Hi Tanelornies,
seit einigen Tagen grüble ich (neben anderen Baustellen) an Spieler- bzw. SL-Tipps. Dabei möchte ich keine ganzheitlichen Modelle und Theorien entwickeln, sondern funktionale, praktische Instrumente finden, die einem das Spiel als Improvisation erleichtern und verschönern können.
Da ich in einem
anderen Thread die von mir hoch verehrten
Writing Excuses erwähnte (Season 7 hat grad gestartet
), kam ich auf die Idee, Euch hier eine Anregung aus
dieser Folge vorzustellen, um Eure Kommentare und Meinungen zu erfahren.
Die großartige
Mary Robinette Kowal, ihres Zeichens professionelle Puppenspielerin und Bestseller-Autorin, stellt darin vier Prinzipien des Puppenspielens vor und wendet sie (mMn recht überzeugend) auf das schriftstellerische Handwerk an. Ich persönlich habe das unbedingte Gefühl, dass man eben diese Grundsätze (fast noch besser) auf Rollenspielen und Spielleiten übertragen kann. Vieles davon ist sehr "basic"; aber schön bildhaft dargestellt und übersichtlich.
Hier kurz angerissen:
Prinzip 1 - Blickrichtung (Focus): Das was die Puppe anschaut, ist worüber sie nachdenktAls Spieler: Die vier Prinzipien eignen sich eindeutig um Deinen Mitspielern zu vermitteln, was in Deiner Figur vorgeht (ohne inneren Monolog aussprechen zu müssen). Mache Dir klar, dass Du ausdrücken kannst worüber Du nachdenkst, indem Du beschreibst wohin Du schaust bzw. womit Du Dich beschäftigst.
Als SL: Was für die Spieler gilt, gilt natürlich auch für Dich und Deine SLC. Vor allem aber "fütterst" Du die Sinnesorgane der SC. Du lenkst also die Gedanken der SC mit Deinen Entscheidungen darüber, was Du zuerst, am detailliertesten und eindrucksvollsten schilderst. (Zitat Howard Tayler: "It's not telepathy - it's mind control...")
Prinzip 2 - Atem (Breath/Rythm): Der Atem zeigt die Emotion anAls Spieler: So wie Du mit dem Blick anzeigst was Deine Gedanken sind, zeigt Die Geschwindigkeit Deines Atmens an was Du fühlst. Versuche im Spiel den Atemrythmus Deiner Figur nach zu ahmen. Du wirst nicht nur Deinen Mitspielern mitteilen was Dein Charakter empfindet; Du wirst Dich auch selbst leichter in die Fiktion versetzen können.
Als SL: Entwickle ein Gespür dafür, wie Deine Beschreibungen die emotionale Atmosphäre beeinflussen. Je kürzer Deine Sätze und je schneller der Rythmus Deiner Schilderung, desto intensiver werden die angetriggerten Gefühle werden.
Prinzip 3 - Muskeln (Muscle): Wir brauchen die Illusion, dass sich die Puppe durch eigene Muskeln bewegtAls Spieler: Dein Charakter ist kein reines Instrument der Problemlösung. Alle Handlungen müssen sich aus der Persönlichkeit des Charakters motivieren. Es gilt zu vermeiden, dass Du offensichtlich an den Fäden ziehst, nur um etwas zu bewirken was Du als Spieler (im Gegensatz zum Charakter) Dir wünschst. Mit anderen Worten: identifiziere Dich mit dem Charakter, aber indentifiziere nicht den Charakter mit Dir.
Als SL: Dieses Prinzip ist bei Dir noch kritischer, Da all die verschiedenen SLC ihre eigenen "Muskeln" benötigen. Wenn Du einen SLC handeln lässt helfen Dir die anderen Prinzipien. Über sie kannst Du ausdrücken was in der Figur vorgeht und warum sie tut, was sie tut.
Prinzip 4 - Bedeutsamkeit der Bewegung (Meaningful Movement): Jede Bewegung soll eine Bedeutung transportierenAls Spieler: Immer wenn Dein SC etwas tut, muss es eine Bedeutung haben. (Du kannst immer nur eine Sache zur Zeit beschreiben.) Bei der Schilderung von riskanten Handlungen ist dies recht selbstverständlich. Der Charakter geht das Wagnis nur ein, wenn er ein Ziel verfolgt. Aber auch wenn Du beschreibst, was Deine Figur an einem entspannenden Abend in der Taverne tut, solltest Du mehr aussagen, als nur einen bloßen Vorgang abzubilden. Wenn Deine Figur den Bierkrug in einem Zug leert, sagt das etwas über sie aus. Wenn Du beschreibst, dass Du Dich zum stillen Örtchen zurück ziehst, dann nur weil Du eine Absicht damit verfolgst. (Im Zweifel: "Der SL ist laaaaangweilig!")
ALs SL: Lerne so zu beschreiben, dass Du mehr als nur einen Zweck erfüllst. Jedes geschilderte Ereigniss soll eine Bedeutung für die Geschichte haben (auch wenn es nur darum geht, die SC ab zu lenken). Besonders wichtig ist das vierte Prinzip, wenn es um Proben geht. Riskante Handlungen sollten nur dann mit Regelmechaniken bewertet werden, wenn sie für den Handlungsbogen von Bedeutung sind (egal ob sie gut oder schlecht ausgehen).
Wie gesagt: das ist nur ein kurzer Anriss, von dem ich hoffe, dass er eine produktive Diskussion zur Folge haben kann. Gedanken? Meinungen? Erweiterungen? Ich freue mich auf Eure Kommentare,
Viele Grüße, Henning