Tja, was das Rollenspiel angeht ist es um mich ruhig geworden in letzter Zeit, ich habe die Eindrücke meiner letzten großen Runde verdaut und fleißig geplant, was ich denn in meiner neuen Kampagne besser machen kann, als in der letzten, die von meinen Mitspielern als sehr gut bewertet worden ist. Ich werde anhand meiner aktuellen Kampagnenplanung mal meine derzeitige Sicht zum Planen von Kampagnen zeigen, damit das Ganze nicht zu theoretisch wird und ich aus Eurem Feedback vielleicht neue Ideen und Einsichten gewinnen kann.
In meiner alten Kampagne gab es trotz aller Qualitäten Momente, in denen es nicht geklappt hat und Experimente, die in die Hose gegangen sind. Eine menge Stoff, der verarbeitet werden musste und der mir viel zum Nachdenken gegeben hat.
Jede Kampagne fängt mit einer Idee an.
Ich hatte die Idee von einer Kampagne in der das Setting eine hohe Identifikation mit dem Hintergrund ermöglicht und es den Spielern so ermöglicht leicht ins Spiel einzutauchen. In der Sex Drugs & Canibalism Kampagne war zu viel von meinem Wissen über die Welt abhängig und die Spieler konnten mit dem Material zu Freeport nicht viel anfangen, da ich die Stadt nur als groben Hintergrund genommen hatte und den Rest rangetackert habe. Das hat zu vielen Unsicherheiten bei den Spielern geführt und zu der Erkenntnis:
Spieler wollen Sicherheit und nicht Kreativität/Überraschungen.
Ein gut ausgearbeiteter und allen Spielern zugänglicher Hintergrund erleichtert das Spiel für alle. Der Spielleiter muss nicht ständig erklären, wofür welcher Gott zuständig ist und was man wo bekommt oder wie die kulturellen Eigenarten einer Gegend sind. Der feste Hintergrund vermittelt den Spielern Sicherheit und ermöglicht es ihnen sich selbstständig Informationen zu beschaffen, welche sonst vom SL geliefert werden müssen und so wertvolle Spielzeit kosten. Dabei können die Spieler trotzdem neue Welten und Länder entdecken, aber sie haben die Rüstung des Wissens und gehen mit Selbstvertrauen ans Werk und nicht mit Angst sich zum Trottel zu machen.
Beispiel:
Viele Leute lieben DSA, weil sie den Hintergrund kennen und er ihnen Sicherheit gibt. Sie kennen das Setting so gut, das sie sich sicher und wohl fühlen.
In einer Gruppe die das Setting gut kennt, oder wo die Informationen leicht zugänglich sind, übernehmen die Spieler leichter Verantwortung, weil sie keine Angst haben alles Falsch zu machen. Deshalb habe ich mich für das Artesia Setting von Mark Smilie entschieden. Das Regelwerk ist super detailliert und lässt trotzdem jede menge Freiraum, den ich mit meinen Ideen füllen kann. Auch die Comics versprühen eine geniale Stimmung und es geht um Schlachten, Intrigen und Sex. Wer nur die Comics gelesen hat, sieht schon, was ich in dieser Kampagne will und kann sich prima in die Welt einfühlen.
Ich habe mir eine R-Map gebastelt und alle meine Ideen in diese eingetragen um meine Planung zu strukturieren und die einzelnen Punkte nachher im Detail auszuarbeiten. So entwerfe ich viel schneller komplexe Kampagnen und kann bei Problemen ein Blick auf die Mind Map werfen um schnell Antworten zu bekommen.
Als nächstes habe ich bei meinem Handy die Diktierfunktion gesucht und sie immer genutzt, wenn ich eine Idee hatte. Man kann schneller sprechen als schreiben und die Ideen die man hat sollte man sofort festhalten, um sie nicht zu vergessen.
Nutzt ALLE Hilfsmittel, die ihr habt um geniale Gedanken fest zu halten, eine geniale Idee MUSS sofort festgehalten werden.
Der nächsten Punkt meiner Planung war, was für ein System ich spielen wollte oder will. Ich will als System bei Reign bleiben, was für Intrigen und Schlachten gemacht ist und mit dem ich bei der letzten Kampagne so gute Erfahrungen gemacht habe.
Um das Feeling und die Besonderheit des Reign Systemes zu transportieren habe ich erst einmal die wichtigsten Begriffe übersetzt um allen Spielern die Möglichkeit zu geben, die Besonderheiten in ihrer Muttersprache zu lesen und so hoffentlich besser zu verstehen, denn je besser die Spieler die Regeln kennen, desto einfacher ist es für mich als SL zu leiten und für die Spieler die Mechaniken der Welt zu verstehen. Je weniger Fragen zu den Regeln kommen, desto mehr Zeit zum Spielen und auf der Meta Ebene um diese Fragen zu klären.
Gute Regelkenntnisse der Spieler schaffen mehr Zeit zum Spielen.
Nachdem die Regeln feststanden, habe ich mir Gedanken über die Umsetzung der Gaben und Besonderheiten aus dem Artesia Regelwerk gemacht. Ein paar Ideen hatte ich schon, aber der große Knall kam erst, als sich Chaos Aptom an die Übersetzung und Konvertierung der Sachen gemacht hat und Chiungalla nach anfänglichen zicken über zu mächtige Gaben und der Drohung die Runde deshalb zu verlassen mit guten Vorschlägen für eine solide Grundlage gesorgt hat. So ist eine hervorragende Umsetzung gelungen ist, die das System elegant unterstützt. Ich selber hätte das alleine niemals so gut hinbekommen.
Seine Spieler an der Bearbeitung der Regeln zu beteiligen schafft ein besseres Werk als auf Solopfaden zu wandern.
Nebenbei kennen die Spieler die Regeln noch besser und können sich mit dem System identifizieren, was auch große Vorteile mit sich bringt. Ich mag mündige Spieler, die dich einbringen, auch weil ich oft etwas faul bin.
Als nächstes habe ich von allen Spielern einen Charakterhintergrund entwickeln lassen, mit Namen und Beziehungen. Das ist bei mir ein Muss, auch wenn viele über den Zwang weinen werden, so bekomme ich auf diesem Weg die Infos und Ideen, die ich benötige um eine lebendige und für die Spieler spannende Kampagne zu gestalten. Dabei wollte ich keine Romane, sondern einen grob skizzierten Hintergrund. Die Charaktere und ihre Macken sollen sich gerne erst im Spiel entwickeln und von Werten zu Persönlichkeiten werden.
Lasst Euch von Euren Spielern inspirieren und baut die Kampagne mit der Hilfe ihrer Kreativität, aber nicht nur mit ihr.
Wenn ich die Kernelemente meiner Spieler habe, dann baue ich mir erst einmal die wichtigsten NSCs und stelle sie in eine R-Map wieder nutze ich ein graphisches Hilfsmittel um die teilweise komplexen Beziehungen für mich einfacher verständlich zu machen.
Anschließend mache ich mir Gedanken über die verschiedenen Machtblöcke und ihre Beziehungen untereinander. Ich baue mir ein Conflikt.Web um einen guten Überblick über die verschiedenen Parteien zu haben und so sicher zu agieren.
R-Map und C-Web sind meine Freunde um den Überblick zu behalten.
Schon während der Planungsphase habe ich einen Tread im Orga Channel für Spielrunden aufgemacht, denn ich habe da sehr gute Erfahrungen mit. Man befindet sich im ständigen Kontakt miteinander und kann seine Ideen sehr gut austauschen, Wichtig dabei ist, wirklich kritische Themen lieber persönlich zu klären, weil im Internet auch Kleinigkeiten schnell zu "Zornigen Elefanten" werden, die viel Porzellan zerdeppern können.
"Telefon und persönliche Aussprachen sind Dein Freund, wenn es um Probleme geht."
Viele mögen es für spießig halten, aber wir haben einen schriftlichen Gruppenvertrag, den wir noch weiter entwickeln. Mir hilft er, meine Wünsche als SL deutlich dar zu stellen und von der Gruppe das zu bekommen, was ich will. Vor allem weiß die neue Gruppe dann, was ich will und kann es zur Not nachlesen. Das gilt auch für mich, weil die Spieler andere Wünsche haben als ich, die ich notfalls nachlesen kann.
Der schriftliche Gruppenvertrag hilft Konflikte zu vermeiden, ist aber kein Allheilmittel.
Nachdem ich mir jetzt also Spieler ausgesucht habe und die erste Runde gelaufen ist, baue ich anhand er ersten Erfahrungen und Namen aus den Hintergründen eine dreigeteilte Timeline.
Eine für die Gruppe und ihr direktes Umfeld, welches sie nachhaltig beeinflussen können.
Eine für das weitere Umfeld der Gruppe welches die Gruppe nur bedingt beeinflussen kann.
Eine für den Metaplott, den die Gruppe nur mit massiver Einflussnahme ändern kann und der sich fast unabhängig von der Gruppe weiter entwickelt.
Durch diese Aufteilung kann ich auf Railroading verzichten und habe immer die Möglichkeit nachzusehen, was wann und wo passiert. So verhindere ich, das ich zum Illusionisten werde, weil die Ereignisse schon festliegen.
Falls die Spieler Hinweise ignorieren oder Probleme nicht behandeln, werden diese größer. ich lasse die Helden auch mal eine Schlacht verpassen, wenn sie trödeln oder kein Interesse zeigen. Es ist mir wichtig, das die Taten der Spieler Auswirkungen haben und die Spieler dies auch wissen.
Lass die Spieler wissen, dass ihre Taten von Bedeutung sind.
Zum Schluss noch etwas zum leiten, wie ich es zur Zeit anstrebe. Ich habe in der Vergangenheit versucht, mich am klassichen Aufbau von Dramen und Abenteuern zu orientieren, aber wenn man immer den gleichen aufbau hat wird man berechenbar und die Spieler vertrauen auf den Big Bang am Ende.
Das mache ich heute anders.
Ich orientiere mich schon noch am klassischen Aufbau, aber gehe intensiver auf die Spieler ein. der Bang kann gleich zum Anfang kommen, wenn die Spieler es forcieren, oder die gehen dem "Endgegner" aus dem Weg, weil ihnen andere Sachen wichtiger erscheinen. Egal was die Spieler machen, ich emuliere die Welt um sie und nehme ihre Wünsche und Taten ernst. Da bin ich wie ein PC Game, bloß das ich keine Punkte habe, die erfüllt werden müssen, damit der Plott weiter geht oder meine Spieler farmen müssen.
Außerdem spiele ich mit den Genres, ich mixe Dungeons, Intrigen, Schlachten und die persönlichen Probleme, so das hoffentlich ein abwechslungsreicher Plott entsteht, der allen Spielern ihre Wünsche erfüllt (solange sie keine Rätzelmeister sind).
Ich belohne Diary of Seasons und Bluebooking sowie Arbeiten für die Gruppe mit EPs und lasse einen MVP wählen um meine Spieler für ihr Engagement zu belohnen. Wenn es aber nicht mit Zucker klappt, dann kommt die Peitsche in Form von EP-Abzügen.
Meine Spieler sind mir wichtig, doch mein Spaß ist es auch. ich mache nicht den Alleinunterhaltungskasper und bespaße meine Spieler. Ich will Feedback und Eigeninitiative. Nur dann kann ich wirklich zu Form auflaufen.
Kritik, Anmerkungen und Feedback?