Ich hoffe, der Film ist noch nicht unter die Archiv-Posts geerutscht.
Jedenfalls, ich war gestern im Odeon, Shaftsbury Ave, in London, und hab mir zur Mittagszeit "Pan's Labyrinth" mit einer Arbeitskollegin/Schreibfreundin angesehen. Der Film hatte "rave reviews", wie man das hier sagt, alle fanden ihn gut.
Zum ersten Mal habe ich von dem Film in Neil Gaimans Blog gelesen - er hatte eine Privatvorfuehrung auf Einladung des Regisseurs und nahm seine 12jaehrige Tochter mit. Allerdings ging der der Film ein wenig nahe, und Neil Gaiman machte sich darueber etwas Sorgen.
Der Film hat in den eher grosszuegigen UK eine Altersfreigabe von 15. Absolut berechtigt. Wenn zwei erwachsene Menschen wie wir (Arbeitskollegin schaut Horrorfilme, ich schaue Kriegsfilme) sich in den Kinosesseln *winden*, dann ist das mehr als berechtigt.
Es war uebrigens die englisch untertitelte Originalfassung - mein Spanisch ist nicht existent (okay, jenseits des Latinums ...), aber selbst ohne Untertitel haette ich den Film verstanden. Die Bilder und die Stimmung tragen ihn eigentlich allein - aber der Sprecher hat eine Stimme die klingt wie Musik. Wenn diese Stimme "dolor" ("Schmerz") sagt, bekommt man Gaensehaut.
Kurz zusammengefasst: Das ganze spielt vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs. Ofelia, das Maedchen und die Heldin des Films, reist mit ihrer hochschwangeren Mutter zu derem neuen Ehemann, dem sadistischen Metzgerhund "Il Capitan", ein franco-faschistischer Offizier, der die Rebellen in den Bergen ausraeuchern will.
Ich gebe zu, dass ich nichts ueber das Franco-Regime weiss, und lediglich als "Deutscher" so halb "mitbetroffen" bin - der Film haette auch in Nazi-Deutschland spielen koennen, die Geschichte ist im Grunde universal.
Der Film zeigt die tiefe Zerissenenheit der Spanier, die Wunden, die sicherlich noch immer da sind, ueber die man aber sonst nicht viel mitbekommt.
Ofelia geraet in Kontakt mit magischen Kreaturen, die sie fuer die Wiedergeburt der Prinzessin der Unterwelt halten, die eines Tages an die Oberwelt geflohen ist, und dort alterte und starb. Ihr Vater nun wartet auf ihre Rueckkehr, aber Ofelia muss beweisen, dass sie "nicht ganz zu einem Menschen geworden ist", um zurueckkehren zu koennen. Dazu muss sie drei Aufgaben loesen, bevor der Mond voll ist.
Parallel zu dieser fantastischen Handlung verlaeuft der Bogen mit der Schwangerschaft der Mutter, den Bewohnern des Anwesens (der "Muehle") - zu dem auch ein altes, verfallenes Labyrinth gehoert, Rebellenangriffen, Verrat, Liebe, Loyalitaet, und unerwartete Zaertlichkeit.
Was an dem Film gut ist, dass beide Handlugnsfaeden "Realitaet" sein koennten. Ofelia koennte wirklich sich das ganze nur einbilden, oder die Erwachsenen bekommen das wesentliche nicht mit. Sie ist jedenfalls die einzige Figur, die in beiden Welten lebt.
Ein weiterer starker Punkt: Es geht um's "Frau sein". Ich mag Stories mit "starken Frauen" nicht, normalerweise, weil das alles so billig und Klischee behaftet ist, und weil's oft aufgesetzt ist. Die staerksten Charaktere sind die Frauen: Ofelia, noch ganz Kind, ihre liebevolle Mutter Carmen, Mercedes, die unglaublich charismatische Haushaelterin. Schwangerschaft, Ertragenkoennen, das Beste aus der Situation machen, in der Not zusammenhalten, stummer Widerstand und ganz, ganz grosse innere Staerke, an die der Capitan nicht rühren kann. Diese Frauen widerstehen ohne Gewalt, und erst in der aeussersten Not greifen sie zum aeussersten Mittel. Wow.
Musik, Kamera, alles hervorragend. Der Score ist atmosphaerisch, die Kamera teilweise unkonventionell, und definitiv anders als "Hollywood-Normalkost". Einfach anders. Jede Szene, jede Bewegung zaehlt, das ganze ist wirklich eine eigene kleine Welt, geschlossen wie ein Maerchen, und schoen und grausam wie ein Maerchen.
Unbedingt ansehen - das ist die Sorte Film, die noch lange, lange nachhallt.