Diary. Zusammenfassend:
Drei SL funktioniert, es kann sogar sehr entspannt sein.
Der Spieler fand die Sitzung gut, aber nicht überragend.
Der Spieler fand es etwas anstrengend, permanent im Mittelpunkt zu stehen.
Das Spiel mit mehreren SL birgt Vorteile, aber auch Tücken.
Wir haben die Eskalationen versäumt, sonst wäre es wirklich optimal gewesen.
Und nun ausführlich für alle, die es interessiert.
Die Vorbereitung war ziemlich spontan. Wir hatten kein Setting und kein Regelwerk, alles war improvisiert. Um die Vorstellungen zumindest grob auf einen Nenner zu bringen, wurde das Setting mit "Mittelalter" betitelt. Problem: Der Spieler hat aus historischen Romanen viel Halbwissen darüber und es kam öfter ein "Ja, aber im Mittelalter war das so und so". Derartige Unstimmigkeiten waren nicht zu vermeiden und mussten im Spiel ausdiskutiert werden; es war aber nicht tragisch, unter anderem, weil alle an einer schnellen Abwicklung interessiert waren.
Die Regeln waren sehr simpel. Charaktere wurden risusartig über ein bis zwei Klischees definiert, ohne Werte. Als Probensystem kam eine Hausvariante von Sharrows
Risiko-System zum Einsatz. Aufgrund der Spielweise waren Probenwürfe ohnehin kaum nötig.
Ein SL konnte sich emotional nicht richtig in das Abenteuer reinfühlen und war entsprechend wenig motiviert bei der Vorbereitung und später im Spiel. Es ist ihm nicht gelungen, seine Ideen einzubringen und die gemeinsame Vorstellung über die Charaktere mit uns anderen SL zu teilen. In der ersten halben Stunde des Spiels hat er sich noch ein wenig beteiligt, danach ist er weggepennt (wir haben allerdings auch erst nach 23 Uhr angefangen).
Hier wurde eine Schwäche von mehreren SL offenbar. Wenn die NSCs nicht gut genug ausgearbeitet sind (Was wollen sie? Wie reagieren sie? Wie setzen sie ihre Ziele um?), ärgert man sich manchmal, wenn ein NSC nicht so gespielt wird, wie er eigentlich geplant war. Ein Risus-Klischee ist als Vorbereitung nicht ausreichend.
Ein angedeutetes Potential von mehreren SL konnten wir leider nicht gut nutzen. Die beiden freien SL haben sich im Spiel mehrmals entfernt, um das Geschehen zu besprechen und die Handlungen der NSCs durchzusprechen. Daraus haben wir zu wenig gemacht. Genau hier wäre die Möglichkeit gewesen, Eskalationen und Überraschungen einzusetzen. Wir haben uns stattdessen mit Nebensächlichkeiten begnügt.
Die fehlenden Eskalationen waren der größte, eigentlich auch der einzige gewichtige Schwachpunkt unserer Sitzung. Das lag nicht zuletzt daran, dass das Spiel von Beginn an ganz anders anlief als geplant. Der Spieler hat nicht gecheckt, dass er um den Hauptteil der Schürfrechte kämpfen sollte. Irgendwie sah er wohl auch keinerlei Chance dazu mit den ihm gegebenen Mitteln und ist von Anfang bis Ende als
Vermittler und nicht als
Beansprucher aufgetreten. Dabei hat er sich nach kurzem Schwanken auf die Seite des Freiherrn gestellt. Als Vermittler war er sehr geschickt, leider aber auch sehr deeskalierend. Für uns blieb kaum Angriffsfläche. Ich habe den Freiherrn gespielt, und da der Gesandte für mich den Abt bearbeitete, hatte ich keinen Grund, störend einzugreifen und habe lediglich geschaut, dass alles hübsch weiter läuft. Mein SL-Kollege, der Abt und Kloster übernahm, entschied sich erst sehr spät zu einem Attentat auf den Freiherrn und seine Gefolgsleute. Gerade als es lustig zu werden begann, haben wir das Spiel beendet, weil es schon sehr spät war. Zu diesem Zeitpunkt war der Gesandte schon guter Dinge, seine Arbeit erledigt zu haben und am kommenden Tage wieder abreisen zu können.
Obwohl die Grundidee des Abenteuers von Beginn an über den Haufen geworfen wurde, konnten wir das Spiel sehr locker leiten. Der Grund dafür ist die Vorbereitung von Strukturen und Charakteren. Ein Spieler kann jeden noch so unerwarteten Input bringen, man ist als SL darauf vorbereitet und bleibt handlungsfähig ohne Improvisationszwang.
Sehr positiv zu bewerten ist, dass das Vorhaben eines politischen Spiels voll aufgegangen ist. Es gab nicht das übliche Gedöns um Schlösser-Knacken, Zombies-Töten und dergleichen. Wir haben auch so gut wie keine Regeln gebraucht, weil sich praktisch alles folgerichtig aus dem Vorhergehenden ergab. Die Art der Settingausarbeitung hat einfach die Hauptlast übernommen. Und das Gebilde war dabei verdammt robust. Handlungsmaschine nennt sich das wohl?
Meine Schlussfolgerungen/Vorschläge für die Zukunft:
Alle SL sollten eine gute gemeinsame Vorstellung über die NSCs haben.
Schlüssel-NSCs sollten fest einem der SL zugeordnet werden. Wichtig hierbei: Der zugeordnete SL sollte den Charakter entwickeln.
Alle SL sollten sich an der Ausarbeitung des Abenteuers beteiligen, damit sie ein Gefühl dafür entwickeln.
Für die SL sind spezielle Regeln denkbar, z. B.: Wenn die beiden freien SL sich zur Beratung zurückziehen, müssen sie mit einer lustigen/knalligen Aktion im Gepäck wiederkommen.
Als Regelwerk wird etwas gebraucht, das Charaktere als handelnde Persönlichkeiten erfasst (und nicht als Ansammlung von Attributen und Fähigkeiten).