Viktoria Ltd. - ein Franchise der Inspectre-Gruppe
Am Wochenende haben wir unsere erste Runde "Inspectres" gespielt. Um das Ergebnis vorweg zunehmen: es war sehr lustig und wir hatten extrem viel Spaß dabei. Eine Fortsetzung ist eingeplant.
Die Firma
Die Firma Victoria Ltd. wurde von Doktor Balthasar Zyx - einem blassen promovierten Stubenhocker, der an seiner Habilitation ("Angewandter Okkultismus im Brennpunkt der modernen Gesellschaft"; natürlich gibts dafür nirgendwo Geld...) arbeitet, gegründet.
Das Büro liegt in der Kreubergstr. 13, in Berlin, gegenüber vom Viktoriapark in einem kalten und zugigen Loft im 1. Hinterhaus. Die Anmeldung erfolgt in "Liliths Hexenladen - Esoterik- und Frauenbuchhandlung" im Vorderhaus, Souterain. Zu Beginn hatten wir nur eine paar Stühle, einen wacheligen Tisch - auf der Straße gefunden ("Das ist doch noch gut") - einen Aldi-Computer und ein olles Bakelittelefon. Also perfekt.
Das Bewerbungsgespräch
Das Gespräch war ein bisschen mau, was aber daran lag, dass wir noch nicht mit dem System vertraut waren. Nichtsdestotrotz, Viktoria Ltd. besteht aus:
Dem Doktor
Geschäftsführer, blasser Bücherwurm und Okkultist und eigentlich völlig überfordert.
Juni Pera
eine exotische Ethnologiestudentin, die Geld braucht. Kennerin aller möglicher Kulturen, Mythen und Jujus.
Anna Przenaczaski
eine polnische Ingenieurin mit einem unaussprechlichen Namen und ominösen Kontakten nach Polen. Technikfreak. Zuständig für alle möglichen Gizmos.
Hakan
Ex-Dönerbuden-Mitarbeiter bei seinem Schwager, Ex-Inport/Export-Mitarbeiter bei seinem Onkel, Ex-3er-BMW-Tuner, Ex-Türsteher, mit hervoragenden Kontakten. So hat er noch während des Bewerbungsgesprächs ein Auto organisiert. Wie es sich gehört: ein Ford Transit, fast neu, mit der aufschrift "Bäckerei Erdoghan", welcher sich zu einem Running-Gag entwickelte. Hakan hat im lauf des Abends bzw. der Auträge alles Mögliche mit dem Wagen getan: tiefergelegt, getunt, Sportauspuff angeschraubt... nur die Aufschrift auf dem Auto hat er immer vergessen. Ach ja, und er liebt seinen Baseball-Schläger...
Hakan wurde quasi als NPC vom Spielleiter verkörpert. Das machte aber nichts, da er nur auf Zuruf tätig wurde. Hat wunderbar funktioniert.
Die Auträge
Wir haben drei kurze Auträge durchgespielt. Mit 10, 15 und 20 Franchisepunkten. Das waren trotzdem ca. 5 Stunden.
1. Ruhe in Frieden
Auf ein altes russisches Soldatengrab aus dem 2. WK wurde ein Baumarkt gebaut und nun haben sich die Toten durch das Fundament gegraben.
Eine wunderschöne Szene: Anna und Juni wollten auf dem gegenüberliegenden Friedhof Friedhofserde holen um die Toten zu besänftigen. Juni würfelt eine 1 und bleibt mit der Jacke auf der Mauerkrone hängen, baumelt dort und verliert den Eimer und den Spaten. Anna schon vorraus, würfelt eine zwei und landet daraufhin in einem frisch ausgehobenen Grab. Der herabfallende Eimer stülpt sich über ihren Kopf und abschließend knallt noch der Spaten drauf! Autsch. Und dann war da noch der Freidhofswächter, der gerne wissen wollte, warum sie im Dunkeln aus Gräbern Erde herausschippen…
2. Die Rache der Hottentotten
Ende des 19. Jhd. Anfang des 20. Jhd. wurden in Berlin sog. „Völkerschauen“ durchgeführt, in denen Hottentotten und andere „Naturvölker“ präsentiert wurden. Das war im ehem. Vergnügungspark Treptow und der Berliner Zoo. Dort manifestieren sich afrikanische Dämonen, die zur Strafe dort beschworen wurden. Mit viel Juju konnten Juni und die Mitarbeiter von Viktoria Ltd. die Dämonen bannen. Hakan, der alles organisieren kann, sollte uns Leuchten besorgen. Er hatte aber nicht so gut gewürfelt (4), also bekamen wir unsere Scheinwerfer, allerdings waren das alte, große und unglaublich schwere Teile von der NVA.
3. Angriff der Killerkraken
Genetische Manipulationen führen zu Riesenmolusken, die in der Kanalisation hausen. Der Showdown im abwasserkanal war ein Genuß. Der Doktor hatte aufgrund vergeigter Streßwürfe überhaupt keine Punkte mehr. D.h er wurde von einem Tentakel ergriffen, mehrfach an Wände und Decke gedozt und durch den Dreck geschliffen, der sich wunderbar in seiner Gummihose füllte bis er liegenblieb und nur noch Blasen blubberte. Darauf hin griff Anna P. mit ihrem Flammenwerfer an (in Polen besorgt; Wehrmacht, Baujahr 1943). Der schleuderte sie nach hinten, riß sich los, schoß durch die Gegend und verbrannte Juni den Hintern, den sie sich in der Soße abkühlen mußte. Nur Hakan rettete die Situation und kloppte mit seinem Baseballschläger alles platt. Einfach klasse.
Bewertung
Wir taten uns anfänglich mit dem System schwer, da wir so eine freie Art zu spielen noch nicht kannten. Aber mit dem zweiten Spiel ging es dann deutlich besser und das dritte war einfach nur gut. In alter Rollenspielmanier sind wir immer gleich losgerannt und haben den Rechecheschritt vergessen, aber dann doch noch nachgeholt. Ging auch. Franchisewürfel haben wir zu hauf gesammelt, die meisten mußten wir aber wieder ausgeben um unsere Charaktere wieder fit zu machen.
Inspectres gibt den Spielern die Möglichkeit bei einer 5 oder 6 eine Szene und den weiteren Verlauf selber zu gestalten. Das haben wir, genauso wie die Spotlights, noch nicht richtig angewendet, aber das kommt sicher noch.
Letztlich haben wir das System noch gar nicht richtig ausgenutzt. Die „Regel mit der 4“ haben wir gar nicht verwendet. Dafür waren die Streßwürfe umso heftiger, aber sehr, sehr lustig. Die Extrawürfel wurden auch noch nicht konsequent angewandt. Was aber toll war, dass letztendlich alle daran gearbeitet haben, die absurden Situationen schön auszumalen und sich gegenseitig zu helfen.
„Inspectres“ ist ein elegantes und einfaches System für das schnelle Spiel. Powergamer oder Taktiker werden allerdings nicht auf ihre Kosten kommen. Allen anderen, die mal ein eher narratives System mit Playerempowerment ausprobiern wollen, sei es empfohlen.