zu Coilguns: 10.000km sind natürlich viel, viel zu weit. Die typische gewünschte Kampfentfernung dürfte eher so bei 3-10 Sekunden Flugzeit liegen. Also bei den obigen Parametern in der Größenordnung von 100km.
Das ist die ungefähre Angriffsentfernung von See/Luft-See-Raketen ab Mitte des letzten Jahrhunderts.
Ein heutiger Marschflugkörper wiegt rund 1.500 Kg (davon entfällt rund ein Drittel auf den Gefechtskopf), muss allerdings auch Brennstoff enthalten, um innerhalb der Erdatmosphäre auf Marschgeschwindigkeit zu kommen; was man also im All massiv reduzieren und entweder dem Gefechtskopf zuschlagen oder für andere Schweinereien (im nächsten Absatz mehr dazu) nutzen kann. Die Marschgeschwindigkeit wird dank explosionsartig gezündeter Erststufe (Booster) sehr schnell erreicht (im Vakuum noch schneller) und liegt ca. 240 m/s - langsam im Vergleich zum Coilgun-Wuchtgeschoss, aber eine Kampfentfernung von nur 100 Kilometern ist trotzdem in unter sieben Minuten überbrückt. Eine geringere Trefferchance gibt es durch nicht, denn wie bereits erläutert komm das feindliche Schiff in sieben Minuten nicht sehr weit und der Marschflugkörper kann seinen Zielkurs anpassen.
Nun sollte man meinen, dass sieben Minuten dicke reichen, um die Lenkwaffe herunterzuholen. Dafür muss man sie aber erst einmal in eine saubere Zielerfassung bekommen, was ziemlich schwer ist, denn das ohnehin schon schwache Infrarot-Profil geht überwiegend nach hinten und Radar ist eine unsichere Sache, weil es bereits seit den frühen 80ern des letzten Jahrhunderts eine ausgearbeitete Doktrin gibt, zum einen mehrere Lenkwaffen gleichzeitig auf beweglich und wehrhafte Ziele anzusetzen und pro Gruppe wenigstens einen Flugkörper nicht mit einem Gefechts, sondern mit einem Radar-Störkopf zu bestücken, der einen dichten Störvorhang erzeugt. Man weiß dann zwar, dass etwas kommt, aber man kann die Ziele schlecht isolieren, also auch nur schlecht anvisieren. Bei einem 500 Kg Gefechtskopf muss nur eine einzige Lenkwaffe treffen oder sogar nur nahe genug am Ziel detonieren.
Selbst mehrere 4mm-Löcher abseits vitaler Systeme stören ein Raumschiff nicht sonderlich, zumal man dort ohnehin automatische Reparaturmaßnahmen und Reaktionspläne für Einschläge von Mikrometeoriten vorhalten muss. Auch der Brandschaden ist gering, denn 6 Gramm gleichwelchen Materials liefern nicht viel Zunder und wenn der Raumkrieger auch nur ein bißchen Überlebenswillen hat, wird das Schiff ohnehin bei Aussicht auf Kampfhandlungen evakuiert (hier: atmosphärelos gemacht), weil das nicht nur Dekompression- und Brandschäden verringert, sondern das Schiff auch beweglicher macht. Als Abwehrwaffe feindlicher Anti-Schiffswaffen ist die Coilgun also spitze, nur taugt sie imho kaum als Offensivwaffe.
Ich habe auch mit den Coilgun-Parametern nochmal rumgbastelt. Verlängert man das Rohr auf 5 Meter, kommt ein 6g-Kupferprojektil auf 18,5km/s. Ein formgleiches Projektil aus Uran wäre etwa doppelt so schwer und würde auf 12,8km/s beschleunigt. Ist jetzt auch nicht unbrauchbar langsam.
Nur: Je schneller bzw. schwerer das Projektil ist, desto sauberer ist das Loch, wenn es trifft. Nur können kleine, saubere Löcher gar nicht gewollt sein. Nehmen wir mal an, so ein Ding durchschlägt (zumindest das ist sicher) die Panzerung und perforiert ein Starkstromkabel oder eine Schaltplatine ... Im ersteren Fall passiert gar nichts, wenn die Isolierung vorschriftsmäßig ist und im zweiten Fall muss man schon verdammt Glück haben, dass es wirklich eine nicht redundante Schaltung zersägt.
Zum Vergleich: Eine heutige Maschinenkanone feuert um die 1.000 Schuss pro Minute, welche die Kampfentfernung von 100 Km in unter anderthalb Minuten überbrücken. Der Geschossdurchmesser ist größer, man kann gemeine Projektile (Uran, Wolfram, Explosivgeschosse ...) verwenden und was davon durchkommt, produziert ernsthafte Schäden. Das Ganze kostet weniger Energie, funktioniert provisorisch auch noch bei durchtrennten Energie- oder Kühlleitungen und sieht außerdem noch viel martialischer aus, wie es sich für anständige Yessirs und gefährliche Raumpiraten gehört.
Darum die Beschränkung der Baugröße und somit Wellenlänge (sichtbares Licht) und Aperturgröße. Die effektive Reichweite als Raumkampfwaffe soll so gering sein, dass ein Gegner mit Coilgun durchaus gefährlich ist.
Wenn der Preis dafür eine komplett hergeholte Kampfentfernung ist, würde ich das zumindest noch einmal in einer ruhigen Minute überdenken. Wenn ich heute (!) in einer planetaren Atmosphäre (!!) meine Gegner aus 2.500 km (!!!) Entfernung und notfalls auch ohne direkte Linie zum Ziel (!!!!) angreifen kann, warum sollte ich dann ausgerechnet im Weltraum auf Spuckweite gehen?
Radarschluckende Beschichtungen hin oder her: Stealth- und Ortungstechnologie entwickeln sich bisher gleichmäßig, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich daran etwas ändern wird. Mit heutigen Stealth-Fliegern kann man auch nur rückständige Technologie narren. Wer halbwegs moderne Luftabwehr besitzt, schießt auch Nighthawks ab.
Das ist nicht korrekt. Heutige Ortungsmaßnahmen unterscheiden sich von den ersten lediglich im Feinschliff, beispielsweise ermöglichen bessere Elektronik beim Radar höhere Impulsfrequenzen und eine bessere Auswertung rückkehrender Impulse. Trotzdem werden nach wie vor ganz schnöde Funkwellen ausgesandt wie anno Adolf. Hingegen hat sich der Ortungsschutz grundsätzlich weiterentwickelt, sogar trotz des Umstandes, das nach Ende des Kalten Krieges die entsprechenden Forschungsbudgets auf ein 1/15 gekürzt wurden, weil - wie Du ganz richtig schreibst - bei asymmetrischer Kriegsführung Wichtigeres gibt. Über die Budgets derer, die derzeit auf der schwachen Seite des asymmetrischen Konflikts stehen und die den Nachteil ausgleichen wollen, kann man nur spekulieren, aber eins ist klar: Wenn die Konflikte wieder symmetrisch werden sollten, wird auch wieder mehr in diesem Bereich gebuttert.
Ferner unterschlägst Du Du die von mir erwähnte Kombination aus passiven und aktiven Maßnahmen. Wenn das IR- und Radarprofil gering gehalten werden, verschwinden diese bereits in natürlichen Emissionen sehr gut, sind hinter Störvorhängen sehr schlecht zu isolieren und von Täuschkörpern nur durch langwierigeres Vergleichsortung zu unterscheiden - diese Zeit hat man womöglich nicht, was auch für die zwar annähernd täuschungssichere, aber noch trägere gravimetrische Ortung gilt.
Natürlich ist keine Tarnung perfekt, sonst wäre man ja schnell bei Uber-Waffen. Die Aussage "Im Weltraum gibt's kein Stealth, weil isso!" stimmt jedoch schlicht und ergreifend nicht.
Das mit der "Abwehrwolke" müsste man nochmal genauer eruieren. Thermitwolke höre ich zum ersten Mal.
Also: bei 15km/s ist ein Projektil iirc das 25fache seines Eigengewichts in TNT wert.
Das entsprächt ungefähr anderthalb Kilogramm TNT, was im Kampf Schiff-zu-Schiff verschwindend wenig ist. Zum Vergleich: Der Gefechtskopf eines Tomahawk-Marschflugkörper trägt knapp 450 Kilogramm TNT, also mal eben das 300fache.
Mit Thermit funktioniert das übrigens nicht, weil die Komponenten (Granulat) in so einer Wolke zu weit gestreut sind um vom Geschoss gezündet zu werden, was vermutlich schon aufgrund der nötigen Zündenergie nicht klappen dürfte. Bei Nanothermit ist die Zündfreudigkeit zigfach höher und die Dichte der kleinen Komponenten ist zigfach höher. Außerdem sind Nanoteilchen sehr leicht, eine Kollision verwandelt also das Projektil nicht in Plasma; es wird vielmehr
verbrannt. Die Temperatur der weiter fliegenden heißen Teilchen entspricht der des Thermits, nicht der bei Plasma möglichen.
Das Ganze funktioniert übrigens nicht in einer Atmosphäre, da würde sich die Wolke zu schnell auflösen. Und natürlich kann man immer noch Projektile verwenden, die durch Thermit nicht zu Schlacke verbrannt werden. Nur ist das ganze akademisch, da man diese Abwehr - siehe oben - gar nicht zwingend bräuchte.
Was das Zielen auf bestimmte Module angeht: das kann man auch getrost vergessen. Auf 100km Entfernung triffst du höchstens aus purem Zufall eine Coilgun, deren Rohr 3 bis 5 Meter lang und ist und vielleicht 20cm im Durchmesser hat. Da wird man eher die Radiatoren aufs Korn nehmen, sofern diese nicht eingezogen sind. Zumal nichts dagegen spricht, die Coilgun selber auch noch zu panzern.
Unabhängig davon, wie das Schiff im Detail konstruiert ist, die Energie und Kühlflüssigkeitsleitungen zu den Waffensystem müssen den gesamten Querschnitt durchlaufen. Wird eine Hauptader beschädigt, betrifft das alle Systeme, die an derselben hängen.
Davon abgesehen: verstecken müsste man sich ja in erster Linie als Eindringling in einem fremden Gebiet. In diesem fremden Gebiet aber kann und wird der Eigentümer desselben _überall_ passive Sensoren platziert haben. Es ist also vollkommen wurscht, ob ein heimlicher Angreifer seine Emissionen von seinem einen aktuellen Ziel weggedreht hat, sofern wir hier von Piraten in einem zivilisierten System reden oder von einem Konflikt zwischen zwei Staaten oder ähnlichem.
Ja, in diesem Fall ist Tarnung auf strategischer Ebene nicht mehr möglich - auf taktischer Ebene jedoch immer noch, denn die passiven Sensoren müssen ja irgendwie melden, was sie aufgefangen haben. Stationäre Sensorbojen abzuschießen ist kein Kunststück und man verliert dabei auch nichts, weil man ja ohnehin bemerkt wurde. Aber wenn die Reaktion erfolgt, hat das Sensornetz Lücken und wer sagt denn, dass man nicht auch als Eindringling Sensorketten auslegt?
Zusätzlich ermöglicht es auch taktische Möglichkeiten, wenn man ins Hornissennest gestochen hat, denn die Verteidiger müssen reagieren, also zum Einfallpunkt beschleunigen, wo der Angreifer inzwischen in Lauerstellung gegangen ist und schon mal eine Feuerleitlösung berechnet. Da kann man den Verteidigern schon mal ein paar Schiffe abknabbern, bevor man selbst beschossen wird. Natürlich nicht, wenn man netterweise wartet, bis dieser auf 100 Km herangerückt ist.
Wenn es um die Invasion eines Systems geht, ist die ganze Stealthgeschichte sowieso hinfällig, eben wegen der Chokepoint-Geschichte. Man weiß wo ein potentieller Gegner ankommen wird, und wenn man schon von vornherein weiß wo man suchen muss, findet man auch.
Darum geht es doch die ganze Zeit: Die eigene
Präsenz komplett zu verschleiern ist nur in sehr selektiven Szenarien möglich. Den Gegner über die eigene
Position hinlänglich im Unklaren zu lassen ist jedoch fast immer möglich, wenn man nicht gerade in einem lückenlos überwachten Bereich operiert, in dem Sensordaten aus allen Richtungen verarbeitet werden.