Noch mal zu:
Im klassischen Rollenspiel herrscht ja starker Perspektivismus - jeder Spieler hat unterschiedliche Informationen und kann sich nie sicher sein, ob diese richtig sind - das entscheidet der Spielleiter...
Solange wir uns in der Wahrnehmung/Perspektive eines Spierlcharkaters befinden, kann der Spieler diesen so ziemlich alles erfahren lassen - wir wissen ja nie, ob der uns dabei die Wahrheit erzählt, sich das ausgedacht hat etc.. Wenn ich jetzt mit Mechanismen wie Flashbacks arbeite, kann ich sagen: Dein Charakter erzählt, was damals passiert ist... Und das wird dann ausgespielt..
Ich kann dann immer wieder, in bester Rashomon-Manier, darauf zurückkommen und unterschiedliche Sichten/Realitäten einführen. Aber wer entscheidet, was dann wirklich wirklich ist: Wie auch sonst - irgendwie alle: Illusionisten-Spielleiter nehmen ja auch das Feedback und die Vermutungen der Spielercharaktere auf und machen diese zur Realität: Es sollte immer das wirklich passiert sein/passieren, was am coolsten für die Geschichte ist.
Richtig komplex wird es aber dann, wenn du die Ereignisse der Vergangenheit (aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Spieler / Charaktere dargestellt) mit den Ereignissen der Gegenwart (selbst wenn es davon nur eine Version gibt) verknüpfst. Dabei gibt es ein großes Problem: Die Beteiligten vergessen Details. Jeder vergisst andere Details. Oder erinnert Dinge anders.
Ich bin ja jemand, der sich an ziemlich viele Details erinnern kann, normalerweise jedenfalls, wenn ich nicht gerade nach 10 Stunden Arbeit abgespannt bin. Und mich stört es ungemein, wenn meine Mitspieler sich mit ihrer Erzählung in Widerspruch zu dem setzen, was bereits etabliert ist. Das hat mich z.B. in unserer Universalis-Chatrunde genervt.
Bei einem linear erzählten Plot lässt sich das alles noch einigermaßen bewerkstelligen. Aber sobald du mit Flashbacks und verschiedenen Versionen der Realität arbeitest, wird es
sehr unübersichtlich.
Wenn du als SL die absolute Kontrolle hast, fällt es noch einigermaßen leicht, den Überblick zu behalten, weil
a) du über ein gedankliches Konstrukt wachst, dessen Urheber du zunächst selbst bist, so dass du eine klare Vision davon vor Augen hast,
b) als einziger Änderungen daran vornimmst und so den Überblick behalten kannst und
c) die Spieler wissen, dass sie sich an dich wenden müssen, wenn sie etwas wollen, so dass nicht die Gefahr besteht, etwas Relevantes zu verpassen.
Wenn du jetzt Spieler ganze Szenen gestalten lässt, fallen diese Punkte alle drei weg. Und selbst wenn es dir als SL trotzdem gelingt, den Überblick zu behalten, wirst du schnell vor der Wahl stehen, dem Spieler entweder dazwischen zu reden, weil er gerade einen Widerspruch etabliert, den nur noch niemand bemerkt hat -- oder diesen Widerspruch hinzunehmen.
Ständiges Dazwischenreden (im Sinne von Unterbrechen) finde ich super nervig (gell, Fredi?
) Widersprüche finde ich ebenso schlimm. Bekanntlich ist Plausibilität ja auch kein reines Sim-Feature, sondern gehört zum Prozess des Rollenspiels (=Exploration) dazu. Stichwort: Suspension of Disbelief.
Da kommen wir also schon wieder an den Berührungspunkt mit dem Thema Player Empowerment. Na ja, PE scheint nun mal auch die Technik Nr. 1 zu sein, die immer wieder vorgeschlagen wird, wenn es um narrative Elemente im Spiel geht.
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Was ich sehr interessant finde, ist die hier angesprochene Möglichkeit des "Zwei-Ebenen-Spiels". In regelmäßigen Abständen Immersion *klick* aus, Tür in der Spielrealität auf, raus in die Meta-Ebene. Von gleich zu gleich mit allen Mitspielern Parameter festlegen. Dann wieder rein, Tür zu, Immersion an. Nicht dass solche Prozesse nicht in vielen Runden heute schon stattfänden. Aber das zu formalisieren hat was. Vor allem wenn man sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, im "In-Game" möglichst wenig störende "Meta-Ebene" präsent zu haben
und trotzdem das Spiel auf für den eigenen Charakter interessante Konflikte zu lenken.