@Serialisten
Ich werfe die Neue Musik gerne in einen Topf. Vor Allem, da ich dort nicht sehr fit bin und zum Beispiel in der neuen Musik Italien, Deutschland etc eh nicht auseinanderhalten kann.
Ich hatte die 12Tonmusik jetzt mit den Serialisten zusammengewürfelt, wie den Boogie zum Blues.
Mea Culpa.
@U und E-Musik
Ich empfinde es auch so, dass mich moderne Musicals musikalisch extrem anöden. Das beste, was man erwarten kann, ist ein Ohrwurm, aber die Platte wandert dann in den Schrank und kommt alle Jubeljahre mal wieder für einen Song in den Spieler, während Musik wie Gorod bei mir alle drei Monate in der Rotation ist.
Das Publikum ist ein anderes.
Das Problem bei der Unterteilung zwischen E- un U heutzutage sind die Musiker, die ihre U-Musik ernst nehmen.
Du sprichst mit dem Gedanken, dass die Ernste Musik eben jene ist, die auf eine Theorie aufbaut und auf entsprechenden Hintergrund verweist, einen interessanten Aspekt an.
Für die Zeit vor 1800 passt das mMn auch sehr gut... wobei ich kaum U-Musik aus dieser Zeit kenne, von den ganz alten Volksweisen einmal abgesehen.
Ich vemute einmal, dass Lieder wie "Hoch auf dem gelbem Wagen" und andere Arbeitslieder sehr sehr alt sind.
Deren Zweck war ja ein ganz anderer. Die Frage und Antwortgesänge zwischen Männern und Frauen waren Lied, Spiel und Zeitvertreib, Flirt und vielleicht auch Koordination der Arbeit?
Der wichtige Punkt ist das
Publikum (abhängig von der Situation z.B. unter der Dusche/Verdi et al. als Wendepunkt?).
Heute zählen andere Dinge an der Musik. Sie soll die Gefühle (positiv) beeinflussen, soll Bilder und Phantasien im Kopf entstehen lassen (in drei Minuten) und sie muss sehr schnell funktionieren (nach wenige Takten).
Da ist es wichtig, dass die Melodie greift und auf den Covern die Bands visuell ganz klare Botschaften senden. Verkaufen sie den Traum von Sex mit der Popgöttin oder ist der junge Kerl da zum anhimmeln da, sind es harte Kerle, die man seinem Wunsch nach Rebellion als Projektionsfläche anbieten kann, sind es Vorbilder oder spielen sie Clowns?
Die Musik zu den Figuren wird regelmäßig ausgetauscht, genau wie die Figuren. Viel wichtiger ist, dass die Musik neu ist, denn neue Musik, ist von sich aus gut... sie zu kennen und gut zu finden gibt Ansehen, vor Allem, wenn das Gefühl für das die Gruppe steht gerade in der Peergroup hoch im Kurs steht.
Pop wird wirklich antrainiert und zwar aus vielen verschiedenen Richtungen.
Zwischen den Popsongs wird in Sekunden entschieden und die Moguln buhlen um diesen Sekundenmarkt.
Worauf ich hinauswollte:
Wenn heute mit Musik Geld verdient werden will, dann verbietet es sich, die Musik sperrig zu machen.
Früher musste sie gefallen und reizen und am Ende soll es möglich sein, sich mit anderen Kennern über Details zu unterhalten, die man vielleicht doch übersehen hat. Man kann das nicht vergleichen.
Eine geniale Idee hat hier das Zeug, eine ganze Musikrichtung für zwei oder drei Saisonen zu schaffen, während sie zur Zeit von Bach für ein Stück gereicht hat und danach zum Repertoir gehörte.
Beispiel hierfür ist der Dubstep. Übergang von Melodie zur Klangfarbenmelodie und zurück... eine komplette Musikrichtung mit Zig verschiedenen Unterstilen...Wubwubbwubb.
Das heißt allerdings nicht, dass sich hier reflektierte Betrachtung der Theorie und die Komposition der Stücke spinnefeind sind.
Ich halte
diesen Ohrwurm von Marit Larsen für extrem raffiniert durchgestaltet.
Ich wette Mark und Bein, dass jede einzelne Sekunde in dem Lied begründet ist und der Komponist die ganzen Brücken, Breakdowns und Rampen mit einer Funktion benennen kann und die mit Absicht gewühlt wurden, um im drei Minutenformat der Radiomusik den Hörer immer weiterzuziehen.
Die Instrumentwahl, die Stimme alles ist haarfein abgemischt und 100% durchproduziert. Keine Kanten, nichts sperriges, alles passt und am Ende hat man das Gefühl, noch einen Refrain zu wollen, da er nach der letzten Rampe nur zweimal wiederholt wird (er ist sehr lang für ein Popsong) und offen ausklingt.
Dieser Song verschießt sein ganzes Pulver in einem Durchgang...dafür wurde er gebaut. Eine absolut verdiente Nr.1
Ein weiterer Hinweis darauf, dass Popgrößen sehr reflektiert mit ihrer Musik umgegangen sind und ist die Tatsache, dass es breiten Einfluss von E nach U gab und gibt.
Die Beatles liebten Stockhausen.(Ich meine auch was in Bezug auf Grateful Dead und Stockhausen gelesen zu haben.)
Das macht es wieder so schwer E-Musik über Prädikate wie ernstgemeint, anspruchsvoll oder reflektierte Musik zu beschrieben.
Die Definition der klassischen Musik von Bernstein finde ich dort sehr lustig:
"Wenn ein Komponist ein Stück schreibt, das man allgemein als klassische Musik bezeichnet, schreibt er die genauen Noten nieder, die er haben will, und bestimmt die Instrumente oder Stimmen, die seine Noten spielen oder singen sollen - er legt sogar die genaue Anzahl der Instrumente und Stimmen fest.
Er schreibt auch so viele Anweisungen auf [...], damit er den Spielern oder Sängern so sorgfältig wie möglich mitteilt, wie schnell oder langsam, laut oder leise es sein muß [...]"
"Das heißt, dass die sogenannte klassische Musik nicht geändert werden kann, es sei denn durch die Persönlichkeit des Ausführenden. Diese Musik ist beständig, unabänderlich, exakt. Das ist ein gutes Wort: exakt. vielleicht sollten wir diese Art von Musik so nennen: exakte Musik."
(Quelle: L.Bernstein - Konzert für junge Leute, 4.Ausgabe, Kapitel "Was ist klassische Musik?)
Das bedeutet, dass man jedes Stück mittlerweile per Computer in Klassik umwandeln kann, denn dieser kann jede gespielte Note aufzeichnen, sodass man den Prozess der Musikentstehung hier umkehren kann...
Mittlerweile gehe ich davon aus, dass E-Musik Musik ist, die für eine bestimmte Art gehört zu werden gedacht ist.
Sie soll von einem Publikum gehört werden, für das U-Musik ein Schimpfwort ist und sie ist E-Musik, wenn dieses Publikum sie als E-Musik annimmt.
Auch das Phänomen, das Jean Michel Jarre einfach mal zehn Jahre vor Phil Glass die gleichen Ideen hatte und diese auch noch schöner umgesetzt hat, bringt mich (selbstzufrieden und überlgen lächelnd) zum Schmunzeln.
Das eine ist U, das andere E.
Die Unterteilung zwischen U und E bringt einen mMn heute nicht mehr weiter.
@Musiktheoretische Neuerungen oder Kulturelle Trends und Mischformen?
Die bedeutenden neuen Musiken im 20 Jhd waren immer in kulturelle Entwicklungen eingebettet, mit ihnen verzahnt oder sonstwie mit einem Zweck versehen.
Hier nehme ich die Clubszenen eindeutig mit auf, da sie einen ziemlich abgeschlossenen eigenen Raum beschreibt und sich sogar relativ gut je nach Genre verorten lässt.
Auch hier ist die Musik zweckgerichtet.
Selbst wenn der Zweck wie beim Gabber recht einfach und klar formulier ist: zappeln und ausklinken.
Im Grunde ist das Arbeitsmusik.
Wie das "Hau-Ruck, Hau-Ruck" dabei hilft, die Kraft zu Koordinieren und einen gemeinsamen Rhythmus vorzugeben, also einen sehr engen anwendungsberiech hat, gibt einem diese Tanzmusik den Rhythmus zum Zappeln, die gängige Choreo gibt einem die Bewegungen und der Rest kann aus der Aufmerksamkeit verschwinden und irgendwann bleibt nur die Bewegung der Rhythmus in einem fort.
Die Gute-Laune-Musik, mit der man seine Stimmung aufhellen soll und das in drei Minuten und am besten während der Autofahrt oder neben der Arbeit, gibts auch noch...
Da verschwimmt Musiktheorie mit den Gesellschaftswissenschaften und zwar mMn zu recht, denn die Musik steht nicht mehr für sich alleine.
Selbst wenn es den Ursprung nicht mehr gibt, so klingt das Bild noch mit und Musiker, die dieses Bild nutzen möchten können es mit den entsprechenden Werkzeugen hervorrufen.
Wer punkig klingt, hat sofort das Klischee parat, mit dem er spielen kann.
Wer ein Grungestück covert kann dies als Miley Cyrus tun und macht ein Statement... Das Bild schwingt mit. Die Absicht ist klar: Hey, ich stehe als Privatperson in der Nähe dieser Musik!
Wenn jemand wie Peter Gabriel nun eine "Scratch my back" Reihe herausbringt, in der er mit anderen Künstlern Songs hin- und hercovert so ist dies eine Formvorgabe und der Titel gibt auch ganz klar eine Interpretationsvorgabe.
@Meyerbeer
Der war musikalisch schon auf der Höhe. Das Publikum hat das ja auch verlangt, aber der Konkurrenzdruck an der Pariser Oper war enorm. Der Bühnenzauber war da Pflicht und Meyerbeer musste sich auch immer wieder selbst übertreffen...