Autor Thema: Definition von Sandbox-Rollenspielen  (Gelesen 16562 mal)

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Ein

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #25 am: 11.08.2009 | 11:14 »
Diese Verengung auf eine "Spielwelt" (z.B. in Form einer Karte) ist inkorrekt, denn die Spielwelt ist vornehmlich keine Karte auf der sich die SCs bewegen (the map is not the terrain). Die Spielwelt ist die Ansammlung von Interaktions-, Wahl- und Ereignismöglichkeiten, die sich den SCs bietet.

Die Karte dient dabei nur als Visualisierungshilfe und Interface, die die Möglichkeiten strukturiert darstellt, auf die man auch ohne Probleme verzichten kann. Man kann sie auch einfach durch eine Liste oder durch ein Gruppengespräch ersetzen. Dabei geschieht genau dasselbe, wie auf der Karte:

Die Spieler stimmen darüber ab, welches Ziel sie als nächstes anstreben, und kommunizieren dies an den SL, der auf dieses Ziel reagiert.

Und nichts anderes macht auch eine Karte, nur dass sie die Illusion unterstützt, man bewege sich durch eine fiktive Welt. Ebenso wie man sich in einem modernen Computerspiel durch eine virtuelle 3D-Welt bewegt, die aber genau so gut auch als Text dargestellt werden könnte.

Und überhaupt hat "Sandbox -- ja, nein" überhaupt nichts mit dem verwendeten Regelwerk zu tun, sondern hängt allein am SL-Spieler-Verhältnis.
« Letzte Änderung: 11.08.2009 | 11:15 von Ein »

Offline 1of3

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #26 am: 11.08.2009 | 11:16 »
Dann werden wir nicht zusammenkommen.

Ich stimme dir zu, dass ein Textadventure eine Karte hat. Einfach nur Drüber reden funktioniert aber anders und ich nach meinem Verständnis nicht hinreichend.

Ein

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #27 am: 11.08.2009 | 11:21 »
Ist kein Problem. Ich bewege mich da stark entlang der Definition, die das ganze im Computerspieledesign erfahren hat (Zielorientierung). Nun hat das Medium Pen&Paper-Rollenspiel das Problem, dass man immer nicht nur eine Vielzahl von Wahlmöglichkeiten hat, sondern auch jederzeit zwischen Spielmodi hin und her wechseln kann.

Wenn man daher Sandbox nicht sehr eng und klar definiert, wird man immer zig Standardsituationen finden, in denen sich ein Widerspruch zeigt.

ChristophDolge

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #28 am: 11.08.2009 | 11:24 »
Hat ein reines Sandboxsetting eigentlich den Anspruch vollkommen neutral zu den SCs zu stehen oder schafft man das nicht und versucht eigentlich immer eine Herausforderung parat zu haben, die den SCs angemessen ist? Letzteres wäre ja schon fast wieder illusionistisch.

Offline Arbo

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #29 am: 11.08.2009 | 11:29 »
"Standardsituation" in einem sozialen Event wie Rollenspiel ... ;)

Beim Computerspieledesignen denke ich, dass es auf der anderen Seite die "Sandbox" so stark einengt, dass am Ende der Eindruck entsteht, den Boba weiter oben ansprach: Nämlich, dass irgendwie "plot-orientiert" gespielt wird.

Das ist m.E. auch das Problem von Komputer-Rollenspielen. Das "freie Rumagieren" hat ab einem bestimmten Punkt seine Grenzen. Insbesondere da, wo die "Spielwelt" nämlich nicht mehr re-agiert. Das ist dann die typische Situation in Komputer-Rollenspielen, wo Charaktere überall auf der Spielwelt rumwuseln, aber nichts (mehr) passiert. Entweder, weil keine "Stories" mehr da sind oder weil keine neuen entstehen. Dann ist sprichwörtlich "Game over!".

Auf das normale RS übertragen wäre das so, als ob den SLs nichts mehr einfällt oder sie keine Lust mehr haben.

Insoweit existieren auch im Komputerbereich "standardmäßige" Situationen, die irgendwie im Widerspruch zur Sandbox stehen.

Mensch kann's drehen und wenden wie gewollt. ;)

Arbo
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Offline 1of3

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #30 am: 11.08.2009 | 11:30 »
...versucht eigentlich immer eine Herausforderung parat zu haben, die den SCs angemessen ist?

Das ist ganz eindeutig unerwünscht. Wenn die Erststufler in die Drachenhöhle laufen, sind sie eben Toast. Wenn die Superhelden eine Koboldsiedlung einäschern wollen, tun sie das halt. Der Drache hier und die Kobolde dort und kümmern sich keinen Deut um die Mächtigkeit der SCs.

Ein

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #31 am: 11.08.2009 | 11:33 »
Ob Herausforderungen balanciert sind oder nicht, hat meines Erachtens nicht mit Sandbox zu tun, sondern vielmehr mit der Frage, ob man einem gewissen Spielstil angehört, der den Begriff Sandbox für sich zu vereinnahmen sucht. Denn diese Frage setzt allein schon voraus, dass man überhaupt herausforderungsorientiert spielt.

Es gibt aber durchaus auch Runden (kenne ich vornehmlich im DSA-Umfeld), die Rollenspiel vor allem als immersives Reenactment betreiben und einfach nur fröhlich mit ihren Gauklern, Schustern und Töpfern von Taverne zu Taverne ziehen. Oder alternativ in der WoD einfach nur das Leben eines Vampires simulieren.

@arbo
Ich sprach nicht vornehmlich von Computerrollenspielen. Sandboxes gibt es vor allem im Simulationsbereich, wobei es mit den Roguelikes und MMORPGs durchaus auch zwei Subgenres des CRPGs gibt, die Sandboxes darstellen.
« Letzte Änderung: 11.08.2009 | 11:35 von Ein »

ChristophDolge

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #32 am: 11.08.2009 | 11:36 »
Das ist ganz eindeutig unerwünscht. Wenn die Erststufler in die Drachenhöhle laufen, sind sie eben Toast. Wenn die Superhelden eine Koboldsiedlung einäschern wollen, tun sie das halt. Der Drache hier und die Kobolde dort und kümmern sich keinen Deut um die Mächtigkeit der SCs.

Danke für die Vorlage. Was ist denn nun, wenn es rings um die Spieler nur Drachenhöhlen gibt?

Ein

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #33 am: 11.08.2009 | 11:37 »
Da müssen die durch. Fairness und so. Wäre sonst ja Beschiß! ;)

ChristophDolge

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #34 am: 11.08.2009 | 11:39 »
Das ist genau mein Punkt: Nach der neutralen Definition von Sandbox kann es auch Spielwelten geben, die absolut nicht schaffbar sind, weil sie sich ohnehin nicht an den Spielern orientieren.

Offline Arbo

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #35 am: 11.08.2009 | 11:43 »
Hat ein reines Sandboxsetting eigentlich den Anspruch vollkommen neutral zu den SCs zu stehen oder schafft man das nicht und versucht eigentlich immer eine Herausforderung parat zu haben, die den SCs angemessen ist? Letzteres wäre ja schon fast wieder illusionistisch.

Naja, das Sandboxs selbst sollte natürlich insoweit neutral sein, als dass es jeglichen Charakteren die Teilnahme ermöglichen soll. Denn (Achtung Hirn einschalten!) :

Was bietet eine Spielwelt für einen Anreiz, wenn sie total unschaffbar ist?

Ich meine, dass sich unter RS|innen gar seltsame Gestalten tummeln ist bekannt. Dass mensch diese nicht gerade seinen Eltern vorstellen will, ist sicher auch mehr als wahrscheinlich. Aber so masochistisch verlangt, dass sie ständig neue Charaktere basteln wollen, weil die Spielwelt das Überleben der Chars nicht zulässt? Hm, ... ich glaube, das ist eher unwahrscheinlich. 8]

Damit meine ich nicht, dass eine Spielwelt nicht auch gewisse tragische Momente beinhalten darf. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Abenteuer gibt, an deren Ende das sprichwörtliche Ende der Welt steht. Dann ist das aber von der Geschichte "internalisiert", sprich: ein Bestandteil der Spielwelt und des Spielgeschehens. Das ist etwas völlig Anderes. Ansonsten sehe ich nicht, warum ein Setting neutral sein muss. Neutralität ist daher eine KANN-Bedingung. :)

Allerdings übersiehst Du auch einen wichtigen weiteren Punkt. Es geht nicht darum, die Herausforderungen parat zu haben ... die kannst Du nicht vorab formulieren. Es sind die Spieler|innen, die ihre Bedürfnisse äußern und davon - aber auch von den Bedürfnissen der SLs - hängt das Sandbox-Rollenspiel ab.

Das ist m.E. auch einer der Gründe dafür, dass Sandbox-Spielen eben nicht so einfach ist. Dazu gehört einerseits Vorbereitung. Andererseits aber auch eine gewisse "Gruppenchemie" innerhalb der RS-Gruppe. Und letztlich auch mindestens ein wenig Sozialkompetenz. Mensch muss halt auch mal hinhören. Vielleicht auch mal kreativ sein.


@ Ein:

Als Du das erwähntest, dachte ich eher an sowas wie Baldurs Gate usw. Rein "gefühlt" kommt das ja dem RS hier am nächsten (außer, wir hauen uns diese Fachbegriffe um die Ohren. ;) ).

Bei den MMORPGs könntest Du Recht haben. Ich habe gerade dort aber das Gefühl, dass die Sandbox vor allem durch "technische" Barrieren (dazu zählen auch bestimmte Möglichkeiten der "Umsetzung" von Interaktionen in der Spielwelt) an ihre Grenzen stößt. Und da gerade die MMORPGs von der realen Interaktion der Spieler|innen leben, könnte mensch das auch so interpretieren, dass eine der Barrieren eben die Interaktion ist, die sich so eben nicht "pogrammieren" lässt.

Damit möchte ich nicht auf ein dummes Computerdesign vs. RS-Design-Bashing hinaus. Sondern eher festhalten, dass die Spielwelt zu einem bestimmten Teil durch Interaktion zu Stande kommt, die sich nicht vorher festlegen lässt. Immer, wenn das versucht wird - Regeln im Rollenspielbuch machen ja auch nichts anderes - , dann tauchen bestimmte Barrieren auf, die m.E. etwas mehr von der Sandbox weg, hin zu einem "Railroading" führen. Das dürfte prinzipiell auch für Simulationen gelten, wo sich das "Sandboxing" in engen Grenzen hält - nämlich innerhalb der Simulationsregeln.

Kurz: Generell sind von dem Problem m.E. sowohl C-RS als auch reale RS betroffen.

Arbo
« Letzte Änderung: 11.08.2009 | 11:53 von Arbo »
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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #36 am: 11.08.2009 | 11:53 »
In beiden Fällen hat man denselben Plot (also dieselbe Ereigniskette).
Man kann in beiden Fällen dieselbe Ereigniskette haben, aber nur in einem Fall einen Plot. Plot ist das Festlegen einer bestimmten Handlung in der Zukunft, ungeachtet aller erwarteten und unerwarteten Hindernisse, die auf dem Weg dahin passieren können.

Wie die Spieler diesen "Plot" jedoch lösen ist keine Frage von Wahlfreiheit des Ziels, sondern der Wahlfreiheit des Lösungsweges. Oder anders gesagt, wenn die Spieler unbedingt dieses Rätsel lösen müssen, dann hat man Railroading. Railroading kann es aber sowohl in Sandbox-Spielen als auch in plotorientierten Spielen geben.
Das stimmt auch nicht. Gesetzmäßigkeiten in der Spielwelt, die nur eine eingeschränkte Anzahl von Lösungen zulassen, sind kein Railroading (sonst wäre alles Railroading!). Railroading braucht für seine Geburt einen Plot. Wenn sich der SL ein ganz spezielles Geschehen für die Zukunft überlegt und die Spielwelt so zurechtbiegt, dass das Geschehen eintritt. Wenn die Zukunft bewusst offen gelassen wird, ist Railroading ein unnützes Mittel, zu dem kein SL greifen wird.

Plotorientiertes Rollenspiel: Spielleiter gibt Ziel vor.
Sandbox: Spieler geben Ziel vor.
Das ist nichtssagend und stimmt ebenfalls nicht. Die Spieler können das Ziel vorgeben, den Obermotz zu töten, um Ruhm und Ähre zu ernten. Dann generiert der SL den bestellten Plot. Auf der anderen Seite können Spieler bei Sandbox fremdgeleitet agieren, wenn sie keine eigenen Ziele setzen.

@Arbo: Sandbox schließt Vorbereitung keinesfalls aus. Man bereitet aber keinen Plot vor, sondern die Plattform für Geschichten. Und es lohnt sich, zwischen Geschichte und Plot zu unterscheiden. Geschichte wird erst beim Blick in die Vergangenheit sichtbar. Plot ist eine in die Zukunft projizierte Geschichte, an die die Zukunft angepasst wird. Wenn von Abenteuern die Rede ist, sind häufig Plots gemeint.
Sandbox generiert keine Plots. Es stellt eine Ansammlung von Kausalbeziehungen in der Spielwelt bereit und wenn man diese Kausalitäten wie ein Modell laufen lässt, ergibt sich daraus eine Handlungskette.
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Offline Sashael

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #37 am: 11.08.2009 | 12:04 »
Dann sind die Might&Magic Spiele 6-9 Sandboxes?
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


Leitet Itras By mit Battlemap. ;D

Offline Arbo

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #38 am: 11.08.2009 | 12:07 »
@Arbo: Sandbox schließt Vorbereitung keinesfalls aus. Man bereitet aber keinen Plot vor, sondern die Plattform für Geschichten. Und es lohnt sich, zwischen Geschichte und Plot zu unterscheiden. Geschichte wird erst beim Blick in die Vergangenheit sichtbar. Plot ist eine in die Zukunft projizierte Geschichte, an die die Zukunft angepasst wird. Wenn von Abenteuern die Rede ist, sind häufig Plots gemeint.

Hey, das folgt m.E. dem von mir schon seit langem gepredigten Credo, dass es beim Rollenspiel darum geht, gute Gesichten erzählt zu haben. Diese sind aber erst im Nachhinein erzählbar. Und davon gibt es mindestens so viele (Versionen), wie es Spieler|innen gibt.

Um bei Deinen Begrifflichkeiten zu bleiben (obwohl ich für "Plot" gerne einen deutschen Begriff hätte!): Ich würde bei der Vorbereitung nicht zwangsläufig ausschließen, dass jemand verschiedene Plots aufstellt, die durchaus über nur eine Ansammlung von Kausalbeziehungen hinaus gehen.

Das hat einen durchaus praktischen Hintergrund. Ich selbst habe es anfangs immer so gemacht, dass ich mir NSCs ausdachte, ihnen einen Hintergrund mit Motivationen und Einstellungen gab. Dann habe ich gemerkt, dass ich mir das besser merken kann, wenn ich es ausformuliere, sozusagen eine "Gesichte" schreibe, den Plot also schon vorbereite. Da sind dann zum Teil noch Handlungsoptionen drin gewesen. Aber es war halt mehr als nur eine Ansammlung von losen "Kausalbeziehungen", sondern die standen im Zusammenhang. Wie gesagt: Was dann am Ende tatsächlich heraus kam, steht auf einem anderen Blatt. Aber als Basis fungierte durchaus mindestens ein "Plot".

Zitat
Sandbox generiert keine Plots. Es stellt eine Ansammlung von Kausalbeziehungen in der Spielwelt bereit und wenn man diese Kausalitäten wie ein Modell laufen lässt, ergibt sich daraus eine Handlungskette.


Dass eine Sandbox keine Plots generiert, ist m.E. so nicht richtig. Ich glaube, Du machst den Fehler, die "Sandbox" etwas zu statisch und möglicherweise zu "verkürzt" zu sehen. Vom Standpunkt eines Anfangs- bzw. Startpunktes aus magst Du Recht haben. Aber die "Kausalitäten" der Sandbox werden ja angestoßen und sichtbar gemacht durch das Handeln der Spieler|innen. Und das erzeugt halt RE-Aktionen der Sandbox und diese wiederum lassen eine "Geschichte" laufen, die ihrerseits die Sandbox verändern ... sie fügen neue "Kausalitäten" hinzu, neue Ansätze und Anknüpfungspunkte. Die Sandbox ist halt ein organisch (evolutorisch) wachsendes Gebilde.

Bobas Beispiel von oben illustriert das sehr gut. Wenn die Charaktere etwas nicht tun wollen, dann geschieht in der Sandbox-Welt etwas anderes. Und das kann dann im Zweifel auch wieder auf die Charaktere selbst zurück fallen. Wäre der Ring nicht in den Schicksalsberg geworfen worden, hätte Tolkien dann womöglich Abenteuer über die Roten Halblingszelle Auenland schreiben können. Ich denke, die ganze Pre- und Sequel-Buchschreiberei der letzten Jahre beruht auf just solchen Aspekten.

Und noch eine philosophische Korinthe

Zitat
Plot ist eine in die Zukunft projizierte Geschichte, an die die Zukunft angepasst wird.

Es müsste wohl eher heißen: Plot ist eine in die Zukunft projizierte Geschichte, an die die Gegenwart angepasst wird. ;)

Arbo
« Letzte Änderung: 11.08.2009 | 12:10 von Arbo »
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Offline Beral

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #39 am: 11.08.2009 | 12:40 »
Um bei Deinen Begrifflichkeiten zu bleiben (obwohl ich für "Plot" gerne einen deutschen Begriff hätte!): Ich würde bei der Vorbereitung nicht zwangsläufig ausschließen, dass jemand verschiedene Plots aufstellt, die durchaus über nur eine Ansammlung von Kausalbeziehungen hinaus gehen.
Ich möchte eine Vermischung der Spielstile nicht ausschließen.

Was Plot angeht, sollte ich meine Sichtweise noch etwas ergänzen, bevor es zu Missverständnissen kommt. Plot bezieht die Handlungen der Charaktere irgendwie mit ein, das ist entscheidend. Das ist die Krux bei der Sache, denn für die Kausalitäten der Gruppe sind eigentlich die Spieler zuständig und nicht der SL.

Nun haben die Spieler nur punktuell Kontakt mit der Spielwelt. Außerhalb davon kann der SL im Rahmen der Vorbereitung Handlungsstränge in die Zukunft durchspielen: Baron X und Gräfin Y leisten sich eine heftige Fehde, die so und so beginnt, diese und jede NSC einbezieht und sich so und so weiterentwickeln und auflösen wird. So etwas ist für mich kein Plot, solange die Charaktere in der Planung unberücksichtigt sind. Es ist einfach die Modellierung von Ereignissen in der Spielwelt, unter dem Motto: So wird es laufen, wenn nichts dazwischen kommt. Diese Planung wird an dem Punkt aufgegeben, an dem die Charaktere direkt einsteigen oder durch ihre Handlungen die Planung indirekt beeinflusst wird. Wenn sie Baron X mit der Kutsche überfahren, ist die Fehde entschieden. Hier beginnt wieder die Improvisation, bzw. die Echtzeit-Spielwelt-Modellierung.

Es gibt also einen Unterschied zwischen Modellierung von Kausalitäten in die Zukunft hinein und Plot. Nur bei Plot setzt sich der SL über den Zuständigkeitsbereich der Spieler (ihre Charaktere) hinweg, indem er ihre Handlungen vor- und einplant. Bei der "Sandbox-Modellieung" bleibt der SL in seinem Zuständigkeitsbereich, also Spielwelt, die SCs ausgeschlossen; und seine Modellierung wird ab dem Punkt verworfen, wo die Ereignisse am Spieltisch Faktoren wirken lassen, die bei der vorbereitenden Modellierung noch unbekannt waren.
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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #40 am: 11.08.2009 | 12:51 »
Ich verstehe schon, worauf Du hinaus möchtest. Aber wenn wir uns das mal praktisch anschauen, wird es doch eh so laufen, dass Du Dir im Vorfeld eigentlich hauptsächlich darüber den Kopf machst, womit die Charaktere in Berührung kommen. Sprich: Du wirst erst über Baron und Baronin nachdenken, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Chars auf sie treffen.

Gut es gibt immer Ausnahmen (z.B. in einem großen Meta-Zusammenhang, in dem der König ein Steueredikt erlässt, das mehr oder minder in irgend einer Stufe dann mit dem Charakterhandeln in Berührung kommt). Aber prinzipiell frage ich mich, warum ich mir über etwas einen Kopf machen soll, was nicht in erster Linie mit den Charakteren zu tun hat.

Letztlich läuft es dann darauf hinaus, dass ich eben nur das vermeintlich Relevante betrachte. Und da steht zunächst im Vordergrund, was Baron und Baronin im Bezug auf die Spielercharaktere tun oder nicht tun. Das schließt nicht aus, dass ich auch darüber nachdenke, was passiert, wenn nichts passiert, sprich: Wenn die Chars nie auf Baron und Baronin treffen. Aber es ist allein schon die vermutete Möglichkeit, dass die Chars auf diese Personen treffen, die mich sowohl zum Modellieren unter und ohne Berücksichtigung der Chars zwingt.

Darüber hinaus macht es m.E. auch wenig Sinn, sich über eine Modellierung eines alternativen Verhaltens zu sehr einen Kopf zu zerbrechen, wenn in dieser "alternativen Zukunft" die Spielercharaktere nicht auftreten. Dann reicht eigentlich ein: Das war's!

Auch unter dem Aspekt geht beides Hand in Hand.

Auf was ich damit hinaus möchte: Theoretisch mag sich das hier und da trennen lassen. Aber m.E. gibt es vor allem praktisch viel zu sehr Überschneidungen der beiden Aspekte "Modellierung mit Charakteren" und "Modellierung ohne Charaktere".

Arbo
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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #41 am: 11.08.2009 | 13:29 »
Ich verstehe schon, worauf Du hinaus möchtest. Aber wenn wir uns das mal praktisch anschauen, wird es doch eh so laufen, dass Du Dir im Vorfeld eigentlich hauptsächlich darüber den Kopf machst, womit die Charaktere in Berührung kommen. Sprich: Du wirst erst über Baron und Baronin nachdenken, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Chars auf sie treffen.
Natürlich! Für die Unterscheidung zwischen Plot und Sandbox ist aber nicht relevant, wie nah an den Charakteren die Vorbereitung ist, sondern ob die Zuständigkeitsbereiche von Spielern und SL eingehalten werden.

Bei Plot-Spiel wird die Trennung einseitig aufgehoben, indem der SL die Handlungen der Charaktere vorwegnimmt (das obliegt eigentlich den Spielern!) und drumherum ein Abenteuer strickt.
Bei Sandbox lässt der SL die Finger von SC-Entscheidungen und plant nur das, was außerhalb dieses Bereichs liegt. Zusätzlich kommt die Einschränkung, dass im Spiel sämtliche vorbereitete Planungen des SL von SC-Handlungen gekippt oder ignoriert werden können und der SL das nicht als Majestätsbeleidigung auffasst, sondern sich diesem Umstand anpasst.
« Letzte Änderung: 11.08.2009 | 14:02 von Beral »
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #42 am: 11.08.2009 | 13:43 »
Das ist genau mein Punkt: Nach der neutralen Definition von Sandbox kann es auch Spielwelten geben, die absolut nicht schaffbar sind, weil sie sich ohnehin nicht an den Spielern orientieren.

Dann wäre es keine Spielwelt, sondern einfach das Fantasieprodukt eines Menschen, der nicht vorhat, sie zu teilen. Per Definition gibt es im Sandkasten natürlich auch Flecken, in denen die ganz Schwachen spielen dürfen.

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #43 am: 11.08.2009 | 14:16 »
Ich finde, dass Ein, zwar etwas verkürzt aber dennoch, den Nagel auf den Kopf getroffen hat:

Es geht um die Beziehung des Sls zu den Spielern.

Insbesondere geht es darum, wie der SL seine Geschichte sieht.



Wenn es seine Geschichte und seine NSCs gibt, von denen er sich sich ungerne trennt, verlässt er die Sandbox.
Deswegen sehe ich Sandboxen als eine Trotzreaktion.
Es definiert sich dadurch, was es nicht sein will:
-Tavernenspiel
-eine Abfolge von pregenerierten Geschichten in fester Reihenfolge
- PLotschutz
- Nscs, die außerhalb der Regeln stehen
- SL-willkür
...

sers,
Alex

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #45 am: 11.08.2009 | 17:48 »
@Beral
Im Grunde liegt es nur an deiner wie auch immer gearteten Definition von Plot, die allerdings ihren Ursprung in einem speziellen Verständis von Erzählspiel zu haben scheint. Dabei ist Plot aber weit mehr als die Vorgabe der Handlung durch den Autor (oder SL).

Zitat von: Dt. Wikipedia
Handlung bezeichnet den ursächlichen Zusammenhang eines vorgestellten Ereignisverlaufs in Literatur, Theater, Film oder Computerspiel zu einem bestimmten Ende. Indem die Geschehnisse eines Verlaufs nicht isoliert, sondern in ihrer wechselseitigen Bedingtheit dargestellt werden, ist dieser kausale Bezug die Handlung oder der Plot einer Erzählung.
Hervorhebung durch mich.

Oder kürzer in der engl. Wikipedia nach Polking zitiert.
Zitat von: En. Wikipedia
In fiction, the plot is a sequence of interrelated events arranged to form a logical pattern and achieve an intended effect.

Dabei sollte man beachten, dass Plot in seiner ursächlichen Definition eine narrative Struktur bezeichnet, die einer linearen Erzählung zugrunde liegt.

Nun muss man für das Rollenspiel es entweder akzeptieren, dass der Begriff des Plots auch auf die narrative Struktur einer nichtlinearen Erzählung (wie Rollenspiel es immer ist) zugrunde liegt anwendbar ist.

Oder man kann in keinem Fall, egal ob bezüglich plotorientiertem oder Sandbox-Rollenspiel, von einem Plot sprechen, da per se keine vorbestimmte Ereigniskette existiert, denn beim Rollenspiel kann nur im Ausnahmefall garantiert werden, dass auch das eventuell vorbestimmte Ende des Plots erreicht wird.

alexandro

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #46 am: 11.08.2009 | 18:00 »
Zitat
Nun muss man für das Rollenspiel es entweder akzeptieren, dass der Begriff des Plots auch auf die narrative Struktur einer nichtlinearen Erzählung (wie Rollenspiel es immer ist) zugrunde liegt anwendbar ist.

*hust* Es gibt nicht-lineare Erzählungen unabhängig von Rollenspielen, welche Plots verwenden, insofern ist eine Diskussion darüber überflüssig. Wurde alles schonmal gesagt.

Offline Beral

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #47 am: 11.08.2009 | 19:49 »
@Ein: Die einzige Abweichung meines Plotverständnisses zu den Wikizitaten sehe ich darin, dass ich getrennt habe zwischen Ereignisketten, bei denen der SL SC-Handlungen vorwegnimmt und solchen Ereignisketten, bei denen er es nicht tut. In den Literaturwissenschaften gibt es solche Unterscheidungen nicht (und braucht sie nicht), weil es dort keine Interaktion zwischen SL und SCs gibt. Im Rollenspiel haben wir diese Interaktion und müssen die Sache deswegen differenzierter betrachten. Also habe ich differenziert, um herauszuarbeiten zu können, was Sandbox ausmacht.

Ich wundere mich ein bisschen, dass du darauf herumreitest, weil es doch gängige Praxis ist, Schlüsselbegriffe einschränkend zu definieren, wenn es notwendig wird. Schlimmer wäre es doch, wenn ich es nicht getan hätte, denn dann hättest du keine Chance gehabt, meine Botschaft zu verstehen.

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #48 am: 11.08.2009 | 23:10 »
Bei Plot-Spiel wird die Trennung einseitig aufgehoben, indem der SL die Handlungen der Charaktere vorwegnimmt (das obliegt eigentlich den Spielern!) und drumherum ein Abenteuer strickt.

Da wir außer für ein gegebenen Spiel nicht einmal wissen, was ein SL ist, kann da auch nichts aufgehoben werden, denn vorher ist nichts da. Das aber nur fürs Protokoll.

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Re: Definition von Sandbox-Rollenspielen
« Antwort #49 am: 12.08.2009 | 22:31 »
Bei Plot-Spiel wird die Trennung einseitig aufgehoben, indem der SL die Handlungen der Charaktere vorwegnimmt (das obliegt eigentlich den Spielern!) und drumherum ein Abenteuer strickt.
Bei Sandbox lässt der SL die Finger von SC-Entscheidungen und plant nur das, was außerhalb dieses Bereichs liegt.

Wüs? Ich spiele definitiv Plot und keine Sandbox, und ich nehme keine Handlungen vorweg. Ich überlege mir, was die Spieler wahrscheinlich tun werden, und überlege mit die Konsequenzen im Voraus; genau wie ich mir mögliche Lösungswege im Vorfeld überlege.
Wenn die Spieler von meiner Vorstellung abweichen oder einen eigenen Lösungsweg entwickeln, ist das aber auch schön. Eigentlich sogar noch schöner, ich werde gern überrascht, auch wenn ich dann vielleicht mal eine kurze Pause brauche, um mir zu überlegen, wie die Welt auf die Aktionen reagiert.

Trotzdem ist das kein Sandbox. Wenn die Spieler bei mir herumtorkeln und nicht weiterwissen, tauchen hilfreiche NSCs auf, oder sie finden einen Hinweis, wo vorher keiner geplant war, damit das Spiel weiterläuft. Es taucht niemand auf, der ihnen die Lösung verrät, oder der sie in eine bestimmte Richtung zwingt, aber ich stupse eine stockende Handlung definitiv an. Wenn sie nach dem finsteren Magier Zwickelschnitz suchen und ihn aufgrund der phonetischen Ähnlichkeit in dem Örtchen Schnitzelweck suchen, dann finden sie dort auch irgendwelche Hinweise, wenn sie sich clever anstellen. Oder der finstere Orden von Witzelschnick klaut ihnen das mystische Schwert Wackelfratz, mit dem man Zwickelschnitz töten kann. Das ergibt sich dann.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?