Wenn ich da je einen "die armen Guten vor dem mächtigen Bösen schützen"-Konflikt erlebt habe, dann nach Manier des Westerns, wo eine bunte Truppe aus wandernden Tagedieben für eine Handvoll Dollar GM das Dorf von der Tyrannei der lokalen Indianer/Banditen/Männer des Viehbarons Goblins/Orks/Männer des Raubritters befreit.
Das ist so rollenspiel-urtypisch geworden, daß es ja auch bei den deutschen Rollenspielen wie DSA oder Midgard immer noch üblich ist, mit einer Schar bunt zusammengewürfelter, dahergelaufener "Abenteurer" ohne Heimat, ohne Familie, ohne Beziehungen, aber mit dem Schild "Have Sword. Will Travel." die Abenteuer zu beschicken.
Der unabhängige, waffengewohnte Heimatlose, der sich von Ort zu Ort, ganz ungebunden, bewegt, und auf seiner nie endenden Reise Abenteuer erlebt, das ist immer noch der typische (Fantasy-)Abenteurer.
Man kann natürlich auch anders. Man kann Charaktere stärker in die Welt und in einen lokalen Rahmen einbinden, mit jeder Menge Beziehungen zu Familie, Lehnsherr, Sklavenhändler, Kult, usw. ausstatten. - Doch dann bekommt man nicht das seit den Anfängen des Rollenspiels, d.h. seit den Anfängen von D&D und über die Jahrzehnte bis heute von all seinen Ablegern gebotene, typische Gefühl eines Fantasy-Rollenspiel-Abenteuers.
Typisch ist die bunte Truppe an Vagabunden, die als Mietlinge für ein paar Münzen mehr alle nur erdenklichen, haarsträubenden Aufträge übernimmt, oder die als Schatzsucher in gefährliche Örtlichkeiten einsteigt, um alles Bewegliche dort entweder zu töten oder herauszuholen.
Hired Gun und Prospector.
In AD&D 1st Ed. war sogar noch der "Pionier", der Siedler drin: Ab Name-Level konnte man (ganz wie eins im alten Westen) ein Territorium für sich beanspruchen, dort eine Stadt gründen (es gab im alten Westen verdammt viele Städte, die als Gründungen EINES Mannes zu Siedlungsmittelpunkten wurden). - Monster/Indianer rausschmeißen, das Land sichern, erste befestigte Behausungen bauen, dann mehr und mehr weitere Leute anziehen, und schon hat man ein Dorf, eine Stadt. Vielleicht noch die Eisenbahn herbekommen, oder Bodenschätze in der Nähe ausbeuten. Schon prosperiert dort alles, und die Monster/Indianer spielen kaum noch eine Rolle. Dann kommt die politische Ebene stärker zum Tragen. Wird die Stadt, die Region zu einem Bundesstaat gehören? Zu einem neuen Staat vielleicht?
Hired Gun, Prospector, Settler, Mayor, Governor. - AD&D hat seine Vorlagen SEHR DEUTLICH in der amerikanischen Denkweise, wie man sich "im weiten Land" seine Zukunft, sein Glück aus EIGENER Kraft schaffen kann. - Nur eben mit Fantasy-Gewandung bekleidet.
Generell sehe ich bei EDO-Fantasy im Rollenspiel generell eher eine amerikanische Sichtweise, wo man nah und direkt an "The Frontier" arbeitet, ins Unbekannte vorstößt, sich selbst jenseits aller echten Autoritäten sein Recht und das Recht seiner Gemeinschaft mit "the right to bear arms" durchsetzt - und wo jeder kleine Mann mit seinen 3W6 in allen Attributen vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann, indem er sich den Gefahren aussetzt, hart arbeitet und clever agiert.
Das trifft den Kern von D&D und seinen Nachfahren recht deutlich.
Und es hat eben auch abgefärbt. - Midgard und DSA haben beide D&D-artige Fantasy "nachgebaut" und damit unbewußt alle unterliegenden Eigentümlichkeiten übernommen.
RuneQuest mit der Welt Glorantha war da schon deutlich anders. Hier gibt es auch "Amerikanismen" wie die Prax-Nomaden, die sehr klar den Plains Indians nachempfunden sind. Aber es findet dort eher ein "Wachsen" eines Charakters aus einer Kultur heraus statt, das sogar ziemlich unvereinbar mit einem vagabundierenden "Abenteuerer"-Leben ist.
Sehr schön sieht man das z.B. im "King of Dragon Pass"-Computerspiel, wo man die "Rolle" eines Orlanthi-Stammes spielt. In einem Ereignis sucht eine sehr heterogene Gruppe zwielichtiger Typen den Ort des Stammes auf. Man sieht SOFORT: "Das sind Abenteuerer!". - Und was passiert? - Ist man zahm und nett, verstoßen sie gegen heilige Regeln, die die Magie des Ortes schwächen und ihn seinen Feinden schutzlos ausliefern. Oder sie verursachen Streit, weil sie auf Frauen, Viehzeug und Güter ungehobelten Zugriff einfordern, da sie gewohnt sind, sich das zu nehmen, was sie wollen. - Beste Lösung im Computerspiel: Man TÖTET diese Unruhestifter. Dabei verliert man eventuell ein paar seiner besten Krieger, aber das ist noch der geringst mögliche Schaden, den man noch am ehesten verkraftet. - Fazit: Kommen Abenteurer ins Dorf, dann bringt das IMMER Unheil.
Das ist - vielleicht mit einem Augenzwinkern - aber durchaus das, was manch eine Siedlung in typischen Fantasy-Runden durchmachen muß, sobald Abenteurer sie betreten.
Diese sozialen Außenseiter, nur (vielleicht) innerhalb ihrer Gruppe irgendwem verantwortlich, aber nie bereit WIRKLICHE Verantwortung zu übernehmen, sondern stets "auf Reisen" unterwegs von einem Ort, wo man sie nicht mehr sehen will, zum nächsten, der sie noch nicht erlebt hat - diese Außenseiter-Gruppen stellen durchaus die TYPISCHEN Abenteurer-Gruppen in "normaler" Fantasy dar.
Ich sehe auch weniger, daß diese Hired-Gun-Gruppe ein "Relikt" aus der Sword&Sorcery ist, die in den Anfängen des Rollenspiels in D&D eingeflossen ist, sondern eher, daß Sword&Sorcery AUCH eine sehr typisch amerikanische Art der Fantasy ist. Es gelten in S&S dieselben Grundsätze wie im Western. - Es ist ja sogar so, daß z.B. REH seine Geschichten z.T. mehrfach versucht hat an den Mann zu bringen: mal als Western, dann wieder als Conan-Geschichte.
Die REH-Western und seine Fantasy lesen sich essentiell gleich. - Es sind die gleichen Problemstellungen, die gleiche Art von Charakteren und es ist die gleiche "Frontier"-Mentalität, der Fokus auf dem herumziehenden "Hired Gun" (im Westen sogar wörtlich zu nehmen), die hier zu finden sind.
Typische "D&D-like"-Fantasy ist amerikanische Pioniers-und-Wild-West-Fantasy.
Das hat NICHTS mit "Mittelalter" zu tun, sondern das "mittelalterliche" stellt nur eine hauchdünne Tünche über dem im Kern vorhandenen Pioniersgeist in wilden, ungezähmten, weiten Landen voller blutrünstiger Feinde dar.