Meiner Erfahrung nach passt es der absoluten Mehrzahl der Spieler gar nicht, wenn sie wegen Furcht- oder Moralregeln nicht agieren dürfen - das fängt manchmal bei Unterdrückungsfeuer schon an.
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Für manche Settings ist es angemessen, aber als allgemeine Regel in beliebigen Fantasy-Settings finde ich es eher nicht so passend.
Gerade bei Spielen, in denen die ENTSCHLOSSENHEIT, der MUMM der Charaktere in Spielwerten Ausdruck findet, ist es absolut akzeptabel - und da habe ich auch noch nichts Gegenteiliges in meinen Runden vernommen - daß SCs eben auch mal zwangsweise das Rennen anfangen. Wer seinem Charakter nur das Austeilen herausoptimiert hat, aber ihn in seinen mentalen NEHMER-Qualitäten zu einem Weichei gemacht hat, der muß halt mit den Konsequenzen leben.
Jedoch: Das ist IMMER settingabhängig.
Beispiel: Deadlands. Da SOLLEN die SCs mit bleichem Gesicht aus der "verfluchten Mine" herausgestürmt kommen.
Beispiel: Glorantha. JEDER hat Angst vor Drachen. JEDER.
Beispiel: D&D-like Fantasy. Die Helden haben KEINE Angst (außer vielleicht durch bestimmte magische oder andere Effekte, aber nicht normalerweise).
Beispiel: Midgard. Namenloses Grauen hat tatsächlich schon zu MASSIVSTEM Spielerfrust in unseren Runden geführt. So sollten Angst und Flucht über zwangsweise Auslöser NICHT umgesetzt werden.
Das oben betrifft vornehmlich Angst vor Übernatürlichkeiten, Schrecken, Grauen - eben das, was man in Horror-Settings unter Sanity-, Guts-, Mumm-, usw. -Würfe fallen lassen würde.
Die KAMPFMORAL ist nochmal ein anderes Gebiet:
Auf jeden Fall würde ich KEINEN globalen Moralwert für die gesamte SC-Gruppe führen.
Ich auch nicht.
Es gehört zum SPIELERLEBNIS und zur SPIELERFAHRUNG eines SPIELERS dazu, den Punkt zu erkennen, wann es Zeit zum Rückzug oder zu heilloser Flucht ist. Das macht einen Teil des SPIELREIZES aus. - Als Spieler gewinnt man mit der Spieldauer auch mehr Urteilskraft über Situationen, taktische Lage, Kräfteverhältnisse usw. Und dann sieht man vielleicht noch eine Chance - oder eben KEINE mehr. Und als Spieler spielt man einen CHARAKTER, der eventuell wider besseres Wissen des Spielers übermütig ist, unbedarft, rücksichtslos gegen sich selbst, oder der feige ist, übervorsichtig, labil, ängstlich. Und das spielt DER SPIELER aus - da muß er nicht unbedingt auf irgendwas würfeln.
(Je nach Rollenspielregelsystem gibt es für solch ein Ausspielen ja Bennies oder Fate-Chips usw.)
Einen AUTOMATISMUS, der einen Spieler ZWINGT bei nicht-übernatürlichen Ursachen, in Nicht-Horror-Settings, und dergleichen einen Zwangsrückzug anzutreten, halte ich für unsinnig und frustrierend.
NSCs handhabe ich in Sachen Moral frei Schnauze; das geht mMn einfacher und funktioniert auch noch besser.
Das mache ich je nachdem, was mir das Regelwerk für NSC-Kampfmoral an die Hand gibt.
So bietet OD&D für die NSCs immer einen Moral-Wurf an, ob sie denn, nachdem die SCs schon die halbe Orkgruppe niedergemetzelt haben, noch weiter als XP-Lieferanten auf die Schlachtbank gehen wollen, oder lieber abhauen und listig und verschlagen den SCs später aus Rache einen enormen Blutzoll bei einem Hinterhalt abverlangen werden.
Moral-Würfe sind somit seit den ANFÄNGEN des Rollenspiels bereits ständiger Regelsystembegleiter gewesen. Manche Systeme haben die Kampfmoral weggetan (wie ja auch D&D), und das führte m.E. zu weniger glaubwürdig agierenden NSCs. Oft machen es sich Abenteuerschreiber leicht und lassen so etwas lesen wie "XYZ kämpft bis zum Tode" oder "die Wachen kämpfen bis zum Tode". *gähn* Das ist LANGWEILIG. Und zwar für Spieler wie auch für den Spielleiter!
Glaubwürdigere NSCs haben auch einen Punkt, an dem ihr Durchhaltewille bricht. Und da kommt das ROLLENSPIEL schon lange vor und auch noch während einer Kampfszene in den uralten Dungeon Crawl: Parley. - Das ist die Option mit Begegnungen umzugehen, BEVOR es zu einer gewalttätigen Eskalation kommt. Man REDET miteinander (wozu sind wohl gleich schon im alten D&D so viele Sprachen aufgeführt?). Man versucht die andere Gruppe einzuschätzen. Man stellt sich dar. - Die einen Gegner kann man vielleicht einschüchtern, die anderen bestechen, die nächsten einfach bluffen. Da passiert ROLLEN- und CHARAKTERSPIEL schon lange VOR dem Kampf, statt einfach einen öden "Encounter" nach dem anderen runterzuwürfeln.
Und dann mitten im Kampf: Aufgeben, sich Ergeben. Das sind Optionen, die eine NSC-Gruppe gerade bei gescheitertem Moral-Wurf hat, z.B. auch dann, wenn sie nicht mehr fliehen kann. Und auch hier wieder: REDEN, ROLLENSPIEL, CHARAKTERSPIEL. - Wenn man gegen 10 Orks gekämpft hat, deren Anführer und vier weiter erschlagen hat, was tut man dann, wenn die anderen fünf sich ergeben? Wenn sie um Gnade flehen? - Und genau für diese Art MORALISCHER KONFLIKTE sind die Alignment-Regeln im alten D&D gedacht (nicht nur, aber eben auch).
Das gewissenlose Niedermetzeln von Wesen, die mit einem KOMMUNIZIEREN, ist eine spätere Entwicklung und hatte nichts mit dem D&D zu tun, was MICH damals begeistert hat. - Und das hatte eben MORAL-Würfe für die Kampfmoral der Gegner vorgesehen.
Heute verwende ich Guts-Würfe in Deadlands und Savage Worlds, wenn die Gegner Verluste eingesteckt haben, wenn sie VIELE Verluste in KURZER Zeit eingesteckt haben, wenn es ihre Anführer erwischt hat, usw. - Und hier zeigt sich auch die Weitsicht der SW-Macher: Alle Monster/Kreaturen/NSC-Angaben enthalten Guts-Werte. Hat eine Kreatur KEINEN Guts-Wert, dann ist sie auch leicht in die Flucht zu schlagen. Brilliant einfach umgesetzt und leichtgängig in der Handhabung mitten im Spiel.
Was ist der Vorteil eines Guts-Wurfes vor einer Spielleiterentscheidung, ob nun ein Gegnertruppe Fersengeld gibt, oder sich doch im Alamo-Reenactment versucht?
Kampfmoral-Würfe machen es dem Spielleiter LEICHTER die Spieler nicht zu schonen.
Ja, man WILL als Spielleiter ja NICHT, daß einem die SC seiner Freunde, mit denen man spielt, ständig verrecken. - Andererseits ist echtes HELDENTUM auch nur mit echtem RISIKO möglich. Und somit ist der Rückgriff auf einen Regelmechanismus und die Würfel "gewissensbefreiend". - Die SCs hatten eine CHANCE die NSCs so zu erwischen, daß denen die Kampfmoral bricht. Doch falls sich die SCs die Falschen ausgesucht haben (Elite-Truppen mit hohem Guts-Wert, samt Anführer mit Command Edges), dann beißen sie sich an denen eben die Zähne aus.
Das fördert auch eine gute Taktik seitens der Spieler und damit auch der SCs. - Die Anführer ausschalten, schnell HART und VIEL Schaden einer Truppe verursachen, und die Kampfmoral bricht so früh, daß die eigene Seite kaum noch Verluste einstecken wird, während der Feind flieht und auf der Flucht ggf. gemetzelt wird (immer jemanden übrig lassen, der davon den feindlichen Truppen berichten kann - das schürt deren Furcht).
Bei einer mittelgroßen Kampfszene in meiner Savage Worlds Fantasy-Kampagne hatten die Spieler mit den von ihnen geführten Langbogen-Snipern die gegnerischen Einheiten-Kommandeure binnen kürzester Zeit um ca. 70% dezimiert, gegnerische Flächenwaffen sehr effektiv mit magischer "Gegen-Artillerie" neutralisiert, und dann richtig Schaden ausgeteilt, als in die KONFUSE und NICHT mehr eine saubere Abwehrformation hinbekommende Infanterie der Kavallerieangriff reinbretterte. - Da hatten die Spieler eine gute Taktik angewandt, die letztlich KAMPFMORAL SCHWÄCHEND wirkte. Und das führte zu sehr geringen eigenen Verlusten. Ich hatte für alle betroffenen Einheiten ihre Würfe gemacht. Da es sich um Untoten-Truppen handelte, hatte ich festgelegt, daß ohne Kommandeur die Einheit unschlüssig herumstehen wird, und NUR MIT Kommandeur überhaupt eine aktive Gegenmaßnahme möglich war. Dafür wären selbst bei krassesten Verlusten unter den eigentlichen Kämpfern einer Einheit KEINE Moral-Würfe fällig gewesen, da es Zombies egal sein kann, ob und wieviel ihrer "Kameraden" zerhackt wurden. - Solche truppenspezifischen Überlegungen muß man eh IMMER machen, weil keine Truppe wie die andere ist.
Neulich bei Hellfrost habe ich auf Seite der Spieler mitbekommen, wie Scheiße das ist, wenn sich gegnerische Sniper meine Offiziere vorknöpfen, die versuchen eine Festung mit zu wenigen und zu schlecht ausgebildeten Leuten zu halten, während HORDEN auf diese Festung zumarschieren. Echt übel. - Nur gut, daß ich meinen Charakter auf genau diese Aufgabe hin entwickelt habe. - Das ist SEINE Nische in der Gruppe. Verbündete zusammenhalten, sie besser und länger und härter kämpfen zu lassen.
Ohne Kampfmoral-Regelunterstützung hätte ich mir für meinen Charakter NIE diese mir viel Freude machende Nische für meinen Charakter ausgesucht. So habe ich die Möglichkeit den Charakter mit Spielwerten auf seine Aufgabe hin auszurichten, und es gibt verläßliche Regeln, nach denen eben ein Wurf auf eine Eigenschaft eines NSCs - egal ob verbündet oder gegnerisch - entscheidet, ob er steht oder flieht. Und DASS er stehen bleibt und kämpft, das ist MEIN JOB!
Wie gesagt: Kampfmoral-Würfe NUR für NSCs (egal ob verbündet oder gegnerisch), NICHT für SCs. (Würfe gegen furchterregende, übernatürliche oder sonstig schreckliche Dinge natürlich auch bei SCs - so kommt ein wenig das GRAUEN in die entsprechenden "Gewölbe des Grauens", "Wälder des Wahnsinns", "Schlösser des Schreckens".)