Ich vergleiche SW im kopf immer mit DnD. Ich weiß nicht warum. Wahrs. mache ich es SW dadurch zu leicht.
Zu leicht WOFÜR?
SW ist 2003 publiziert worden. Da mußte es sich gegen D&D 3E und die schon reichlich vorhandene D20-Schwemme plazieren.
Man merkt das natürlich auch: die Revised Ed. hatte noch einen Anhang zur SW-D20-Conversion.
Im Erscheinungsland ist D&D nun einmal das Synonym für Rollenspiel (noch stärker als hierzulande DSA).
Wenn sich also ein Rollenspiel im Land von D&D vorstellt, dann WIRD es direkt mit D&D verglichen, und dann sollte es besser auch auf Fragen zum Vergleich mit D&D GUTE Antworten aufweisen.
Generika gab es schon LANGE Zeit. Aber die meisten Generika hatten kaum eine spürbare Breite an aktiven Spielern erzielen können (aus unterschiedlichen Gründen - zu sehr Hartwurstigkeitszelebrierung, Nieten in den Verlagen, die nicht spannten, was für GOLD sie im Programm hatten, Nieten in den Verlagen, die jegliche Community-Beteiligung ABGEWÜRGT hatten durch bösgläubiges Rechteschützen in Eiserner-Vorhang-Manier, usw.).
MEIN "Bastelsystem #1" war über fast zwei Jahrzehnte BRP. Am stärksten auf RQ2-, RQ3-, RQIV-Basis aufsetzend und für Adaptionen von Babylon 5, Midgard, Traveller, und eine ganze Reihe eigener (meist Sci-Fi-)Settings eingesetzt, war eine Settingadaption mittels BRP immer sehr einfach zu machen. Sobald man den Charakterbogen mit allen Fertigkeiten hatte, die Attribute feststanden und man die Methode der Charaktererschaffung von einer der bestehenden BRP-Umsetzungen übernommen hatte, waren 90% des Regeltechnischen einer Conversion erledigt.
Aber: Ich hatte mit BRP KEINE heroischen, KEINE actionbetonten, KEINE cinematischen Settings bespielt. - Mein BRP Babylon 5 war ziemlich "bodenständig" und sehr tödlich für die SCs wie für NSCs. Im Spiel gab es KEINERLEI Erwägungen NSCs - wie z.B. in SW üblich - je nach Wichtigkeit für "Die Story (tm)" in Statisten und Wichtige Charaktere einzuteilen. - Wichtige Charaktere hatten meist einfach mehr drauf, was Kompetenz, Attributs-Werte, Fertigkeits-Werte anbetraf. Das war's schon.
Erst mit Deadlands Classic, welches ja über die Fate-Chips und viele Regelmechanismen (für mich kommt gerade der Begriff "Extra" ja erstmals im Rollenspiel-Kontext aus Deadlands Classic) antritt "wie im Kino" Geschichten erleben zu lassen. - Das sind ANDERE Überlegungen, als ich sie JEMALS für BRP-Conversions angestellt hatte.
Mit Engel, welches ja OHNE Regelsystem und mit dem erklärten Willen zum "Gruppen-Fabulieren" ankommt, wurden für mich erstmals erzählerische Aspekte im Rollenspiel die EINZIGEN ENTSCHEIDUNGEN beeinflussenden Aspekte (ohne Würfel, ohne Werte, ohne Regeln bleibt einem ja auch kaum ein anderer Entscheidungsmechanismus übrig als das eigene Gutdünken).
HeroWars trat an als das Einlösen des VERSPRECHENS für RuneQuest endlich die langersehnten HeroQuesting-Regeln zu liefern. - Und ENTTÄUSCHTE auf allen Ebenen maßlos: Ausführung der Regeln war weiter weg von BRP als sich JEDER gewünscht hätte, die Regelausgabe im Original war in puncto Produktionsqualität einfach SCHEISSE (so viele Fehler, daß es ohne dicke Errata UNSPIELBAR war!), und Greg Stafford hatte sich - nicht zum ersten Mal - als wandelnder Continuity-Error-Produzent für Glorantha ausgetobt. - Für einen Glorantha-Fan war HeroWars schwer enttäuschend.
Für einen BASTLER war HW jedoch mit der deutschen, der englischsprachigen in JEDER Beziehung überlegenen Ausgabe aber ein "Unbegrenzter Einkaufsgutschein in allen Baumärkten". - DAMIT hatte ich dann Babylon 5 weg vom klein-klein-simulieren-bis-alle-verreckt-sind BRP-Horizont hin zu den GROSSEN GESCHICHTEN, der WELTERSCHÜTTERNDEN POLITIK hin konvertieren können.
Natürlich konnte man so auch schon früher mit anderen Regelsystemen spielen. - Nur, manche Spielrichtungen wie die jammernden Dunkelweltler sind mir durchwegs sonstwo vorbei gegangen, und andere "teil-generische" Regelsysteme wie D&D oder Traveller oder RoleMaster/SpaceMaster usw. boten nur in bestimmten UNTER-Kategorien der jeweiligen Genres wirklich freie Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht Fantasy, sondern "D&D-like"-Fantasy eben.
Mir HeroWars als RegelSKELETT, das Fleisch des Glorantha-Settings mit Lauge entfernt, konnte man wirklich VIEL machen. (Auch Engel MIT Regeln spielen übrigens.)
Aber die taktischen Herausforderungen waren ziemlich mau. - Erzählen hin, Erzählen her, das ist alles nur ein Berg zerkochter Nudeln. Klar kann man sich da auch durchbeißen, aber mir FEHLTE da etwas. - Die HÄRTE. Die HERAUSFORDERUNG. Das, was mich als SPIELER und nicht als "Mit-Fabulierer" anspricht.
Der Charakter ist erst einmal EGAL, solange ich als SPIELER gefordert werde.
Das hatte Deadlands Classic zu bieten gehabt. - Viele Details, ein (ähnlich BRP) fertigkeits-dominiertes Regelsystem, Subsysteme ohne Ende für alles und seinen Bruder. - Klar, es war natürlich ziemlich langsam und zeitfressend im Spiel und skalierte nicht wirklich gut, aber was solls! Shootouts macht man dann mit zwei Dutzend Charakteren und hält sich den Rest des Abends frei. Paßt schon. Macht Spaß und ist meilenweit vom "Ich bin OK, Du bist OK. Schön, daß wir darüber geredet haben."-Erzählsozialpädagogentratsch weg.
Und dann kam Pinnacle auf die BLÖDE Idee ihr HAUPTREGELSYSTEM, Deadlands Classic, durch ein aufgebohrtes TABLETOP-Regelsystem aus The Great Railwars zu ersetzen! Wie BESCHEUERT!
Ich war VEHEMENT DAGEGEN.
Sausage Worlds? Was sollte das für ein Deadlands-Classic-"Bonsai"-Fassungs-Elend sein?
Ich hatte dieweil auch andere Settings auf DL Classic Regelbasis konvertiert und so das D20-Elend, was mich beinahe dazu brachte den Spielleiterschirm für immer zuzuklappen, für mich verarbeitet und ad acta gelegt.
Ich BRAUCHTE KEIN neues Regelsystem.
Ich WOLLTE KEIN neues Regelsystem.
Und ich fand es SCHEISSE, daß die alten Settings wie DL:WW, DL: HoE, DL:LC nicht mehr unterstützt werden sollten, sondern irgendwann in der "Bonsai"-Regelfassung rauskommen sollten.
Mistmistmist!
Bis ich die Gelegenheit hatte einmal SW im praktischen Spiel kennenzulernen.
Überzeugender hatte ich NOCH NIE ein Rollenspiel die - eigentlich doch immer - sehr vollmundigen Fast! Furious! Fun! Versprechungen ALLE HALTEN sehen!
Das wahre Potential von SW erschloß sich mir aber nicht mit den ersten Spielrunden, der gestarteten langjährigen Kampagne, sondern mit der Überlegung, was ich mit all den vielen D&D- bzw. D20-Produkten noch anfangen könnte, wo ich doch NIE MEHR dieses Regelsystem leiten oder auch nur spielen wollte. - Und dann probierte ich es mit SW aus. - Und das lief BESSER als es JEMALS mit D20-Regeln gelaufen ist bzw. wäre.
Und da fing ich an MEHR D20-Produkte zu kaufen, als ich es sonst überhaupt getan hätte. - Sie waren so EINFACH zu konvertieren, daß ich Unmengen an Abenteuern, Settingbänden usw. erwarb, mit einer quick&dirty-Conversion spielbar gemacht hatte, und das dann gespielt hatte.
Weniger Arbeit, MEHR SPIEL!
Und da fiel mir auf: Ich habe bei SW Überlegungen aus erzählerischen Aspekten UND knallharte taktische Herausforderungen und Konsequenzenhärte IMMER ZUSAMMEN vorliegen. Untrennbar!
Und ich habe im Spiel MEHR "gefühlte" STORY und weniger Regelsystem im Vordergrund als z.B. bei Deadlands Classic.
Win-Win-Situation für mich und MEINE Vorlieben.
Ich glaube NICHT, daß ich ohne die "Rivalität"/"Zielausrichtung" von SW und D20 wirklich so intensiv die VORZÜGE von SW kennengelernt hätte.
Erst das MASSENWEISE Verwenden von D20-Material mit SW hatte für mich diese intensive Beschäftigung mit SW angestoßen und möglich gemacht.
Hätte es bei SW nur haufenweise Fertigabenteuer und KEINE NOTWENDIGKEIT zur Konvertierung gegeben, dann sähe meine Begeisterung für SW heute vermutlich deutlich gedämpfter aus, und ich würde immer noch mehr HW/HQ- oder DL-Classic-Conversions machen.
Savage Worlds ist dazu GEDACHT, daß man es mit D&D bzw. D20 vergleicht.