Autor Thema: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"  (Gelesen 33820 mal)

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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #100 am: 8.07.2011 | 17:19 »
Ich denke, es macht einen Unterschied, ob die Spieler bewußt die miese Kneipe vermeiden wollen, weil ihnen da immer... so Sachen... passieren, oder ob sie einfach nur ausnahmsweise die Kohle für den Nobelschuppen haben und deswegen da hinwollen.

Im ersten Fall entwertet die Plotverlagerung des SL die Entscheidung, im zweiten Falle eben nicht.
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

El God

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #101 am: 8.07.2011 | 17:23 »
Das ist das, wo ich mit gefühlter Relevanz hinmöchte und wo ich dem OP Recht gebe. Die Aktion kann man nur "entwerten", wenn ihr vom Spieler Wert beigemessen wurde. Und da kannst du noch so viel gegen PE haben, als SL sollte man auch versuchen zu erfühlen, wie viel Relevanz sich der Spieler von einer Entscheidung erhofft, damit man eben nicht beiläufig etwas unter den Tisch kehrt, was eigentlich problemlos mit Relevanz zu versehen wäre.

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #102 am: 8.07.2011 | 17:27 »
Ich habs nix gegen PE. Ich hab was gegen Typen die schreien "Boah, voll das Railroading" wenn ich sage, die Sonne gehe auf.
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Zitat von: korknadel
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Zitat von: Dolge
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El God

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #103 am: 8.07.2011 | 17:27 »
Ah... Regel 0 ?  :P

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #104 am: 8.07.2011 | 17:36 »
Was die "gefühlte Relevanz" angeht: Das erfordert schlicht Erfahrung, d.h. der SL muß in der Lage sein, die Bedeutung einer Entscheidung einzuschätzen anhand der Äußerungen und sonstigen Signale seiner Spieler bei der Entscheidungsfindung. Das ist natürlich Hit-or-Miss wie alles letztlich Unausgesprochene im zwischenmenschlichen Bereich. Bei steigender Vertrautheit wird sich die Hit-Quote signifikant erhöhen. Das schlägt dann letztlich den Bogen zum OP.

Zitat
Zweitens können wir, wenn nun dieses Entwerten das gleiche ist wie Railroading, auch von außen nicht feststellen, ob Railroading vorlag. Wir können nur fragen, ob der betreffende Spieler sich gerailroadet fühlte.

EDIT/

Drittens spielt halt auch eine Rolle, ob der Spieler sich nicht täuscht in seiner Einschätzung RR-geschändet worden zu sein.
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #105 am: 8.07.2011 | 17:41 »
Ich habs nix gegen PE. Ich hab was gegen Typen die schreien "Boah, voll das Railroading" wenn ich sage, die Sonne gehe auf.
Das hängt vom Setting ab. ;D

Den Betrachtungswinkel ungerechtfertigter Erwartungshaltungen beim Spieler hatten wir bisher nur in Richtung "Rechte und Pflichten des SL" und im Fall des "Schläft mit dem SL"-Bonus....

Dass ein SL sich über geltungssüchtige Spieler beschwert, könnte ein eigenes Phänomen sein.
Man könnte einen solchen SPieler ja "Diva" nennen.

Offline Teylen

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #106 am: 8.07.2011 | 18:23 »
Hauptsaechlich zitiert, da die Diskussion etwas abgedriftet ist und ich nochmals darauf verweisen moechte worauf ich Bezug nehme.
Wir sind und fürchte ich immer noch nicht einig, was hier mit Entwertung gemeint sein muss. Es ist ja ein Vorwurf, wie du etwa aus dem Video siehst. "Schlechte Spielleiter entwerten die Handlung ihrer Spieler!", heißt es. Selbstverständlich kann es z.B. auch dazu kommen, dass ich etwa einen Charakter vorbereite und die Runde nie gespielt wird. Da ist meine Mühe sicherlich wertlos geworden, aber das ist nicht, die Art Entwertung, die gemeint sein kann.

Ich muss einraeumen zumindest zunaechst, mit Abstand vom Video, auf deinen Beitrag eingegangen zu sein.
Hierbei bezieht sich die Differenzierung nicht auf auf eine andere Art von Entwertung, sondern auf die bei der Entwertung beteiligten Parteien.

Das heisst fuer eine Entwertung, im Kontext des Rollenspiels, bewertet der Spieler die Reaktion des Spielleiter als Abwertung seiner Aktion.
Die Frage der Entwertung ist damit in erster Linie von der Bewertung der Spielsituation des Spielers abhaengig.

Hierbei kann der Dissenz einerseits dadurch entstehen das sich der Spielleiter, parallel zum Spieler, entschloss die Situation zu bewerten.
Allerdings ist die Bewertung des Spielleiters nicht zwingend vorrauszusetzen.
Desweiteren kann es selbst bei gleicher Bewertung der Situation zu einer Diskrepanz in der Bewertung der Aktion des Spielleiters kommen.
Dies kann sich im Extremfall derart gestalten das der Spielleiter der Ansicht ist durch seine Reaktion die Aktion des Spieler aufgewertet zu haben, waehrend der Spieler die Reaktion als massive Abwertung empfindet.

Da der Konflikt aufgrund einer Entwertung, die als Railroading bezeichnet wird, von der Bewertung des Spielers ausgeht, halte ich es im gewissen Rahmen fuer falsch davon zu sprechen 'das schlechte Spielleiter die Handlungen von Spielern entwerten'. Zumal dies seitens des Spielleiters ein bewusstes, da negativ wertendes Verhalten voraussetzt.

Ich halte es fuer wahrscheinlicher das in der Kommunikation eine Diskrepanz zwischen der Bewertung des Spielers sowie der Wahrnehmung sowie ggf. Intention oder Darstellung der Reaktion des Spielleiters kam.

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Offline Sir Markfest

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #107 am: 9.07.2011 | 10:23 »
Paar Gedanken dazu, ist ja recht interessant hier allen:

Eines der Probleme ist es ja, das Railroading seit dem Entstehen des Begriffes überhaupt noch nicht und nirgends verbindlich definiert worden ist.
Dann gibt es das Problem, dass die Spieler unterschiedlich „ticken“. Der Railroad-Phobist schreit tatsächlich, wenn der SL sagt „Heute regnet es“ „Railroading! Das kannst du nicht bestimmen!“. Der andere Extremfall lässt sich bedenkenlos in die Eisenbahn verfrachten und genießt auch die krummsten Entscheidungen des SL nach dem Motto: „Das gehört sich so, der SL wird sich schon was dabei gedacht haben.“
Und nicht zuletzt steht eben dem Darstellen und Verwalten der Spielwelt die Entscheidungsfreiheit des Spielers entgegen. Wenn nun ein Spieler jagen gehen möchte, dann ist es meist am SL zum Entscheiden, ob es hier überhaupt Wild gibt.
Der eine Spielleiter legt dies so fest, wie es ihm in die Handlung passt (sollen die SCs aufgehalten werden oder haben sie rasch wieder Nahrung um zügig weiter zu kommen).
Der andere SL wird sich wohl eine Wahrscheinlichkeit ausdenken und drauf würfeln ob es Wild gibt. Auch hier kann aber der Railroad-Phobist Railroading schreien, da der SL die Wahrscheinlichkeit willkürlich festgelegt hat.
Anderes Beispiel: die Spieler wollen von A nach B. Der SL legt fest, dass diese Strecke nicht möglich ist, weil ein Erdrutsch die Strecke unpassierbar macht. Hier könnten die Spieler nun wiederum RR vermuten, dabei ist aber nicht klar, hat der SL den Erdrutsch a) festgelegt weil in diesem Gebiet es topographisch sehr oft vorkommt, oder b) weil dies das Ergebnis des Wurfs auf einer Zusatztabelle war.
Und all dies sind Sachen, die noch gar nicht den eigentlichen Handlungsstrang betreffen. 

Kommen wir zum eigentlichen Plot. Da ist es natürlich ungemein leichter, RR zu bemerken und anzuwenden. Aber auch wenn das Abenteuer einen „vorgesehenen optimalen Ablauf“ hat, wie in den meisten Kaufabenteuern, es ist direktes RR eigentlich gar nicht nötig. Denn hier bemerken die Spieler dies sehr rasch, und daher sollte man hier auch direktes RR vermeiden, das würde die Spielerentscheidungen tatsächlich krass entwerten. Aber das hat sich mittlerweile IMHO schon herumgesprochen, in vielen neueren Abenteuern findet man Hinweise darauf, wie man RR in Sachen Plot vermeidet und was man tut wenn die Spieler nicht dem „vorgesehenen optimalen Verlauf“ folgen.
Denn: für den Plot brauchst du kein RR. Wie hier schon jemand klug sagte: „Die Spieler WOLLEN ja das Spiel spielen = das Abenteuer erleben“. Und wenn jemand dem Handlungsverlauf nicht so folgt wie optimal vorgesehen, nun, das ist egal, das Abenteuer findet seinen Weg. Auch Flaschenhälse finde ich nicht schlimm. Meist führen ja mehrere Wege zum Flaschenhals. Und es liegt noch immer in der Verwaltung der Welt des SL, hilfreiche NSCs oder ähnliches einzusetzen, sofern es plausibel ist. Was natürlich wieder RR sein kann – siehe oben: a) hilft der NSC weil es in dieser Welt plausibel ist b) weil eine Zufallsbegegnung dies ergeben hat oder c) weils der SL willkürlich so bestimmt hat.

Und es ist auch nicht schlimm, wenn die Spieler ein Abenteuer nicht lösen, weil es ein schlecht gestyltes Kaufabenteuer war das z.B. wirklich nur einen einzigen Flaschenhals hatte, den die Spieler nicht finden konnten/wollten. Dann bleibt die Geschichte eben ungelöst.

Das Problem mit Railroading habe ich eigentlich nur dann immer bemerkt, wenn so „wachsame“ Spielern, welche die Entscheidungsfreiheit des Charakters über alles stellen, das Spiel an sich vergessen, weil sie nur darauf lauern, dem SL ein „Railroading“ nachzuweisen, vor allem wenn kein direkt den Plot betreffendes Railroading vorliegt. 

Offline Oberkampf

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #108 am: 9.07.2011 | 11:35 »
Das Problem mit Railroading habe ich eigentlich nur dann immer bemerkt, wenn so „wachsame“ Spielern, welche die Entscheidungsfreiheit des Charakters über alles stellen, das Spiel an sich vergessen, weil sie nur darauf lauern, dem SL ein „Railroading“ nachzuweisen, vor allem wenn kein direkt den Plot betreffendes Railroading vorliegt. 

Die Angst halte ich z. B: für völlig unbegründet. Die meisten Spieler haben - meiner Meinung nach - eine recht hohe Frusttoleranz was Railroading* angeht. Was mich an solchen Diskussionen generell immer etwas verwundert, mit welchen Extremsituationen argumentiert wird, bis man den Eindruck hat, dass alles, was keine reine Sandbox mit Zufallstabellen für jede Kleinigkeit (Wetter, Windrichtung, Strahlungsniveau, Zombiepräsenz vor Ort...) ist, schon von böswilligen Spielern als Railroading bezeichnet werden kann. Oder dass jedesmal, wenn der SL  "so einfach geht das nicht..." bzw. "Ja, aber..." sagt ein Chor der geknechteten Spieler den Railroad Blues anstimmt. Ja, theoretisch mag das stimmen, aber davon es kommt selten vor und ist nicht die Hauptursache für Konflikte zwischen SL und Spielern.

Konflikte am Tisch gibts meistens erstmal um die Frage, inwieweit eine Spielerentscheidung mit entsprechender Charakterhandlung in einer plot- oder abenteuerrelevanten Angelegenheit keine Auswirkungen hatte. Dass der SL das Wetter bestimmt, ist in einem solchen Fall nur dann von Interesse, wenn der Druide/Schamane/Naturhexer der Gruppe vorher aus welchen Gründen auch immer einen Wetterzauber gewirkt hat, dessen Konsequenzen der SL nicht beachtet.

Die zweite größere Konfliktquelle sind "unbezwingbare Hindernisse", die den Spielern nur eine einzige Auswahlmöglichkeit und den Charakteren nur eine einzige Handlungsmöglichkeit übrig lassen. Sowas ist unrollenspielerisch, weil es eben die Spieler aus dem Abenteuerverlauf ausschließt. Es ist aber etwas ganz anderes als das Blockieren einer von vielen Handlungsmöglichkeiten. Wetterbeispiel: die Charaktere können theoretisch über einen Pass reisen, durch einen ghoulverseuchten Tunnel gehen oder mit einem Binnenschiff über einen Fluss fahren, der von Piraten und Echsenmenschen heimgesucht wird. Der SL versperrt durch eine willkürliche Wetteränderung den Gebirgspass (weil ihm coole Nebenhandlungen zum Tunnel und Fluss eingefallen sind) - aber die Spieler haben trotzdem noch Entscheidungsmöglichkeiten, also noch kein RR. 

Die angebliche Opposition zwischen Rail Roading und Plausibilitätsbegründungen ist genauso ein Problem wie die Tatsache, dass in der deutschen Rollenspiellandschaft eben ein Spiel einen maßgeblichen Einfluss hat(te ?), dass eine bestimmte Spielform fast zur allgemeinen Rollenspielnorm erhoben hat. Wenn lauter plausible Umstände die Entscheidungsfreiheit der Spieler auf einen einzigen gangbaren Weg reduzieren, ist das genauso RR* wie wenn der SL Klaviere vom Himmel fallen und aufmüpfige Charaktere erschlagen lässt. Das beliebte "Gegengift Plausibiliutät" bringt also auch Probleme mit sich.


-------------------------------------------------------------------------------------------------------
* In diesen Überlegungen spielt der "subjektive Bestandteil" des RR-Begriffs, also das Wissen und Missbilligen des Schienenlegens, keine Rolle. Die Tatsache, dass die Handlungsfähigkeit der Spielercharaktere auf eine einzige Möglichkeit reduziert ist, tritt ja auch beim Illusionismus und Partizipationismus auf, aber eben mit anderer Bewertung durch den Spieler.
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ErikErikson

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #109 am: 9.07.2011 | 11:57 »
Absolut. Wenn die Charaktere durch einen 20km Betontunnel laufen, dann ist das genauso RR, wie wenn der Spielleiter sie an jeder Kreuzung eh wieder dorthin führt, wohin er sie haben will.

 

Offline Sir Markfest

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #110 am: 9.07.2011 | 12:22 »
Die zweite größere Konfliktquelle sind "unbezwingbare Hindernisse", die den Spielern nur eine einzige Auswahlmöglichkeit und den Charakteren nur eine einzige Handlungsmöglichkeit übrig lassen. Sowas ist unrollenspielerisch, weil es eben die Spieler aus dem Abenteuerverlauf ausschließt.
So ist es. Nicht nur dass es die Spieler ausschließt, das ist auch von der Plausibilität eigentlich ganz unsinnig. Denn es gibt eigentlich immer mehr Auswahlmöglichkeiten, wie im wirklichen Leben. Ich wüsste jetzt aus dem Stegreif keine Situation, wo die Spieler wirklich nur eine einzige Wahl hätten.

Es gibt eigentlich immer sehr viel Auswahlmöglichkeiten (auch die, dass die Spieler die Geschichte aufgeben), so dass nur ein unerfahrener SL darauf nicht vorbereitet ist und aus seiner Sicht aus "gezwungen" ist, nur eine Möglichkeit zuzulassen. Das wäre in der Tat eine unnötige unpassende Schienenverlegung.

Offline MSch

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #111 am: 9.07.2011 | 13:18 »
Die Diskussion hatte ich vor einiger Zeit mit einem Spieler. Der unterstellte mir das und hat einen Riesen-Fez am Tisch angefangen. Ich hab ihm später meine Aufzeichnungen gezeigt, dann hat er sich entschuldigt.
...

Tja, es gibt auch Regelwerke, die so etwas abdecken!

Im erbaulichen Werk "World of Synnibarr", einer kleinen Rollenspielfibel, die jeder gute SL und Spieler gelesen haben sollte, gibt es eine Regelung, daß die Spieler am Ende des Abenteuers die Unterlagen des SLs einsehen dürfen und wenn er sich nicht dran gehalten hat oder die schluderig waren, dann können sie verlangen, daß ihre Charaktere auf den Stand vor dem Abenteuer zurückgesetzt werden, falls aber alles OK war, dann gibt es nur halbe XP. Ähnlich mit Regeluneinigkeiten, je nach Ergebnis halbe oder doppelte XP, wobei die Spieler das Regelwerk eigentlich nicht lesen dürfen ...

Eulenspiegel

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #112 am: 9.07.2011 | 13:32 »
@ MSch
Bei uns ist es eher genau andersrum: Wenn die Spieler unzufrieden mit dem Abenteuer waren, heißt es "Was für ein Schrott. Verbrenn das AB bloß."

Und wenn die Spieler mit dem AB zufrieden waren, heißt es: "Kann ich mir das AB mal ausleien? Ich würde das in unserer Gruppe auch gerne mal leiten."

Sprich, das AB wird sich bei uns nur von den Spielern durchgelesen, wenn sie mit dem AB zufrieden waren. Ihnen da halbe XP für zu geben, halte ich irgendwie für unangebracht.

Allgemein liest sich die "halbe oder doppelte XP-Regelung" so, als ob Spieler und SL gegeneinander arbeiten würden. Wenn Spieler zum Anfang des ABs zurückversetzt werden sollten, dann sollte ein einfacher Mehrheitsbeschluss (oder von mir aus auch ein 2/3 Mehrheitsbeschluss) das Maß der Dinge sein.

@ Sir Markfest
Imho gibt es zahlreiche Dinge, wo es nur eine Handlungsoption gibt:
- Im Flugzeug hatte der Pilot einen Herzinfarkt und irgendjemand muss die Maschine notlanden.
- Deine Nemesis hat dich aufgespürt und will dich tot sehen.
- Der Gegner haut ab und nimmt den rechten Gang. (Natürlich kann man auch links abbiegen. Aber dann sollte man sich nicht beschweren, falls man die Verfolgung verliert.)

Offline sir_paul

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #113 am: 9.07.2011 | 15:11 »
@ Sir Markfest
Imho gibt es zahlreiche Dinge, wo es nur eine Handlungsoption gibt:
- Im Flugzeug hatte der Pilot einen Herzinfarkt und irgendjemand muss die Maschine notlanden.
- Deine Nemesis hat dich aufgespürt und will dich tot sehen.
- Der Gegner haut ab und nimmt den rechten Gang. (Natürlich kann man auch links abbiegen. Aber dann sollte man sich nicht beschweren, falls man die Verfolgung verliert.)

Flugzeug: Wer soll es notlanden und wo überhaupt (Wasser/Land)? Gibt es Falschirme, etc, pp...
Nemesis: Fliehen (wenn es mir schlecht geht), Kämpfen, in eine Fall locken...
Gegener: Verfolgen oder ziehen lassen

Es gibt in den meisten Fällen eine Wahlmöglichkeit welche meistens dann auch Relevant für den Fortlauf der Handlung ist.

Offline Bad Horse

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #114 am: 9.07.2011 | 23:14 »
Euli, deine Beispiele für Situationen mit nur einer (offensichtlichen) Handlungsoption sind komisch.

Ich stelle mir da eher etwas anderes vor, z.B.:
- Hinter mir der Waldbrand, vor mir ein Höhleneingang ins "Dungeon des Todes"
- Tod am Galgen oder als Nachtwache an die Mauer
- Kampf mit allen Wachen des Kardinals, den ich nur verlieren kann, oder verstecken im Gemach der netten Baronin, die scharf auf mich ist. 
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Eulenspiegel

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #115 am: 10.07.2011 | 03:01 »
Flugzeug: Wer soll es notlanden und wo überhaupt (Wasser/Land)? Gibt es Falschirme, etc, pp...
Nemesis: Fliehen (wenn es mir schlecht geht), Kämpfen, in eine Fall locken...
Gegener: Verfolgen oder ziehen lassen
Wer soll das Flugzeug notlanden? Wenn jemand einen Pilotenskill hat, am besten diese Person. Falls nicht, ist es irrelevant, wer das Flugzeug notlandet.
Nein, es gibt keine Fallschirme.

Fliehen und in eine Falle locken ist schlecht möglich, wenn die Nemesis dich bereits aufgespürt hat (und halbwegs kompetent ist).

Ja, OK, "Ziehen lassen" wäre zugegebenermaßen auch eine Handlungsoption. Eine Handlungsoption "Ich verzichte freiwillig auf den Sieg" gibt es natürlich immer.

@ Bad Horse
Ich denke, gerade bei deinen Beispielen gibt es mehrere Handlungsmöglichkeiten:
1) Entweder ich kippe mir Wasser über die Kleidung und versuche, durch den Waldbrand zu entkommen. Oder ich gehe in den Dungen des Todes und warte dort im Eingang ab, bis der Walbrand sich legt. Oder ich klettere über den Dungeon des Todes hinweg. Oder ich gehe in den Dungeon des Todes und versuche diesen zu lösen.

2) Ich kann den Tod am Galgen wählen oder ich tue als Nachtwache an der Mauer meinen Dienst oder ich gehe nur zum Schein darauf ein und fliehe nachts dann über die Mauer. Oder ich versuche, auf dem Weg zum Galgen zu fliehen.

3) Heldenhafter Tod oder Versteck im Gemach der Baronin und Beginn einer Romanze mit der Baronin. Oder Geiselnahme der Baronin. Oder Versteck im Gemach der Baronin. Und falls diese mich dabei sieht, wird sie betäubt und kommt auch ins Versteck. Oder Ermordung von Baronin und anschließend im Gemach verstecken.

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #116 am: 10.07.2011 | 12:23 »

Desweiteren kann es selbst bei gleicher Bewertung der Situation zu einer Diskrepanz in der Bewertung der Aktion des Spielleiters kommen.
Dies kann sich im Extremfall derart gestalten das der Spielleiter der Ansicht ist durch seine Reaktion die Aktion des Spieler aufgewertet zu haben, waehrend der Spieler die Reaktion als massive Abwertung empfindet.
Das ist ein interessanter Punkt, den ich allerdings nicht als RR bezeichnen würde, da hier hauptsächlich ein Kommunikationsproblem besteht.
Railroading verstehe ich als ein Ausnutzen der Hierarchie, um seine Wertung durchzusetzen.

Bei dem Kommunikationsproblem kann das durchaus nach einer kleinen Beschwerde korrigiert sein und es ist sogar wahrscheinlich dass die unterschiedliche Wahrnehmung angesprochen wird und der Sl sich dann vielleicht sogar entschuldigt oder sonstwie versucht wird, diesen Konflikt zu beenden.
Hier hat keine Partei etwas zu verlieren, da sie sich in der Sache (Bewertung der Aktion) einig sind.

Zum RR gehört mMn dazu, dass der SL sich bewusst ist, dass er gerade Macht ausübt.
Deshalb hat sich das Wort Entwerten, das sich so schön aktiv anhört dermaßen durchgesetzt.

Das unabsichtlich falsche bewerten einer Aktion sollte man unter den Kommunikationsproblemen verorten und nicht unter Einstellungsproblemen.

Das falsche Deklarieren von RR am Spieltisch, also z.B. der Kommunikationsproblemfall von oben, oder auch das Problem einer Spielerdiva, fällt mMn nicht in den RR Begriff, sondern ist Symptom einer anderen Problemstellung.

Die Diva ist ebenso ein Einstellungsproblem, wie der RR-SL.
Der Spieler kann kein RR verursachen. Bei Spielern hieße so etwas "schlechtes Charspiel" oder so, wenn er Anreize aus der Gruppe oder durch den SL nicht auf seinen SC anwendet. Gründe können hierfür vielfältig sein (z.B. kann sich ein Spieler ruhigen Gewissens gegen die Thematisierung von sexueller Gewalt sperren und sie für seinen Char völlig ausblenden. Das erzwingen des Themas/Einflusses durch den SL mit der ihm zugestandenen Macht wäre wieder etwas, das in Richtung RR ginge... Es hängt hier an den Spielerentscheidungen und nicht an den Charakterhandlungen.)


RR geht vom SL zu den Spielern und löst bei diesen Unwohlsein aus. Der SL muss sich nicht im klaren darüber sein, dass der Spieler Wünsche hat, es reicht, dass er sich vorherrschend ausschließlich auf seinen Input beschränkt und den der Spieler nicht berücksichtigt.

Will er ihn berücksichtigen, kann es aber nicht transportieren, haben wir kein RR mehr.

Ich hoffe, es ist einigermaßen klar geworden, dass ich gerne zwischen den Symptomen (Jemand schreit "RR!") und der Vorgang der Entwertung von SPielerantscheiden trennen möchte. Ersteres kann mehrere Ursachen haben und letzteres hat seine Wurzeln auf der EInstellungsebene, mit der an das Spiel herangegangen wird.
z.B.
Der SL, der den Input der Spieler prinzipiell als Störung wahrnimmt/bewertet ist ein RR.
Der Sl, der abwägt und seine Ideen immer für besser hält und das durchsetzt, ist ein RR.
Der SL, der aus Hilflosigkeit zu dem Mittel der Macht greift und hofft, dass die Spieler ihm genug davon zugestehen, dass er damit durchkommt ohne dass ein Spieler den Tisch verlässt, anstelle die Kooperation der Spieler zu erbeten. Das kann sein, dass ein genialer Einfall den Plot sprengen würde und der SL damit nicht umgehen kann. Dieser SL ist auch ein RR-SL.
Der SL, der versucht alle Entscheidungen durch Bauernopfer durchzubringen, die den Spieler zwar nicht das Gefühl geben, im gewünschten Maße berücksichtigt zu werden, allerdings auf der Ebene der Streitentwicklung dem SL genug Rechtfertigung zum Machteinsatz geben, ist ein RR-SL.
("Ich habe dir das jetzt schon zugestanden, sei fair und akzeptiere das!" Das ist das, was ich mit dem obigen "du stirbst"-Beispiel meinte.)

Der SL der meint, die gute Idee eines Spielers zu honorieren, diesem dadurch aber auf die Füße tritt, zählt nicht dazu. Denn dieser Fall ist ein Scheitern der Empathie und keines der Handlungsmotivation.


@Dolge
Findest Du, dass das der "gefühlten" Relevanz widerspricht?

sers,
Alex

El God

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #117 am: 10.07.2011 | 12:31 »
Nein, volle Zustimmung zu allen Punkten. "Gefühlte Relevanz" der Spieleraktion vs. die gefühl Reaktion der Spielwelt mag vielen Kommunikationsproblemen und RR-Gefühlen zugrunde liegen, die sich im nachhinein aber entkräften lassen. Ich neige z.B. dazu, den Spielern im Nachhinein zu erzählen, was ich für Handlungsalternativen gesehen habe und welche ich als optimal bewertet hätte und welche ich von der Story her bevorzugt hätte - das hat aber nichts damit zu tun, was dann im Spiel umgesetzt wurde. Das ist wohl auch eine Form von PE, bei der die Ideen der Spieler grundsätzlich erstmal positiv aufgenommen werden, um Ergebnisoffenheit zu schaffen.

Offline 1of3

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #118 am: 22.07.2011 | 10:53 »
Komischerweise versteht hier jeder die Bedeutung von "Spielerentscheidungen entwerten", ohne über die Semantik des Wortes "entwerten" nachzugrübeln.

(@1of3: Damit möchte ich keineswegs deine Analyse des Mechanismus', der dahinter steht, entwerten - die finde ich ganz gelungen.)


Nachdem dieses Thema in den letzten Tagen wieder aktiv wurde, bin ich noch einmal durchgegangen und an dem von dir verlinkten Beitrag hängen geblieben. Als ich den Link zum ersten Mal gesehen hatte, habe ich ihn geöffnet, etwa die erste Hand voll Beiträge in dem Thema gelesen und es dann wieder geschlossen.

Es erscheint mir eher als eine Persiflage. Bei den genannten Beispielen fehlt etwas oder zumindest fehlte etwas, sobald ich die erste Hand voll Beiträge gelesen hatte, nämlich die emotionale Bindung. Bei dieser Aneinandereihung von gar schröcklichen Entwertungen sind irgendwann die Reserven verbraucht, sich auf die angedeuteten Geschichten einzulassen.

Das ist genau das, was ich meine. Damit etwas in dieser Weise entwertet werden kann, müssen wir ihm erstmal einen Wert zugemessen haben.

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #119 am: 22.07.2011 | 21:02 »
Das ist genau das, was ich meine. Damit etwas in dieser Weise entwertet werden kann, müssen wir ihm erstmal einen Wert zugemessen haben.
Aber das ist doch trivial.
Wenn du dir gedanken machst, weil du ein Problem siehst, dann erwartest du doch auch, dass deine Entscheidung zu der dich die Gedanken führen einen Einfluss hat.
Das ist Spielersicht.

Der SL nimmt die Entscheidung und quittiert sie ohne den INhalt zu berücksichtigen. Sie hat keinen Wert, da sie nicht berücksichtigt wird.
Hier geht es nicht um eine graduelle Abstufung des gewünschten EInflusses, sondern um eine komplette Veränderung der Qualität der Aussage.
Einfluss vs. keinen Einfluss (in relevanten Dingen)

Kommunikationsprobleme ungeachtet, Informationsasymmetrien ungeachtet und Erwartungshaltung des SPielers ist die eines Mitspielers und nicht die eines Zuschauers.

Offline 1of3

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #120 am: 23.07.2011 | 13:40 »
Nein. Genau diese Schlussfolgerung, was also für andere von Wert ist, ist nicht sicher durchzuführen. Man kann mit Erfahrung und Wahrscheinlichkeiten argumentieren, aber hier im Forum wird regelmäßig behauptet: Wer das tut, ist ganz ganz schlimmer, railroadender, Spieler entmachtender Finger.

Mitnichten. Er ist das nur, wenn tatsächlich die Betroffenen Leute das für wertvoll hielten. Insofern ist jenes Echauffieren, wie es Dritte gelegentlich praktizieren, ein rechte Lachnummer.

Beispiel: Ich leitete ein Con-Abenteuer. Nach dem Abenteuer entschuldigte ich mich, weil ich mich für Anwandlungen von Railroading. Antwort eines Teilnehmers: "Railroading? War doch ein ganz normales Abenteuer." Antwort des nächsten: "War doch völlig in Ordnung. Wir hatten nur begrenzten Zeitrahmen, kannten das System nicht, was war da zu erwarten?"

Mir scheint diese Feststellung deshalb gar nicht so trivial zu sein.

Offline Scimi

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #121 am: 23.07.2011 | 14:02 »
Railroading lässt sich meiner Meinung nach nur im Spiel feststellen. Wenn ein SL ein Abenteuer vorbereitet und die Spieler am Tisch seiner Planung folgen, lässt sich der Unterschied zwischen Railroading und einem völlig ergebnisoffenen Spiel nicht festmachen. Das zeigt sich erst, wenn Spieler vom Plan abweichen wollen und dann merken, dass die Geschichte vor ihnen abgespult wird und sie keinerlei Möglichkeit haben, den Ablauf zu ändern.

Eulenspiegel

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #122 am: 23.07.2011 | 14:07 »
Ich halte die Gleichsetzung von "Entwertung von Spieler-Entscheidung" und "Railroading" für sehr problematisch.

Beispiel 1:
SL hat ein AB vorbereitet mit extrem linearen Plot. Er überlässt es aber seinen Spielern, jederzeit den Plot zu verlassen, falls er ihnen nicht gefällt.
Den Spielern gefällt der Plot jedoch und sie überlegen an vielen Stellen auch: "Hmm, was müssten wir jetzt wohl tun, um im Plot weiterzukommen?"

Railroading? Ja.
Entwertung der Spieler-Entscheidungen? Nein.

Beispiel 2:
Spieler entscheiden sich, dass sie die letzten Abenteuer über schon genug gekämpft haben. Heute wollen sie sich auf den Ball des bösen Königs einschleichen und ihn dort per Intrige gegenüber den anderen Adligen Schaden zufügen.
Das Problem ist, dass sie vom bösen König bereits steckbrieflich gesucht werden. Also entschließen sie sich, verkleidet in die Burg zu gehen, wenn dort gerade der Hofball stattfindet.
SL meint: "OK, macht mal eine einfache Probe auf verkleiden. Wenn die Probe gelingt, kommt ihr unerkannt auf den Hofball und könnt eure Intrige starten. Wenn eure Probe misslingt, entdecken euch die Wachen und es kommt zu einem Kampf."
Die Gruppe hat eine Wahrscheinlichkeit von 50%, dass die Probe gelingt. Sie würfelt und die Probe misslingt.

Railroading? Nein.
Entwertung der Spieler-Entscheidungen? Ja.

@ 1of3
Ich denke, der Con-SL hat ein Railroading Abenteuer gespielt. Da die Spieler aber alle Lust auf Railroading hatten, ist das vollkommen in Ordnung.

Offline Dark_Tigger

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #123 am: 23.07.2011 | 14:21 »
Moin,

also vll hab ich irgendwo etwas nicht mitbekommen aber im 2ten Beispiel findet doch keine Entwertung der Spielerentscheidung satt.
Die Spieler sagen, wir wollen auf den Ball gehen ohne entdeckt zu werden.
Der SL sagt: "okay, aber..."

Entwertung der Spielerentscheidung wäre. Wenn der SL sagen würde: "Nein. Geht nicht. Die Wache sucht heute besonders genau weil irgendwer ausgeplaudert hat das ihr kommt.
Und die werden euch mit 100% sicherheit finden und festnehmen."

Allerdings gebe ich dir schon recht, dass"Entwertung von Spieler-Entscheidung" nicht gleich  Railroadign ist.
Aber ich denke ersteres ist ein Werkzeug von zweiterem.
Zitat
Noli Timere Messorem
Im Gedenken an einen großen Schrifftsteller

Offline Scimi

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Re: Sog. "Entwertung von Spieler-Entscheidungen"
« Antwort #124 am: 23.07.2011 | 14:24 »
Ich würde beide Beispiele nicht als Railroading bezeichnen. Dieser Begriff ist für mich wirklich mit dem Bild eines Zuges verbunden: Wenn man einmal eingestiegen ist, steht schon fest, wann und wo man auskommt, auf dem Weg ist nicht vorgesehen, dass man den Fahrplan beeinflusst. Das wäre ohnehin nur mit extremen Mitteln (Notbremse, Sabotage, Zugentführung mit Geiselnahme) möglich, die dann sofort mit Justiz, Polizei und SEK bekämpft werden.

Dass man als SL gute Hinweise darauf gibt, wo ein Plot weitergeht und den Spielern einen Handlungsablauf als Default vorschlägt sehe ich eher wie eine Museumsführung: Wenn man dabeibleibt, bekommt man die meisten und interessantesten Informationen, aber wenn einem die Führung nicht gefällt, kann man auch weggehen und sich auf eigene Faust Dinge ansehen, um später wieder zur Führung dazuzustoßen (oder auch nicht). Die Optionen sind nicht unbedingt berauschend, aber man kann selbst entscheiden, wie sein Tag im Museum werden soll.

EDIT
Entwertung der Spielerentscheidung wäre. Wenn der SL sagen würde: "Nein. Geht nicht. Die Wache sucht heute besonders genau weil irgendwer ausgeplaudert hat das ihr kommt.
Und die werden euch mit 100% sicherheit finden und festnehmen."

Nicht einmal das, wenn der SL das vorher festmacht - der SL macht ja nur klar, dass diese Option nicht besteht. Eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit liegt für mich vor, wenn der SL die Spieler eine Entscheidung treffen lässt (Kampf oder Infiltration), diese aber in jedem Fall in einer Kampfszene endet, weil das Abenteuer das so vorsieht.
« Letzte Änderung: 23.07.2011 | 14:27 von Scimi »