Autor Thema: Offene Szenarios vs. Unsicherheitsvermeidung: Planungs- und Vorbereitungsorgien  (Gelesen 9923 mal)

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Offline Oberkampf

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Mal ein paar Vorschläge:

Ermittlungsphase: Zur Planung gehört die Ermittlung von Fakten. Hier kann man eine klare Grenze ziehen zwischen Fakten, die ermittelbar sind, und solchen, die nicht ermittelbar sind. Die nicht-ermittelbaren Fakten sind für die Spannungsmomente zuständig, wo die Spieler/Charaktere schnell und clever improvisieren (oder kämpfen  ;D ) müssen, die anderen für die Momente, wo die Spieler durch Abwägung und Planung Vorteile erreichen können.

Für mich zumindest reicht es, wenn auf einer Metaebene angezeigt wird, wieviele der ermittelbaren Fakten herausgefunden wurden bzw. das man alle Fakten herausgefunden hat, die es zu ermitteln gibt. Dazu finde ich Tracker oder Glassteinchen (als "Siegpunkte" o.ä.) super. Wenn allen klar ist, dass eine weitere Ermittlung keine neuen Fakten liefern wird, ist schon eine gewisse Planungssicherheit vorhanden und wird der Planungsvorgang abgekürzt. In der Vorbereitung kann/sollte man sich als SL auch einen Grund überlegen, warum den Charakteren klar wird, dass weitere Ermittlungsaktionen keine neuen Erkenntnisse liefern werden.

Ultimatum: Mit einem Ultimatum kann man die Zeit zum Ermitteln/Planen gut begrenzen. Beispiel: "Der Prototyp der Rakete wird am Tag X gestartet, bis dahin müsst ihr ihn unauffällig sabotiert haben." Jetzt kommt die große Schwierigkeit: ein ultimatum läuft meistens über einen "simulationistischen" Zähler: "Ihr habt noch drei Tage auf der Spielwelt Zeit." Teilweise kann man damit schon was anfangen, indem man die zur Vorbereitung notwendigen Aktionen (Einkäufe  ;D ) dadurch einschränkt: "Das seltene Teil XYZ zu besorgen dauert einen Tag, währenddessen du dich auf allen bekannten Schwarzmärkten umhörst." Außerdem bringt dann mal wieder Würfeln einen Vorteil.

Was ich mir aber noch vorstellen kann (bzw. womit ich gerade herumexperimentiere) ist ein "narrativer Zeitmesser" (Plotstress). Wenn die Spieler (nicht die Charaktere!) ewige Zeit mit Planen verbringen (und wir laut Absprache kein Shadowrun-artiges Einbruchsspiel spielen wollen), fällt Plotstress mit der fließenden Realzeit an. Und wenn eine bestimmte Plotstressmarke überschritten wird, passiert etwas unerfreuliches in der Spielwelt ("Send in the Ninjas").

Das funktioniert natürlich nur unter der Prämisse, dass Rollenspiel ein Spiel ist, denn die Zeit am Spieltisch verläuft ja unabhängig von der simulierten Spielweltzeit. Ich habe damit z.B. keine Probleme, aber andere Leute mögen das anders sehen.

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Offline Beral

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Regelvorschlag: für Planen und Vorbereiten wird ein eigener (Gruppen-)Skill eingerichtet, auf den aber erst während der Durchführung gewürfelt wird. Man kann Boni oder Mali sammeln, indem man ankündigt, dass man sich besonders gründlich oder besonders zeitsparend vorbereitet. Die Planung wird somit im Einzelnen überhaupt nicht ausgespielt.

Bei der Umsetzung werden Barrieren auftauchen, und DANN wird gewürfelt, ob man sich darauf vorbereitet hatte. Eine steile Felswand? - Hat zufällig jemand an Kletterausrüstung gedacht? Das Schloss ist entgegen den Erwartungen gut bewacht? - Bei einem erfolgreichen Planenwurf dürfen die Spieler kreativ sein und sich etwas ausdenken, was sie vorsorglich für so eine Gelegenheit eingeplant haben.

Für Storyteller könnte das ein interessanter Ansatz sein, die Vorbereitungen spannend in die Spielgestaltung einzubringen.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Offline Haukrinn

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Alternativ kann man auch die PLanungsphase auf eine ganz stumpfe, aber elegante Art abkürzen.

Edit: Da war Beral schneller. ~;D

Sobald ein Problem sehr fies wird und die Spieler keine Lösung finden, so kann man es per SKillwurf(oder sonstwie) "lösen" und als "kein Problem" betrachten.
Taucht es dann auf, darf der Spieler es dann wegerzählen, oder die Begründung liefern, warum es gerade kein Problem darstellt/die Situation schon vorhergesagt wurde.


Das wäre eine Möglichkeit um das SR-Spielabend bedrohende Problem des unter Überdruck stehenden Labors mit seinen Raumvolumensensoren zu lösen...


Zur Definition von "offen":
Dem Wortlaut nach ist ja auch die Vorbereitung auf eine festgeschriebene Situation hiernach noch "offen", wenn sie denn Eigeninitiative erfordert...

Diese Sicht liegt mir ungewöhnlich auf der Zunge, ist aber nicht völlig verkehrt.

El God

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Noch mal andersherum aufgezogen: Natürlich fordert auch ein erzählspielorientierter SL die Spieler heraus, aber eben nicht alleinig/vornehmlich durch clevere Planung, umsichtige Ressourcenverwaltung, knackige Rätsel und anspruchsvolle Encounter. Es geht mehr um die gemeinschaftliche Entwicklung und Fortschreibung einer coolen Erzählung während des Ausfüllens einer Rolle - quasi ein Theaterstück ohne Publikum und mit erheblich mehr Freiheitsgraden. Die Erzählung ist dann nicht mehr zufälliges Nebenprodukt des Spiels, sondern zentraler Inhalt. Und da ist es dann halt nicht mehr so wichtig, wie der Plan zustandekommt, sondern DASS es einigermaßen zeitnah einen Plan gibt. Insofern würde ich mir vornehmlich Gedanken darüber machen, auf welchem Punkt im Kontinuum Taktik- versus Erzählspiel die jeweilige Runde angesiedelt ist und dementsprechend meine SL-Interventionen gestalten.

Ja, ich sehe die Herausforderung auch eher darin, die Spieler erzählen zu lassen, wie die coolen Einfälle ihrer Charaktere zu einer spannenden Lösung des Problems geführt haben. Die "Offenheit" des Szenarios soll halt dazu führen, dass jede Art von Vorgehen erstmal eine gewisse Chance auf Erfolg hat. Ich plane explizit keine Lösungen für die Szenarien mit ein, sondern sehe, was die Spieler anbieten und überlege erst dann, wie es zum Szenario passt, welche Proben und welches Vorgehen es erfordert, um der Kreativität Raum zu geben. Insofern bin ich also wenig taktisch und könnte sogar eine Lösung nutzen, die die Spieler Fakten schaffen lässt. Ich habe diese Frage ja auch in meinem Blog und im RSP-Blogs-Forum gestellt und mir erstmal auf die folgende Lösung ausgesucht:

Triviale Vorbereitung/Besorgung kann jederzeit gehandwedelt werden. D.h. solange es plausibel ist, dass ein Charakter sich im Vorfeld auf eine bestimmte Weise vorbereitet hat oder sich einen bestimmten Gegenstand mitgenommen hat, ist das so passiert, ganz ohne Probe etc.; bei komplexeren Geschichten wird dann mit einer Rückblendetechnik gearbeitet, in der die Spieler erklären müssen, wie sie bestimmte Dinge, die sie zur Lösung benutzen wollen, vorbereitet haben (z.B. komplexere Ablenkungs- und Tarnmanöver, Beschaffung von zentraleren Informationen, Bestechungen, Anwerbung von Spezialisten und Gefolgsleuten etc.) was dann per Probe bestätigt werden muss. Das führt dazu, dass Vorbereitung nie ins Leere läuft, sondern immer nur für Dinge geschieht, die wirklich benötigt werden (was die Charaktere sonst noch so gedreht und überlegt haben, wird einfach ausgeblendet, ist ja für die Geschichte auch völlig ohne Belang). Das hat auch den Vorteil, dass ich als SL noch wirklich überrascht werden kann und man keine Szenen quasi zweimal spielt: Einmal in der Vorbereitung und im schlechtesten Fall dann identisch im realen Spielgeschehen.

Danke für die zahlreichen Antworten, dieser Thread (zusammen mit den Kommentaren im Blog/ RSP-Blogs-Forum) hat mir wirklich was gebracht  :d

Zitat
Zur Definition von "offen":
Dem Wortlaut nach ist ja auch die Vorbereitung auf eine festgeschriebene Situation hiernach noch "offen", wenn sie denn Eigeninitiative erfordert...

Diese Sicht liegt mir ungewöhnlich auf der Zunge, ist aber nicht völlig verkehrt.

Joa, ich habe lange gegrübelt, wie ich das formulieren soll. Wie hättest du es geschrieben?

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@Dolge
Dafür müsste ich mir sicher sein, was ich den beschreiben wollte.

Die Eigeninitiative ist ein wichtiger Punkt.
Ich hätte noch die Möglichkeit hinzugenommen, als Spieler Einfluss auf die Ziele des Abends einfluss zu nehmen.

El God

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So, ich habe alle Erkenntnisse und meine Lösungansätze nochmal in eine ordentliche Form gebracht. Danke für eure Beiträge, die Diskussion war wirklich hilfreich!  :d

Meine Lösung für das Vorbereitungsdilemma

Offline Bentley Silberschatten

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(Ohne jetzt alles gelesen zu haben...)
Ich denke das es eine relativ einfache Möglichkeit gibt, wie die Spieler sehr viel Planung einsparen können, nur wird dieser Weg Erfahrungsgemäß nur von ganz wenigen eingeschlagen.
Man heuert einen Führer an, einen Scout der im Idealfall nicht nur weiß was für Krempel man für eine Reise durch die Wüste oder im Dschungel braucht sondern auch noch den Vorteil der Ortskenntnis besitzt. Oder man zieht einen Soldaten des Fürsten den man angreifen will auf seine Seite usw.
Zugegeben, man kann so natürlich nur wenig Shadowruns planen, aber es ging ja nicht nur um Runs, sondern generell um Planung.

Zudem, aber ich meine das zumindest schon angedeutet gesehen zu haben, wenn die Spieler was kaufen wollen und es ist nicht extrem unrealistisch das es vorhanden ist, dann können sie das.

Offline Haukrinn

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Ich finde, dass ist eine sehr coole Lösung für das Problem.  ;)
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El God

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Oha. Dein Blogeintrag dazu war mir vollkommen entgangen. Ja, merkwürdige Ähnlichkeit  ;)

Was hast du denn bisher für Erfahrungen mit der Technik gemacht?

Offline Haukrinn

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Das funktioniert, ist aber sicherlich nicht jedermanns Geschmack. Gerade auch weil man als SL zu Beginn ziemlich hart durchgreifen und sagen muss "Ja, bitte jetzt nicht planen, die Details behandeln wir, wenn sie wirklich relevant werden".
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El God

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Naja, ich hatte mir das so vorgestellt, dass die Charaktere ihr Ziel erklären d.h. die storyrelevanten Entscheidungen treffen und dann ein ziemlich harter Schnitt kommt und man dann zur Mission an sich überblendet.

Offline SeelenJägerTee

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Ich verweise zu dem Thema mal auf einen Beitrag von mir.
Weiter unten hat sich dann die Erkenntnis breit gemacht, dass dieser Ansatz gut mit einem Ansatz, der mehr Transparenz gegenüber den Spielern beinhaltet, zusammen passt.

Ich würde daher mal folgendes vorschlagen.
Frage die Spieler welchen Lösungsansatz sie wählen wollen.
Dann überlege dir mit den Spielern zusammen eine Abfolge von Würfen, die das Problem lösen sollen.
Die Planung der SC ist dann eine Reihe von Würfen, die letztendlich in Boni oder Mali auf die Ausführungswürfe resultieren.

Offline Haukrinn

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Was dann letztendlich fast genauso funktioniert wie eine Skill Challenge bei D&D. Die eigentliche Ausführung sind die primary rolls, die Erfolge generieren, die vorbereitenden Elemente sind die secondary rolls, die Boni geben oder Mißerfolge auffangen können.  ;)
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Offline SeelenJägerTee

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Was dann letztendlich fast genauso funktioniert wie eine Skill Challenge bei D&D. Die eigentliche Ausführung sind die primary rolls, die Erfolge generieren, die vorbereitenden Elemente sind die secondary rolls, die Boni geben oder Mißerfolge auffangen können.  ;)
Ich kenn' die Skillchallenges nicht. Von dem her kann ich da nichts zu sagen.

Offline Tim Finnegan

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Ich kenn' die Skillchallenges nicht. Von dem her kann ich da nichts zu sagen.

Praktisches Beispiel: Infos über das Zielgelkände bekommen. Zulässig Skills: Nutten Anheuern, Smalltalk, als Stricher ausgeben, Koksen auf öffentlicher Toilette. Ziel: 5 Proben DC 20, mindestens 3 Erfolge notwendig.
Inhalltsstoffe dieses Beitrags: 50% reine Polemik, 40% subjektive Meinung, 10% ungenau recherchierte Fakten.
Kind Dublins.

Offline Oberkampf

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Praktisches Beispiel: Infos über das Zielgelkände bekommen. Zulässig Skills: Nutten Anheuern, Smalltalk, als Stricher ausgeben, Koksen auf öffentlicher Toilette. Ziel: 5 Proben DC 20, mindestens 3 Erfolge notwendig.

Und (zumindest bei mir, aber laut Regelwerk auch so gedacht) eine Beschreibung der Tätigkeit, im Idealfall mit Erfolgs- oder Misserfolgsbeschreibung.
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