Hallo,
ich habe die letzten Tage hier nur mitgelesen, aber vieles bringt ich dazu, nun auch etwas zu schreiben. Vor allem Dabs lange Toraden stecken viele Dinge, die ich so nicht stehen lassen will und die vor allem meiner Meinung nach überhaupt nichts mit Railroading zu tun haben.
1. Fehlender Massenkampf: Ich spiele seit 26 Jahren Rollenspiele, und habe bisher Massenkampfregeln weder benutzt noch vermisst. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich auch kein großer Strategie- oder Brettspieler bin und auch das Spiel mit Battlemaps oder Minis nicht sonderlich mag (übrigens auch schon bevor ich 2004 begann DSA zu spielen). Ich konzentriere mich lieber auf eine Figur und ihre Abenteuer als um Armeen, die ich hin und her schiebe. ASOIAF ist das erste System, bei dem ich so was wie Massenkampf hinzu ziehen werde, weil das Spiel einen anderen Fokus hat und Krieg dazu gehört. Aber selbst da bin ich am Überlegen, die abstrakteren Company-Rolls aus Reign zu verwenden. Außerdem gibt es dutzende Systeme, die keine Massenkampfregeln beinhalten (Midgard, SR, alle WODs, DnD seit 3.5 wenn ich nicht irre, usw). Begünstigen die Systeme dann alle Railroading ?
2. Wirtschaftssimulation: Hier gilt im Grunde dasselbe wie oben, habe ich nie benutzt, vermisse ich auch nicht. Ich will mit meinen Charakteren Abenteuer erleben und keine Wirtschaftssimulation spielen. Schon bei Traveller in den 80ern haben wir uns um den Handel kaum gekümmert, und als wie bei WFRPG bei der Enemywithin-Kampagne ein Schiff hatten und Handel treiben konnten, wollte wir das eigentlich auch vereinfachen. Handel zählt für mich nicht zu den elementaren Bestandteilen eines Rollenspieles. Und jeder Spieledesigner hat doch das Recht selber zu entscheiden, was ihm am Spiel wichtig ist und was nicht. Wie schon oben gibt es ja auch etliche Systeme, die ohne so was auskommen und die niemand des Railroadings verdächtigen würde.
3. Familien und Leben außerhalb des Abenteuers: Dazu wurde schon einiges gesagt. Ich möchte ergänzend noch die Frage stellen, was das denn für die Erforschungs-Sandbox-Kampagnen bedeutet? Da dürfte ja Familie und Herkunft auch keine Rolle spielen, sondern die Charaktere sind ein zusammen gewürfelter Haufen, der gemeinsam aufbricht, um unbekanntes Land zu erforschen. Das ist doch eigentlich das genaue Gegenteil von Railroading, oder ist das jetzt nicht so, nur weil es nur das Abenteuer im Fokus gibt.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass sich Railroading nicht durch die Abwesenheit von Regeln auszeiuchnet, sondern durch das Ignorieren von vorhandenen Regeln. Welche Elemente es in einem Spiel gibt oder nicht ist die Entscheidung des Designers. Und wenn er ein Rollenspiel macht, in dem es um herumziehende Abenteurer geht (ob Gutmenschen oder nicht lasse ich offen), dann ist das halt so.
Übrigens, bei DSA4 kann man zwar keine Assasinen spielen, ist aber im Grunde nicht auf Gutmenschen beschränkt sondern kann durch Regeln für Paktierer und Beschwörer oder Al’Anfaner durchaus graue oder dunkle Gestalten spielen. Allerdings ist es wahr, dass es durchaus zu DAS gehört, Weltenretter zu spiele. So wie es bei Shadowrun Sinn der Sache ist, Shadowrunner zu spielen und keine Konzern-Exeks oder Lohnsklaven. Ich auch keine RR-Begünstigung, sondern eine Frage der Core-Story denke ich.
Dann wurden die Regeln für Artefakterschaffung oder Beschwörung angesprochen. Nun kann man sich sicherlich vortrefflich über die Komplexität der Regeln aufregen und das Khun-chomer Magier im Grunde nur zwischen Abenteuern Artefakte erschaffen können, aber für mich ist es doch eine Entscheidung des Autoren des Settings, wie mächtig Magie in seiner Welt ist. Und wenn die Entscheidung ist, dass magische Artefakte halt langwierig und schwierig herzustellen sind und diese keine Dutzendware sind wie bei DnD sind, dass ist das halt so. Es regt sich doch keiner auf und schreit RR wenn es gar keine Magie gibt, oder wenn es bestimmte denkbare Anwendungen gar nicht gibt. Nur weil es DSA ist und dort nicht ganz einfach geregelt ist wird RR gerufen.
Und was so schlimm daran, dass man einen hohen TaW haben muss, um effektiv Beschwörungen und Artefaktmagie benutzen zu können? Bei Stufensystemen muss man überhaupt erst eine Stufe erreicht haben, um einen Zauber zu können, während man bei DSA vorausgesetzt man kommt von der richtigen Akademie oder hat einen Lehrmeister schon mal die Möglichkeit, einen Startwert zu haben. Der Rest ist eigentlich nur eine Frage der AP.
Für mich ist ein Regelsystem eigentlich erstmal das: Ein Regelwerk, dass die mechanische Anwendung der Fertigkeiten für SC und NSC gilt. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, wo ich NSCs mit Handwedeln benutzen würde, und dass müssen dann schon besondere NSCs sein. Bei Staub und Sterne wollten meine Spieler sogar teilweise, dass ich das Würfeln für einen NSC lasse, weil er sowieso besser war als die SC, aber das ist ein anderes Thema.
Damit will ich sagen, dass die DAS-Regeln perfekt und fehlerfrei sind, weit gefehlt. Aber RR begünstigen sie meiner nach nicht. Zumindest nicht durch die obigen Punkte.
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Kommen wir zu dem Thema 3W20 und Wahrscheinlichkeiten, von Feuersänger angestoßen. Ich muss sagen, dass mich exakte Erfolgswahrscheinlichkeiten bei einem Rollenspiel nicht die Bohne interessieren. Weder als Spieler noch als Spielleiter.
Als Spieler reicht es mir, abschätzen zu können, ob der Erfolg wahrscheinlich ist oder nicht. Dazu brauche ich keinen genauen Prozentwert, sondern nur ne grobe Übersicht. Ob die Chance nun 66 oder 70 oder 80 Prozent ist, ist unwichtig für mich. Und wenn ich bei DSA Attribute von 15/15/15 und einen TAW von 10 habe reicht mir das, um abschätzen zu können, wie erfolgreich ich wohl sein werde. Oder 12/12/12 und TAW 7, etwas weniger halt.
Das ist aber nicht nur bei DAS so, sondern auch bei anderen Spielen. Noch nie haben mich exakte Prozentwerte interessiert. Bei Midgard reicht ein Fertigkeitswert von 12 auch um zu vermuten, dass ich eher erfolgreich sein werde als nicht erfolgreich, aber den Prozentwert genau brauche ich auch hier nicht.
Wobei ich wenn ich mich richtig erinnere auf meiner Schule – einer Realschule – Stochastik und Wahrscheinlichkeitsrechnung auch nicht gelehrt wurde. Ist das nicht Abiturstoff ? Es sind ja wahrlich nicht alle Spieler Abiturienten und haben sich deshalb nie mit dem Thema beschäftigt. Deshalb ist in der Spielerschaft wahrschenlich das Interesse an dem Thema auch sehr ungleich verteilt.
Als Spielleiter ist mir die Wahrscheinlichkeit auch egal. Ich lege Schwierigkeiten doch nicht an den Werten der Spieler oder gar einer gewünschten Erfolgswahrscheinlichkeit fest, sondern ich überlege, welcher Schwierigkeitsgrad plausibel für das Hindernis ist. Eine zu erklimmende Mauer wird doch nicht leichter, weil ich eine Chance für einen Spieler festlege, sondern die Schwierigkeit bleibt konstant. Wenn eine Mauer nur von Profis zu erklimmen ist, dann ist das halt so. Wenn kein Spieler gut genug ist, müssen die Spieler sich eine Alternative ausdenken oder später wiederkommen. Wenn der Abzug eine -7 wert ist, dann ist das so. Ein Spieler mit einem niedrigen TaW muss halt auf sein Glück hoffen, und ein sehr guter Kletterer hat gute Chancen es zu schaffen. Ich dachte bisher auch immer, dass das gerade im freien Spiel so gehandhabt wird, dass die Plausibilität der Welt Schwierigkeiten bestimmt und nicht die Werte der Spieler. Aber vielleicht habe ich mich da getäuscht.
Versteht mich nicht falsch, über die 3W20-Probe kann man sicherlich streiten (ich habe kein Probe damit), aber für mich ist die Wahrscheinlichkeit eigentlich kein Argument dagegen, weil ich damit sowieso nie arbeite.
Und Modifikatoren und Schwierigkeiten sind meiner Meinung nach im Ergebnis immer irgendwie willkürlich festgelegt, mag es auch noch so gute Richtlinien geben. Welchen Wert der SL annimmt oder meinetwegen auch welche Wahrscheinlichkeit er ansetzt, ist auch eine Willkürentscheidung des SL. So zu tun, als würde es in irgendeinem Rollenspiel anders sein ist IMHO Augenwischerei.
Ich gestehe ohneweiteres zu, dass die Abenteuer von DSA RR verstärkt fördern, ebenso wie viele Meistertipps. Aber für mich tun die Regeln an sich trotz aller Fehler die, die man ihnen vorwerfen kann, dieses nicht.