Findet ihr es sinnvoll, wenn sich ein Spiel nicht um Sprachen kuemmert und einfach von einer Sprache ausgeht oder bevorzugt ihr es eher realistisch mit vielen Sprachen?
Wo seht ihr die vor- und die Nachteile?
Unterschiedliche Sprachen zählen zur REALITÄTSERFAHRUNG der Spieler. - Spielwelten, in denen unterschiedliche Sprachen vorkommen, erhöhen durch "Resonanz" mit dieser Realitätserfahrung der Spieler ihre GLAUBWÜRDIGKEIT.
Eine Spielwelt mit den kulturell unterschiedlichsten Völkern, die aus einer jahrtausendelangen Historie bis zum aktuellen Spielzeitpunkt hervorgegangen sein sollen, wird in den meisten Fällen NICHT PLAUSIBEL wirken, wenn jeder DIESELBE Sprache spricht.
Das "Common" vieler Fantasy-Rollenspiele (oder wie auch immer es genannt wird: Trader, TradeTalk, usw.) ist in dieser Hinsicht NICHT aus "Realismus"- oder Plausibilitätsgründen so gelöst worden, sondern aus SPIELBARKEITSGRÜNDEN.
Hier kommen wir zum Problem. - Wenn die Spieler z.B. GLEICHERMASSEN WERTVOLLE Charakterbastelresourcen für Kämpfen, Schießen, Raumschiffe Fliegen wie für Sprachen ausgeben müssen, dann MUSS die so erlernte Sprachfertigkeit auch "etwas wert" sein. Und zwar IM SPIEL muß eine Sprachkenntnis, die genauso "teuer" erworben wurde, wie das Fahren eines Autos auch genauso NÜTZLICH sein. - Ist der Nutzen nicht feststellbar, dann handelt es sich offensichtlich um eine dump-stat, die man einfach NICHT lernen muß, weil sie VERSCHWENDUNG von Charakterbastelpunkten darstellt, die man in überlebenswichtigere Dinge hätte stecken können.
Daher "schenken" viele Rollenspiele den SCs auch eine Sprache über ihre kulturelle Herkunftssprache hinaus - die "Handelssprache", die "Common Tongue" oder wie sie nicht alle heißen.
Manche Rollenspiele machen Sprachen zu "Bürgern zweiter Klasse" bei der Charaktererschaffung und -entwicklung: Das Erlernen von Sprachen kostet WENIGE Resourcen, Sprachen sind verglichen mit den Fähigkeiten, die einen HARTEN Nutzen bringen, als vornehmliches "Stimmungselement" BILLIGER zu haben.
Wie OFT werden denn Sprachen tatsächlich ENTSCHEIDEND in Rollenspielszenarien eingesetzt? - MEHRMALS JEDE Spielsitzung?
Wie OFT werden denn Sprachkenntnisse tatsächlich als WICHTIGE Problemlösungswerkzeuge eingesetzt? - Mehrmals jede Spielsitzung?
Diese Fragen sind natürlich abhängig davon, WELCHES Rollenspiel man gerade spielt, und WAS FÜR EINE ART KAMPAGNE man gerade spielt.
Bei cthulhoiden Nachforschungs-Szenarien sind Sprachkenntnisse immer mal wieder nützlich um an bestimmte Hinweise zu gelangen. - Hier kann man sich fragen, ob diese Sprachkenntnisse WIRKLICH genaus teuer wie der Erwerb von anderen Fähigkeiten sein müssen, oder auch (siehe Gumshoe) OB man denn überhaupt WÜRFELN muß, um einen Hinweis zu entdecken.
In Deadlands sind Sprachen zwar gleich teuer wie andere Fertigkeiten, aber eine Sprache auf Stufe 2 zu beherrschen reicht schon für eine flüssige Kommunikation aus, während man mit Schießen: Revolver auf Stufe 2 besser NICHT zum Duell antreten sollte. Also bleiben hier die Sprachkenntnisse für den GENERALISTEN oder den Faceman erschwinglich, so daß sie NICHT einfach ignoriert werden, sondern als "billige Zukäufe" zum Abrunden des Charakters erworben werden.
In Deadlands:Reloaded ist eine Sprache GLEICHTEUER wie Shooting (und das gilt für ALLE Schußwaffen! ALLE!). Damit ist Knowledge(Spanish) auf W8 zu kaufen eine BLÖDE Entscheidung verglichen mit Shooting W8. - Hier gibt es auch jede Menge Hausregeln zum Erleichtern des Erwerbs von Sprachkenntnissen, eben WEIL die Sprachkenntnisse IM SPIEL selbst nicht so oft und nicht an so lebenskritischen Stellen zum Einsatz kommen, wie die Schußwaffenkenntnisse.
Man sollte daher beim Systementwurf für ein Regelsystem überlegen, WIE man Sprachen umsetzen möchte.
Vieles kann man einfach im Charakterkonzept unterbringen: Der Spanische Freiheitskämpfer, der im Norden Kaliforniens Geld für Waffenkäufe durch zwielichtige Geschäfte auftreiben will, braucht in Deadlands Spanisch (seine Muttersprache), Englisch, Chinesisch, und Deutsch, vielleicht auch Russisch. - Man kann in einem Regelsystem diese Sprachen alle EXPLIZIT erlernen lassen, ODER man "schenkt" dem Charakter diese Sprachkenntnisse, weil sie zum Charakterkonzept passen.
Barbarians of Lemuria kennt auch viele verschiedene Sprachen. Manche davon sehr exotisch. - Jeder Charakter beherrscht eine gewisse Grundanzahl an Sprachen, die von seinem Verstand-Attribut abhängig ist. Da aber in BoL die Charaktere stark über Laufbahnen bestimmt werden, die ihre Haupttätigkeit während ihrer Vorgeschichte darstellen, gibt es auch Laufbahnen, die ZUSÄTZLICHE Sprachen bzw. Lesen und Schreiben vermitteln können. Das kostet KEINE der wertvollen Charakterbastelpunkte.
Wofür setzt man Sprachen eigentlich ein?
Für Kommunikations-Erschwernisse, für Hürden im Zugang zu Wissen, Kenntnissen, Personen. - Sprachen sind einfach eine in sich glaubwürdige und bei den Spieler sofort nachvollziehbare Herausforderungsebene.
Man will einen Text lesen, mit jemandem Reden, oder auch nur den richtigen Bahnsteig für den Zug nach Belgrad erwischen - Hier helfen Sprachkenntnisse das Problem zu lösen, bzw. Fehler zu vermeiden.
Zudem kann man sich in Sprachen, von denen man WEISS, daß ein anderer sie NICHT verstehen wird, "geheim" unterhalten - nicht wirklich, aber man kann GLAUBEN, daß es "geheim genug" ist.
Besondere Fachsprachen wie Thieves Cant, Battle Tongue usw. stellen universelles Verstehen in eingeschränktem Fachgebiet her.
Je nach Setting, je nach Rollenspiel kann man sehr gut OHNE Sprachen auskommen. - Oder mit "billigen" Sprachen, die nicht viele Charakterresourcen kosten.
Fängt es aber an LÄSTIG zu werden, weil man STÄNDIG auf Sprachen würfeln muß, nur um die Bedienungsanleitung für die Erdnußcreme-Dose verstehen zu können, welche man bei Nichtschaffen des Wurfes mittels eines Schlagbohrers von der Seite anbohrt, weil man da was "falsch verstanden" hat, dann ist das Thema Sprache ÜBERZOGEN behandelt.
Sind Sprachen GLEICHTEUER wie lebenswichtige Fähigkeiten, dann ist deren Erlernen unattraktiv. - Werden Sprachen "lebenswichtig", dann wird das Setting meist unglaubwürdig.
Sprachen sind eben nur eine "Hürdenbewältigungseigenschaft". Macht diese sich zu wichtig, dann stimmt was nicht. Werden Sprachen völlig ausgeblendet, dann bleibt oft die Glaubwürdigkeit auf der Strecke. (Wobei: Die meisten Aliens in Kinofilmen sprechen ja Englisch, wie auch ALLE Ausländer und ALLE Nazis. Die Nazi-Oberbösewichter sprechen exzellentes Oxford-English, oder sind Sprachgenies, denen KEINE Sprache der noch zu erobernden Länder der Welt fremd ist.)