„Aufzwingen“ kann man etwas ja nur gegen den Willen des anderen. Was aber, wenn deine Mitspieler für deine Version total offen sind und diese mit Begeisterung aufnehmen? Und dann an einer anderen Stelle kommt die Version eines anderen Mitspielers zum Tragen, und du denkst dir, hey, cool, da wär ich nie drauf gekommen! Und am Ende entsteht daraus eine Geschichte, die kein einzelner von euch sich vorher so ausgedacht hätte, sondern die nur dadurch zustande kommen konnte, dass ihr alle daran mitgewirkt habt. Jeder hat vielleicht den ein oder anderen Punkt, den er anders besser gefunden hätte, aber alles in allem finden alle die Geschichte gut. Dann hast du erfolgreiches Erzählspiel.
Das wird aber wirklich schwierig auszumachen sein, was wer noch akzeptieren kann und was nicht.
Beispiel aus meiner Spielerfahrung: oWoD "Werwolf", wechselnder SL: Gruppe wurde von SL A ein paar Spielabende zuvor in die Wüste von Arizona gefahren, wo nichts war außer Steppe und einem einsamen Gehöft in der Pampa. Idee des SLs dahinter (aber natürlich nie ausgesprochen): die Gruppe sollte in der Einöde ohne Ablenkungen zueinander finden und sich vertrauen lernen. Nächster Spielabend: SL B übernimmt und setzt in die Wüste in ein Felsmassiv eine wichtige Werwolfversammlung voller krasser, wichtiger NSCs - das Rudel wird dorthin eingeladen. Schwierigkeit: Ich glaube dem Spieler war es unangenehm, dass es mit seinem eigenen Charakter (den er ja spielt, wenn er nicht leitet), so persönlich wird. Daher hat er die Idee des anderen SLs entwertet, indem er die menschenleere Wüste doch nicht so leer gestaltete. Das kann man aber auch nur vermuten, denn was sich ein Spieler bei einem Element, das er in die Story einfügt, denkt, das ist, finde ich, nicht immer so klar vermittelbar und häufig glauben Spieler auch, ein bestimmtes angestrebtes Flair durch eine Ergänzung zu unterstützen, torpedieren sie dadurch aber. Ich habe auch oft gedacht, dass ein anderer Spieler und ich dieselbe Idee der Geschichte haben, aber ich sollte mich irren, wenn es an die Details ging.
Wäre harmonisches Erzählspiel dadurch ein Spielstil, der besonders metagamingreich sein muss, um zu funktionieren?
Wie sieht das eigentlich mit der Erzählanteilsverteilung von SL und Spielern aus. Also die Annahmen, die du oben aufgestellt hast, zielen ja schon auf eine eher offene Aufgabenverteilung der Gruppe voraus: damit auch alle an der Geschichte teilhaben können muss es ja auch Spielern erlaubt sein, Details der Spielwelt, NSCs, vielleicht auch Plot aktiv mitzugestalten... hmm, oder vielleicht trügt der Gedanke, denn das kann man ja auch vor oder nach dem Spiel, statt während des Spiels machen ("Hey, SL, haben wir nächste Woche bitte wieder einen Kampf...", "Ich fände es cool, wenn der und der wieder auftauchen würde..."). Auch die Frage, wieweit ich in die (ich nenne das gerne so) Kontrollsphären meiner (Mit)spieler eingreifen darf, also Fakten an ihnen verändern darf, finde ich wichtig. Ich würde ja sagen, ich darf nicht einfach willkürlich Details hinzufügen, sondern muss das erst mit den anderen Spielern absprechen, sodass nichts aus Versehen entwertet wird. Muss dann nicht während des Spiels sehr viel diskutiert werden, ob der und der Fakt nicht grade die Idee eines anderen entwertet?
Aber wahrscheinlich sind diese Problem zu spielpraktisch, um hier eine Rolle zu spielen.
Sonst aber stimme ich dem Eingangspost in jeder Hinsicht zu; in der Praxis habe ich es aber noch nie umgesetzt vorgefunden (und ich bemühe mich schon sehr in diese Richtung).