Und bei SW wird eben versucht, die Spielwelt durch eine entsprechende Mechanik abzubilden (== zu simulieren).
Das liest sich so, als ob bei SW nach Regelwerk AUSSCHLIESSLICH "simuliert" wird.
Und vergleicht man SW mal mit tatsächlich stark auf simulierende Umsetzung ausgerichteten Regelwerken, dann fällt (nicht nur Freunden "realistischen" Rollenspiels) schnell auf, WIE WENIG bei SW tatsächlich "simuliert" wird, und WIE SEHR das Simulative dem Versuch Genre-Konventionen stimmig umzusetzen UNTERGEORDNET wird.
Gerade das eher GERING auf Simulation ausgerichtete SW-Regelwerk ist ein Hauptgrund, weshalb man bei SW auch nach den vielen Jahren immer noch KEIN "Hard-Sci-Fi"-Setting finden kann. SW eignet sich aufgrund der wenigen simulativen Elemente kaum für die befriedigende Abbildung solcher Settings. Dazu ist SW viel zu sehr ausgerichtet CINEMATISCHE Elemente zu bieten, weniger simulative.
Natürlich kann man jetzt mit der - im Theorie-Umfeld üblichen - VERQUEREN (Un-)"Logik" kommen, daß SW versuche z.B. Steampunk-Action-Film-Genre zu "simulieren", oder daß SW versuche Sword&Sorcery-Genre zu "simulieren". - Das ist natürlich KEINE Simulation im Sinne des Wortes, sondern ist eine Wortverdreherei, wie sie über die Forge-isten und deren "Neusprech"-Jargon aufgekommen ist.
SW simuliert EIN WENIG. Mehr noch als zu simulieren, bietet SW aber einfach Genre-Umsetzungs-Stimmigkeit mit einer Ausrichtung auf eher cinematische, action-betonte Genre-Vertreter. - Also z.B. beim Western-Genre weniger Brokeback Mountain oder Little Big Man, sondern mehr Die Glorreichen Sieben und High Plains Drifter in der Umsetzung, weniger Vom Winde Verweht als Romanadaption, sondern mehr die Robert E. Howard Western-Geschichten.
Ist eine ADAPTION von Genre-Konventionen, Unter-Genre-Konventionen, Setting-Konventionen wirklich SYNONYM mit "Simulation der Spielwelt"?
SW simuliert die Verhältnisse der Spielwelt GEFILTERT durch die jeweils nach Setting/Genre-gegebenen Verhältnisse. Und da kommen bei Daring Tales of Adventure oder Slipstream SEHR "unphysikalische", eher an den Erfordernissen der Dramaturgie der Story ausgerichtete Spielwerte und Spielregel-Subsysteme zur Anwendung. Und bei an sich weniger "überkandidelten" Settings wie Necropolis BLEIBT SW immer noch auf die Cinematik fokussiert - Necropolis ist so UNREALISTISCH wie eben ein KRIEGSFILM das auch ist. Man hat seine Identifikationsfiguren und die sind härter im Nehmen und im Geben als alle anderen Leute auf dem Planeten! Was "simuliert" das?
Wenn Fate einen Bonus für das "Freischalten" einer Szenerie-Eigenschaft wie z.B. ein brennendes Gebäude, in das man einen Gegner drängen kann, gibt, dann simuliert das doch AUCH die Verhältnisse in der Spielwelt. Da das Gebäude BRENNT, ist es gefährlich und kann für einen Bonus im Kampf genutzt werden. Würde das Gebäude nur als Eigenschaft "bröckelnder Anstrich" haben, dann wäre dieser nicht für eine Kampfszene relevant.
Wenn also in einer Szene nur die für die jeweiligen Handlungen RELEVANTEN Eigenschaften freigeschaltet werden können, dann ist das - zwar immer noch mit dem mega-gamigen Resourcen-Einsatz verbunden, aber zunächst einmal - nur eine reine PLAUSIBILITÄTSBETRACHTUNG.
Ist es PLAUSIBEL, STIMMIG, GLAUBWÜRDIG, usw., daß das betreffende Szenerie-Element etwas darstellt, das man für das Austricksen oder Besiegen eines Gegners nutzen könnte? - Falls ja, dann kann es freigeschaltet werden und gibt einen Bonus.
Bei SW ist das auch so. - NICHT "die Simulation der Spielwelt" im Stile von Sim-City oder die Sims ist irgendwie von Belang für das Spiel von SW, sondern die PLAUSIBILITÄT der geschilderten Szenerien, der Spielwelt, vor dem Hintergrund der Genre-Konventionen. - Und es sind die Genre-Konventionen, die bei Setting-Adaptionen STARKEN Einfluß darauf nehmen, wie "hoch-oktanig" das Regelsystem gefahren wird.
In manchen Settings ist ein "grim&gritty"-Spiel mit mehr Bodenständigkeit gewollt. Das ist dabei immer noch cinematisch (Tricks, Bennies, Zähigkeit der Hauptfiguren, Kompetenzvorteile für die Hauptfiguren, usw.). - In anderen Settings ist eine Abbildung von direkt aus Film und Fernsehen vorexerzierten Spannungsbögen beabsichtigt. Da legen die Settingregeln fest, wie beim Szenen-Wechsel bzw. beim Akt-Wechsel Spielwerte der Charaktere und deren Resourcen Änderungen erfahren. Das ist immer noch Savage Worlds, aber es ist noch viel stärker an der anderen Medien-Vorlage, dem Kino, daher der Cinematik, ausgerichtet, als es eh schon über die auch in den "weniger überkandidelten" und "weniger dramaturgisch durchstrukturierten" Settings der Fall ist.
Ich kann daher aus meiner Erfahrung mit SW sagen, daß die hier als Gegensatz aufgebaute Unterscheidung "Fate = Story, SW = Simulation" einfach NICHT STIMMT.
SW ist ja mit der ABSICHT entwickelt worden, gerade möglichst viel STORY statt endlos-simulativer Regelabwicklung zu bieten (siehe den "Making of SW"-Artikel von Shane Hensley). Daher kommen auch die cinematischen Elemente in die SW-Regeln, die - wie bei SW üblich - in ihrer Ausprägung und Stärke je nach Genre und Setting durchgestimmt werden können, aber aufgrund der Tatsache, daß sie ZUM REGELKERN GEHÖREN auch NIEMALS weggelassen werden können.
Nochmal: Bei SW gehören solche absichtsvoll NICHT-simulativen Elemente, die für Dramaturgie und storybezogene Spielweise gedacht sind, zum REGELKERN.
Was meiner Meinung nach eher den Unterschied zwischen Fate und SW ausmacht, ist, daß beide zwar DIESELBE Ausrichtung auf storybezogenes, cinematisches Spiel mitbringen, bei Fate aber mehr Schwergewicht auf "hoch-oktanige" Action gelegt wird und Plausibilität eher mal eine geringere Rolle spielt, während bei SW durchaus mehr Schwergewicht - bei aller Cinematik - auf taktisches Vorgehen gelegt wird, und die Story-Ausrichtung NICHT ALLES dominiert.
SW spielt man auch in sehr überkandidelten Settings immer noch mit der taktischen Herausforderung als einem spürbaren Merkmal in Abenteuern und Regeln. - Schlechtes taktisches Vorgehen wird auch in SW mit Bennies "überlebbar" gemacht, wenn es aufgrund des Ausspielens von Charakterzügen (Hindrances, Charakterkonzept) durchgeführt wird (dann handelt es sich zwar um schlechte in-game Taktik, aber um gute SPIEL-Taktik des SPIELERS, der sich so seine Resourcen aufstocken kann), aber man findet NICHT die völlige Dominanz von "Style over Substance". - Stil IST in SW gefragt! Aber eben auch SPIELER-Findigkeit (spieltaktisch und kampftaktisch in in-game-Situationen) zur Bewältigung von HERAUSFORDERUNGEN.
Mit der Ausrichtung auf eben dieses Suchen, Annehmen, Bewältigen von spielerischen Herausforderungen bekennt sich SW ganz klar dazu EIN SPIEL zu sein. - Spielelemente "zum Anfassen", wie Pokerkarten, Bennies, Miniaturen unterstreichen dieses Bekenntnis zum SPIEL.
Auch wenn SW auf das Spielen von Stories ausgerichtet ist, und das Einhalten von Genre-Konventionen durch sein durchstimmbares, bausteinartiges Regelsystem unterstützt, so ist SW vor allem eines: Ein SPIEL.
Als Spiel gibt es hier auch gewisse "Wettbewerbs"-Einstellungen, wie z.B. im Versuch des Spielleiters den Spielern ihre Resourcen herauszulocken, und im Versuch der Spieler die Spielleiterresourcen frühzeitig auszugeben zu bewirken. Es spielt der Spielleiter sowohl MIT den Spielern, als auch ganz klar GEGEN die Spieler. - Ohne eine "knackige" Opposition bekommt man als Spieler ja auch keine spannenden Herausforderungen zu bewältigen. Daher ist ein "Ich bin OK. Du bist OK. Hauptsache wir haben zusammen eine tolle Geschichte verfaßt."-Spielstil bei SW NICHT üblich. Dieser würde das SPIEL, d.h. den WETTSTREIT zwischen zwei Parteien (manchmal mehr als zwei) nicht wirklich stattfinden lassen, wenn Konflikte nur "spannend erzählt" werden, aber am Spieltisch nicht mit dem ganzen Engagement der Spielenden versucht würde, den jeweiligen Konflikt NACH DEN REGELN ZU GEWINNEN.
Durch dieses engagierte Spiel, durch den Willen zum Gewinnen, wird eben das Spiel betont. Betont heißt aber auch, daß es NICHT ausschließlich nur um diese Art von Spiel-Wettstreit geht.
SW bietet eine MISCHUNG aus Story, Taktik, Spiel und Charakterdarstellung.