Hallo,
ich hab so das Gefühl, D&D ist ein schwieriger Vergleich. Nach meinem Eindruck geht es im OP nicht ausschließlich um Superhelden im Comic-Sinn, sondern einfach darum, dass die Spieler von Anfang an Charaktere in die Hand gedrückt bekommen, die sich deutlich auf einem anderen Machtniveau befinden als der allgemeine Durchschnittsmensch.
Dark Heresy Inquisitoren haben zwar ein paar Asse im Ärmel, aber sie sind nicht so weit vom durchschnittlichen imperialen Soldaten entfernt, dass ein Feuergefecht mit normalen Truppen ein Spaziergang wäre. Bei den eher mäßigen Werten der Inquisitoren hat das Spiel ja am Anfang auch viele Slapstick-Elemente, wenn angeblich sehr kompetente Inquisitoren mit Top Ausrüstung 3 Runden brauchen, um einen tollwütigen Hund u erschießen.
Bei Deathwatch spielt man einen Charakter, der in einer ganz anderen Liga auftritt als ein Inquisitor (sagt zumindest mein Kumpel, der 40 K leiten will). Insofern ist es nicht nur mit "klassischen" (Comic-)Superhelden vergleichbar, sondern mit allen Spielen, wo die Spieler von Anfang an überirdisch starke Charaktere spielen (also z.B. vielen WoD-Spielen, oder Spielen, wo die Spielercharaktere Spaßpunkte zum Ausgeben haben, wie Torg, SW, DF.)
Da gibts meiner Meinung nach vier Möglichkeiten:
1. Ständig genauso starke Gegner: Im Deathwatch-Fall vielleicht Eldarin oder Chaos Marines. Bei Dresden Files eben andere Übernatürliche, Zauberer oder Feenwesen. Bei Scion andere Scions oder Titanenbrut. Dann kommt ein gewisses D&D-artiges Spielgefühl auf, die Herausforderungen entsprechen der Stärke der Charaktere, und es ändert sich nur die Beschreibung des Kampfes, die etwas epischer wird (mit geworfenen Autos und ausgerissenen Laternenpfählen usw.).
2. Akzeptieren der Überlegenheit: Die Charaktere treten überwiegend gegen Feinde oder Hindernisse im normalsterblichen Maß an und können in diesen Konfrontationen ihre Macht voll zur Geltung bringen. Das ist mMn nicht das Gleiche wie die D&D4e-Minions (die ja in Massen genauso eine Herausforderung sind wie normale Monster), sondern ähnelt eher den klassischen "Aufwärmmonstern" des Rollenspiels. Jeder weiß, dass solche Herausforderungen keine echten Gefahren für die Charaktere bedeuten, aber man spielt sie um der Stimmung willen, um den Kontrast zum wirklich mächtigen "Endgegner" hervorzuheben und evtl. je nach System die SCs ein klein Wenig "weichzuklopfen" oder anders auf den Endkampf vorzubereiten. In Deathwatch wären das vielleicht dessertierte normale Soldaten des Imperiums.
3. Abenteuer um das Kryptonit der Charaktere: Der SL konstruiert seine Abenteuer um die Punkte herum, welche die Charaktere nicht mit ihren übernatürlichen Kräften lösen können, um ihre Schwächen herum oder um die "Löcher" in ihrem Fähigkeitsangebot. Diese Möglichkeit wird in Comics ja oft angewendet, wenn der Schurke von den Schwächen der Helden weiß, sie gezielt nutzt und die Helden deswegen einen unkonventionellen Weg gehen müssen, um erfolgreich zu bestehen. In Deathwatch könnten das z.B. die sozielen Fähigkeiten der Charaktere sein, wenn z.B. ein korrupter, vom Chaos berührter Vorgesetzter ihnen unsinnige oder schädliche Befehle gibt und die Charaktere Beweise sammeln müssen, um gegen ihn vorzugehen, ohne als Verräter gebrandmarkt zu werden.
4. Kompletter Fokuswechsel: Der SL verlegt die Konflikte auf eine moralische Ebene, wie es bei Comic-Superhelden oder "Urban Fantasy"-RPGs oft geschieht. Es geht nicht mehr so sehr darum, was die Charaktere alles an Herausforderungen bewältigen können, sondern um Fragen, was die Charaktere alles bewältigen wollen und moralisch gesehen bewältigen sollen.
Damit eine Kampagne mit übermenschlichen Helden längere Zeit läuft und Spaß macht, muss man die vier Punkte öfter mal wechseln oder mischen. Wenn die SCs nicht mit ihren Superkräften angeben können (wenn also Punkt 2 fehlt), dann kann man sich die übermenschlichen Kräfte auch schenken. Umgekehrt wird es lahm, wenn die SCs alles wegmoshen können.
Wenn die Charaktere nicht manchmal gleich starken oder sogar überlegenen Gegnern begegnen, fehlt die Spannung. Umgekehrt wird es unglaubwürdig, wenn jeder NSC ein Superschurke und man keinen Fisch in die Menge werfen kann, ohne einen Übernatürlichen zu treffen.
Wenn die Charaktere nicht mal unkonventionelle Wege gehen müssen, fehlt jeder Anreiz zu innovativen Ideen. Umgekehrt wollen die Spieler aber auch mal die Superkräfte ihrer SCs in Aktion sehen und nicht dauernd nur die Schwächen und Lücken der Charaktere kompensieren müssen.
Wenn die Spieler keine moralischen Entscheidungen in Dilemmata treffen können, fehlt das Gefühl großer Verantwortung. Umgekehrt soll Rollenspiel aber auch kein Crashkurs in Ethik sein.