Man hat es ja heute als SL nicht leicht. Früher hatte man immer Recht, heute ist man an allem Schuld. Man soll nicht so ein Tyrann sein, will man ja vielleicht auch gar nicht mehr, weil man auf die Idee gekommen ist, wenn die Spieler einem einen Teil der Verantwortung für das Gelingen der Spielsitzung abnehmen, trägt man leichter daran. Also fing man einfach an, weniger zu machen, und erwartete irgendwie, dass die Spieler ganz von selbst das entstehende Vakuum füllen würden. Machten sie aber nicht, stattdessen herrschte Vakuum allenthalben.
Dann ging man los und informierte sich. Zum Glück gibt es ja einen Ort, wo jeder auf alles eine Antwort hat. Also hörte man sich eine Menge Unsinn im Internet an und vielleicht auch ein paar interessante Ideen. Dann stieß man auf Modelle für reaktives ergebnisoffenes Spielleiten. Vielleicht eines namens Bass Playing, oder heutzutage wahrscheinlicher eines namens Sandboxing. Der Witz dabei bestand darin, alles über Ausgangssituation und nichts über geplanten Handlungsverlauf zu machen. Den Spieler das Heft des Handelns in die Hand zu drücken und dann die Spielwelt einfach nur auf sie reagieren zu lassen.
Das machte man eine Weile, und wartete auf den großen Aha-Effekt. Auf dieses Heureka, das sich doch einstellen musste, wenn man den anderen glauben durfte. Das gelobte Land des modernen (bzw. altmodischen) Rollenspiels. Nur fragte man sich irgendwie, warum man sich als SL oft so untätig und hilflos vorkam. Warum man diese dramatischen, temporeichen Ereignisse so vermisste, die man den Spielern in den düsteren Tagen der Tyrannei aufgezwungen hatte, und die Spieler selbst ebenso ratlos schienen. Irgendwie spielte die Gruppe, aber nichts vergleichbar Spannendes passierte. „Das ist dann eben so“, sagten die Experten. „Das ist ein Feature, kein Bug.“ Aha, na dann. Aber irgendwie guckten sich am Spieltisch alle an und fragten sich, wann es denn jetzt mal richtig losgeht.
Eine universelle Wahrheit lautet ja: alles kommt wieder. Sogar (z.B. unter dem Stichwort „Story Before“ derzeit auf der Schmiede diskutiert) der wohlmeinende SL-Tyrann. Nur mit demokratischer Legitimation. Er darf wieder einen Plot vorbereiten, aber er soll flexibel sein (was er vielleicht auch vorher schon war). Er darf wieder Sachen zurechtbiegen, aber es soll transparent zugehen (was es vielleicht vorher schon tat). Er soll die Spieler nicht zu sehr einengen, sondern ihnen Freiräume lasen (was er vielleicht vorher schon gemacht hat). Und jetzt kriegt er auch noch eine Analogie aufs Auge gedrückt, nur so, damit er auch eine hat: Er lenkt ein Tandem. Der Spieler muss mit in die Pedale treten, damit es flutscht, aber der SL hat den Lenker in der Hand. Nur: Wo man hin will, darüber sollte trotzdem Einigkeit bestehen, sonst hört der Spieler auf zu treten, und das war es dann vielleicht auch, was den SL ursprünglich mal in die Ödnis der Sandkiste hinaus getrieben hat. Wenn nämlich der Typ hinten auf dem Tandem die Beine hochlegt, wird’s für den vorne ziemlich anstrengend.