Heute mal etwas theoretisches. Stichwortartig und dennoch recht umfassend. Ich würde mich über Kommentare freuen.
These: Die heutige Jugend wächst in einer Welt auf, die mit unserer (späte 80er/frühe 90er) nicht länger zu vergleichen ist.
Das Ende des Sozialismus, die Allpräsenz von Technologie und die Schatten des Strukturumbruchs (Globalisierung) ließen eine Umwelt entstehen, die vom Zwang zur Konformität, einem neuen individuellen Effizienzdenken (Materialismus) und einer Fokussierung auf die elektronischen Medien geprägt ist. Diese Umwelt ist nicht gerade der Fantasie und der Problemlösungskompetenz von Jugendlichen förderlich. Jugendliche sehen sich heutezutage nicht länger mit der Frage konfrontiert, ob der Kapitalismus wirklich dem Sozialismus überlegen ist, sondern wie sich möglichst effektiv in die Gesellschaft einordnen können, um im Erwachsenenleben auf Arbeit hoffen zu können. Der Pessimismus unserer Generation ist der ernüchterten Einsicht gewichen, dass man wirklich den Marktmechanismen ohmmächtig gegenüber steht.
Gleichzeitig werden aber Rollenspiele aufgrunde der steigenden Anforderungen der langjährigen Spieler immer anfängerfeindlicher. Damit stehen Rollenspiele der heutigen Jugend immer weniger als sinnvolle Möglichkeit des Eskapismus zur Verfügung. Dies führt zu der paradoxen Situation, dass man über mangelnden Nachwuchs klagt, gleichzeitig aber die Einstiegshürden in das Hobby immer höher gesetzt werden. Zwar werden die Rollenspiele technisch immer höher qualitativer, doch wird das Marktsegment der Neueinsteiger nahezu vernachlässigt.
Ein symptomatisches Beispiel: Obwohl das Internet das primäre Medium ist über das sich die heutige Jugend informiert, findet sich auf der Homepage von FanPro keine Erklärung, was Rollenspiel überhaupt ist, wie es funktioniert, wo sein Reiz liegt. Erst wenn man in der Produktauflistung das richtige Produkt (z.B. Basisspiel 4. Edition) auswählt, erhält man einen kleinen Werbetext, der allerdings vollkommen offen lässt, was Rollenspiel überhaupt ist.
Basisspiel 4. Edition
Art: Regelmodul
Aufregende Abenteuer erleben - gemeinsam mit Freunden eine exotische und atemberaubende Welt erforschen!
Kommen Sie mit auf die Reise nach Aventurien, in das phantastische Land der Fantasy-Rollenspiele!
Begegnen Sie einem uralten Drachen, verhandeln Sie mit den geheimnisvollen Elfen, suchen Sie nach der Spur längst verschollener Zivilisationen, lösen Sie einen verzwickten Kriminalfall oder erfüllen Sie Spionage-Aufträge im Land der bösen Zauberer.
Schlüpfen Sie in eine Rolle, die Sie selbst bestimmen: mächtiger Magier, edle Kämpferin für das Gute, gerissene Einbrecherin oder axtschwingender Zwerg. Jeder Held hat seine Stärken und Schwächen, und nur in Zusammenarbeit mit seinen Gefährten wird er ans Ziel kommen. Denn Sie erleben die spannenden Abenteuer nicht alleine, sondern Seite an Seite mit Ihren Freunden oder Freundinnen. Es gibt keinen Verlierer in diesem Spiel: Zusammenarbeit ist gefragt, Zusammenhalt und vereinte Anstrengungen, um gemeinsam zu gewinnen. Alles ist möglich in der Welt des Schwarzen Auges.
In dieser Box finden Sie alles, was Sie als Spieler oder Spielleiter für den Einstieg in die Welt des phantastischen Rollenspiels brauchen. Als Einsteiger können Sie Ihre ersten Spielerfahrungen machen, ohne vorher die Regeln in allen Einzelheiten gelesen zu haben. Beginnen Sie mit den Abenteuern in dem beiliegenden Buch Der Weg ins Abenteuer: Sie sind so gestaltet, dass man sie spielen kann, ohne auch nur einen Blick in das Regelbuch geworfen zu haben. Zu diesem Zweck liegen acht unterschiedliche und spielbereite Helden bei, und natürlich auch die Würfel, die Sie brauchen.
Mit dem zweiten Buch, den Basisregeln, können Sie sich dann Schritt für Schritt mit den Facetten dieses Spiels vertraut machen: Wie entwickle ich einen Helden nach meinen eigenen Vorstellungen? Wie kann ich die Fähigkeiten eines erfahrenen Helden verbessern? Wie kann der Kampf und der Spielablauf noch spannender und vielseitiger werden? Wie leite ich selbst ein Abenteuer? Wie sieht die phantastische Welt Aventurien überhaupt aus, in der alle diese Abenteuer geschehen? Was gibt es dort für Wesen, Völker, Landschaften?
Tauchen Sie ein in die Welt der Abenteuer und entdecken Sie die immer neuen Möglichkeiten und Varianten dieses Spiels!
Quelle: Fantasy ProductionDa Fantasy das wichtigste Genre des Rollenspielmarktes ist, kann man sich nur die Frage stellen, warum es der Hersteller des wichtigsten dt. Fantasy-Rollenspiel es nicht für nötig hält, dieses Spiel auch einem jungen Publikum nahezubringen.
Zur Rettung von FanPro: Wirft man einen Blick in die Shadowrun-Sparte, so findet man dort zumindest einen griffigen Erläuterungstext. Somit ist wohl zumindest das Marktsegment der SciFi-Fans nicht für das Rollenspiel verloren.
Generelle Fragestellung: Welche Punkte müssen Designer und Verleger beachten, um der heutigen Jugend einen Einstieg in das Hobby zu erleichtern?
Konkret:1. Welche Informationen müssen Interessenten in ihrem Medium (Internet) frei verfügbar sein, damit sie sich überhaupt an Rollenspiel probieren?
2. Welche Spiel/Regelinformationen bedürfen Spieler wirklich?
3. Welche Form der Anleitung und Hilfestellungen benötigen Spielleiter wirklich?
4. Wie sollte das ideale Einsteigerrollenspiel struktiert sein?
Meine Überlegungen:zu 1.) Teaser, Konzepterläuterung, Spielbeispiel
Es sollte ein Teaser verfügbar sein, der Jugendliche anspricht. Dieser Teaser sollte den Jugendlichen verdeutlichen, dass Rollenspiel ihnen etwas bietet, was sie sich wünschen, im echten Leben aber nicht umsetzen können. Welche Wünsche könnten dies sein?
Alle alten Hasen überblättern sie, aber erläutert man das Konzept Rollenspiel verständlich und attraktiv?
Welche Spielbeispiele sind sinnvoll und wie müssen sie aufgebaut sein, dass sie verständlich sind?zu 2.) Gewichtung zwischen Spielbeispielen/Archetypen und Sonderregeln
Wieviel Platz sollten Spielbeispiele und Archetypen in einem Regelwerk gegenüber Sonderregeln eingeräumt werden?zu 3.) Spielbeispiele, Regelbeispiele, Hinweise zur Systematik des Leitens, Hilfestellungen beim Entwurf von Abenteuern
Erneut die Frage nach den Spielbeispielen.
Wieviel Platz muss in einem Regelwerk für Regelbeispiele reserviert werden? Wie müssen Regelbeispiele aufgebaut sein, damit sie leicht verständlich sind?
Wie kann man effektiv Erfahrung vom erfahrenen Spielleiter (Designer) zum Neuling transferieren? (Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung)
Welche Werkzeuge sollte man einem 12-jährigen, der noch nie zuvor geleitet hat, an die Hand geben, damit das Leiten für ihn nicht zur Hölle wird? (Beispiele, archetyp. Szenen/Orte, NSC-Archetypen, Zufallstabellen)
zu 4.) Vollständigkeit vs. Kundenbindung und ihre Lösung
Wie kann man ein Designer seinem wirtschaftlichen Interesse am besten gerecht werden, ohne den Kunden mit einem unvollständigen Produkt zu konfrontieren? Welche Vor- und Nachteile hat vertikale Segmentierung des Regelwerks (Systemkern, Optionserweiterungen) gegenüber horizontaler Segmentierung (Spielerset, SL-Set, Ergänzungsbände)?