edit: Gedanken zum Penny-Mechanismus:Ich habe noch etwas darüber nachgedacht, ob und wie der Penny-Mechanismus in unserer Runde funktioniert hat. Ich habe den Eindruck, dass er bei uns seine Wirkung völlig verfehlt hat. Man kann die Designer-Notes des Autors ja durchaus so interpretieren, dass durch die Anreize, Pennies zu sammeln ein Wettbewerb von guten Ideen ausgelöst werden soll, bei dem sich die Guides gegenseitig hochschaukeln. Das hat definitiv nicht statt gefunden. Ich denke, es hätte zumindest in unserer Runde keinen Unterschied gemacht, wenn man als Guide keine Pennies als Belohnung bekäme, und dafür die Reisen in einer festen Reihenfolge durchspielen würde, wobei jedem Spieler dann in der ersten, zweiten und dritten Reise jeweils eine feste Anzahl von Aktionen zur Verfügung stände, die wie üblich von den Guides beschrieben würden.
Fazit:Mindestens einer der Mitspieler ist gewillt, "A Penny For My Thoughts" noch einmal zu spielen, ihm hat es nämlich trotz allem gut gefallen. Über Feedback und Tipps würde ich mich deshalb natürlich freuen. Was kann man besser machen? Habt ihr ähnlich Erfahrungen mit dem Spiel gemacht?