Autor Thema: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln  (Gelesen 13473 mal)

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killedcat

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #25 am: 14.12.2007 | 08:02 »
Daraus folgt aber trotzdem, dass man nicht mit allen Regeln alles spielen kann, denn ein großer Teil möglicher Fiktionen wird nunmal immer durch die Regeln ausgeschlossen...
Diese Schlussfolgerung ist imho nicht zwangsläufig richtig.
a) sind Spiele denkbar, deren Regeln (weil wenig konkret und wenige "was-geht-Regeln") sanft in den Vorstellungsraum eingreifen.
b) ist die Fiktion unbegrenzt. Einen großen Teil der Optionen rauszunehmen schaffen imho nur wenige Regeln. Hauptsächlich sind dies imho "fokusierte" Regeln.

Als Beispiel für a) seien Systeme genannt, die keine konkreten Skills benennen, sondern in denen Spieler und Spielleiter sich auf die Eigenschaften für die Spielfigur einigen (z.B. Pistolero +10, Gangmitglied+3, ... etc). Als Regelkern bleiben da wirklich nur noch Würfelmechanismen und Maßstäbe. Zwar greifen auch die in den Vorstellungsraum ein, ich würde hier aber nicht von "einem großen Teil" der Fiktion sprechen und schon gar nicht von einem Ausschluss diverser möglicher Fikitionen.

Offline Gaukelmeister

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #26 am: 14.12.2007 | 10:53 »
Als Rollenspiel- und Tabletopentwickler sehe ich mich vor allem in der Situation, dass die Regeln immer eine Folge der gewollten Fiktion sind. Man hat gewisse Ideen im Kopf wie das Look&Feel des Spiels aussehen soll, was möglich sein soll, bzw. zuallererst, welche Elemente Teil des Spiels sein sollen und wie ihre Gewichtung sein soll - erst dann folgen Regelkonstrukte, Axiome, Wahrscheinlichkeiten, die diesen Dinge den Rahmen geben, den sie brauchen.

Da will ich gar nicht widersprechen. Aber wie läuft dieser Design Prozess – von der gewollten Fiktion zu den Regeln – bei Dir? Du wirst doch bestimmt nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern irgendwelche Vorstellungen darüber haben, welche Bereiche Du wie regeln musst, damit Dein Spieldesign so funktioniert, wie Du es willst. Oder verlässt Du Dich ganz auf Deine Intuition?

Theoriediskussionen in diesem Forum kommen mir manchmal so vor, als wollte man dem Spaß beim Schlittenfahren auf die Spur kommen, indem man den Bauplan eines Schlittens studiert.

Schönes Bild. Allerdings verstehst Du mich falsch, sofern Du mich als Bauplanstudierer ansiehst, der den Schlittenfahrspaß erklären will. Falls ich irgendwo den Eindruck erweckt haben sollte, dass das Regelset alles oder das meiste ist, um was es beim Rollenspiel geht, korrigiere ich dieses Missverständnis nun. Ich bin viel bescheidener und will einfach nur besser verstehen, auf welche Weise Regeln zur Fiktionsbildung beitragen können.

@ Wolfenburg
Wie gesagt, die Spieler können sich natürlich vorstellen, was sie wollen. Sie könnten sich auch vorstellen, dass ihr Krieger sich zwischendurch in einen Roten Drachen verwandelt, dass ihr Dieb per Gedankenkraft Schlösser öffnen kann etc. – vorstellen kann man sich ja soo vieles. Aber wenn die SC das nicht können (respektive wenn der Krieger in Deinem Beispiel kein „mächtig toller Krieger“ ist), dann geht diese Vorstellung in Teilen an der fiktiven Realität vorbei, die durch die zugrunde liegenden Regeln eindeutig geregelt sind.

@ Georgios
Ich will den Beitrag der Regeln für die Entstehung der Fiktion und das Spielerlebnis auch nicht überbewerten. Aber da ich bisher noch kein gutes Argument gehört habe, dass den Einfluss der Regeln auf die Fiktionsbildung bestreitet, ist es mMn ein lohnendes Unterfangen, diesen Beitrag genauer zu verstehen.

Regeln, die sich direkt auf die Fiktion auswirken, gibt es denke ich sehr viele. Da fällt es mir nicht schwer, schnell ein paar grobe Kategorien zu finden.

Wenn Du Lust hast, wirf doch einfach mal ein paar dieser groben Kategorien ins Rennen. Vielleicht hilft mir das ja dabei, meine eigenen Gedanken besser zu ordnen.

(Übrigens habe ich erst jetzt die gesamte Diskussion zur Abgrenzung von Regeln und Setting gelesen – interessanter Weise gibt es dort einige sehr konkrete Vorschläge, das Verhältnis von Regeln und Fiktion zu verstehen.)
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Offline Wolfenburg

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #27 am: 14.12.2007 | 11:33 »
Meine Ursprungsaussage ist ja immer noch, das die Regeln die Fiktion beeinflussen aber die Fiktion nicht streng aus den Regeln folgt, sondern dieses eine Gruppenentscheidung ist.

Dabei denke ich, dass die Regeln als schlecht empfunden werden wenn der Gewuenschte und der Erlebte Vorstellungsraum zu weit divergieren.

Offline Gaukelmeister

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #28 am: 14.12.2007 | 12:45 »
Dafür, dass Du den Sinn der Diskussion nicht nachvollziehen kannst, bist Du ganz schön eifrig dabei  ;) Aber mal im Ernst: Ich habe eine ziemlich klare Frage gestellt, nämlich "Wie beeinflussen Regeln die Fiktion?". Dazu habe ich Vorschläge gemacht, andere haben andere oder ähnliche Vorschläge gemacht und einige haben zaghaft Zweifel angedeutet, dass Regeln überhaupt die Fiktion beeinflussen. Was verstehst Du nun nicht?

Es ist doch - zumindest in einem Theorieforum - eine legitime Sache, einen theoretischen Zusammenhang aufzuhellen. In diesem Fall geht es dabei noch nicht einmal um irgendwelche esoterischen Sonderbereiche, sondern mitten ins Zentrum des Rollenspiels - zumindest sehe ich die gemeinsame Fiktion als wesentlichen Aspekt (vielleicht sogar den wesentlichen Aspekt) des Rollenspiels. Regeln sind auch nicht gerade bedeutungslos. Deswegen verstehe ich nicht, warum es nicht nachvollziehbar ist, dass ich gerne die Art des Einflusses und die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten von Regeln auf die gemeinsame Fiktion präzisieren möchte. (Übrigens habe ich neben diesem theoretischen Interesse gleich zu Beginn auf mögliche praktische Anwendungsbereiche hingewiesen.)

Ich bin kein Bauingenieur oder Entwickler sonstiger Dinge, aber dass man beim Entwickeln in der Regel nicht bei Null anfängt, müssen wir doch wohl wirklich nicht diskutieren, oder? Selbst in kreativen Bereichen (Literatur, Malerei etc.) gibt es Techniken, derer man sich bedient. Das schließt Innovation ja nicht aus. Übrigens hat die Kunst (im umfassenden Sinn Literatur, Malerei, Musik etc.) im 20 Jhd. häufig auf der Grundlage theoretischer Überlegungen neue Räume erschlossen. Die Vision ist da erst über die Theorie entstanden, indem man sich ausgehend von der Theorie neuartige Möglichkeiten vorstellen konnte. Also bitte keine Theoriefeindlichkeit.

Deine Vision hilft mir nicht beim Verstehen der Regeln. Um beim Instantkaffee zu bleiben: Ich stelle eine Frage nach (Lebensmittel-)Chemie und Du antwortest als Marketingstratege. Das ist am Thema vorbei. Natürlich ist Marketing wichtig - vielleicht viel wichtiger als die Chemie. Aber lass doch den Chemiker über Aromen, Konsistenz etc. nachdenken.
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Kinshasa Beatboy

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #29 am: 14.12.2007 | 20:50 »
Hm, also ein Aspekt, der bislang hier für meinen Geschmack noch nicht ausreichend gewürdigt wird, ergibt sich aus der Bedeutung der im Wort "Rollenspiel" enthaltenen zwei Komponenten. Rolle und Spiel. Diese Aspekte jedenfalls erklären für mich den Großteil der Motivation von Rollenspielern und bieten auch in der vorliegenden Frage ne gute Orientierung.

Nehmen wir mal an, dass die Motivation zu Rollenspiel sich aus einer Kombination von Ausprägungen von "Rolle" und "Spiel" zusammensetzt. "Rolle" steht dabei für das künstlerische Element unseres Hobbies, für den Wunsch, neue Gedankenwelten gemeinschaftlich zu erschließen. "Spiel" steht dabei eher für ein kompetitiv-simulationistisches Element unseres Hobbies, weniger das Entdecken als das Erobern, weniger das Ausschweifen als das Erklären, weniger das Flirren als das Definieren, weniger das Gestalten als das Gewinnen.

Geht man nun das Rollenspiel eher aus der Perspektive des "Spiels" an, betrachtet man das Regelsystem quasi als konstituierende Operationalisierung der Welt. Insofern bahnt dann die Spielregel die Vorstellung von der Welt (in diesem Thread gibts dafür einige schöne Beispiele, finde ich). In der Systemtheorie würde man die "Spiel"-Perspektive vielleicht als autopoietisch bezeichnen.  Der Anteil von Spielern mit dieser Herangehensweise scheint mir speziell bei Tanelorn (vielleicht aber auch generell bei Internet-aktiven Rollenspielern) recht groß zu sein. Diese Perspektive ist nicht zu verwechseln mit Gamists, obwohl vermutlich ein starker Zusammenhang besteht.

Geht man das Rollenspiel aber aus der Perspektive der "Rolle" an, ergibt sich ein zwangsläufig anderer Bezugsrahmen. Regeln werden nicht etwa als konstituierendes Element betrachtet, sondern als mitunter notwendiges Übel, welches den Rahmen kreativer Gestaltung im Sinne einer Strukturierungshilfe eingrenzt. Wiederum entliehen aus der Systemtheorie könnte man (mit etwas mehr Verrenkungen als beim "Spiel") vielleicht von einer Perspektive der Selbstorganisation sprechen.

Diese Unterscheidung mag noch nicht perfekt sein und ist erst mal nur unscharf dahingerotzt, sie hat aber gegenüber anderen Ansätzen (z.B. Laws) den Vorteil, die motivationale Komponente der Beschäftigung mit Rollenspiel explizit einzubringen. Ein lustiges Beispiel für ein Missverständnis zwischen "Rolle"- und "Spiel"-Rollenspielern scheint mir der Thread "Hilfe, meine Frauen verstehen die Regeln nicht" (habs auf die Schnelle nicht gefunden) zu sein.

Warum schreibe ich das? Weil diese Unterscheidung recht gut die unterschiedlichen Positionen hier im Thread erklären könnte und weil die Typologie "Rolle" versus "Spiel" zwar eigentlich auch nur wieder normativer Quatsch sein mag, aber immerhin grundlegende motivationale Fragen integriert, die mir bislang zu stark vernachlässigt wurden  :'(
« Letzte Änderung: 14.12.2007 | 20:58 von Kinshasa Beatboy »

killedcat

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #30 am: 15.12.2007 | 03:19 »
Hmmm... Es geht dem Gaukelmeister, wenn ich ihn richtig verstanden habe, darum, wie die Regeln (im Sinne von Spielregeln / Regelkern) die Vorstellung der Spieler beeinflussen. Was ich in diesem Zusammenhang mit der Vision anfangen soll weiß ich nicht, da bitte ich Turning Wheel doch um weitere Erklärungen. Die Vision des Regelbastlers muss sich ja nicht im Gebrauch der Regeln niederschlagen, finde ich. Wir sind uns sicher einig, dass die Regeln nicht das Einzige sind, das Einfluss auf den Vorstellungsraum hat. Der Kinofilm vom Vorabend kann da genauso einfließen. Aber das Thema ist ja auf die Zusammenhänge Fiktion/Regeln beschränkt. Habe ich da etwas falsch verstanden?

Bezüglich Kinshasas Aussage:
Auch hier verstehe ich den Zusammenhang mit dem Thema nicht. In wie fern beschreibt die Trennung von Rolle und Spiel die Abhängigkeit von Fiktion und Regeln?

Jetzt mal wieder zum Ursprungsthema: Ich stelle zum Einfluss der Regeln auf die Fiktion mal folgende Theorien auf:
- Unterschiedliche Regeln schränken die Möglichkeiten der Fiktion unterschiedlich stark ein
- je konkreter die Regel, desto stärker der Einfluss auf die Fiktion
- "Was-Regeln" schränken Fiktion immer ein, sofern sie nicht ausdrücklich alles erlauben.
- Regelwerke, die fokusiert sind, enthalten meist mehr "was-Regeln" und sind daher einschneidender.
- es sind Regeln denkbar, welche die Fiktion wenig bis fast gar nicht einschränken
- Regeln können so beschaffen sein, dass sie die Fiktion in eine gewünschte Richtung lenken
- Jeder Würfelwurf und jede Regelanwendung, die nicht ausschließlich auf die Spiel-Organisation beschränkt ist, greift in die Fiktion ein
- Ein Eingreifen der Regeln in die Fiktion muss keine Einschränkung sein. Es kann auch ein "Einbringen" neuer Inhalte sein. In so fern können Regeln gleichberechtigt mit den Spielern Inhalte in den Vorstellungsraum einbringen.
- Theoretisch ist auch der umgekehrte Weg möglich. Eine Regel kann aufgrund von Ereignissen im Vorstellungsraum geändert / erweitert / eingeschränkt werden. So wäre z.B. denkbar, dass in GURPS nach dem Entdecken eines Sternentors plötzlich Sci-Fi-Elemente und Regeln in das Spiel Einzug erhalten.

Kinshasa Beatboy

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #31 am: 15.12.2007 | 08:04 »
@ KilledCat

Vielleicht hatte ich mich unklar ausgedrückt. Ich versuche es noch einmal.

Bei der Spielorientierung determinieren die Regeln das Spiel und werden als simulationistisches Element aufgefasst, welches die Welt konstituiert. Das meinte ich eigentlich ausgedrückt zu haben mit:
Zitat
Geht man nun das Rollenspiel eher aus der Perspektive des "Spiels" an, betrachtet man das Regelsystem quasi als konstituierende Operationalisierung der Welt. Insofern bahnt dann die Spielregel die Vorstellung von der Welt
Die Äußerungen von Falcon und Dir würde ich beispielsweise in diesem Sinne auffassen und hatte ja überdies bemerkt, dass diese Sichtweise bei Tanelorn nach meinem Eindruck generell ziemlich verbreitet ist.

Bei der Rollenorientierung dienen die Regeln nur als Anhaltspunkt für den Rahmen, in dem sich Fiktion abspielen kann. Auch werden Regeln als weniger konstitutiv angesehen. "Die goldene Regel" ist Beispiel des Ausdrucks der Sichtweise, dass Regeln eben nicht die Welt konstituieren, sondern nur einen Gestaltungsrahmen vorgeben, der jederzeit verlassen werden kann.


Der Zusammenhang der Orientierungsbetrachtung mit der Frage der Abhängigkeit der Fiktion von Regeln schlägt also im Prinzip eine Fallunterscheidung vor. Nun klarer?
« Letzte Änderung: 15.12.2007 | 08:07 von Kinshasa Beatboy »

killedcat

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #32 am: 15.12.2007 | 11:33 »
@Beatboy:
Hmmm... ich sehe nicht wo wir eine Fallunterscheidung brauchen. Die Regeln haben für alle den gleichen Einfluss auf den Vorstellungsraum, wenn sie beachtet werden. Egal, ob sie die Regeln absolut oder optional oder rollenspielerisch oder wie auch immer sehen. Wenn ich sie ignoriere, brauche ich mich nicht mit ihnen zu beschäftigen. Aber wenn ich sie beachte, ist der Einfluss doch gleich, oder nicht? Übrigens: ich selbst spiele in einer Gruppe, in der Story deutlich vor Regeln geht. Es gibt nur wenige Momente, wo Regeln unbedingt beachtet werden müssen. Aber egal ob die Regeln unbedingt beachtet werden oder nicht: ich habe nur zwei Optionen. Entweder ich spiele frei Schnauze oder nach (irgendeiner) Regel. In letzterem Falle befinden wir uns in dieser Diskussion, im ersteren Falle nicht. Oder?

Der Kinofilm des Vorabend schlägt sich überhaupt nicht in den Regeln nieder, die Vision des Autors aber schon.
Nunja, der Kinofilm des Vorabends schlägt sich womöglich in dem Vorstellungsraum nieder. DAS hatte ich gemeint. War aber blöd von mir ausgedrückt. Dafür meine Entschuldigung.

Bitte nenn mir mal nur ein Beispiel, wo ein Rollenspielentwickler eine Vision von einem Spiel hatte und diese in keiner Weise durch die Regeln unterstützt hat. Das gibt es nicht, denn die Spielregeln sind (neben einer ganzen Reihe von anderen Spielkomponenten) ein unmittelbarer Ausdruck der Vision.
Ich sprach nicht von den Regeln, sondern vom Gebrauch der Regeln. Also die Regeln, die tatsächlich zum Einsatz kommen, können einer ganz anderen Vision folgen. Beispiel: wir haben etwa zwei Jahre lang mit DSA1-Regeln Hard-Sci-Fi gespielt. Das hat wohl kaum der Vision des Regelbastlers entsprochen. Dabei haben wir die Regeln wohlbemerkt nicht verändert! Meinst du, die Vision eines Regelbauers macht sich über die Regeln im Vorstellungsraum bemerkbar? Durchaus möglich. Ich glaube zwar nicht, dass wir damals bei unserer DSA-SciFi-Kampagne viel davon gemerkt haben, aber über den Gebrauch der Regeln kann das schon passiert sein. Insofern stimme ich dir zu. Okay.

Wenn jemand die Vision für ein Universalrollenspiel hat, dann sollten auch Regeln vorhanden sein, die das ermöglichen. Aus diesem Grund sind Spiele, die (Teil-)Visionen haben ohne Regeln dafür zu liefern in diesem Thema eigentlich gar nicht betrachtungswürdig. Man erkennt daran aber, dass Visionen einen mächtigeren Einfluss auf die Fiktion haben als Regeln, weil die Regeln nur ein Teil der Komponenten mit Fiktionseinfluss darstellen, die sich durch die Vision in einem Spieldesign manifestiert.
Aaaaaaahhhh... jetzt verstehe ich was du meinst. Nein, da bin ich anderer Ansicht als Du. Wenn jemand eine Vision von einem Rollenspiel hat, dann kann es sein, dass
a) er Murks baut und die Regeln eine ganz andere Vision unterstützen. In dem Fall hat seine Vision kaum / keinen Einfluss auf die Regeln und damit auf den Vorstellungsraum, oder
b) ein Regelwerk sehr allgemein gehalten und absichtlich hintergrundfrei / hintergrundarm ist. In diesem Falle hat die Vision Einfluss auf die Regeln. Aber eben wenig.
c) zwei Personen mit der selben Vision unterschiedliche Regelwerke mit unterschiedlichem Einfluss auf den Vorstellungsraum bauen können. Hier fließt das handwerkliche Geschick und der Hintergrund des Bauers ein.
d) die Vision sich nicht nur über die Regeln, sondern auch auf andere Art und Weise in den Vorstellungsraum einbringen kann. Interessiert hat den Threadersteller aber nur der Bereich "Regeln". Und da wir ja nur diesen Teil untersuchen wollen, kommen wir wieder auf den Bereich der Vision zurück, der von den Regeln unterstützt wird, und das kann (siehe a) ja auch von der Vision differieren.

Deine Aufzählung von Theorien oben ist sehr interessant, aber sollte es nicht zu jedem Punkt zumindest eine bekräftende (wissenschaftliche) Beobachtung geben. Wo sind die Überlegungen/Beobachtungen/Beispiele, die Dich zu den 9 Punkten führen?
Grins. Ich hab ja absichtlich gesagt, dass ich die Theorien mal in den Raum werfe. Das tat ich, weil ich den Eindruck hatte, dass wir uns vom Grundthema entfernen. Einen Teil der o.g. Punkte hab ich ja schon begründet. Aber ich will versuchen die Punkte etwas mit Leben zu füllen.

- Unterschiedliche Regeln schränken die Möglichkeiten der Fiktion unterschiedlich stark ein
Rolemaster legt im Kampf recht genau fest, was bei einem Treffer passiert. Es ist leicht vorauszusagen, welchen Einfluss ein Treffer auf den gemeinsamen Vorstellungsraum hat, weil dies ja ganz konkret im Regelwerk festgelegt ist. Ich habe als Spieler, der sich an die Regeln hält hier so gut wie keinen Spielraum. Der eine Spieler stellt sich einen bösen Schultertreffer vor, der andere glaubt, er wurde am Bein verwundet. Hier habe ich alle Freiheiten. Rolemaster bietet solche Tabellen für Kampf, Magie, Handwerkskunst, etc. an. Rolemaster denkt in Klassen und erlaubt es kum, eigene Vorstellungen bei der Charaktererschaffung zu berücksichtigen. etc. Im Gegensatz dazu muss ich mir bei der nWod fast alle Auswirkungen eines Treffers im Kampf selbst vorstellen. Würfe werden zum größten Teil interpretiert, man bekommt nur einen Erfolgsgrad mitgeteilt. Der Unterschied auf die Einschränkungen im Vorstellungsraum ist hier glaube ich verständlich. Q.E.D.

- je konkreter die Regel, desto stärker der Einfluss auf die Fiktion
Hier kann ich wieder auf den Vergleich Rolemaster / nWod verweisen. Man vergleiche nur die konkreten Kampfregeln eines Rolemaster mit der abstrakten Methode einer nWod. Oder die Regelbestimmte Charaktererschaffung eines WHFRP mit den Verwirklichungsmöglichkeiten eines GURPS. Q.E.D.

- "Was-Regeln" schränken Fiktion immer ein, sofern sie nicht ausdrücklich alles erlauben.
Erstelle ich ein Spiel, in dem das Magie verboten ist, so fließt diese auch nicht in den Vorstellungsraum ein. "Wie-Regeln" verbieten nichts absolut, sondern nur unter bestimmten Voraussetzung oder verändern Chancen. Eine Regel, die Magie ausdrücklich erlaubt wird ebenfalls den gesamten Vorstellungsraum massiv beeinträchtigen. Hmmm... ist wahrscheinlich nur ein Gefühl von mir. Für mich fühlen sich "Was"-Regeln immer einschränkend an. Ist aber sicher diskussionswürdig.

- Regelwerke, die fokusiert sind, enthalten meist mehr "was-Regeln" und sind daher einschneidender.
Ich denke, hier lieg' ich komplett daneben. Es war spät ;)

- es sind Regeln denkbar, welche die Fiktion wenig bis fast gar nicht einschränken
Oh ja, dahinter steh ich. Es gibt Regelwerke, die keine Skilliste aufführen, stattdessen werden die Attribute frei vergeben. Z.B. "koch +3", "galaktischer Imperator +5", "Meistermagier +2" etc. Gepaart mit einem offenen und abstrakten Würfelmechanismus sehe ich kaum einschneidende Berührungspunkte mit der Fiktion. Alles ist vorstellbar. Q.E.D.

- Regeln können so beschaffen sein, dass sie die Fiktion in eine gewünschte Richtung lenken
Hier seien die fokusierten Systeme benannt, die sich genau dies zum Ziel gesetzt haben. Das immer wieder im GroFaFo (pardon: Tanelorn) zitierte "muss von den Regeln unterstützt werden" ist genau das. Darüber freuen sich die Rollenspieler sicher mehr als die, die eine Simulation einer Welt erwarten, aber genau darum geht es. Wenn ich die Fiktion düster haben will, dann kann ich die Fiktion nicht den Spielern überlassen, sonst finden die sich eventuell in Schlumpfhausen wieder. Also übernimmt das Regelwerk den Part. Das WHFRP-System unterstützt dies mit wenig Lebenspunkten, einem System für Wahnsinn und Magie, die tödlich sein kann, etc.

- Jeder Würfelwurf und jede Regelanwendung, die nicht ausschließlich auf die Spiel-Organisation beschränkt ist, greift in die Fiktion ein
In jedem Falle einer Regelanwendung bringen die Regeln etwas in die Fiktion ein. Beispiel: der Charakter springt über eine Schlucht und würfelt seine Probe. Stop! Das Bild hält an und das Regelwerk bringt sich in den Vorstellungsraum ein. Je nach dem wie konkret das Regelwerk beschaffen ist legt es nun fest, was geschieht. Erfolg oder nicht? Das hat Einfluss auf den Vorstellungsraum. Immer. Regeln, die hier Erzählrechte vergeben, sind imho Regeln, welche die Spiel-Organisation betreffen.

- Ein Eingreifen der Regeln in die Fiktion muss keine Einschränkung sein. Es kann auch ein "Einbringen" neuer Inhalte sein. In so fern können Regeln gleichberechtigt mit den Spielern Inhalte in den Vorstellungsraum einbringen.
Als Beispiel seien hier die Zufalls-Schatz-Tabellen von D&D genannt. Ein Held findet ein magisches entflammbares Schwert. Wow! Das ist doch mal ein Einbringen in den Vorstellungsraum und eventuell sogar in die Kampagne. Die grauen Zellen des Spielleiters rattern: "verdammt, damit hab ich nicht gerechnet".

- Theoretisch ist auch der umgekehrte Weg möglich. Eine Regel kann aufgrund von Ereignissen im Vorstellungsraum geändert / erweitert / eingeschränkt werden. So wäre z.B. denkbar, dass in GURPS nach dem Entdecken eines Sternentors plötzlich Sci-Fi-Elemente und Regeln in das Spiel Einzug erhalten.

Puh - ein langer Post. Ich hoffe, ich konnte mich verständlich machen. Ich werde jetzt ersteinmal meinen Tennisarm auskurieren und anschließend Rollenspielen. Ohne mir Gedanken über Vorstellungsräume, Fiktion und den Zusammenhang mit den Regeln zu machen ;)

Offline Arbo

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #33 am: 15.12.2007 | 13:28 »
- Unterschiedliche Regeln schränken die Möglichkeiten der Fiktion unterschiedlich stark ein
[...]
- je konkreter die Regel, desto stärker der Einfluss auf die Fiktion
[...]
- "Was-Regeln" schränken Fiktion immer ein, sofern sie nicht ausdrücklich alles erlauben.
[...]
- Regelwerke, die fokusiert sind, enthalten meist mehr "was-Regeln" und sind daher einschneidender.
[...]
- es sind Regeln denkbar, welche die Fiktion wenig bis fast gar nicht einschränken
[...]
- Regeln können so beschaffen sein, dass sie die Fiktion in eine gewünschte Richtung lenken
[...]
- Jeder Würfelwurf und jede Regelanwendung, die nicht ausschließlich auf die Spiel-Organisation beschränkt ist, greift in die Fiktion ein
[...]
- Ein Eingreifen der Regeln in die Fiktion muss keine Einschränkung sein. Es kann auch ein "Einbringen" neuer Inhalte sein. In so fern können Regeln gleichberechtigt mit den Spielern Inhalte in den Vorstellungsraum einbringen.
[...]
- Theoretisch ist auch der umgekehrte Weg möglich. Eine Regel kann aufgrund von Ereignissen im Vorstellungsraum geändert / erweitert / eingeschränkt werden.

[...]

Ich finde, da sind ein paar gute Ansätze dabei. Ich persönlich denke, dass "Was"-Regeln eher mit dem zu beschrieben ist, was üblicherweise als "Genrekonventionen" bezeichnet wird. Wenn wir also in einer mittelalterlichen Welt spielen, die sich stark an das 12. Jhd. in Europa orientiert, wird klar sein, dass dort weniger bzw. gar keine Magie, keine unterschiedlichen Fantasy-Rassen usw. anzutreffen sind. Das sind dann auch Regeln, aber eher (implizite) Vereinbarungen, die sich qualitativ von einem Regelmechanismus unterscheiden.

Zweitens: Was Du mit den konkreten Regeln bzw. mit einem Regelfokus beschreibst, würde ich unterstreichen. Klar ist, dass ein Rollenspiel (RS), welches auf ein bestimmtes Genre zugeschnitten ist und womöglich auch noch auf ganz bestimmte Aspekte davon, auch ganz bestimmte Regeln beinhalten kann.

Die ganz große Frage ist dann aber, ob solche Regeln zwangsläufig die Stimmung im Spiel beeinflussen bzw. - und darum geht's ja im Kern - die Stimmung positiv (!) beeinflussen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob bestimmte Regeln wirklich besser geeignet sind, eine bestimmte Stimmung aufzubauen. Hier wurde ja weiter oben - u.a. von Dir - beschrieben, dass eine Regel immer Einfluss hätte. Konkret unterbricht ja ein Regelmechanismus z.T. das fiktive Spiel - vom "Rollenspiel" wird der Spieler in die reale, abstrakte Zufallsgeneratorenwelt geholt. Ich habe meine Zweifel, ob das wirklich immer so förderlich ist.

Und genau aus diesem Grund erlebte ich es sehr oft, dass bestimmte Regeln einfach weggelassen wurden, weil sie störten.

Auf Grund dieser Beobachtung würde ich dazu tendieren zu sagen, dass es schon möglich ist, mit bestimmten Systemen alles mögliche zu spielen. Je offener und abstrakter ein Regelsystem ist, desto einfacher ist es, bestimmte Dinge wegzulassen oder hinzuzufügen. Sprich: Um so flexibler ist ein System. Wenn ich dagegen ein System besitze, was nur auf einen ganz bestimmten Aspekt (eines Genres) zugeschnitten ist - zugespitzt: Ein RPG, das sich hauptsächlich um die Herstellung kulinarischer Köstlichkeiten dreht - , dann fällt diese Offenheit und Variierbarkeit schwerer.

Ich selbst denke, dass ohnehin viel stärker die stimmungsvolle Beschreibung, das Layout usw. die Stimmung und Fiktion eines RSs beeinflusst - zumindest von Produktseite her. Sicherlich, der eingefleischte Midgard-Fan wird mir sagen, dass er mit dem System keine D'n'D-like Hero-Story hinbekommt. Aber m.E. ist das nur eine billige Ausrede. Damit wird der Spieldesigner m.E. aus der Pflicht entlassen, eine stimmungsvolle und gute Story bzw. eine entsprechende Weltenbeschreibung zu liefern. Manchmal kommt es mir so vor, dass sich Spieldesigner dann lieber hinter dem System verstecken, anstatt ein anständiges RPG zu schreiben. Genau so wie SLs übrigens auch (da ist es halt Magie, die ein Spielercharakter wirkt, die wird so und so gehandhabt, da passiert laut S. XYZ dies, das und jenes ... stimmungsvoll beschrieben werden muss da nix).

Ich persönlich denke, dass Fiktion hauptsächlich durch den Spielstil, den Stil des SLs und von div. sozialen Faktoren (Gruppenzusammensetzung, persönliche Umstände usw.) abhängt. Die Regeln können das beeinflussen, müssen aber nicht. Ich sehe manchmal sogar eher die Gefahr, dass Regeln - bei zu starker Befolgung - negativ wirken. Da müssten Spieler und SL ggf. sogar wesentlich liberaler werden und Regeln einfach dahin verfrachten, wo sie hingehören - in den Papierkorb (zumindest temporär).

// Arbo
« Letzte Änderung: 15.12.2007 | 13:32 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Kinshasa Beatboy

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #34 am: 15.12.2007 | 13:59 »
Zitat von: Cpt. Arbo Spauldings
Und genau aus diesem Grund erlebte ich es sehr oft, dass bestimmte Regeln einfach weggelassen wurden, weil sie störten.

Genau! Die Frage ist, welche Bedinungen dazu führen, dass Regeln "stören". Meiner Ansicht nach hat das u.a. mit der präferierten Orientierung zu tun, wirkt insofern systematisch auf das wechselseitige Verhältnis Fiktion-Regeln und darf nicht einfach übergangen werden.

Zitat von: killedcat
Wenn ich sie [die Regeln] ignoriere, brauche ich mich nicht mit ihnen zu beschäftigen.

Und genau das sehe ich anders! Noch mal umformuliert: die Wahrscheinlichkeit zum Ignorieren von Regeln hängt wie beschrieben fundamental von der präferierten Orientierung ab und wirkt sich insofern systematisch dann stärker aus, wenn der Konflikt zwischen Fiktion und Regel zunimmt. Erst danach kommen dann die von killedcat aufgezählten und sehr hilfreichen Punkte.

EDIT: Wenn man übrigens Diskrepanzen von Fiktion und Regel unter dem Aspekt der Regelentwicklung betrachtet, könnte man entweder im Sinne der Spielorientierung stärker ins Detail gehen (Ergebnis Rolemaster, D&D) oder im Sinne einer Rollenorientierung Details gerade ausblenden (Ergebnis WoD).
« Letzte Änderung: 15.12.2007 | 14:39 von Kinshasa Beatboy »

Offline Maarzan

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #35 am: 15.12.2007 | 15:59 »

EDIT: Wenn man übrigens Diskrepanzen von Fiktion und Regel unter dem Aspekt der Regelentwicklung betrachtet, könnte man entweder im Sinne der Spielorientierung stärker ins Detail gehen (Ergebnis Rolemaster, D&D) oder im Sinne einer Rollenorientierung Details gerade ausblenden (Ergebnis WoD).
Idealerweise sollten die Regeln auch die Rollenorientierung, wenn es denn als Designziel so gewollt ist unterstützen. Das ist dann meines Erachtens keine Frage der Details sondern der Qualität der Ausarbeitung der Details sowie der Bereitschaft des Nutzers der Regeln sich mit diesen zu beschäftigen um diesen Nutzen zu erschließen.
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killedcat

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #36 am: 15.12.2007 | 16:00 »
Hihi Kinshasa, ich sehe es genau umgekehrt:

Wenn wir die Konsequenzen aus diesem Thema ziehen und uns mit der Frage beschäftigen, was wir mit den Abhängigkeiten von Fiktion und Regeln alles machen können, dann wird es interessant zu erforschen, welche Rollenspieler welche Form von Regeln bevorzugen. Aber so weit sind wir ja noch nicht. Eine Regel wegzulassen oder nicht macht dann Sinn, wenn ich die Konsequenzen kenne. Manche mögen weniger Regeln brauchen. Wenn sie aber eine Regel ignorieren, die für den Vorstellungsraum wichtig ist oder etwas nimmt, was das Spiel besonders gemacht hat, dann bereuen sie es evtl. hinterher.

Darum will ich zumindest den Zusammenhang wissen. Beispiel: ich selbst spiele gerne mit wenig Regeln. Ich lasse z.B. bei Warhammer die die Wahnsinnsregeln weg. Nicht etwa, um Regeln zu sparen, sondern um eine weniger düstere Stimmung zu erzeugen. Das kann ich aber nur, wenn ich mir auch dessen bewusst bin, was diese Regel alles in den Köpfen der Spieler erzeugt. Und genau diese Funktion ist keine Frage des Spielertyps (der könnte ja in der Gruppe auch gemischt sein) sondern inhärent in der Regel selbst enthalten. Die Regel beinhaltet einen Teil der Fiktion. Die Regel bringt Wahnsinn, Konsequenzen von Zauberfehlern uvm. in den Vorstellungsraum ein. Wenn ich das weglasse, muss ich es irgendwie wieder kompensieren, wenn ich nur die Regel, nicht aber die Fiktion weglassen wollte. Irgendwie. Per Beschreibung, Improvisation, etc. Dessen muss ich mir bewusst sein. Und damit ich mir dessen bewusst bin muss ich mir Gedanken über die Zusammenhänge zwischen Regeln und Fiktion machen. Unabhängig davon, was für ein Spielertyp ich bin.

Habe ich diese Zusammenhänge verstanden und PARALLEL dazu auch verstanden, was ich eigentlich vom Spiel erwarte (Rollenspieler oder Spieler oder Weltenflucht oder, oder, oder...), dann füge ich beides zusammen und kann mein Regelwerk erstellen oder anpassen. Genau wie du es in deinem Edit gesagt hast. Das geht aber erst, finde ich, wenn ich mir der Dinge bewusst bin, die da auf mich zukommen.

Offline Falcon

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #37 am: 15.12.2007 | 16:07 »
@Killedcat: darf ich deinen Post als Manifest an die Stirn meiner Mitspieler heften?
Bravo. Vollste Zustimmung.  :smash:
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Kinshasa Beatboy

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #38 am: 15.12.2007 | 19:05 »
@ killedcat:

Lustig, wäre nicht auf die Idee gekommen, dass man das auch genau umgekehrt sehen kann. Danke für den Hinweis. Die Sache erinnert mich ein bisschen an die Frage nach Henne und Ei und lässt sich wohl nur empirisch auflösen.

Habe mir daraufhin mal Deinen Blog angeschaut. Klasse! Die Übertragung von Herzberg auf Rollenspieltheorie fand ich sehr bemerkenswert. Zum einen, da ich wie oben bemerkt auch der Meinung bin, dass die bisherige Theorie motivationale Aspekte sträflich vernachlässigt, zum anderen weil ich inhaltlich zustimmen kann. Werd mir in den nächsten Tagen auch mal Deinen anderen Kram reinziehen  ;)

killedcat

  • Gast
Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #39 am: 16.12.2007 | 01:09 »
Ich habe einen Blog? Das ist mir neu. Wer ist Herzberg? So sehr ich mich über das Lob auch freuen würde, aber mein Herr, sie verwechseln mich.

killedcat

  • Gast
Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #40 am: 16.12.2007 | 01:50 »
Sorry für den Doppelpost
@ killedcat:
Ich fange ja ungern wieder damit an, aber die Regeln für Wahnsinn entspringen einer gewissen Design-Vision für das Spiel. Wenn man diese Vision verstanden hat (was ja bei Warhammer nicht sonderlich schwer ist), dann findet man sehr schnell alle anderen Regeln, die ähnliche Dinge in den Köpfen der Spieler tun.
Ich glaube aber nicht, dass man diesen Regelkomplex so schnell isolieren kann indem man mechanische Parallelen in den Regeln sucht (denn das Sammelsurium von Regeln für düstere Stimmung ist völlig unterschiedlich). Es geht bei den Einflüssen auf die Fiktionen mehr um die Inhalte hinter den Regeln, nicht darum, ob es Regeln eines bestimmten Typs sind.
Selbstverständlich drückt sich die Vision des Erstellers in den Regeln aus. Naja, sollte sie zumindest, wenn er sein Handwerk versteht. Und über die Regeln eben wieder in der Fiktion. Da wir uns hier darüber unterhalten, wie die Regeln die Fiktion beeinflussen, müssen wir das Pferd aber quasi rückwärts aufzäumen. Wir klären hier (oder versuchen es), wie die Regeln die Fiktion beeinflussen. Diesen Schritt sollte der Macher der Regeln im Idealfall natürlich schon hinter sich haben, wenn wir davon ausgehen, dass der Autor sich diese Gedanken überhaupt macht.

Die Inhalte hinter den Regeln haben leider - da möchte ich widersprechen - keinen Einfluss auf die Fiktion. Zumindest, wenn du damit das Ziel meinst, das der Autor mit der Regel erreichen wollte. Das Regelwerk von Warhammer wird bei den Spielern immer die gleichen Einflüsse auf die Fiktion ausüben, egal was der Autor sich dabei gedacht hat. Ein (zugegeben lächerliches) Beispiel soll das aufzeigen. Nehmen wir an, die Macher von Warhammer wollten eigentlich ein harmloses Carebear-Spiel schreiben, waren aber halt soooo schlechte Autoren, dass ihnen das Gegenteil gelungen ist. Jetzt sagen sie sich, machen wir aus der Not eine Tugend und verkaufen das halt als düster. Okay, okay. Klingt doof. Aber es zeigt, dass die Vision tatsächlich nur insofern über die Regeln Einfluss auf die Fiktion ausübt, wie es der Mechanismus eben kann. Unabhängig von der Vision. Daher gibt es eben falsche Regeln für eine Vision und richtige Regeln für eine Vision. Und welche falsch und welche richtig sind, dafür brauchen wir die Wechselwirkungen.

Wenn wir, und das geht durchaus unabhängig von der Vision, diese Mechanismen verstehen können, helfen wir Autoren ihre Vision nicht nur in den Regeln, sondern über die Regeln in der Fiktion der Spieler richtig (!!!) wiederzufinden. Oder wir helfen Spielern, die Regeln ändern möchten, die Konsequenzen im Vorstellungsraum zu finden. Ich finde zwar ein wenig, dass das arg theoretisiert ist, aber wir sind ja auch im Theorie-Channel ;D.

Ich will es einmal so ausdrücken: ich glaube, dass die Vision das ist, wofür wir das alles hier untersuchen. Sie ist der Grund, sich überhaupt mit Rollenspiel zu beschäftigen. Als Autor, Spielleiter und Spieler kann man unterschiedliche Visionen haben. Die Fiktion ist das Ergebnis, das wir mit der Vision anstreben. Und die Regeln sind die Werkzeuge, mit denen wir das erreichen wollen. Wir wollen jetzt die Werkzeuge untersuchen und feststellen, welche Werkzeuge die Fiktion wie beeinflussen. Es gibt nun richtige und falsche Werkzeuge um bestimmte Einflüsse auf die Fiktion zu erreichen. Auch wieder je nach dem, ob ich Autor, SL oder S bin. Welche sind richtig und welche sind falsch? Das MUSS ich in der Theorie zunächst  losgelöst von der Vision ganz abstrakt betrachten, da ich hier ja allgemein die Abhängigkeiten untersuchen will. Danach habe ich das Werkzeug alles noch einmal konkret für die jeweilige Vision auszuwählen. Ich glaube, aus dieser Betrachtungsweise heraus, dass wir einen Schritt zu früh für die Vision sind.

Ich persönlich denke, dass "Was"-Regeln eher mit dem zu beschrieben ist, was üblicherweise als "Genrekonventionen" bezeichnet wird. Wenn wir also in einer mittelalterlichen Welt spielen, die sich stark an das 12. Jhd. in Europa orientiert, wird klar sein, dass dort weniger bzw. gar keine Magie, keine unterschiedlichen Fantasy-Rassen usw. anzutreffen sind. Das sind dann auch Regeln, aber eher (implizite) Vereinbarungen, die sich qualitativ von einem Regelmechanismus unterscheiden.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob dies noch Regeln sind, die wir hier diskutieren, das ist wahr. Hmmm... darüber kann man sicher streiten.

Die ganz große Frage ist dann aber, ob solche Regeln zwangsläufig die Stimmung im Spiel beeinflussen bzw. - und darum geht's ja im Kern - die Stimmung positiv (!) beeinflussen.
Ich (ganz persönlich) habe diese Frage ganz neutral aufgefasst. Ich denke, dass es genauso wichtig ist die negativen wie die positiven Auswirkungen von Regeln auf die Fiktion zu kennen, wenn man das überhaupt werten kann. Ich kenne Menschen, die gerade die häufigen Eingriffe von Rolemaster in den Vorstellungsraum lieben. Andere verdammen sie. Ich neige daher dazu die Auswirkungen wertungsneutral anzugehen.

Ich selbst denke, dass ohnehin viel stärker die stimmungsvolle Beschreibung, das Layout usw. die Stimmung und Fiktion eines RSs beeinflusst - zumindest von Produktseite her. Sicherlich, der eingefleischte Midgard-Fan wird mir sagen, dass er mit dem System keine D'n'D-like Hero-Story hinbekommt. Aber m.E. ist das nur eine billige Ausrede. Damit wird der Spieldesigner m.E. aus der Pflicht entlassen, eine stimmungsvolle und gute Story bzw. eine entsprechende Weltenbeschreibung zu liefern. Manchmal kommt es mir so vor, dass sich Spieldesigner dann lieber hinter dem System verstecken, anstatt ein anständiges RPG zu schreiben. Genau so wie SLs übrigens auch (da ist es halt Magie, die ein Spielercharakter wirkt, die wird so und so gehandhabt, da passiert laut S. XYZ dies, das und jenes ... stimmungsvoll beschrieben werden muss da nix).
Du könntest mir gar nicht mehr aus dem Herzen sprechen! Lies mal das Kreaturenbuch von Midgard und versuche nicht einzuschlafen! Artwork, Form der Beschreibung, ich glaube man nennt es hier neuerdings "Fluff" - das macht für mich den größten Teil der Fiktion aus. Nichtsdestotrotz haben auch Regeln Einfluss auf die Fiktion. Mir ist es aber lieber, wenn der Einfluss geringer ist. Um so wichtiger ist es festzustellen, wie Regeln beschaffen sein müssen, um ihn gering zu halten.

Ich persönlich denke, dass Fiktion hauptsächlich durch den Spielstil, den Stil des SLs und von div. sozialen Faktoren (Gruppenzusammensetzung, persönliche Umstände usw.) abhängt. Die Regeln können das beeinflussen, müssen aber nicht. Ich sehe manchmal sogar eher die Gefahr, dass Regeln - bei zu starker Befolgung - negativ wirken. Da müssten Spieler und SL ggf. sogar wesentlich liberaler werden und Regeln einfach dahin verfrachten, wo sie hingehören - in den Papierkorb (zumindest temporär).
Jeder will etwas anderes. Für dich stimmt das: Regeln sind der Stimmung oft abträglich. Andere brauchen das. Deine Fiktion kommt aus der Gruppe. Andere sind weniger kreativ, haben eine eher ... ich will mal sagen konsumorientierte Haltung und möchten, dass die Regeln die Fiktion bestimmen. Stichwort Zufallsbegegnungstabelle. Ein schönes Beispiel für eine Regel, die bei den einen weggelassen werden kann, für den Spielstil anderer jedoch von essenzieller Bedeutung ist. Die Zufallsbegegnungstabelle ist eine konkrete Regel, mit direktem Input in den Vorstellungsraum der gesamten Gruppe. Sie schafft ein einheitliches Bild in der gesamten Gruppe: "jetzt begegnet euch in der Wüste ein Wal". Zack. Ob positiv oder negativ, will ich nicht allgemein beurteilen.




Oh Mann, ich habe den Eindruck, je später es wird, um so mehr Worte brauche ich um einfache Sachverhalte darzustellen. Seht es mir bitte nach.  :P Insbesondere Turning Wheel.
« Letzte Änderung: 16.12.2007 | 02:12 von killedcat »

Offline Gaukelmeister

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #41 am: 17.12.2007 | 19:01 »
@ killedcat
Ich stimme Dir im Wesentlichen zu. Außerdem finde ich, dass Du ziemlich genau erläutert hast, worum es mir ursprünglich gegangen ist (immer noch geht).

Inhaltlich habe ich bisher nicht vielmehr klar, als dass man Prozesse/Mechanismen von Was-Regeln unterscheiden kann und dass die Konkretheit der Regeln ausschlaggebend für die Bestimmung der Fiktion ist. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, verschiedene Bereiche der Fiktion, die geregelt werden, zu unterscheiden. Man hätte dann also die Parameter: geregelter Bereich; Konkretheit der Regelung und Art der Regelung (Entscheidungsmechanismus für offene Situationen oder Setzung eines Aspekts der Fiktion).

(Inzwischen finden sich immer mehr Überlegungen zum Regelbegriff auch hier)
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killedcat

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #42 am: 23.12.2007 | 08:56 »
Aaaalso...

wie können Regeln konkret die Fiktion beeinflussen? Ich werfe wieder ein paar Behauptungen in den Raum. Ich behaupte:
- in verschiedenen Maßen (starke Beeinflussung, schwache Beeinflussung). Nicht nur die Regeln können konkret sein. Je konkreter die Fiktion regelseitig gelöst ist, desto genauer stimmen die einzelnen Vorstellungsräume miteinander überein / desto konkreter wird der gemeinsame Vorstellungsraum
- bereichernd oder einschränkend (Einbringung in den Vorstellungsraum bei gleichzeitiger Einschränkung durch Wechsel der Zuständigkeit oder nur einschränkend)
- färbend (düster, spaßig, edel, etc.)
- für eine Dauer. Ich glaube, es gibt einen kurzfristigen und einen dauerhaften Bereich der Fiktion. Ein Würfelwurf bereichert die Fiktion in diesem Moment und wird zur Geschichte. Eine Regel, die Magie mit Gefahren verbindet hingegen bleibt die ganze Zeit im Vorstellungsraum. Selbst bevor die Regel zur Anwendung kommt ist sie schon Fiktion.


Okay, mehr fällt mir nicht ein. Wie müssen nun die Regeln beschaffen sein, um die Fiktion wie zu bereichern. Ich versuche hierbei absichtlich KEINE Formel aufzubauen, um nichts zu verkomplizieren oder Wissenschaft vorzutäuschen ;)

Maß:
- je konkreter die Regeln, desto stärker die Beeinflussung der Fiktion, desto konkreter wird der von allen Spielern geteilte Vorstellungsraum
- "Was-Regeln" beeinflussen die Fiktion meist stark.
- je mehr Regeln, desto stärker die Beeinflussung der Fiktion durch die Regeln insgesamt. Das klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber wichtig.

Vorzeichen:
- Man kann den Vorstellungsraum nicht bereichern, ohne die Fiktion zumindest kurzfristig einzuschränken. Jede Konkretisierung IST eine Einschränkung der Möglichkeit der eigenen Fiktion. Es ist jedoch möglich einzuschränken, ohne zu bereichern.
- Verbote schränken natürlich die möglichen Fiktionen immer ein
- Jede Regel, die kein reines Verbot ist, bereichert den Vorstellungsraum regelseitig
- Jeder Würfelwurf bereichert den Vorstellungsraum regelseitig

Färbung:
- je konkreter die Regeln um so stärker regelseitige Färbung
- ergo je allgemeiner die Regeln desto stärker ist die Fiktion Spielerbestimmt und daher evtl. von Spieler zu Spieler abweichend.
- eine Färbung kann durch Weglassen unerwünschter Bereiche in den Regeln erfolgen. Dies geschieht allerdings indirekt. Tatsächlich KANN die Fiktion noch in andere Richtungen gehen, ohne Regeln zu verletzen. Das Spiel unterstützt dies nur nicht und lässt die Spieler dann im Stich. Es ist mehr eine Erziehungsmethode, als eine Folge der Regelausarbeitung.

Dauer:
- Ergebnisfeststellung im Allgemeinen (z.B. per Abstimmung oder Kartenziehen) bereichert die Fiktion kurzfristig
- Dagegen sind alle damit verbundenen Regeln, die zur Ergebnisfeststellung führen können, immer eine dauerhafte Bereicherung der Fiktion
- Ehemals kurzfristige Beeinflussungen der Fiktion können zu dauerhafter Beeinflussung führen, das ist dann aber eher Abenteuer- als Regelbezogen (Beispiel: im Rad der Zeit reinigt Rand al Thor die Magie, so dass alle Männer gefahrlos Magie ausüben können). De facto ist dies allerdings eine Änderung der dauerhaften Regeln. Die Einbringung durch das Regelwerk selbst bleibt kurzfristig.

Je mehr ich über die Was-Regeln nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sich hierbei eigentlich um Setting-Informationen handelt. Hmmm...

Die Erkenntnis, dass man den Vorstellungsraum nicht bereichern kann, ohne ihn einzuschränken scheint mir wichtig zu sein. Bringe ich einen Berg in den Vorstellungsraum, kann sich da kein Spieler mehr einen Ozean vorstellen, ohne die Regeln zu verletzen.

Wenn mein Schmonzes da oben halbwegs stimmt, lassen sich nun Abhängigkeiten herleiten: will ich regelseitig eine Färbung ins Düstere haben, muss ich dafür Regeln bauen, die dies unterstützen. Je düsterer ich es haben will, desto konkreter müssen die Regeln sein oder ich brauche mehr Regeln, die dies bewerkstelligen, oder ich brauche "Was-Regeln". Regeln bedeuten immer eine Einschränkung des Vorstellungsraums, das MUSS ich dann in Kauf nehmen.

Ist das soweit halbwegs korrekt? Ist es überhaupt brauchbar?


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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #43 am: 23.12.2007 | 11:40 »
OK. Dann werd ich da mal wieder gegenreden.

Maß:
- je konkreter die Regeln, desto stärker die Beeinflussung der Fiktion, desto konkreter wird der von allen Spielern geteilte Vorstellungsraum

Was macht eine Regel konkret?


Zitat
Vorzeichen:
- Jeder Würfelwurf bereichert den Vorstellungsraum regelseitig

Das könnte man als Forderung aufstellen: Jeder sinnvolle Würfelwurf bereichert die Vorstellung. Mach nur sinnvolle Würfe in dein Spiel! Sonst lässt sich da bestimmt ein Gegenbeispiel konstruieren.

Wobei hier und bei einigen anderen Punkten eine ziemlich großes Maß an Indirektheit zugelassen werden muss, um das wahr werden zu lassen. Man denke sich, dass vor Beginn des Spiels mit einem Würfelwurf festgestellt wird, wer die erste Szene rahmen darf. Da wird die Fiktion schon in gewisser Weise beeinflusst, denn Dinge an die Spieler 1 nicht denkt, können nicht als erstes passieren. Aber ist mir schon sehr weit hergeholt.



Zitat
Färbung:
- je konkreter die Regeln um so stärker regelseitige Färbung
- ergo je allgemeiner die Regeln desto stärker ist die Fiktion Spielerbestimmt und daher evtl. von Spieler zu Spieler abweichend.

Hier hab ich zwar wieder das Bedeutungsproblem mit Konkret und Allgemein, aber ich bin geneigt zu widersprechen. Ich kann mit jedem Rollenspiel Slap-Stick betreiben. Ich muss nur über alle gruseligen Beschreibungen lachen. Bier hilft.

Mein Tipp für Grusel-Rollenpsiel ist daher vorher zu sagen: Kommt, lasst uns uns jetzt alle gruseln.


Zitat
Je mehr ich über die Was-Regeln nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sich hierbei eigentlich um Setting-Informationen handelt. Hmmm...

Ja, könnte man so sagen.


Zitat
Die Erkenntnis, dass man den Vorstellungsraum nicht bereichern kann, ohne ihn einzuschränken scheint mir wichtig zu sein. Bringe ich einen Berg in den Vorstellungsraum, kann sich da kein Spieler mehr einen Ozean vorstellen, ohne die Regeln zu verletzen.

Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen.

killedcat

  • Gast
Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #44 am: 25.12.2007 | 05:09 »
OK. Dann werd ich da mal wieder gegenreden.
Nur zu!

Was macht eine Regel konkret?
Naja, ich denke, dass es sich hierbei um die allgemeine Definition von konkret und abstrakt handelt. Was macht einen Hinweis konkret? Eine Beschreibung? Einen Vorwurf?
Am besten mache ich es an einem Beispiel fest: Wenn ich nach einem Würfelwurf nur eine Anzahl Schadenspunkte erhalte so ist dies abstrakter, als wenn ich wie in Rolemaster die Information bekomme, welches Körperteil getroffen wurde, wie viele Adern geplatzt sind und wie viele Runden es dauert, bis der Gegner verblutet. Ich denke nicht, dass man für diese Diskussion genauer festmachen muss, was konkret ist.

Das könnte man als Forderung aufstellen: Jeder sinnvolle Würfelwurf bereichert die Vorstellung. Mach nur sinnvolle Würfe in dein Spiel! Sonst lässt sich da bestimmt ein Gegenbeispiel konstruieren.
Naja, ist schon klar: wenn in den Regeln steht "würfle alle 5 Minuten mit dem Würfel, nur mal so", dann hast du natürlich recht. Jeder aus der Fiktion veranlasste Würfelwurf? Ist auch wieder doof. Okay: sagen wir "jeder sinnvolle Würfelwurf". Mann, auf die Idee wäre ich jetzt nicht gekommen. Du hast wohl schon einige abstruse Diskussionen geführt, oder?

Wobei hier und bei einigen anderen Punkten eine ziemlich großes Maß an Indirektheit zugelassen werden muss, um das wahr werden zu lassen. Man denke sich, dass vor Beginn des Spiels mit einem Würfelwurf festgestellt wird, wer die erste Szene rahmen darf. Da wird die Fiktion schon in gewisser Weise beeinflusst, denn Dinge an die Spieler 1 nicht denkt, können nicht als erstes passieren. Aber ist mir schon sehr weit hergeholt.
Hmja... wobei ich oben glaub ich schrieb, dass mit Regeln eigentlich nur die Regeln gemeint sein können, die nicht die Spielorganisation betreffen. Das würde ich jetzt eher da einordnen.

Hier hab ich zwar wieder das Bedeutungsproblem mit Konkret und Allgemein, aber ich bin geneigt zu widersprechen. Ich kann mit jedem Rollenspiel Slap-Stick betreiben. Ich muss nur über alle gruseligen Beschreibungen lachen. Bier hilft.
Die Möglichkeiten der Fiktion sind unendlich. Daher ist es sehr schwer, etwas ganz zu erschweren. Aber wenn ich die Fiktion regelseitig beeinflussen will, dann hilft kein "kommt, lasst uns gruseln", denn das ist nicht regelseitig. Also nicht die geschriebenen Regeln. Aber es ändert auch nichts, wenn alles in Slapstik ausartet, weil die Spieler das so wollen. Alles, was von den Regeln in den Vorstellungsraum eingebracht (und beachtet) wird, ist im gemeinsamen Vorstellungsraum bei allen gleich. Natürlich kann ich auch Call of Cthulhu als Kommödie spielen. Aber wenn ich mich an die Regeln halte, wird es schwierig, weil ich trotz Bier meine Wahnsinnspunkte bekomme und meinen Char irgendwann abgeben kann.



Offline Dom

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Re: [Offen] Die Abhängigkeit der Fiktion von Regeln
« Antwort #45 am: 25.12.2007 | 07:55 »
Naja, ist schon klar: wenn in den Regeln steht "würfle alle 5 Minuten mit dem Würfel, nur mal so", dann hast du natürlich recht. Jeder aus der Fiktion veranlasste Würfelwurf? Ist auch wieder doof. Okay: sagen wir "jeder sinnvolle Würfelwurf". Mann, auf die Idee wäre ich jetzt nicht gekommen. Du hast wohl schon einige abstruse Diskussionen geführt, oder?
Das Problem ist, dass es Rollenspiele gibt, in denen nicht jeder Würfelwurf irgendwie sinnvoll ist bzw. nicht von jedem als sinnvoll angesehen wird. Ich denke beispielsweise an die 3W20-Talentproben-Diskussionen in DSA und ob man die nicht durch eine 1W20-Probe ersetzen sollte bzw. wie man die Würfe mit Bedeutung füllen kann (siehe z.B. hier oder hier).

Ergänzung:
Zitat
Aber wenn ich die Fiktion regelseitig beeinflussen will, dann hilft kein "kommt, lasst uns gruseln", denn das ist nicht regelseitig.
Du könntest in die Regeln reinschreiben: "Vor dem Spiel müssen sich die Spieler gegeseitig sagen: kommt, lasst uns gruseln.". Ok, das wäre dann wieder Spielorganisation, aber das hilft ;)
« Letzte Änderung: 25.12.2007 | 08:01 von Dom »