Autor Thema: Wechselwirkungen von Würfelmechanismen auf das Spielgefühl  (Gelesen 4924 mal)

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Offline Funktionalist

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Das ist genau, was ich mit "Stilblüten" gemeint habe. Das ist alles bei einem Überwürfelsystem nicht erforderlich. Würfeln und vergleichen und besondere Regeln für über 20 sind nicht nötig.
Die Messung des Erfolgsgrades lautet schlicht: "differenz zum Fertigkeitswert" alles andere sind Rechenhilfen. Zu Bestimmen ob die Differenz größer als zehn ist oder muss man beim Überwürfeln genauso.

Mir ist es wurscht, ob man unter- oder überwürfelt. Die Herowars-Variante gibt aber ein sehr schönes GEfühl verschiedener Leistungsklassen.

Eulenspiegel

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Nehmen wir ein W20-System, bei dem ich die Werte direkt miteinander vergleiche. Der höhere Gewinnt. Einer hat einen Bonus von 18, der andere einen von 26. Wie bildest du dies beim Unterwürfeln ab, ohne eine Sonderregel einzuführen? Oder wenn plötzlich einer (Drache z.B.) einen Wert von 50 hat?
Der Bonus wird zu der Fertigkeit addiert. Dann schaut man nach, wie sehr man drunter gewürfelt hat.
Sagen wir, der Mensch hat Fertigkeit 10 und einen Bonus von 18. Kommt er also auf 28. Sagen wir, der Drache hat einen Wert von 50 und einen Bonus von 26. Kommt der Drache auf 76.

Der Mensch würfelt nun eine 1 und ist damit 27 Punkte unter seinem Maximum. Der Drache würfelt eine 20 und ist damit 56 Punkte unter seinem Maximu. Der Drache gewinnt haushoch.

Exakt genau so wäre es auch beim Hochwürfel-System: Auch dort wird der Drache den Menschen immer um mind. 48 Punkte schlagen.
Wie gesagt: Es ist statistisch absolut identisch.

Zitat
Nein, Über- und Unterwürfelsystem sind rechnerisch leider nicht das gleiche, weil beim Unterwürfeln die 0 oder die Würfelgröße einen Endpunkt setzen.
Und das ist falsch. Die Null ist bei Unterwürfelsystemen KEIN Endpunkt. Ebenso ist die 20 KEIN Endpunkt.

Offline ArneBab

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Da ich öfters mit dem Gedanken einer grob skalierten Fertigkeitsskala spiele (Spanne von 0 bis 5), und gleichzeitig den Zufall recht gering halten möchte, braucht es einen Zufallssimulator mit kleiner Wertespanne. W3 und sogar ein simpler Münzwurf kamen mir schon in den Sinn. Der ±W6 ist eine interessante Alternative. Außerdem hat er direkt weitere Ideen ausgelöst. :)

So gerne ich den ±W6 mag, für eine kleine Wertespanner bei Fertigkeiten (z.B. 0-6) würde ich den Mechanismus von xergazz nehmen. Dafür ist er ideal.

Code: (python) [Auswählen]
w6 = range(1,7)
import collections as coll
res = coll.defaultdict(int)
for i in w6:
   for j in w6:
    if i < j:
      res[i] += 1
    if j < i:
      res[-j] += 1
    elif i == j:
      res[0] += 1

import pylab
pylab.bar([i for i in res], [res[i] for i in res])
pylab.savefig("+w6-w6.png")


2/3 der Ergebnisse liegen in der Spanne -2 bis +2.
42% liegen in der Spanne -1 bis +1.

Wenn du 2 Punkte über einem Mindestwurf liegst, schaffst du ihn mit >80% Wahrscheinlichkeit. Ab da würde ich professionelles Arbeiten als möglich ansehen.

Wenn du 4 Punkte über einem MW bist, hast du nur noch eine Warhscheinlichkeit von 1/36, den Wurf zu versauen.

Wir verwenden dagegen den ±W6, weil er in der Wertespanne 6-18 eine für uns passende Verteilung hat.

Zum Vergleich:

import pylab
pylab.bar([-10, -5, -3, -1, 2, 4, 6, 12], [1.0/6,1-1.0/6,1,1,1,1,1-1.0/6,1.0/6])
pylab.savefig("+-w6.png")


Hier liegen 33% der Ergebnisse in der Spanne -1 bis +2, aber 2/3 der Werte gehen von -3 bis +4, was in etwa die doppelte Abweichung des w6-w6 ist.

Wenn du 3 Punkte über einem Mindestwurf liegst, schaffst du ihn mit >80% Wahrscheinlichkeit. Ab da würde ich professionelles Arbeiten als möglich ansehen.

Wenn du 10 Punkte über einem MW bist, hast du nur noch eine Warhscheinlichkeit von 1/36, den Wurf zu versauen. Du bemerkst den Unterschied in der Berechenbarkeit?

Die Verteilungen zeigen auch schön die Unterschiede in der Auswirkung: Der ±W6 trifft eine Entscheidung zwischen 6 fast gleichwahrscheinlichen Ergebnissen in der Nähe des Wertes und 2 recht unwahrscheinlichen Ergebnissen, bei denen der Char entweder sehr gut oder sehr schlecht war. Dadurch werden Handlungen deutlich schwerer vorhersehbar als mit dem W6-W6.

Und genau das war das Designziel, weil ich mehr Dynamik haben wollte als mit dem sehr berechenbaren Gurps. Wenn du mit dem ±W6 etwas wagst, weißt du normalerweise nicht im vorraus, wie es ausgehen wird.

Zitat
Wie sieht es denn aus mit dem Vergleich der Fertigkeitsspanne und der Zufallsspanne? Die könnten gleich groß sein oder eine von ihnen ist größer als die andere. Fertigkeiten können bspw. eine Spanne von 10 haben, während der Zufall eine Spanne von 6 (W6) oder von 20 (W20) bekommt. Das allein muss doch schon einen Einfluss auf das Spielgefühl haben? Dann müsste es noch Wechselwirkungen geben mit dem Faktor, ob die Zufallsverteilung linear oder nichtlinear ist.

Da bin ich mir sogar sicher.

Wir haben im menschlichen Bereich eine Wertespanne wie Gurps, aber der ±W6 hat eine andere Verteilung und das ändert das Spielgefühl deutlich.

PS: Nachdem ich den w6-w6 endlich mal geplottet habe, denke ich, dass er sich als Modul für 1w6 eignen würde: Berechenbarere Ergebnisse für Leute, die stärker als Spieler taktieren wollen.

[gelöscht durch Administrator]
« Letzte Änderung: 3.12.2012 | 15:19 von ArneBab »
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Offline pharyon

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Hallo, es freut mich, dass euch das Thema auch interessiert.

Ich habe z.B. beim Star Trek Decipher RPG festgestellt, dass ich bei den hohen Ausprägungen der Charakterwerte ein wenig die "Spannung" beim Würfeln vermisse. Beim letzten mal haben wir die 2W6 gegen 1W12 ausgetauscht (MW geht von 7 auf 6,5, die Streuung wird mWn etwas größer und die Chance auf einen krit. Erfolg verdreifacht sich in etwa) und haben keine Klagen damit gehabt. Ich fand es auch insgesamt stimmig und schnittig.

@ killedcat:
Ich verstehe noch nicht, welche Stilblüten du meinst. Klar kann man mit einem Unterwürfelsystem Mist bauen. Das geht aber auch bei einem Überwürfelsystem. Kannst du mir vielleicht mit einem Beispiel erläutern, was du genau meinst?
Ich finde ein sauberes Unterwürfeln (Wert - W20 = Ergebnis --> ein hohes Ergebnis ist gut --> ein niedriger Wert ist gut) nicht unintuitiver als ein sauberes Überwürfelsystem. Für beide gibt es alltägliche Beispiele, so dass ich hier keinen wesentlichen Unterschied feststelle(n kann, bzw. die Unterschiede als marginal bewerte).

Ansonsten kann ich mich mit deiner Liste durchaus anfreunden.

Grüße, p^^

Ach ja: Weiter so!  :d
"Natürlich werden sie ihn foltern - es sind PRAIOS-Geweihte!" (vielen Dank, Kristin ^^)

"Lassen Sie uns die leichten Raumanzüge anziehen - schließlich wollen wir ja nicht ins All." (Danke, Bob Miller und Koloth, Sohn des Rodoth)

Offline ArneBab

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Hallo, es freut mich, dass euch das Thema auch interessiert.
Und wie! Ich finde, es ist eines der zentralen Elemente im Regeldesign: Abschätzen, welche Auswirkungen die Grundlage des Regelwerks hat.

Das legt schon einen Gutteil der Grundlage des Spielgefühls.

Oder andersherum: Wenn du ein eigenes Regelwerk hast, finde ich es wichtig zu wissen, welche Auswirkung die Grundmechanik im Vergleich zu der Mechanik von anderen Systemen hat. Damit lässt sich das Regelwerk sozusagen in der Rollenspiellandschaft verorten. 1w6 zum Beispiel ist schnell und heftig.
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killedcat

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@ killedcat:
Ich verstehe noch nicht, welche Stilblüten du meinst. Klar kann man mit einem Unterwürfelsystem Mist bauen. Das geht aber auch bei einem Überwürfelsystem. Kannst du mir vielleicht mit einem Beispiel erläutern, was du genau meinst?
Ich finde ein sauberes Unterwürfeln (Wert - W20 = Ergebnis --> ein hohes Ergebnis ist gut --> ein niedriger Wert ist gut) nicht unintuitiver als ein sauberes Überwürfelsystem. Für beide gibt es alltägliche Beispiele, so dass ich hier keinen wesentlichen Unterschied feststelle(n kann, bzw. die Unterschiede als marginal bewerte).
Okay. Ich will es nochmal versuchen. Bisher ist mir das scheinbar ja nicht sonderlich gut gelungen.

Zunächst zum Thema "intuitiv":
Bisher hat sich bei Einsteigern immer ergeben, dass "Hoch = Gut" angenommen wurde, wenn ich nichts anderes gesagt habe. Dieses Prinzip scheint mir daher intuitiver zu sein. Heißt: es ist intuitiv, wenn sowohl Wert als auch Würfelwurf möglichst hoch sein sollten. Hoch sollte gut sein: bei Trefferpunkten, Attributen, Würfelwurf, Erfahrungspunkten, Rüstung, Waffen, etc. pp.

Nächster Punkt: nehmen wir mal die althergebrachte Werteverteilung. Attribute haben eine Bandbreite von 3 bis 18. Bei einem Überwürfelsystem habe ich die Probe geschafft, wenn ich Wurf plus Wert mindestens 20 habe (fix), beim Unterwürfeln habe ich i.A. die Probe geschafft, wenn ich weniger als das Attribut gewürfelt habe (variabel). Auch hier finde ich einen fixen Wert deutlich intuitiver. Nachteil allerdings: es ist eine Addition erforderlich. Das ist beim Unterwürfelsystem nicht zwangsläufig der Fall (erst bei Vergleichen).

Weiter geht's: ich kann natürlich das, was ich beim Überwüfeln treibe, auch beim Unterwürfeln treiben. Ich kann sagen, dass Werte substrahiert statt addiert werden und z.B. die 0 als Grenze nehmen, statt der 20. Wie viel eingängiger Addition gegenüber der Substraktion ist, brauch ich aber wohl nicht erwähnen. Ebensowenig, wie die Lächerlichkeit von Aussagen wie "Hey, ich bin bei Minus Dreizehn! Cooler Wurf!". Die meisten Unterwürfelsysteme und zumindest die, die ich meine, sind eben reine Vergleichssysteme wie Warhammer 2nd. Hier schafft man die Probe, wenn der Wurf unter dem Wert bleibt. Das führt zu enormen Stilblüten und Sonderregeln, wenn es z.B. um Stärkewerte von Trollen oder Ogern geht, die den Rahmen sprengen (es gibt bei 40k inzwischen schon unterschiedliche Regel-Varianten für außergewöhnliche Stärke). Ähnliche Probleme haben auch andere Unterwürfelsysteme wie das VPS. Ich möchte betonen: es ist mir klar, dass man vor jedes Überwürfelsystem ein Minus setzen kann und man hat dem Papier nach ein Unterwürfelsystem. Das wird aber stets nichts anderes sein, als ein schlechteres Überwürfelsystem aufgrund der reinen Umstellung von Addition auf Substraktion.

Der große Vorteil von Unterwürfelsystemen: der direkte Vergleich des Würfelwurfes mit dem Zielwert ist ohne weitere Arithmetik möglich, wenn der Wertebereich nicht überschritten wird. Aber das ist es imho nicht wert.

Ich hoffe, ich konnte mich etwas verständlicher machen. Ist auch natürlich alles nur meine Meinung. Es kann jeder alles anders sehen und Substraktion für viel intuitiver halten oder von mir aus auch den Logarithmus. Aber das sind meine Erfahrungen, weswegen ich Unterwürfelsysteme nach Möglichkeit zu meiden versuche.
« Letzte Änderung: 4.12.2012 | 04:11 von killedcat »

Offline ArneBab

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Der große Vorteil von Unterwürfelsystemen: der direkte Vergleich des Würfelwurfes mit dem Zielwert ist ohne weitere Arithmetik möglich, wenn der Wertebereich nicht überschritten wird. Aber das ist es imho nicht wert.
Je nach Zielsetzung des Systems kann das unproblematisch sein. Dungeonslayers zeigt das, finde ich, ganz gut.

Es skaliert nicht sauber in den verschiedenen Wertebereichen, aber dafür ist es auch gar nicht ausgelegt. Und in dem Bereich für den es gelten soll ist es sehr gut: Eigenen Wert Unterwürfeln. Falls das gelingt gibt das Würfelergebnis die Qualität deiner Probe an. Selbst im Wettstreit musst du so einfach nur zwei Würfelergebnisse vergleichen und der höhere gewinnt (solange beide Erfolg hatten).

W20=Ergebnis, falls kleiner als eigener Wert: Erfolg, sonst Misserfolg.

Würde das skalieren, hätte ich es verwendet. Aber leider ändern sich seine Eigenschaften je nachdem ob man Leute mit Werten um 15 oder um 5 spielt. Um 5 gibt es viele Fehlschläge, so dass das System langsam ist und die Qualität wenig streut. Um 15 gelingen die meisten Proben und die Qualität ist wichtiger als der reine Erfolg.
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