Aber kann man wirklich sagen, dass etwas in System XY nicht möglich ist ??
Ja.
Konkrete Situation: Ein Savage-Worlds-Charakter hat NICHT das Edge "Sweep"/"Rundumschlag". Da mag der Spieler noch so sehr wollen, daß sein Charakter nun einen Rundumschlag machen soll, doch hat dieser das Edge nicht, dann KANN ER ES NICHT.
Damit ist ein Rundumschlag im Regelsystem natürlich DURCHAUS möglich. Nur muß der Charakter dazu bestimmte Dinge, die das Regelsystem als NICHT JEDEM zugänglich eingestuft hat, erst erlernt haben.
Im konkreten Fall ließe sich darüber streiten, ob ein Rundumschlag denn ein so "wertiger" Vorteil ist, daß man ihn als Edge separat zu erwerben abbilden mußte, oder ob der nicht eher zu den jedem Charakter frei zugänglichen Kampfmanövern gehören sollte.
Andere Situation: Ein Charakter OHNE magische Fähigkeiten möchte jetzt aber gerne seinen Gegner verzaubern. - Geht das? - Oder eher nicht?
Meist geht das eben NICHT. Da greifen einfach die Charakter-Werte und das, was mit ihnen NACH DEN REGELN möglich ist.
In einem frei-erzählerischen Spielkarten-"System" (Engel-Arkana) könnte man grundsätzlich auch plötzlich mal zaubern wollen, da nichts auf dem Charakterbogen oder in den Regeln steht, daß man das NICHT könnte. - Hier greift dann nur noch die Setting-Beschreibung, die so etwas wie Feuerbälle-Schleudern für normale Menschen in diesem Setting nicht vorsieht. - Das Regelsystem existiert nicht, somit auch keinerlei Limitierungen und auch keinerlei ANGEBOTE (d.h. durch explizites Aufführen als wichtig, interessant und zur Anwendung GEDACHT gekennzeichnete Aktionen) enthält.
Eine Skill-Liste, eine Fahr-Manöver-Liste, eine Zauber-Liste - das sind alles ANGEBOTE, bei denen der Regelsystem-Autor dem Spieler sagt: "Hier ist was, das Du benutzen kannst. Los, mach doch! - Und so wird es geregelt..."
Ein Regelsystem wird nicht mal versuchen alle erdenklichen Handlungen (Aktionen) abzudecken.
Ist etwas in den Regeln vorgesehen UND will man nach den Regeln spielen, dann unterwirft man sich selbst den Handlungseinschränkungen, die diese Regeln vorgeben. Beispiel: Sweep/Rundumschlag bei Savage Worlds nur, wenn das betreffende Edge gelernt wurde.
Ist etwas in den Regeln vorgesehen und gefällt einem das dort vorgesehene nicht, dann kann man Regeln ignorieren (das ist AUCH eine Hausregel!), ändern (Hausregel), oder nur die Auslegung für diese konkrete Runde festlegen, ohne den Regeltext zu ändern, sondern nur dessen Interpretation, dessen Lesart (auch eine Hausregel).
Ist etwas in den Regeln NICHT vorgesehen, dann kann man per ad-hoc-Regelung des Spielleiters die Aktion dennoch durchführen (und wenn der Spielleiter sein Regelsystem kennt, dann verwendet er die Grundmechanismen des Regelkerns für seine ad-hoc-Regelung), oder man sieht den Bedarf diese Aktion öfter als nur einmal durchzuführen, und man fixiert die Regelung als Hausregel.
Wichtig ist dabei, daß die NICHT vorgesehenen, d.h. vom System nicht mit Regeln unterstützten Aktionen, PLAUSIBEL sind und ins Setting STIMMIG passen.
In einem Old West (ohne Magie!) Setting wird ein Gunslinger NICHT zu zaubern anfangen und sein Revolver wird NICHT Kugeln verschießen, die sogar einen Ironclad versenken können. - Das wäre nicht stimmig. - In diesem Fall würde das Old-West-Regelsystem nicht einmal Magie-Regeln haben, so daß Magie überhaupt nicht geregelt ist. Bleibt also nur der Spielleiter, der nun ENTSCHEIDEN muß, wie mit dem Aktionswunsch "Zaubern" für den unmagischen Gunslinger umzugehen ist. - Normalfall der Entscheidung: "Vergiß es, wir spielen hier NICHT Deadlands."
Es ist eigentlich KEIN Problem, wenn man eine Aktion machen will, und einen weist der Spielleiter oder ein Mitspieler darauf hin, daß der Charakter, der diese Aktion machen sollte, die Voraussetzungen für diese Aktion (Fertigkeiten, Vorteile, Zauber, ...) nicht gelernt hat, die Aktion somit grundsätzlich und NACH DEN REGELN nicht ausführen kann.
Es ist eher ein Problem, wenn man vor lauter Optionen, Sonderregelungen (am besten verteilt auf Quellenbüchern in zweistelliger Anzahl), Ausnahmen, usw. nicht mehr den Überblick haben KANN, was denn grundsätzlich mal alles schon irgendwo geregelt wurde, und was nicht.
Beispiel: Will man z.B. in Deadlands als guter Schütze mit Schnellziehen und Schießen: Revolver ausgemaxt gerne in einer Situation einen Border Shift (Tausch eines geladenen Revolvers in der linken Hand mit dem leergeschossenen in der Rechten) machen, so wäre das eine plausible Anwendung für das eigene Schießen, jedoch eher mit dem Attribut Nimbleness als mit Deftness zu würfeln. - So hat man das lange Zeit gemacht. - Bis in einem Quellenband für solche Aktionen eine NEUE Fertigkeit "Gunplay" eingeführt wurde.
Bisher konnte der gute Schütze also seine Aktion mit einer Anwendung der VORGESEHENEN Grundmechanismen tätigen. Wenn man nach den vollständig publizierten Regeln spielen wollte, dürfte derselbe Charakter dies mit Erscheinen von Law Dogs (wo Gunplay aufkam) plötzlich NICHT mehr, ohne den Skill zu lernen bzw. er wäre halt untrainiert darin.
Hier MUSS man für seine eigene Runde entscheiden, welche Regeln zugelassen sind, und welche nicht. - Das gehört auch zu den Hausregeln.
So kenne ich einige D&D 3E Runden, die vollauf glücklich nach nur den drei Grundbüchern spielen - OHNE die Sintflut an Prestige Classes und dergleichen. - Das geht auch. Und es macht die Komplexität solcher "Volumen-Regeln" beherrschbarer. - Und es bleiben einem Regel-"Updates" erspart, die das bisher problemlos nach Grundregelkonzepten entschiedene Umsetzen von Aktionen seiner Charaktere plötzlich nicht mehr oder nur unter bestimmten (engeren) Bedingungen erlauben.
Aber solche Fälle kennt man schon beim D&D Dieb, als diese Klasse damals erstmals aufkam. - Vorher konnten ALLE Charaktere klettern und schleichen. Und nach Einführung des Diebes?
Wann immer es EXPLIZITE Regeln für etwas Bestimmtes gibt, dann bedeutet das auch, daß diese Regeln festlegen, was jemand ohne die in diesen Regeln vorgesehenen Eigenschaften eben NICHT kann.
Darf nur jemand mit positivem Charisma Gefolgsleute haben? Und was, wenn er STINKREICH ist und seine Gefolgsleute - allein aus Eigeninteresse - gut behandelt?
Manchmal ist es schwierig nur anhand der Beschränkungen der Regeln und ihrer Rückwirkung in das, was im Setting dann aufgrund der in den Regeln dargelegten Beziehungen, Kräfteverhältnisse, Häufigkeiten, usw. FAKTEN sein sollte, halbwegs plausibel zu spielen.
Daher schneidert man sich sein Rollenspiel (d.h. Regeln UND Setting!) so zu, daß es zu einem selbst und zu seinen Mitspielern paßt.
Ein Regelsystem mag daher Aktionen nicht zulassen (entweder generell nicht, weil nicht Gegenstand des abzubildenden Setting-Elements, oder charakterspezifisch nicht, weil der Charakter das nicht gelernt hat).
Doch plausible Aktionen wird ein SPIELLEITER durch ad-hoc-Entscheidungen oder Hausregeln natürlich erlauben.