Dann ergänze ich mal aus meiner Erfahrung.
Im Grunde geht es darum, was wir bei der Nennung eines Genres oder Sub Genres für Erwartungen an die Handlung haben. So etwas kann sehr nachhaltig durch Filme oder Bücher beeinflusst werden, für welche in der Gruppe Vorlieben bestehen.
Hier heißt es also fest zu stellen ob alle das Selbe unter dem angestrebten Genre verstehen und sich auf eine gemeinsame Deutung zu einigen um Missverständnisse zu vermeiden. Wenn alle wissen, was sie gemeinsam spielen werden, dann sind die Chancen auf Reibereien erheblich kleiner.
Meiner Meinung nach pendelt sich das völlig unbewusst ein. Und selbst innerhalb eines augenscheinlich vorgegebenen Settings kann man durch den Plot selber innerhalb einer riesigen Bandbreite variieren, ohne das die Spieler es ( bewusst ) wahrnehmen.
Zu viele Vorweg-Absprachen ( um es wörtlich zu deuten ) bzgl. des Plots nehmen häufig viel innere und äussere Spannung raus und unterminieren die Absicht des SL, eine spanende Geschichte zu spinnen. Spannung wird durch Druck/Bedrohung auf die Spieler und unvorhergesehene Ereignisse erzeugt - beides verblasst ein wenig, wenn ich im Vorwege zu viel darüber weiss, was auf mich und meine Figur zukommt.
Der Haken dabei ist natürlich, das es einen fähigen SL vorraussetzt, der seine Gruppe gut kennt. Bei uns regeln wir das genau umgelehrt, durch regelmässiges bilaterales Feedback nach dem Spielabend. Das trainiert sowohl den SL als auch die Gruppe, man kann Timing- und Storyschnitzer sehr gut rausfiltern und intensiv die Entwicklung der Figuren und ihrer Spieler verfolgen.
Ausnahmen bilden Absprachen und Ankündigungen, die zwingend getroffen werden müssen, weil sie direkt die Spielfiguren betreffen, z.B. Einschränkungen bzgl. Figurentyp und Herkunft. Als konkretes Beispiel weiss meine Gruppe schon, das nach Beendigung der jetzigen Kampagne für die nächste Storyline alle aus demselben Dorf kommen und ich viel mit Flashbacks in die Kindheit arbeiten werde. Noch dazu wird das Dorf komplett in Zusammenarbeit erstellt - die Figuren kennen es ja schliesslich sehr gut.
Trotzdem wissen sie nicht, was auf sie zukommt
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Ich lege also nur einen "Grundstein", ohne das die Spieler wissen, wie das Haus darüber später aussehen wird. Im Gegenzug dazu entspricht eine Absprache bzgl. des "Supra-Genres" ( Drama, Tragödie, Komödie ) wie ichs mal nenne, im Extremfall einem "Schattenriss" des Gebäudes im Spielergehirn. Das "Sub-Genre" ( Fantasy, western etc. ) sollte hingegen allen klar sein.
Ich habe im Text ja schon mal darüber geschrieben, das die Spieler den Plot machen und nicht der SL und Zornhau hat mir vehement widersprochen, deshalb möchte ich auf diesen Punkt in der Planung noch einmal genauer eingehen:
Bei der Planung des Abenteuers oder der Kampagne ist der SL in der Regel alleine. Viele SLs machen sich gerne die Arbeit und beglücken die Gruppe mit ihren Ideen. Wenn die Gruppe und der SL damit zufrieden sind ist das auch in Ordnung, doch es geht halt auch anders.
Einige der besten Ideen zu und in Kampagnen kamen von meinen Spielern. Wer als SL das Kreativitätspotenzial seiner Gruppe nicht nutzt, muss nicht schlecht sein, doch was kann am Ende raus kommen, wenn er sich von seiner Gruppe helfen oder inspirieren lässt?
Ich denke es kommt auf jeden Fall etwas besseres dabei heraus, als vorher.
Egal wie man es dreht, auch der beste SL ist darauf angewiesen, dass die Spieler aktiv werden und seinem Plot folgen. Das kann durch viele Elemente veranlasst werden, doch dass in meinen Augen beste ist immer noch ein nachhaltiges Interesse der Spieler an dem was geschieht. Ihr Wille in der Situation, die vom SL dargestellt wird, etwas zu verändern.
Auch fertige Kampagnen können durch die Initiative der Spieler, das zusätzliche Einbauen ihrer Hintergründe zusätzliche Qualität gewinnen, wenn der SL denn gut genug ist, nicht einfach stur nach dem Buch zu leiten, sondern es eher als eine Art Handlungsvorschlag zu sehen, der einen der möglichen Handlungswege aufzeigt.
So können auch alte und fertige Abenteuer mit Hilfe der Spieler aufgepeppt und teilweise sogar ein zweites mal gespielt werden, weil der Fokus ein Anderer ist.
Das kann ich zum grossen Teil unterschreiben. Allerdings seid ihr beide euch ähnlicher, als ihr denkt. Man sollte sich ersteinmal einigen, was man diskutiert : das Verhalten von Spielern in einem festen oder in einem weitgehend offenen Plot mit nur wenigen Benchmarks ?
Aussage : Wer macht den Plot ?
Rollenspiel ist immer ein Teamspiel ( ausser vielleicht bei einem sadistischen SL, der grad nen schlechten Tag hat und seine Story-Faust so richtig tief in die Visagen seiner Spieler rammt - und auch das kann ein Teamspiel sein, wenn die SPieler schreien "JAAAA! FESTER! TIEFER!" ). Daher auch : beide ! Unterschiede gibts lediglich bei der Gewichtung, wer den Löwenanteil der Arbeit übernimmt. Bei vorgegebenen Kampagnen liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Autor bzw. dem SL, der gehörig Arbeit und Zeit zur Vorbereitung und Umsetzung investiert. Der Spieleranteil liegt hier je nach Eigeninitiative bei 10-50%, wo meist die gefährliche Grenze liegt zwischen Plot folgen und Plot kippen. Eine kluge Gruppe wird darauf achten, letzteres nicht zu tun und damit häufig monatelanger Arbeit für die Katz sein zu lassen.
Das bedeutet aber mitnichten, das der Spielspass geschmälert wird, wenn sich die Gruppe augenscheinlich "einschränkt". Häufig passiert sowas intuitiv und kann nebenbei noch "Railroadingfrei" gesteuert werden. Ich betone : es ist ein TEAM-Spiel. ALLE sollen ihren Spass daran haben und jeder hat eine gewisse Verantwortung, dafür Sorge zu tragen.
Back to sub-topic.
Bei weitestgehend freien Plots mit wenigen Benchmarks kann die Sache ganz anders liegen. In solchen Adventures variieren die Zahlen innerhalb des Plots drastisch, umso mehr, je freier der SL improvisiert. Grob schwanken die Zahlen je nach Gruppe zwischen 40 und 90% Spieleranteil. Ein gewisser SL-Anteil ist immer dabei. Völlig freie Plots neigen zumindest bei mir dazu, ein gewisses Gefühl von Ziel- und Planlosigkeit hervorzurufen.
Spielerideen aufzugreifen lohnt sich fast immer. Die schönsten Szenen in jetzt 15 Jahren Rollenspielerfahrung meinerseits sind durch solche Spontanaktionen entstanden. Einen vorhandenen Masterplan gekippt hat davon keine, bereichert haben ihn eine ganze Menge. Sehr schön ist auch, wenn man nicht alleine leitet ( ein Königreich für einen stabilen Co-Regisseur..... ) und sich dadurch Ideen für den nächsten Plot ergeben. Ich hab beim letzten Mal selber spielen eine halbe A4-Seite Plotideen extrahiert - meine Spieler fanden es nicht lustig
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Ebenso verhält es sich mit den Hintergründen. Grade bei langen Plots ist die Eigenmotivation der Spieler ungeheuer wichtig und wenn sie persönlich betrofen sind, umso besser. Vom überlaufen des adligen Vaters zum Feind, Selbstopferung des Gebliebten um der Gruppe die FLucht zu ermöglichen, Verwandlung des besten Freundes aus Kindertagen in einen Vampir und einem Angriff aufs Heimatdorf hatten wir alles schon und alles davon war dem seelischen Heil der betroffenen Figuren ( und deren Spielern ! ) nicht gerade förderlich
. Aber ihre Motivation stieg rapide.
Man kann es natürlich auch auf die freundliche Tour machen, Begegnung mit alten Freunden, Enthüllungen aus der Vergangenheit ( unser Magier ärgert sich immer noch schwarz das er die Gelegenheit verpasst hat, einen Djinnenumhang zu ergattern ) oder Hilfe von La Familia um nur einige Beispiele zu nennen.
Zum Einbau von Spielerideen in fertige Kampagnen siehe oben. Als "Handlungsvorschlag" sehe ich solche Sachen allerdings selten. Die meisten offiziellen Kampagnen sind viel zu komplex, um sie mal eben umzuschreiben oder umzuimprovisieren ( und nebenbei auch ziehmlich teuer ). Das heisst nicht, das ich stur nach Buch leite ( siehe oben zu Gewichtung von SL-/Spieleranteilen ), sowas geht selten. Vorteil ist aber, das die Spieler nicht wissen, was im Buch drinsteht. Und gute Improvisation ist nicht als solche zu erkennen
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Ein Abenteuer mit ein und derselben Gruppe mit anderer Gewichtung 2x durchzuspielen halte ich für gewagt. Ausser natürlich man hat das entsprechende Setting dazu - als Art déja vù, als gut ausgearbeitete Zeitschleife und/oder mit Cthulu-Background kann sowas ausgesprochen witzig werden
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