Autor Thema: Was machen Würfelsysteme?  (Gelesen 8478 mal)

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Offline Beral

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Was machen Würfelsysteme?
« am: 13.01.2012 | 12:54 »
Während ich einen Artikel über die statistischen Eigenschaften von Würfelsystemen gelesen habe, kreisten die Gedanken ein wenig weiter. Und dabei sind mir Parallelen zur Psychologie eingefallen. Hier geht es also nicht mehr um Statistik, sondern um psychologische Konzepte.

Zuerst die Würfelsysteme. Was tun sie? Sie integrieren ein paar Dinge:
  • Fähigkeit/Attribute = Personenmerkmale (stabil, aber mit der Zeit veränderbar)
  • Schwierigkeitslevel = Bezugsnorm (sachliche, soziale oder individuelle)
  • Boni/Mali = Situationseinflüsse (offensichtliche und quantifizierbare)
  • Zufallselement = Situationseinflüsse (nicht offensichtliche und nicht quantifizierbare)
Soweit ich weiss, kommt kaum ein Würfelsystem um diese Faktoren herum. Und wenn es das versucht, z.B. indem keine Boni vorgesehen sind, neigen die Spieler dazu, das selbst einzuführen. Man kann einfach auf die Kletternfertigkeit würfeln und gut ist. Aber die Spieler wollen den Unterschied zwischen einer grob gehauenen Wand und einer glattpolierten Wand auch regeltechnisch abgebildet sehen, wenn ihnen der Unterschied bewusst ist. Oder sie suchen bewusst nach modifizierbaren Situationsvariablen, z.B. um die geringe Fertigkeit ihres Chars etwas zu unterfüttern ("aber der Berg ist doch nicht so steil, oder?"). Eigene Erfahrung: Auch wenn der SL solche Vorschläge über den Einfluss nicht vorgesehener situativer Variablen konsequent ablehnt, versuchen es die Spieler trotzdem immer wieder.

Das gleiche Set aus Faktoren prägt auch die Psychologie. Was gab es nicht für Grabenkämpfe über die Einflüsse von Personenmerkmalen oder Situationsvariablen. Bei der Bezugsnorm sind sich die Experten relativ einig, aber das Thema ist in sich schwer lösbar. Da es nicht möglich ist, die situationsübergreifend beste Bezugsnorm festzulegen, muss man je nach Kontext immer wieder neu entscheiden, nach welchen Kriterien man bewertet. Das Problem gibt es genauso im Rollenspiel.

Was soll dieser Beitrag? Nichts bestimmtes. Für mich eröffnet sich eine neue Perspektive, auf die Regeln zu schauen. Man sieht nicht nur die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten, die realisiert werden, sondern die dahinterliegenden Funktionen. Da diese Funktionen in der ein oder anderen Form immer wieder verwurstet werden und auch die Psychologie nicht drumherum kommt, kann man annehmen, dass es sich um sehr wichtige und elementare Funktionen handelt. Hier meine ersten spontanen Ideen dazu:

Gewichtung von Person und Situation: Was hat größeren Einfluss? In der Wissenschaft meines Wissens nach nicht entschieden. Als Kompromiss kann man vielleicht eine 1:1 Gewichtung annehmen. Heißt also, dass Personenmerkmale und Situationsvariablen gleich stark das Verhalten bestimmen. Wie machen wir das bei unseren Rollenspielregeln? Wenn wir Fertigkeiten von 1-10 vergeben und Boni/Mali von 1-3, dann gewichten wir die Personenmerkmale klar stärker. Wenn das gewünscht ist, z.B. um Helden zu spielen, ist das eine gute Lösung. Wenn die Fertigkeit hoch ist, spielt die Situation nur noch eine geringe Rolle. Unser Held (Klettern 9) zuckt auch vor der glattpolierten Wand nicht zurück (-3, größtmöglicher Malus), weil er immer noch auf überdurchschnittlichem Niveau (9-3=6) unterwegs ist und 6 Punkte zu seinem Würfelwurf dazuaddiert.

Wir können mit dem Verhältnis von Person und Situation herumspielen und so ein anderes Spielgefühl herbeiführen. Vergeben wir doch Fertigkeiten von 1-5 und Boni/Mali ebenfalls von 1-5. Die Charaktere werden gleich viel bodenständiger. Ob sich unser Held traut, eine Wand zu beklettern, hängt viel mehr von der Beschaffenheit der Wand ab. Eine glattpolierte Wand als die schlimmste anzunehmende Situationsvariable gibt -5 auf Klettern. Selbst der beste Kletterer mit Fertigkeit 5 bekommt keinen Bonus auf seine Würfelprobe. Reine Glückssache, ob er es schafft!

Als zweites fallen mir Probleme mit der Bezugsnorm ein. Dazu gab es schon mal Diskussionen, wenn ich mich recht erinnere. Oft gibt es im Regelwerk eine Schwierigkeitsleiter, z.B. von 1-10, wobei 4 die "durchschnittliche Schwierigkeit" darstellt. Der Durchschnitt von was? Es gibt drei Möglichkeiten:

- Sachliche Bezugsnorm: Die Schwierigkeit definiert sich durch die Zielerreichung selbst. Das Ziel sei, aus 30 Metern Entfernung mit einer Armbrust ins Schwarze zu treffen. Man hat 10 Versuche. Je mehr Treffer man sich vornimmt, desto größer die Schwierigkeit. Im Rollenspiel selten angewandt, weil extrem aufgabenspezifisch. Statt Fertigkeitslisten hätte man Aufgabenlisten. Sowas wie "kann 7 von 10 Mahlzeiten schmackhaft zubereiten". Bei vergleichenden Proben ist die Grenze dieser Bezugsnorm endgültig erreicht. "Kann 7 von 10 Schlägen abwehren" funktioniert schon nicht mehr, weil unklar ist, wessen Schläge abgewehrt werden.

- Soziale Bezugsnorm: Die Schwierigkeit definiert sich über den Vergleich mit anderen Menschen. Wir legen die Schwierigkeit 4 als Durchschnitt fest. Die Hälfte der Menschen schafft eine entsprechende Aufgabe, die andere Hälfte nicht. Für nichtvergleichende Proben ist das ein schlechtes Bezugssystem. Was heißt denn das für die Aufgabe, mit 10 Bolzen aus 30 Metern auf eine Zielscheibe zu schießen? Bei vergleichenden Proben ist das aber ein sehr gutes Bezugssystem. Es gibt uns eine Aussage darüber, wer häufiger trifft. Wenn sich zwei Schützen messen, ermitteln wir, wer von ihnen den Wettkampf gewinnt. Wir erhalten jedoch keine Aussage darüber, wer wie häufig getroffen hat. Dazu müssen wir die soziale und die sachliche Bezugsnorm irgendwie nebeneinander stellen.

- Individuelle Bezugsnorm: Die Schwierigkeit definiert sichdurch die bisherigen Leistungen des Menschen. Was man schon mal gemacht hat, ist leicht. Was etwas darüber liegt, ist schwierig, aber schaffbar. Was weit über dem bisherigen Leistungsniveau liegt, ist sehr schwer oder unschaffbar. Wird im Rollenspiel kaum angewendet.

Muss jetzt aufhören. Feedback wie immer erwünscht.
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Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #1 am: 13.01.2012 | 16:49 »
Zitat
Soweit ich weiss, kommt kaum ein Würfelsystem um diese Faktoren herum. Und wenn es das versucht, z.B. indem keine Boni vorgesehen sind, neigen die Spieler dazu, das selbst einzuführen. Man kann einfach auf die Kletternfertigkeit würfeln und gut ist. Aber die Spieler wollen den Unterschied zwischen einer grob gehauenen Wand und einer glattpolierten Wand auch regeltechnisch abgebildet sehen, wenn ihnen der Unterschied bewusst ist. Oder sie suchen bewusst nach modifizierbaren Situationsvariablen, z.B. um die geringe Fertigkeit ihres Chars etwas zu unterfüttern ("aber der Berg ist doch nicht so steil, oder?"). Eigene Erfahrung: Auch wenn der SL solche Vorschläge über den Einfluss nicht vorgesehener situativer Variablen konsequent ablehnt, versuchen es die Spieler trotzdem immer wieder.

Kann ich nicht bestätigen. Klar kolportieren die meisten Spiele diese Elemente, aber wenn sie das klar nicht tun, dann ist mir auch noch kein Spieler untergekommen, der das einbauen wollte. Beispiel: Pool, PtA, MLwM, Trollbabe.

Das könnte daran liegen, dass du womöglich zu kurz greifst. Was gewürfelt wird, ist eigentlich egal. Wichtig ist, wer sagt, dass jetzt gewürfelt werde, und wer sagt, was hinten rauskommt.

Offline Merlin Emrys

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #2 am: 13.01.2012 | 20:26 »
Was "Würfelsysteme machen"? Nix als Ärger ;-) .
[OT]Ich jedenfalls bin der Ansicht, Würfelsysteme haben keinen eigenen Impuls, der es ihnen erlauben würde, selbständig tätig zu werden. Nur so zu Erinnerung... [/OT]

Zitat
Was gab es nicht für Grabenkämpfe über die Einflüsse von Personenmerkmalen oder Situationsvariablen.
Kannst Du dazu ein bisschen mehr erzählen? Ich kenne nur den Teilbereich "angeboren / anerzogen", und auch da ist mein Stand inzwischen sicher längst veraltet.

Deine Ableitungen kann ich insgesamt eher bestätigen, aber mein Spielhorizont ist da sicher auch beschränkter als der von 1of3.

Offline Beral

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #3 am: 16.01.2012 | 08:49 »
Kann ich nicht bestätigen. Klar kolportieren die meisten Spiele diese Elemente, aber wenn sie das klar nicht tun, dann ist mir auch noch kein Spieler untergekommen, der das einbauen wollte. Beispiel: Pool, PtA, MLwM, Trollbabe.
So ist das bei sozialwissenschaftlichen Phänomenen. Eine beobachtete Gesetz- oder Regelmäßigkeit trifft nie auf 100% der beobachteten Einheiten zu.

Ich habe neulich Fiasco gespielt. Da war im Grunde keiner der vier genannten Punkte vertreten. Nicht mal ein geregeltes Zufallselement hatten wir im Spielverlauf, sieht man von einem Würfelwurf in der Spielvorbereitung ab.

Die 5% Abweichler sind geschenkt. In dieser Diskussion interessiert mich der andere große Batzen.
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Offline Benjamin

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #4 am: 16.01.2012 | 09:07 »
Würfel machen die Story. Wenn ein Wurf nicht bestanden ist, wird nachträglich erklärt, warum das so gewesen ist. Erst der Wurf, dann die Story.

Und Würfel machen die Welt und das Abenteuer. Dank vielerlei Tabellen weiß der SL nie genau, was die Runde in der kommenden Sitzung erwartet. Der Plot entsteht dann beim Wurf.

Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #5 am: 16.01.2012 | 11:16 »
Müsstest du als Sozialwissenschaftler dann nicht empirisch deine Beobachtung belegen? Naja, geschenkt.
Noch spannender wäre, "wichtig" für wen und in welcher Beziehung.

Zitat
Da diese Funktionen in der ein oder anderen Form immer wieder verwurstet werden und auch die Psychologie nicht drumherum kommt, kann man annehmen, dass es sich um sehr wichtige und elementare Funktionen handelt.

Offline Beral

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #6 am: 16.01.2012 | 14:33 »
Noch spannender wäre, "wichtig" für wen und in welcher Beziehung.
Wichtig für alle, die davon betroffen sind. Und zwar in einer Art und Weise, die gar nicht bewusst wahrgenommen wird. Die Vergabe von situativen Boni/Mali ist ja wahrlich kein exotisches Ereignis im Rollenspiel. Warum machen wir das? Welchen Vorteil versprechen wir uns von dieser Verkomplizierung des Gesamtsystems? Fähigkeit + Würfel reicht doch, um sowohl die Person, als auch situative Einflüsse zu modellieren. Trotzdem verlangt es die Spieler offenbar sehr häufig danach, die situativen Einflüsse konkret zu modellieren. Vielleicht tut es das nur in den Fällen, in denen der Würfelwurf als reines Zufallselement größere Bedeutung hat als die Fertigkeit? Kann es sein, dass die Verwendung von Boni umso interessanter wird, je größer das würfelseitige Zufallselement ausfällt? Oder ist es vielleicht genau umgekehrt?

Es ist für Spieler und Designer wichtig. Wie an einem Beispiel im Erstbeitrag demonstriert, entscheidet die Relation von Fertigkeiten zu Boni mit über das Spielgefühl. Man kann den Heldencharakter der SCs betonen oder umgekehrt ihre Bodenhaftung. Das sind doch wahrlich keine unwichtigen Belanglosigkeiten.

Auch die Verwendung von Bezugsystemen führt im Spiel zu Problemen. Darüber lohnt es sich zu reden, weil wir in der Diskussion vielleicht Lösungen finden. Vielleicht haben wir schon Lösungen, die wir implizit nutzen. Dann wäre es super, sie explizit herauszuarbeiten. Dann werden diese Lösungen allen zugänglich.
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Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #7 am: 16.01.2012 | 14:38 »
Hängt doch auch ein bisschen mit dem "Kopfkino" zusammen, oder?

Meine Fertigkeit in Abhängigkeit der Schwierigkeit der zu bestehenden Aufgabe.

Das will man irgendwie abgebildet sehen.

Und das geht ohne größeres Geschiss halt mit "+2".

Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #8 am: 16.01.2012 | 14:44 »
Wichtig für alle, die davon betroffen sind. Und zwar in einer Art und Weise, die gar nicht bewusst wahrgenommen wird. Die Vergabe von situativen Boni/Mali ist ja wahrlich kein exotisches Ereignis im Rollenspiel. Warum machen wir das? Welchen Vorteil versprechen wir uns von dieser Verkomplizierung des Gesamtsystems?

Ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich finds grauenvoll und vermeide es, wie der Teufel das Weihwasser.

Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #9 am: 16.01.2012 | 14:47 »
Ich versteh glaub ich grad nicht so ganz, was an "+3 weil du durch die Stromschnellen statt durch ruhiges Wasser schwimmen musst" so schlimm ist.

Wozu dann überhaupt ein Wert, bzw eine Probe?

Offline tartex

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #10 am: 16.01.2012 | 14:52 »
Das klassische Beispiel für ein Würfelsystem, dass im Grunde einen 50/50-Münzwurf simuliert , aber doch psychologisch ein Spannungskürvchen aufbaut:

Synnibarr mit: Würfel w%. Das Ergebnis bestimmt die prozentuelle Wahrscheinlichkeit, dass das Ereignis eintritt. Unterwürfel das Ergebnis des ersten Wurfs mit w%, um zu sehen, ob es tatsächlich eintritt.
Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
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Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #11 am: 16.01.2012 | 15:36 »
Ich versteh glaub ich grad nicht so ganz, was an "+3 weil du durch die Stromschnellen statt durch ruhiges Wasser schwimmen musst" so schlimm ist.

Weil man sich dann über Regeln Gedanken machen muss. Völlig akzeptabel für mich: "Ich geb drei Gummipunkten aus, um die Probe zu erschweren / zu erleichtern. Das Wasser ist übrigens besonders ruhig / reißen."

Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #12 am: 16.01.2012 | 15:38 »
Weil man sich dann über Regeln Gedanken machen muss. Völlig akzeptabel für mich: "Ich geb drei Gummipunkten aus, um die Probe zu erschweren / zu erleichtern. Das Wasser ist übrigens besonders ruhig / reißen."

Ich kann deinem beispiel grad nicht ganz folgen.

Muss man sich nicht immer ein bisschen über Regeln Gedanken machen beim Spielen?

Wieso ist das in dem Fall was schlimmes?

Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #13 am: 16.01.2012 | 15:40 »
Irgendwer legt spotan, frei Hand irgendwelche Zahlen fest. Igitt.

Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #14 am: 16.01.2012 | 15:51 »
Und dir ists lieber, wenn es entweder:

* Die große Rolemaster-Megatabelle mit angeschlossenem Berechnungssystem gibt, die das Ganze doch nicht wirklich erfasst, weil die Realität einfach nicht mit "+3" zu erfassen ist, oder

* einfach "gar nix" gibt? Nur der Klettern/Schwimmen/Furzen-Wert an sich?


Da wäre mir der Spielleiter, der rein gefühlsmässig einen Wert anhand seiner Spielerfahrung ausgibt lieber.

Aber ich erwarte auch vom Rollenspielen keine geeichte Brettspiel-Erfahrung.

Eulenspiegel

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #15 am: 16.01.2012 | 15:53 »
Weil man sich dann über Regeln Gedanken machen muss. Völlig akzeptabel für mich: "Ich geb drei Gummipunkten aus, um die Probe zu erschweren / zu erleichtern. Das Wasser ist übrigens besonders ruhig / reißen."
Also wenn man einfach so willkürlich überlegt, ob das nun Stromschnellen oder ruhiges Wasser sind, muss man sich weniger Gedanken darüber machen, als wenn man sich vorher überlegen muss, wieviele Gummipunkte man ausgeben muss, damit das nun Stromschnellen oder ruhiges Wasser sind.

Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #16 am: 16.01.2012 | 15:57 »
Tschuldigung, ich glaub ich häng hier nicht oft genug ab, was sind Gummipunkte?

Sowas wie Bennies?

Und wieso würde das was anderes sein als wie die willkürliche Festlegung der Spielleiter/Abenteuerautoren-Seite "Das sind Stromschnellen+2...".

Machts das heiliger wenn man sich den Zustand des Flusses mit "Gummipunkten" erkauft?

Ich sehe da keinen großen Unterschied.

Offline 1of3

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #17 am: 16.01.2012 | 16:01 »
Machts das heiliger wenn man sich den Zustand des Flusses mit "Gummipunkten" erkauft?

Nein. Aber man erspart sich die Rechtfertigung, dass der Fluss jetzt schneller oder langsamer fließt. Die ultimative Rechtfertigung ist, dass da jetzt Gummipunkte liegen.

Offline Grubentroll

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #18 am: 16.01.2012 | 16:21 »
Wieso muss man das rechtfertigen?

Man begibt sich doch in eine Art gemeinsamen Erlebnisraum.
Wenn der Spielleiter sagt, dass die Stromschnellen +3 bei Durchschwimmen sind, warum sollte ich ihm das nicht glauben?

Wenn ich schon auf die Abstraktionsebene gehe, dass ich etwas körperliches wie Kraft oder Geschwindigkeit in einem Wert messe, warum ist es dann schlimm, etwas wie eine Stromschnelle zu abstrahieren? Und wieso ist es schlimm, wenn die Person, die die Welt ausgestaltet, also der SL, das festlegt?


Bzw, warum ist das dann toller, wenns Brettspieliger ist?

Da spiel ich doch lieber gleich Risiko.
« Letzte Änderung: 16.01.2012 | 16:29 von Grubentroll »

Offline Beral

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #19 am: 16.01.2012 | 18:15 »
Völlig akzeptabel für mich: "Ich geb drei Gummipunkten aus, um die Probe zu erschweren / zu erleichtern. Das Wasser ist übrigens besonders ruhig / reißen."
Irgendwer legt spotan, frei Hand irgendwelche Zahlen fest. Igitt.
Widersprichst du dir nicht selber? Warum gibst du gerade 3 Gummipunkte aus (und nicht einen oder zehn), um die Probe zu erleichtern? Spontan irgendwie festgelegt. Igitt?
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Offline Oberkampf

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #20 am: 16.01.2012 | 18:45 »
Irgendwie verstehe ich das Problem nicht.

Benjamin erläutert meiner Meinung nach ziemlich gut, was Würfel für das Rollenspiel leisten: sie bestimmen, wie die "Story" an kritischen Punkten weitergeht. Die situativen Boni/Mal sind ganz einfach ein Versuch einer der beteiligten Interessengruppen, eine höhere Chance zur Bestimmung des weiteren Abenteuerverlaufs zu haben. Wenn ich als SL sage: der Fluss hat eine reißende Strömung, dann rede ich nicht über m/s Fließgeschwindigkeit, sondern über den Schwierigkeitsgrad der Würfelprobe (schwer). Oder noch direkter: ich sage, den Fluss mit normalen Mitteln zu überqueren ist schwer, und dann begründe ich das irgendwie glaubwürdig.

Es kann sein, dass ich das tue, weil ich mir den Fluss reißend vorstelle, oder weil ich eine Spotlight-Szene für den Gruppenathleten schaffen will, oder möchte, dass der Magier seine Tricks auspackt, oder weil ich da einen Hinterhalt plaziert habe usw.

Letzten Samstag haben mich dann Spieler gefragt, wie reißend denn nun ein Fluss an einer betreffenden Stelle ist. Keine Ahnung, ich fahre in RL kein Kajak, rudere nicht, bin kein Rettungsschwimmer und habe auch sonst nichts mit Wasserströmungen zu tun. Das ist einfach nur der Versuch der Spieler, den Schwierigkeitsgrad der Probe herunterzuhandeln. Manchmal durchaus sinnvoll, wenn Spieler von sich aus Ideen bringen, wie ihre Charaktere sich eine Herausforderung erleichtern, weil es dann Kopfkinoszenen erschafft. Als Dank dafür kann man dann den Spielern die Möglichkeit einräumen, ihre Chance auf die Bestimmung des weiteren Abenteuerverlaufs zu erhöhen.

Man muss nur aufpassen, dass mit solchen Methoden nicht jedes "Risiko" (= jede Chance der Spielleiterbestimmung des Abenteuerverlaufs zuungunstend er Charaktere) auf Null gesenkt wird, denn dann kann man das Rollenspiel für jeden Spielertypen außer Taktikern gleich sein lassen.
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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #21 am: 16.01.2012 | 18:54 »
Widersprichst du dir nicht selber? Warum gibst du gerade 3 Gummipunkte aus (und nicht einen oder zehn), um die Probe zu erleichtern? Spontan irgendwie festgelegt. Igitt?

Weil ich noch drei hab und Bock drei auszugeben. Die Frage ist, ob die Fiktion ausgelesen wird oder nicht. Wenn man sich überlegt, hey, der Fluss der ist heute besonders stark strömend und sich dann überlegt, dass daraus eine Erschwernis resultiert, dann werden aus der Fiktion Spielwerte herausgezogen. Was ich zu beschreiben versuche ist genau anders herum. Es wird eine mechanische Operation vorgenommen und dann die Fiktion angepasst.

Man kann auch auf eine Zufallstabelle würfeln. Tut das gleiche.

Offline Beral

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #22 am: 16.01.2012 | 19:32 »
Weil ich noch drei hab und Bock drei auszugeben.
Igitt, spontan festgelegt.

Vor Jahren habe ich mal zwischen extrinsischen und intrinsischen Regeln unterschieden. Das behandelt genau die Frage nach Fiktion auslesen oder nicht. Extrinsische Regeln bestimmen die Fiktion ohne Rücksicht auf die Fiktion. Für dich ist das ein Feature, für viele ist das eine Störung. Intrinsische Regeln bestimmen die Fiktion auch, aber sie berücksichtigen dabei die vorherigen Bestandteile der Fiktion.

Du hast damals schon den Unterschied nicht nachvollziehen können und bei allen späteren Erklärungen auch nicht. Und immer dann, wenn ich mir Gedanken über intrinsische Regeln mache, funkst du unqualifiziert dazwischen, weil du nur extrinsische kapierst und glaubst, dass es keine anderen gibt. Dieser Thread ist keine Spielwiese für dich. Hier geht es um Regeln, die du nicht verstehst und nicht magst. Halte dich bitte raus. Oder beteilige dich wieder, wenn du intrinsische Regeln verstehst und bereit ist, darüber auch zu diskutieren.
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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #23 am: 17.01.2012 | 07:54 »
Sorry, via handy:

Das Problem, welchen Einfluss die Fiktion und Regeln aufeinander haben können oder sollten ist interessant, aber eigentlich ein anderes Schlachtfeld.

Da geht es um Autorität, Herrschaftswissen, Vertrauen, Konsistenz, zugestehen von Macht...


Verschiedene Würfelsysteme unterscheiden sich auch durch ihre Transparenz. In DSA zeigt das Würfelsystem klar, was geprüft wird, ist dem spieler allerdings nicht leicht zugänglich. Das heißt, er hat keine Ahnung, wie wahrscheinlich sein Erfolg ist.

Hier wird Vertrauen durch eine enge Verbindung der Mechanik mit der Spielwelt, insbesondere mit dem Charakter über die berücksichtigten Werte erreicht.

Gurps hat als Steckenpferd seiner Anhänger die "Glockenkurve". Da sie so "realistisch" ist, schafft sie ein Vertrauen in die Spielwelt.
Denn der Erfolgspunkt wird situationsabhangig durch Mods verschoben und charaktetseitig durch die Fertigkeiten. Das ermöglicht es dem sl die wahrscheinlichkeit sehr gezielt zu steuern und liefert direkt Argumente durch die Verwendung der Bonus/Maluslisten.

Fate verschiebt die Glocke durch Fertigkeiten, Siuiationsbeurteilung("Schwierigkeit") und thematische Nähe zum char/szene etc.

Reign entzückt seine Fans trotz eines relativ schwer zu durchschauendes Wkeitsexperiment durch Möglichkeiten, den Wurf auszuwerten.

All diese systeme lassen sich auch auf einer genügend feinen Gleichverteilung w% oder w100000000000 beliebig nah darstellen, trotzdem wird der w% oft nicht für den entsprechenden Aufwand verdammt, sondern pauschal, da er angeblich unplausibel ist.

Die verwendeten Würfel sind ein Identifikationsmerlmal, aber wichtiger ist, dass das Würfelsystem das Gefühl vermittelt, dass alles wichtige berücksichtigt wird und der Spieler versteht,  an welcher Stelle er nach dem Wurf einsetzen darf.

Wird der Wurf verwendet, die moglichen Erzählwege zu bestimmen, einen einzelnen zu entscheiden, das Erzahlrecht für einen bestimmte Zeitraum zu verwalten? Muss bereits erzähltes korrigiert werden oder wird vor dem Ausgang gewurfel. Bleibt das Ergebnis als Ressource liegen oder dient es nur als Orakel...

Und da bin ich an der stelle, die ich oben als anderes Schlachtfeld bezeichnet habe. Das Ergebnis des Würfels muss akzeptiert werden können. Er muss glaubwürdig sein und das System muss für den Spieler ausreichende argumente hierfur liefern.
« Letzte Änderung: 17.01.2012 | 20:13 von N.A.Destruktive Kritik »

Offline Beral

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Re: Was machen Würfelsysteme?
« Antwort #24 am: 17.01.2012 | 09:05 »
Das sind viele verschiedene Aspekte, die bisher schon zusammengekommen sind. Ich versuche zusammenzufassen:

a) Was modellieren die Würfel. Personenmerkmale, Situationsvariablen, Zufallselement.

b) Wie leicht ist die Statistik des Modells intuitiv zu erfassen.

c) Ist das verwendete Modell intrinsisch oder extrinsisch zur Spielwelt. (=berücksichtigt es Gegebenheiten der Spielwelt oder nicht, wenn es auf diese einwirkt.)

d) Ist das Modell realitätsnah oder nicht. Nur für intrinsische Regeln bedeutsam.

e) Entscheidet der Wurf oder kreiert der Wurf. Im ersten Fall sagt der Wurf nur, ob die ausgeführte Aktion erfolgreich war oder nicht. Im zweiten Fall sagt der Wurf zusätzlich, was die konkrete Aktion ist.

f) Modelle, die gar keinen direkten Bezug zur Spielwelt haben und nur auf Spielerebene wirken. (Vergabe von Erzählrechten)
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