Dieser Beitrag ist ein Schwesterartikel zu
[Burning Wheel] oliof arbeitet sich durch die Regeln … und soll einen Einblick in Burning Empires und meiner Meinung dazu geben. Er ist sozusagen in Vorbereitung auf den noch ausstehenden Quervergleich der Spiele aus der
Burning … Familie.
Über diesen mehr als 600 Seiten umfassenden Schinken ist an anderen Orten
mehr oder
weniger nützliches gesagt worden.
Für alle die den Links nicht folgen wollen: Auf etwas mehr als 600 großzügig gefüllten Seiten stellt Crane seine Burning Wheel-Adaption der Science-Fiction-Reihe
Iron Empires, einem Zerfallenes-Sternenreich-Körperfresser-Setting. Im Spiel geht es darum, den Versuch der Aliens, den kollaborativ gestalteten Planeten einzunehmen, abzuwehren. Es gibt zwei Seiten, normalerweise spielt der SL die Bösen Aliens(TM) und die Spieler die Guten Menschen(TM), die explizit gegeneinander spielen.
Das Buch umfaßt mehr als 600 Seiten, weil es im Prinzip den Großteil der Regeln aus den Originalregeln (mit vielen kleinen Änderungen) und einen settingangepaßten Character Burner enthält, bevor überhaupt "neues" Material Raum füllt[1].
Neben Regeln für Technologie (i.e. ein Gadget Burner), Aliens (i.e., ein Monster Burner in Space), Psychology (PSI-Kräfte), Scharmützel (einer Abart des
Range and Cover-Systems) und neu interpretierten Schadensregeln (statt schwarz/grau/weiss gibts hier "menschlichen"/"Fahrzeug"/"Superstructure" Schaden, wobei der übergeordnete Schaden für die untergeordneten Versionen schlichtweg vernichtend ist) sind die hervorstechenden Regelbestandteile der
World Burner und die
Infection Rules
Im World Burner bauen die Spieler gemeinsam mit dem SL die Welt um die es gehen soll. Man verortet die Welt in der Spielgalaxis, legt Athmosphäre, Hydrologie und Topoligie fest, wählt einen Techlevel, Regierungsform, wichtige Parteien, Militärpräsenz, Haltung zu den Aliens und bestimmt Wirtschaftsform, Quarantäne- und Zollbestimmungen sowie
wichtige Personen. Aus den verschiedenen Optionen ergeben sich a) Details der Spielwelt, b) mögliche Charakter-Lifepathes und c) ein Grundpunktekonto für die
Infection Rules.
Meiner Meinung nach ist der World Burner eine vertane Chance. Wer Burning Empires zum ersten Mal spielt, wird vermutlich nicht die Welt bekommen, die gewünscht ist (obwohl das versprochen wird), und man wird damit vertröstet, das als Herausforderung zu sehen. Es wäre meiner Meinung nach hilfreicher gewesen, ein Dutzend fertig spielbarer Welten anzubieten, die die verschiedenen Spielvarianten die der World Burner anbietet, abdecken und erläutern. Meinetwegen hätte dafür der knapp 60 Seiten fassende World Burner als PDF Download angeboten werden können (oder in den ansonsten recht nutzlosen Zusatzband wandern).
Die
Infection Rules waren seiner Zeit der
Unique Selling Point für Burning Empires: Ähnlich wie
Duel of Wits / Firefight / Range and Cover etc. wird hier in Phasen über Manöver versucht, den Konflikt zwischen den beiden Partien auf einer "übergeordneten Ebene" zu beschreiben und den Sieg zu erstreiten. Diese Manöver finden parallel zum eigentlichen Spielgeschehen statt, das aber durch die Manöver gefärbt ist. Einen direkten mechanischen Zusammenhang zwischen dem Spielgeschehen und den übergordneten Manövern gibt es nicht. Das wird vom Autor auf einer viertel Seite ziemlich lapidar abgehandelt, und es verstärkt bei mir persönlich die innere Abwehrhaltung gegenüber der ganzen Idee des Metasystems: Eben weil es losgelöst ist und weil es durch die Handlungen der Charaktere nicht direkt beeinflußt werden kann, kommt es mir mehr wie ein enges Korsett vor und nicht wie ein stabiler Unterbau, auf dem ich kreativ agieren kann.
Weiterhin ist die Anzahl und Art der Szenen durch die Manöver Struktur beschränkt: Es gibt Szenen zur Gestaltung der Welt (
Color Scenes), Spielszenen (
Instersitial Scenes), Aufbauszenen (
Build Scenes) und Konfliktszenen (
Conflict Scenes), wobei zum einen fest vorgegeben ist, dass es pro Manöver einen, höchstens zwei Konflikte auf Spielerseite und einen Konflikt auf SL-Seite gibt, die durch Gestaltungsszenen und Spielszenen vorbereitet werden.
Dieser Gesamtkomplex erscheint mir überstrukturiert und wenig hilfreich. Zum einen wird erwähnt, dass sich die Natur einer Szene von selbst ergibt, zum anderen wird auf einer bestimmten und begrenzten Menge von Szenen bestanden, und dann haben diese Szenen auf die
eigentliche Zielsetzung des Spiels, nämlich die Abwehr (oder erfolgreiche Durchführung) der Invasion keinen Einfluß — ich habe das Gefühl, dass der Autor hier etwas verschweigt, dass ich im Spiel herausfinden soll (
emergent properties) und
zudem auch noch jedes verdammte Detail des Spiels verregulieren muss (ich kann zum Beispiel mit Punkten gekaufte Technologie
nicht in Konflikten einsetzen, wenn ich sie nicht vorher mal in einer Gestaltungsszene beschreiben und in Szene gesetzt habe …).
Insgesamt scheint mir Crane zu versuchen, mit den Regeln auf verschiedenen Ebenen einen bestimmten Spielverlauf zu erzwingen. Dabei schießt er aber meiner Meinung nach über das Ziel hinaus und gerät auf eine missionarisch-pädagogisierende Bahn, die mir nicht besonders schmeckt. Wir haben doch schon Beliefs und Instincts und Traits, wieso jetzt noch der ganze Klump obenauf?
Dass Crane zusammen mit Jared Sorenson auf einer Convention eine Veranstaltung mit dem Titel
Game Design is Mind Control anbietet, paßt zu meinem Eindruck wie die Faust aufs Auge. Zwar wird der Vortrag halbironisch mit den Worten
Games are an art form that induces people to irrational behavior that they would not otherwise undertake. Come and watch Luke and Jared make fools of themselves as they try to prove this point. beschrieben, aber ich glaube beim Titel war der Zensor pinkeln.
Ich habe schlichtweg keine Lust, so zu spielen (oder zu leiten) wie Luke Crane es hier bei Burning Empires fordert. Wenn das bedeutet, dass ich "sein" Spiel "kaputtmache", dann werde ich damit leben und hoffentlich
das Burning Empires leiten, dass mir und meiner Gruppe Spass macht[2].
Und hier das für alle Querleser markierte
Fazit: Burning Empires kommt mit einer vielversprechenden Science-Fiction-Welt (in der man auch ohne die Alien-Bedrohung irgendwo zwischen Traveller-Imperium, Fading Suns und Warhammer40K ohne SS-Runen spielen könnte) und einem Haufen Burning-Wheel-artiger Regeln. Die Überstrukturierung in Phasen, Manöver und Szenen scheint mir ein fehlgeschlagener Versuch zu sein, die in den Konfliktsystemen verwendete Stein-Schere-Papier-Mechanik auf eine abstrakte Meta-"Plot"-Mechanik umzumünzen.
[1] Aufmerksame Leser werden anmerken, dass der Character Burner ja auch das Setting mitträgt, im Sinne eines impliziten Settings etc.pp. Das ist richtig, aber zum Einen kommt Crane hier nur zum Teil zum Zuge; das Buch beinhaltet auch ca. 40 Seiten pure Settingbeschreibung — meiner Meinung nach eigentlich genug, da Iron Empires auf vielen bekannten Sci-Fi-Tropen aufsetzt und zum Anderen ist die Darreichung der "Gegenseite" für den SL in Form von eher schwer verdaulichen Life Pathes anstatt eines vollständigen Überblicks (hier ist die allgemeine Settingbeschreibung meiner Meinung nach zu kurz ausgefallen).
[2] Ob und was ich an den Regeln ändern würde, weiss ich nicht. Vielleicht die komischen Szenenbschränkungen abschleifen und daraus ein
Manöver bestehen aus ein bis drei Konflikten, auf die wir gezielt zuspielen. Wer zum Manöverziel passende Konflikte gewinnt, bekommt einen Bonus auf den Manöverwurf machen.